Autor Thema: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere  (Gelesen 2108 mal)

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Achamanian

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Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« am: 17.02.2023 | 17:41 »
Die nachfolgende Diskussion zum Thema Zeitgeist und Regelleichtigkeit- bzw. -schwere/Kleinteiligkeit ergab sich aus dem Thread: Uhrwerk Verlag - Smalltalk. schneeland



Communitys sind empfindliche Tierchen, wenn man die nicht regelmäßig füttert, ziehen sie woanders hin...

Ohne SpliMo schlechtmachen zu wollen: Ich glaube, das System zehrt wahrscheinlich auch vor allem von der gro0en Community, die im ersten Sturm der Begeisterung mitgerissen wurde. Und ja, die nicht mit regelmäßigen Veröffentlichungen bei der Stange zu halten, ist wahrscheinlich ungut ...
Denn ehrlich gesagt wurde SpliMo in Sachen Regeln ja schon gegen den Zeitgeist entwickelt. Das ist zwar alles schön durchdesignt und funktional, aber am Ende ist es eben doch ein: "Das bestefrühe 00er-RSP, das es in den 00ern nicht gegeben hat." Okay, Kleinteiligikeit hat auch hier und dort ihr Comeback, aber fast immer als Nostalgieprojekt.

Das andere Szenario neben einer deutlich vereinfachten 2nd, das mich für Lorakis interessieren würde, wäre ja die Umstellung auf eines der anderen Systeme, mit denen Uhrwerk derzeit arbeitet - also ein Year-Zero oder ein 2d20-Lorakis.

Aber wird wohl beides nicht passieren ...
« Letzte Änderung: 18.02.2023 | 17:05 von schneeland »

Offline Weltengeist

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #1 am: 17.02.2023 | 18:06 »
Denn ehrlich gesagt wurde SpliMo in Sachen Regeln ja schon gegen den Zeitgeist entwickelt. Das ist zwar alles schön durchdesignt und funktional, aber am Ende ist es eben doch ein: "Das bestefrühe 00er-RSP, das es in den 00ern nicht gegeben hat." Okay, Kleinteiligikeit hat auch hier und dort ihr Comeback, aber fast immer als Nostalgieprojekt.

Naja, fairerweise muss man sagen, dass diese Designentscheidung noch zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, als in Nicht-Tanelorn-Deutschland gefühlt 80% aller Rollenspieler DSA4 gespielt haben. Da finde ich das Designziel, das bessere, elegantere, durchdachtere DSA zu entwickeln und damit möglichst viele Spieler abzuholen, nicht per se falsch - auch wenn es meinen eigenen Spielvorlieben ja auch nicht entspricht.

Wenn, ja wenn Savage Worlds bei Uhrwerk und nicht bei Ulisses gelandet wäre, dann hätte ich Patric schon längst angerufen und gefragt, ob er Entwickler für ein "Wildes Lorakis" braucht. Aber so ist es ja leider nicht, und inzwischen spiele ich auf anderen Welten...
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Achamanian

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #2 am: 17.02.2023 | 18:46 »
Naja, fairerweise muss man sagen, dass diese Designentscheidung noch zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, als in Nicht-Tanelorn-Deutschland gefühlt 80% aller Rollenspieler DSA4 gespielt haben. Da finde ich das Designziel, das bessere, elegantere, durchdachtere DSA zu entwickeln und damit möglichst viele Spieler abzuholen, nicht per se falsch - auch wenn es meinen eigenen Spielvorlieben ja auch nicht entspricht.


Ich würde das Uhrwerk auch nicht "vorwerfen" ... es gab halt zwei vernünftige Reaktionen auf Sachen wie DSA 4 (und wohl auch D&D3.5). Die eine war: Weg mit dem ganzen Gerümpel, wir machen jetzt was Klares, Aufgeräumtes und erzählerisich Fokussiertes!, die andere: Man kann das schon alles in dieser Kleinteiligkeit machen, man muss es dann halt nur richtig gut strukturieren und konsistent sein. Letzteres ist SpliMo, ersteres ist die Richtung, in die die meisten System-Neuentwicklungen seither gegangen sind.

