Autor Thema: Rüstungsrechtfertigung  (Gelesen 6014 mal)

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Offline tartex

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #25 am: 25.09.2023 | 12:31 »
Die Mehrzahl der Kombattanten der Kreuzzüge besaß nichtmal die Möglichkeit, Rüstung zu erwerben.

Na, wenn eh fast alle daneben an Krankheit zu Grunde gehen, kann man ja auch Rüstung looten, oder?  8]
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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #26 am: 25.09.2023 | 12:45 »
So selten waren zumindest Kettenhemden in den Kreuzzügen nach dem Ersten nicht mehr, ich hab im Studium diverse Quellen aus der Zeit (muslimische und christliche Sichtweise) durchackern müssen, und der Fusstruppen-Serjeant mit kurzem Kettenhemd, Helm, und Tropfenschild ist da keine exotische Ausnahme.

Das allgemeine Bild vom kärglich ausgerüsteten Kreuzfahrer herrscht deswegen so vor, weil wir oft an den ersten Kreuzzug denken (da war es wirklich teilweise zusammengelaufener Mob ohne Plan, Ausrüstung und auch nur einem Schimmer, wo man sich da rumtreibt) und sporadische spätere Erscheinungen wie die Kinderkreuzzüge, da stimmt das.

Ansonsten kann man aber generell von sowas hier ausgehen, zumindest so ab 1180:



Was man hier sieht, sind Gambesons, ein oder zwei Kombattanten nur mit Tunika, und ansonsten Kette.
Man sollte auch bedenken, dass altertümliche Kettenhemden irgendwann die ganze Kriegsknecht-Hierarchie runter weiter gereicht wurden, während der Top Player sich das neueste Modell zulegt. Wie die Laptops in ner Firma.  :)

« Letzte Änderung: 25.09.2023 | 12:48 von KWÜTEG GRÄÜWÖLF »
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Offline General Kong

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #27 am: 25.09.2023 | 12:50 »
Na, wenn eh fast alle daneben an Krankheit zu Grunde gehen, kann man ja auch Rüstung looten, oder?  8]

Die sollen sich die Rüstung löten? Aber in Palästina isses doch eh schon so heiß! (musste sein)
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Offline Raven Nash

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #28 am: 25.09.2023 | 13:17 »
und der Fusstruppen-Serjeant mit kurzem Kettenhemd, Helm, und Tropfenschild ist da keine exotische Ausnahme.
Sagst es ja: Serjant - nur sind das nicht die Mehrzahl der Truppen. Das sind Unteroffiziere. Alles drunter (und das ist die zahlenmäßige Mehrheit) dürfte solch edle Teile nur selten bekommen haben.
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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #29 am: 25.09.2023 | 13:25 »
Nein, das mit dem Serjeanten als Unteroffizier ist ein häufiges Missverständnis - weil das später zur Bezeichnung für Unteroffiziere übernommen wurde. Im Hochmittelalter ist das der schlichte Fussoldat, abgeleitet vom lateinischen Serviens, was schlicht und einfach "Dienender" bedeutet. Und das ist in allen Texten des 12. und 13. Jahrhunderts ein Schlagmichtotbegriff für "ich als Adeliger und Chronist habe keine Ahnung, wer die ganzen Unterlinge sind, die hinter mir herlaufen, mich bedienen und die ich niedermähe, das ist irgendwelche Dienstpersonal".
Im Schlachtkontext sind dann diese "Dienenden" eben allgemein Fußvolk in Diensten der Adeligen. Mehr bedeutet das nicht.

Ich hatte das als Magisterthema und musste einen  einen Meter hohen Stapel an mittellateinischen und mittelfranzösischen Texten durchackern, bis ich dann recht klar wusste, wie der Begriff besetzt ist. Hat traumatische Spuren hinterlassen  ;D
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Offline Raven Nash

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #30 am: 25.09.2023 | 14:04 »
Ah, OK, wieder was gelernt. Ich kenn den Begriff nur aus späteren Quellen, und da ist das dann nicht mehr gemeines Fußvolk.
Wobei dei Sache dann auch komplizierter ist, wenn bürgerliche Milizen, Söldner, usw. ins Spiel kommen.

Zitat
Das allgemeine Bild vom kärglich ausgerüsteten Kreuzfahrer herrscht deswegen so vor, weil wir oft an den ersten Kreuzzug denken (da war es wirklich teilweise zusammengelaufener Mob ohne Plan, Ausrüstung und auch nur einem Schimmer, wo man sich da rumtreibt) und sporadische spätere Erscheinungen wie die Kinderkreuzzüge, da stimmt das.
Wobei die Aussage dann im Einzelfall doch wieder stimmt. Nur halt nicht für alle Kreuzzüge ins Heilige Land (muss man ja auch wieder differenzieren, denn der gegen die Katharer oder die Prussen war ja auch ein solcher).

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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #31 am: 25.09.2023 | 14:16 »
Wobei man sagen muss, ärmliche ausgerüstete Hilfstruppen müssen schon großes Glück haben, dass ein sich zumindest in Adelskreisen bewegender Chronist sich überhaupt mal die Mühe macht, Tinte an sie zu verschwenden.
Da kann der Anteil der zerlumpten -5 Hilfsprügler insgesamt um einiges höher gewesen sein. Und die werden dann auch eher mal nur einen dicken um den Unterarm gewickelten Mantel als Notrüstung und Hilfsschild benutzt haben. Bildlich taucht sowas durchaus mal auf, und man hat auch einiges an Holzkeulenfunden, so dass man da in die Richtung einiges mutmaßen kann.

