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Reading Challenge 2023

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Jaylee:
[5/40]

3: Zwischenfall in Seveso von Jörg Sambeth

Ich möchte hier keine Punktzahl vergeben.  Man merkt, dass der Autor kein Schriftsteller ist. Zwischendurch war ich verwirrt, was jetzt wann passiert ist und wo wir uns in der Geschichte befinden. Nach einigen Lesesessions kam ich besser in den Stil rein, aber gelesen habe ichs wegen der erschreckenden und abstrusen (doch irgendwie wahren) Geschichte dahinter. Ich merkte wieder mal, wie mir der geschichtliche Hintergrund für sowas an vielen Stellen fehlt und dass ich das meiner Geschichtslehrerin bis heute vorhalte.


4: Das neunte Gemälde von Andreas Storm

8/10 kubistische Werke

Auch wieder sehr eng mit der deutschen Geschichte verwoben, aber diesmal ein zumindest zum Teil fiktiver Krimi. Dadurch, dass sich das ganze Bild erst erschließt, wenn man erfährt, was zu mehreren Zeitpunkten in der Geschichte (hauptsächlich 1943, 1966, 2016) wann vom wem und wo getan wurde, ein sehr schön komplex verwobenes Bild. An vielen Stellen ein Blick über meinen Tellerrand. Hat Spaß gemacht und mich zum Nachdenken gebracht. Ob ich die Fortsetzungen lese, weiß ich noch nicht.

5: Ich bin dein Schicksal von Kira Licht
(Dusk & Dawn 1)

5/10 Kugeln Angst

Keine Meisterleistung des Lektorats, ich habe selten so viele Fehler und Eigenheiten gelesen wie hier. Außerdem einige Dinge, von denen Jungautoren im allgemeinen recht schnell abgeraten wird, glaube ich. Schade, denn die Welt Obskuris gefällt mir eigentlich ganz gut. Die Idee, dass es die Monster unterm Bett wirklich gibt und sie die Angst der Kinder sammeln und in eine andere Dimension tragen fand ich auch schön.
Vielleicht bin ich so langsam zu alt für solche Jugendbücher?

Menthir:
#2

Markus Heitz - Die Zwerge

Ich habe das Buch damals im Veröffentlichungsjahr 2003 gelesen, und ohne zu viel ins Detail zu wollen: das Buch ist ganz gut gealtert und nach wie vor gut lesbar. :-)

8 von 10 Punkte

#3

Richard David Precht - Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens

Ich habe das Buch geschenkt bekommen, und als solches die Verpflichtung empfunden, es auch zu lesen.

Und damit könnte an dieser Stelle auch alles gesagt sein, was zu diesem Buch zu sagen ist. Es sind gedruckte Buchstaben auf weißen Papier.

Wenn man etwas darüber hinaus sagen möchte, ist zumindest zu bemerken, dass Prechts Duktus auffallend herabwürdigend ist. Fast das gesamte Buch bezieht sich auf Bewertungen, inwieweit andere Denker zu kurz denken und analysieren, wobei Herr Precht viel zu häufig offen lässt, was nun das zu kurz gedachte sein mag und inwieweit man es besser denken könnte. Dabei schert der Autor KI-Denker, Philosophen, Kabarettisten und alles, was denkt oder seiner Ansicht nach auch nicht, über einen nicht sehr feinen Kamm.

Was er dabei aber nicht sieht, ist, dass er die Möglichkeiten von KI, aber auch die Gefahren nicht ausreichend beschreibt. Einerseits belächelt er selbst die Utopisten und die Dystopisten von KI, andererseits entlehnt er seine Argumente dort zentral und verkürzt diese. Seine offenkundig eigenen Stellungnahmen grenzen bisweilen ans Naive.

So richtig will einem auch nicht klar werden, inwieweit er sich mit diesem Buch als Kassandra darstellen möchte, die vor Big Data und der moralischen Verrohung durch Anonymisierung warnen will, aber wohl - von Apollon verflucht - nicht gehört wird, und inwieweit er nicht doch auch Chancen und Möglichkeiten sieht.