Offline Xemides

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #3 am: 18.02.2023 | 15:38 »
Denn ehrlich gesagt wurde SpliMo in Sachen Regeln ja schon gegen den Zeitgeist entwickelt. Das ist zwar alles schön durchdesignt und funktional, aber am Ende ist es eben doch ein: "Das bestefrühe 00er-RSP, das es in den 00ern nicht gegeben hat." Okay, Kleinteiligikeit hat auch hier und dort ihr Comeback, aber fast immer als Nostalgieprojekt.

Ich bin froh darüber das es nicht dem Zeitgeist entsprach und kleinteiliger ist.

Mich nervt nämlich immer wieder bei Rollenspielen dieser Zeitgeist an. Das ging mit Fate oder SaWo los und zieht sich bis Ptba oder OSR durch.

Leute wie ich würden abgehängt werden, wenn nur noch neue Systeme erscheinen, die dem Zeitgeist entsprechen. Es muss auch neue Systeme geben, die einfach nur altmodisch sind.

So mit Midgard, Runequest/Mythras und auch Splittermond.
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Offline Weltengeist

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #4 am: 18.02.2023 | 16:04 »
Ach, Zeitgeist ist ohnehin overrated. Zeitgeist ist (im Rollenspiel und anderswo) meist etwas, was Leute erfinden, die eine verschwindende Minderheit der Bevölkerung darstellen und hoffen, dass "ihr" Zeitgeist sich eines Tages auch in echten Mehrheiten niederschlägt... >;D

Ich habe mir die Bemerkung gestern schon verkneifen müssen: Man kann trefflich darüber streiten, ob es so etwas wie einen leichtgewichtigen Zeitgeist in Rollenspiel-Deutschland überhaupt gibt. Klar, das derzeit mit Rückenwind versehene D&D 5 ist pflegeleichter als die Vorgänger, aber im absoluten Sinne auch nicht leichtgewichtig (nicht bei einem eng bedruckten 300-Seiten-A4-GRW). Und erfolgreiche neuere Systeme wie Splittermond, Hexxen oder Pathfinder 2 sind es auch nicht. Wenn ich mir die Systeme anschaue, die hier am verbreitetsten sind, kann ich keinen leichtgewichtigen Trend außerhalb des Tanelorns erkennen.
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HEXer

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #5 am: 18.02.2023 | 16:22 »
Ach, Zeitgeist ist ohnehin overrated. Zeitgeist ist (im Rollenspiel und anderswo) meist etwas, was Leute erfinden, die eine verschwindende Minderheit der Bevölkerung darstellen und hoffen, dass "ihr" Zeitgeist sich eines Tages auch in echten Mehrheiten niederschlägt... >;D

Und manchmal erkennen Leute einen Zeitgeist, die schon immer eine Minderheit in der Bevölkerung waren und gerne hätten, dass das auch so bleibt.

Abgesehen davon stimme ich aber zu, dass es ungünstig vom Uhrwerk Verlag ist, in letzter Zeit seine Haussysteme so wenig zu supporten. So ist es halt mit einem Uhrwerk: Wenn es stehen bleibt, wird es aufgezogen. Ich für meinen Teil werde kein totes Pferd mehr füttern.
« Letzte Änderung: 18.02.2023 | 16:24 von HEXer »

Offline Boba Fett

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #6 am: 18.02.2023 | 16:47 »
Wenn ich mir die Systeme anschaue, die hier am verbreitetsten sind, kann ich keinen leichtgewichtigen Trend außerhalb des Tanelorns erkennen.