Am Ende bleibt der Autor also zurück als diffuser Alarmmelder, der trotz anderslautendem Vorwort und dem kruden Versuch im Epilog nicht wirklich überzeugend darstellen kann, was er mit diesem Buch überhaupt will. Der Buchtitel suggeriert auf jeden Fall eine tiefgehendere und analytischere Beschäftigung, aber auch als rein populärwissenschaftliche Lektüre ist das Buch - und zu solchen harten Urteilen gelange ich selten, und ich tue mich auch jetzt schwer - ein Gähner.

Der Kritik an der KI ist nichts neues hinzugefügt, den Worten pro KI auch nicht. Die Argumente, wie beschrieben, sind verkürzt, und in der herablassenden Bewertung anderer Denker und Denkrichtungen steckt weder Witz noch Esprit, sodass es sich am Ende schlichtweg belanglos anfühlt und auch liest.

Der Autor hat ehedem sorgfältigeren Umgang mit dem geschriebenen sowie dem gedachten Wort gepflegt, und ich würde mir wünschen, dass er dorthin zurückkehrte.

1 von 10 Punkte

#4

John Julius Norwich - France: A History: from Gaul to de Gaulle

Ein liebevolles, kleines Geschichtsbuch, welches nicht auf die großen Erkenntnisse aus ist, sondern einen soliden Überblick aus liebevoller Perspektive gibt. Besonders genossen habe ich, dass Norwich auch belächelte Gestalten der französischen Geschichte ein mildes Urteil angedeihen lässt und vieles einfach im Kontext der Politik liest als in persönlichen Verfehlungen, ohne diese gänzlich zu vergessen.
Ein älterer Herr schreibt von seiner Liebe zu Frankreich. Ein wenig rührend, aber trotzdem solide.

7 von 10 Punkte

#5

Emma Marriot - The History of the World in Bite-Sized Chunks

Ein sehr kurzes Geschichtswerk, welches eher ein Übersichtwerk sein will. Und das ist es. Manchmal verschluckt es wichtige Informationen, sodass es hier und da unfreiwillig eine Tendenz zu erkennen gibt statt Neutralität. Aber im Großen und Ganzen gelungen, und zwar insofern, dass es eine globale Geschichtsperspektive aufspannt und keine rein europäische. Durch die verkürzte Darstellung zwangsläufig etwas nüchtern.

6 von 10 Punkte

Weltengeist:

--- Zitat von: Menthir am 13.02.2023 | 09:58 ---Richard David Precht - Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens

(...)

Der Autor hat ehedem sorgfältigeren Umgang mit dem geschriebenen sowie dem gedachten Wort gepflegt, und ich würde mir wünschen, dass er dorthin zurückkehrte.

--- Ende Zitat ---

Oh, geht das nicht nur mir so? Das tröstet mich jetzt aber. Ich war zu Beginn wirklich ein Precht-Fan, aber schon seit vielen Jahren lassen mich seine Bücher mit schöner Regelmäßigkeit enttäuscht zurück. Inzwischen habe ich aufgehört, ihn zu lesen, dachte aber immer, dass das mehr so mein persönliches Problem sei. Es beruhigt mich daher irgendwie, wenn andere auch den Eindruck haben, dass der frühe Precht deutlich nuancierter, anschaulicher und humorvoller war als der oberflächliche und weltverbesserische Precht von heute.

Timberwere:

--- Zitat von: Auribiel am 11.02.2023 | 01:53 ---Scholomance 3, die goldenen Enklaven gerade fertig gelesen. War ein schöner Abschluss und hat mich besser unterhalten, als ursprünglich gedacht. Und mit einem der für mich erschütterndsten Plottwists, die ich seit langem gesehen habe. Beeindruckend!
--- Ende Zitat ---

Da kann ich dir nur zustimmen, in allen Belangen. Auch und gerade, was den Plottwist angeht.

Tele-Chinese:
Ich trete dieses Jahr mal aus dem Schatten mache auch mit. Zwanzig Bücher möchte ich dieses Jahr lesen. Das wäre also meine Zielmarkierung - auch wenn Lesen dann nicht einfach aufhört.