Naja, der Erfolg vom Apolakritze System ist schon nicht wegzuleugnen. Aber die Systeme, die für Kampagnen verwendet werden, und die damit Spielrunden lange Zeit binden, sind idR kleinteilig.
Warum sollten sie das auch nicht sein?
Wenn ich vorhabe einige Abenteuerpfade (nur um mal ein Beispiel zu nennen) mit dem gleichen Regelsystem zu spielen, dann lohnt sich ja auch der Invest, mich in ein komplexeres System einzuarbeiten, denn ich habe Jahre Spiel vor mir. Ob ein regelärmeres System nicht vielleicht auch das selbe leisten kann, weiß ich in dem Moment nicht -  im Zweifel gehe ich da das Risiko ein, mich mit Hausregeln individualisieren zu müssen und habe DANN die Arbeit und ggf. den Ärger. Abgesehen davon habe ich überhaupt ein Angebot an Kaufabenteuern und -kampagnen, die mich Jahre beschäftigen bei regelarmen Systemen?
Oder gehen die nicht eher davon aus, dass ich mir es mal wieder selber mache...
Ich zumindestens treffe inzwischen die Systementscheidung nach "welche Abenteuer gibt es, die ich kaufen und (angepasst) einsetzen kann", weil ich aktuell dank Beruf und Familie gar nicht das hinbekomme, mir selbst was auszutüfteln.

Hat inzwischen aber NIX mit Uhrwerk zu tun, was wir hier schreiben.
« Letzte Änderung: 19.02.2023 | 11:43 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #7 am: 18.02.2023 | 17:06 »
Hat inzwischen aber NIX mit Uhrwerk zu tun, was wir hier schreiben.

Deshalb hat das Thema jetzt auch seinen eigenen Thread ;). Ist ja auch unabhängig von Uhrwerk eine legitime Diskussion.
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Offline Xemides

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #8 am: 18.02.2023 | 17:10 »
Naja, der Erfolg vom Apolakritze System ist schon nicht wegzuleugnen. Aber die Systeme, die für Kampagnen verwendet werden, und die damit Spielrunden lange Zeit binden, sind idR nicht kleinteilig.

Ich glaube da ist ein "nicht" zu viel.
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #9 am: 18.02.2023 | 17:18 »
Ich habe mir die Bemerkung gestern schon verkneifen müssen: Man kann trefflich darüber streiten, ob es so etwas wie einen leichtgewichtigen Zeitgeist in Rollenspiel-Deutschland überhaupt gibt. Klar, das derzeit mit Rückenwind versehene D&D 5 ist pflegeleichter als die Vorgänger, aber im absoluten Sinne auch nicht leichtgewichtig (nicht bei einem eng bedruckten 300-Seiten-A4-GRW). Und erfolgreiche neuere Systeme wie Splittermond, Hexxen oder Pathfinder 2 sind es auch nicht. Wenn ich mir die Systeme anschaue, die hier am verbreitetsten sind, kann ich keinen leichtgewichtigen Trend außerhalb des Tanelorns erkennen.

Die Grundaussage würde ich auch so unterschreiben (auch Savage Worlds und einige Year Zero-Spiele sind ja eher mittelcrunchig). Aber von außen betrachtet fällt Splittermond da schon komplexitätsmäßig oben raus aus dem aktuellen Mainstream. Und wenn ich Xemides richtig verstehe, sagt er, dass ihm gerade solche Spiele Spaß machen - da ist es dann m.E. schon richtig zu sagen, dass der Zeitgeist (allein durch die D&D5-Dominanz) eher von den wirklich regelschweren/kleinteiligen Systemen weggeht. Ist natürlich nicht gleichzusetzen mit wirklich/absolut betrachtet regelleichten Systemen (in der Breite ist da Call of Cthulhu vermutlich das leichtgewichtigste).
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Offline Eismann

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #10 am: 18.02.2023 | 17:19 »
Ich glaube es ist eines der typischen Paradoxa der Rollenspielszene, dass in Gesprächen gerne einfache, regelleichte und damit verbunden meist "einsteigerfreundliche" Systeme gewünscht werden, am Ende aber oft Dickschiffe im Einkaufskorb landen.

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #11 am: 18.02.2023 | 17:30 »
Ich glaube es ist eines der typischen Paradoxa der Rollenspielszene, dass in Gesprächen gerne einfache, regelleichte und damit verbunden meist "einsteigerfreundliche" Systeme gewünscht werden, am Ende aber oft Dickschiffe im Einkaufskorb landen.

Man will halt was Anständiges haben für sein Geld, also müssen die Seiten eben auch gefüllt werden. ;)

Offline Eismann

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #12 am: 18.02.2023 | 17:35 »
Vielleicht ist das aber auch eine selbsterfüllende Prophezeiung. Denn ein regelleichtes, einfaches System kommt meist halt auch mit ein paar Seiten aus und das wars dann. Da kann man keine Regalmeter mit füllen, selbst wenn man wollte. Andererseits würde ich vermuten, dass die Dickschiffe nicht nur mehr gekauft, sondern auch mehr gespielt werden. Aber da gibts vermutlich keine belastbaren Zahlen zu.

Offline unicum

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #13 am: 18.02.2023 | 17:43 »
So mit Midgard, Runequest/Mythras und auch Splittermond.

Ich sehe zumindest was Midgard betrifft aber auch diesen Weg beschreiten.

Offline Weltengeist

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #14 am: 18.02.2023 | 17:45 »
Naja, der Erfolg vom Apolakritze System ist schon nicht wegzuleugnen.

Na, wenn du meinst... was tippst du denn: Wieviel Prozent des Rollenspielumsatzes in Deutschland wird mit pbtA gemacht? Wieviel Prozent aller Sitzungen werden damit bestritten?

Das ist für mich ein gutes Beispiel für das, was ich mit oben mit dem Zeitgeist-Spruch gemeint habe: Hier im Special-Interest-Forum Tanelorn wird es gerne mal gespielt (und sogar hier ist es - in Postings gemessen - nicht sooo prominent). Aber im Mainstream-Rollenspiel-Deutschland (du weißt schon - das, wo D&D, DSA, Midgard, Cthulhu, Splittermond, Shadowrun etc. gespielt werden) haben meiner Schätzung nach die meisten noch nicht mal was davon gehört.

Ich bin jedenfalls hier in meiner (zugegeben etwas abgelegenen) Region in elf Jahren noch keinem Spieler IRL begegnet, der gesagt hätte: "Lasst uns doch mal was mit pbtA spielen!" In elf Jahren nicht einem einzigen. Die einzigen, von denen ich das höre, sind die, die ich aus dem Tanelorn und der Drachenzwinge kenne. Die Nischenspieler eben, die sich für die Avantgarde halten, die aber nicht repräsentativ für die Masse der Spieler sind.
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #15 am: 18.02.2023 | 17:56 »
Vielleicht ist das aber auch eine selbsterfüllende Prophezeiung. Denn ein regelleichtes, einfaches System kommt meist halt auch mit ein paar Seiten aus und das wars dann. Da kann man keine Regalmeter mit füllen, selbst wenn man wollte. Andererseits würde ich vermuten, dass die Dickschiffe nicht nur mehr gekauft, sondern auch mehr gespielt werden. Aber da gibts vermutlich keine belastbaren Zahlen zu.

Ja, der Mangel an Zahlen ist ziemlich schade (vielleicht bekommen wir ja nochmal so eine große Umfrage, in der dann auch gespielte Systeme abgefragt werden).
Aber in der Tat muss der Verlag den Leuten ja irgendwas verkaufen - und von den drei Optionen (Regeln, Setting, Abenteuer) bleiben ja schon mal nur noch zwei bzw. wenn man berücksichtigt, dass es zu regelleichten Sachen auch oft nicht so viel Settinginfos gibt, eigentlich nur eine Option. Und abgesehen von Goodman Games fällt mir da kein größerer Verlag ein, der Portfolio schwerpunktmäßig mit Abenteuern füllt.
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Offline Eismann

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #16 am: 18.02.2023 | 18:02 »
Und gerade Abenteuer sind hartes Brot, da sie sich noch schlechter verkaufen als Hintergrundbände. Und spätestens wenn die regelleichten Systeme noch mit Player Empowerment etc. arbeiten, wird es dann auch für Abenteuerautoren kniffliger.

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #17 am: 18.02.2023 | 18:13 »
Ich habe mir die Bemerkung gestern schon verkneifen müssen: Man kann trefflich darüber streiten, ob es so etwas wie einen leichtgewichtigen Zeitgeist in Rollenspiel-Deutschland überhaupt gibt.

Auch außerhalb Deutschlands sehe ich den so nicht.