Und das erste Buch dieses Jahres ist auch schon durch. Nebenher und teilweise auf der Arbeit :)

Klasse und Kampf, Christian Baron (Hrsg.), Maria Barankow (Hrsg.), 2021, ISBN: 9783548066073

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Was bedeutet es, in einem reichen Land in Armut aufzuwachsen? Zur „Unterschicht“ zu gehören und dafür ausgelacht und ausgegrenzt zu werden? Sich von seinem Herkunftsmilieu zu entfernen, aber die eigenen Wurzeln nicht verraten zu wollen? Und dennoch im neuen Milieu nie wirklich anzukommen?

Deutschland gibt sich gerne als ein Land, in dem Klasse unsichtbar ist. In dem die Chancen auf Bildung und Wohlstand für alle gleich sind. Klasse und Kampf räumt mit diesem Mythos auf. 14 Autor*innen schreiben in persönlichen Essays über Herkunft und Scham, über Privilegien und strukturelle Diskriminierung, über den Aufstieg und das Unwohlsein im neuen Milieu. Zusammen ergeben ihre Stimmen ein vielschichtiges Manifest von großer politischer Kraft.

Mit Beiträgen von Christian Baron, Martin Becker, Bov Bjerg, Arno Frank, Lucy Fricke, Kübra Gümüsay, Schorsch Kamerun, Pinar Karabulut, Clemens Meyer, Katja Oskamp, Sharon Dodua Otoo, Francis Seeck, Anke Stelling, Olivia Wenzel.

Ein paar der Erzählungen, Geschichten oder Erinnerungen fand ich berührend. Wie zum Beispiel Augenhöhe von Piinar Karabulut, die von ihrem Vater erzählt und wie er als Gastarbeiter nach Deutschland kam. Mit wieviel Pragmatik, Witz und Charme er seinen beruflichen Weg machte. Aber auch welche Demütigungen er erfuhr auf seinem Weg hierher.
Oder traurig, berührend der Beitrag von Kübra Gümüsay mit dem Titel Totenwaschung, der Entfremdung, aber auch Genügsamkeit, Zufriedenheit und Glück im Leben einer Gemeinschaft erzählt. Sharon Dodua Otoo wiederum erzählt davon, wie sie als Alleinerziehende Mutter und trotz eines Bestsellers, um jeden Cent für Vorträge bzw. Lesungen streiten muss. Und welchen Wert sie sich beimißt. Denn sie muss schließlich essen!

Einige ganz wenige habe ich nicht verstanden, oder mir war der Text zu "künstlerisch". Besonders spannend fand ich, das klingt bei meiner obigen Auswahl sicherlich bereits an, migrantische Perspektiven. Und mir wurde wieder bewußt, dass Klasse nach wie vor ein wichtiges Untershceidungsmerkmal ist! Das meine eigenen Wurzeln mich nicht loslassen, aber Zugehörigkeit - als Bildungsaufsteiger und Akademiker - als Gefühl sich nicht einstellt. Aufgrund von Einkommen, aber auch den ganzen Codes, zu denen es in meinem familiären Umfeld, in meinem Millieu, kein Wissen gab. Oder die ich nicht entschlüsseln konnte. Die mir wiederum heute, in meinem Job, andere Zugänge zu SchülerInnen ermöglichen, die "übersehen" werden, weil sie nicht einem "bürgerlichen" Haushalt entstammen. Sei es aufgrund von Migration, Herkunft, Einkommen, Familie, Vernachlässigung, etc.

Deswegen war das Buch eine schöne, anregende und wertvolle Lektüre für mich. Empfehlen kann ich die Beiträge von Arno Frank, Kübra Gümüsay, Pinar Karabulut und Sharon Dodua Otoo. Aber auch der Sänger der goldenen Zitronen, der vom Punk schreibt. Oder der Beitrag um den es auch um sexuellen Mißbrauch ging, und die Beiläufigkeit mit der es geschildert wird, lässt eine Normalität in den 60er oder 70er Jahren (ich weiß es nicht mehr genau) erahnen, wie damit umgegangen - oder vielmer: nicht bzw. nur stillschweigend umgegangen wurde.

Jetzt lese ich die Tausend Tode des Ardor Benn.

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