Aber Rumpel hat sich da schon gut "abgesichert" mit dem Zauberwort System-Neuentwicklung (ohne dass ich da irgendeine sophistische Absicht unterstellen will).

Ich habe nämlich gestern auch schon mal auf der Aussage rumgedacht und das, was mir in der Breite als erfolgreich begegnet oder in den Jahrzehnten seit DSA4 begegnet ist, sind mittelcrunchige Regelwerke mit "Vorgeschichte", also gerade keine oder zumindest keine "richtigen" Neuentwicklungen.

Dann bleibt halt schnell nur noch so was wie pbtA und die Jay Little-Schule mit Genesys & Co., 2d20 etc. übrig. 


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Ist eben die Frage, wie groß da die Personalüberschneidung ist und ob die Dickschiffe auch gekauft werden oder stattdessen.
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #18 am: 18.02.2023 | 18:22 »
Na, wenn du meinst... was tippst du denn: Wieviel Prozent des Rollenspielumsatzes in Deutschland wird mit pbtA gemacht? Wieviel Prozent aller Sitzungen werden damit bestritten?

Auch wenn die Frage nicht am mich gerichtet war. Aus meinem persönlichen Umfeld kann ich sagen das ca. 30 % unserer Runden mit dem PbtA System bespielt werden weil es sehr einfach ist und sich sehr leicht an neue Kampagnen / Settings anpassen läßt. Was den Umsatz angeht... wer weiß ? Ich selbst habe nur kostenlose Sachen runtergeladen und mir Dungeonworld gekauft. Ich kaufe aber auch für andere Systeme eher wenig. Meist nur die Grundbücher und eventuell mal einen Zusatzband. Abenteuer praktisch nie.
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #19 am: 18.02.2023 | 18:37 »
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #20 am: 18.02.2023 | 18:44 »
Wenn es so etwas wie Zeitgeist gibt, dann trifft der wohl am ehesten auf D&D zu, denn das hat es geschafft sich in den letzten 10 Jahren in die Breite Öffentlichkeit zu spielen, was nicht nur das Spiel, sondern vor allem die Wahrnehmung desselbigen (und damit auch des Hobbys) grundlegend verändert hat. Alles andere sind nur Strömungen, ohne dass ich da wirklich erkennen kann, dass sich die ganze Szene, oder auch nur große Teile davon, in bestimmte Richtungen orientierem.

Gerade regelleichte Spiele, und da haben wir mehrere Unterströmungen wie PbtA und OSR sowie die ganzen hochspezialisierten Erzählsysteme (Geh nicht vor Angst mit 10 Kerzen in den Winterwald, Alice...), tun sich nicht wirklich breit hervor, auch wenn die Filterblase hier und da vielleicht was anderes suggeriert. Das sind und bleiben Nischenspiele, die ein paar hundert Leute kaufen, ein paar dutzend Leute tatsächlich spielen und vielleicht von denen ein Drittel nochmal wirklich verinnerlicht und nicht nach ein paar Sitzungen liegen lässt.

Und vor allem sind das auch Nischenspiele, die jetzt nicht gerade neu sind (Apocalypse World ist älter als Skyrim, DCC ist auch nicht viel jünger). Soviel zum Zeitgeist.
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #21 am: 18.02.2023 | 18:58 »
Aus meinem persönlichen Umfeld kann ich sagen das ca. 30 % unserer Runden mit dem PbtA System bespielt werden weil es sehr einfach ist und sich sehr leicht an neue Kampagnen / Settings anpassen läßt.

Du bist aber Teil der Tanelorn-Community und damit ein Teil genau der Filterblase, von der ich hier rede. Meine Frage bezog sich ganz bewusst auf Rollenspiel-Deutschland im Allgemeinen. Und da fällt mir eher schon auf, dass beispielsweise die Spielerzentrale in ihrem Systemkatalog (mit über 70 Rollenspielen) weder pbtA noch einen der prominentesten Vertreter (Apocalypse World, Dungeon World o.ä.) auflistet. Nur "Indie-Rollenspiele". Und das hat unter den fast 70 Spielern, die in 30 km Umkreis wohnen, nicht ein einziger angekreuzt. Ein belastbarer Trend zu pbtA-Spielen sieht für mich jedenfalls anders aus.
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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #22 am: 18.02.2023 | 19:31 »
Oder wie heute mir jemand in einem deutschen Rollenspielladen gesagt hat: "Mit D&D kann man halt alles bespielen. Zum Beispiel Herr der Ringe."

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #23 am: 18.02.2023 | 19:51 »
Oder wie heute mir jemand in einem deutschen Rollenspielladen gesagt hat: "Mit D&D kann man halt alles bespielen. Zum Beispiel Herr der Ringe."

...welche Rasse, Klasse und Stufe war doch noch mal gleich Gandalf? ~;D

Ansonsten, ganz allgemein betrachtet: persönlich bin ich dieser Tage definitiv bei eher regelleichten Systemen angekommen, aber das eben auch nur nach Jahren an Vorerfahrung mit allem Möglichen, den einen oder anderen ausdrücklichen Regelboliden mit eingeschlossen. "Zeitgeist" hat damit höchstens insoweit zu tun, als meine späteren Lieblingssysteme halt erst in bestimmten Jahrzehnten auf den Markt kamen -- ich bin aber nicht Kaffeesatzleser genug, um daraus schon etwas abzuleiten, das klar und eindeutig über den schlichten Zufall hinausgeht.

Achamanian

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Re: Zeitgeist und Regelleichtigkeit/-schwere
« Antwort #24 am: 18.02.2023 | 20:59 »
Ich dachte bei meinem Bezug auf den "Zeitgeist" gar nicht so sehr an pbtA und Ähnliches, sondern eher an Systeme wie die genannten 2d20/Year Zero. Die kommen mir nicht so nischenmäßig vor (vielleicht täuschen mich da aber auch die großen Lizenzen wie Star Trek, Dune oder Tales from the Loop, die damit umgesetzt werden). Das sind ja eigentlich recht herkömmliche Systeme, die letztendlich aus der gleichen Tradition wie Splittermond stammen und halt hier und dort eine Geste in Richtung pbtA/Fate und Konsorten machen.

Aber klar, der Mainstream sind wahrscheinlich in Deutschland nach wie vor DSA, Shadowrun und Cthulhu und inzwischen auch D&D. Wobei man "Mainstream" auch wieder von "Zeitgeist" unterscheiden muss ("Zeitgeist" ist eher das, was spekulativ als vorausweisend herumwabert, "Mainstream" das, was tatsächlich stattfindet).

Letztendlich haben aber alle hier Recht: Es ist natürlich überhaupt nichts schlechtes daran, den Zeitgeist oder den Mainstream zu verfehlen und was ganz anderes zu machen. Worauf ich bei Splittermond hinauswollte, war eher, dass man da mit was Neuem angetreten ist, aber für mein Gefühl nicht das bedient hat, was die meisten anderen anderen mit explizit "Neuem" derzeit bedienen. Year Zero ist eben nicht fundamental anders als Splittermond (zumindest nicht so fundamental anders wie pbtA), aber man sieht schon, dass da von einem ähnlichen Ausgangspunkt her (klassisches Spiel mit Attributen, Skills, Trefferpunkten) in eine andere Richtung gegangen wurde. Und die meisten Systeme, die vergleichbar komplex sind wie Splittermond und in den letzten Jahren erschienen, sind halt neue Editiionen alter Systeme, die immer auch schon eine nostalgische Kernkäuferschaft in der Hinterhand haben.

Insofern ist es eine tolle Leistung, dass Splittermond den Zeitgeist verfehlen konnte und trotzdem so viel Hype erzeugen und so langfristig erfolgreich sein konnte/kann. Ich kann mir halt vorstellen, dass, sobald dem Verlag die Puste beim ständigen Nachbuttern ausgeht, auch die Begeisterung schnell schwindet. Ist andererseits bei "zeitgeistigen" Systemen auch nicht anders.

Unterm Strich finde ich es vor allem interessant, dass Splittermond mit seinem komplexen Regelwerk es als ganz neues Rollenspiel überhaupt geschafft hat, eine feste Spielerbasis zu gewinnen.