Andererseits hab ich bei meiner Artikelschreiberei für das Lexikon des Mittelalters mal die Publikationen über die Massengräber der Schlacht von Visby durchgesehen, und da weiß man ganz genau, dass da drin die Leichen eines verzweifelten Aufgebots verscharrt wurden, bei denen man vom gerade in die Pubertät eintretenden Jungen bis zum klapprigen Opa mit schlecht verheiltem Beinbruch alles bewaffnet und gegen den dänischen König ausgeschickt hatte.

Da ist trotzdem der Anteil an Metallrüstungen sehr hoch, das scheint also nicht so unmöglich gewesen zu sein, 1361 auch schlichten Bauernsturm mit sowas auszurüsten. (https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Visby)



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Offline Maarzan

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #32 am: 25.09.2023 | 20:08 »
Wenn man in typische Rollenspielumgebungen schaut, haben wir außer übelwollende Leute auch noch jede Menge aggressives und teils recht überraschend auftauchendes Cropzeug bis hin zu eben den üblichen Monstern.
Das liefert einmal jede Menge - manchmal auch robustere als von typischen Nutzvieh -  Häute - so man das überlebt - aber auch Gegner, gegen die man nicht unbedingt klassisch "fechtet".
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Offline Issi

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #33 am: 25.09.2023 | 20:33 »
Hat jemand schon Mal versucht, was mit Leder zu nähen? Oder überhaupt es zu durchstehen?
(Ist gar nicht so einfach - gerade wenn es dicker ist)
Tut aber wahrscheinlich trotzdem schei*e weh, wenn es jemand probiert.
Und kann sicher zu üblen Blutergüssen, und Blauen Flecken führen.

(Dafür verbeult es nicht, wie ne Metall Rüstung, rostet nicht, und heizt sich nicht so leicht auf.- Als Bonus kann es bei kühlen Temperaturen auch wärmen)
« Letzte Änderung: 25.09.2023 | 20:35 von Issi »

Offline Talasha

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #34 am: 25.09.2023 | 20:33 »

Da ist trotzdem der Anteil an Metallrüstungen sehr hoch, das scheint also nicht so unmöglich gewesen zu sein, 1361 auch schlichten Bauernsturm mit sowas auszurüsten. (https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Visby)
Ich dachte die Gotländer wären ungewöhnlich reich gewesen weil sie Reiseverpflegung an die Hanseschiffe verkauften?
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Offline Feuersänger

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #35 am: 25.09.2023 | 20:35 »
Mir ist in dem Zusammenhang noch aufgefallen, dass die tatsächlich historischen Lederrüstungen quasi immer aus relativ kleinen Lederstücken zusammengesetzt sind. Also eben nicht so aus wenigen riesigen Stücken wie die hübschen LARP-Lederrüstungen, sondern mehr so wie ein Bänder- oder Schuppenpanzer oder Lamellar. Ich nehme an, das wird neben der schlichten Materialverfügbarkeit vor allem den Grund haben, dass man so ein beschädigtes kleines Teil relativ einfach austauschen kann.

Wie schon im anderen Thread gesagt -- wenn man in einem großflächigen Lederstück einmal einen Schnitt, Riss oder ein Loch drin hat, kann man's eigentlich wegschmeissen - anders als Stoff kann man es nicht nähen und anders als Metall nicht schweißen, es ist einfach kaputt.
Das ist wiederum wie in _diesem_ Thread schon gesagt nicht unbedingt so kritisch, wenn es leicht verfügbare, billige Magie gibt, die Leder wieder heile machen kann.
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Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline Isegrim

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #36 am: 25.09.2023 | 20:56 »
Das allgemeine Bild vom kärglich ausgerüsteten Kreuzfahrer herrscht deswegen so vor, weil wir oft an den ersten Kreuzzug denken (da war es wirklich teilweise zusammengelaufener Mob ohne Plan, Ausrüstung und auch nur einem Schimmer, wo man sich da rumtreibt) und sporadische spätere Erscheinungen wie die Kinderkreuzzüge, da stimmt das.

Meinst du den Bauernkreuzzug? Den Ersten Kreuzzug, der immerhin Jerusalem einnahm, würd ich anders beschreiben. Bin aber auch kein Experte.

EDIT
Hat jemand schon Mal versucht, was mit Leder zu nähen? Oder überhaupt es zu durchstehen?
(Ist gar nicht so einfach - gerade wenn es dicker ist)

Da werden mit einer Ahle Löcher vorgestochen. Wenn man weiß wie und das richtige Werkzeug hat ist das relativ leicht. Sicher einfacher als das Herumwerkeln an Metall.

Noch eine weitere "Quelle" für Lederrüstungen im Rollenspiel könnten übrigens die Darstellung höherer römischer Offiziere in vielen Filmen seien. Die tragen oft aus Leder gemachte Varianten des antiken Muskelpanzers. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, ob das i-wie historisch ist, allerdings gehe ich davon aus, dass wenn es die Dinger tatsächlich aus Leder gab, war das Schmuck für Paraden uä, nicht was für den Feldeinsatz.
« Letzte Änderung: 25.09.2023 | 21:06 von Isegrim »
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Offline Talasha

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #37 am: 25.09.2023 | 23:36 »
Meinst du den Bauernkreuzzug? Den Ersten Kreuzzug, der immerhin Jerusalem einnahm, würd ich anders beschreiben. Bin aber auch kein Experte.

Puh, wobei die die Belagerungsgeräte usw. usf. "vergessen" haben, oder? Also so extrem planvoll kann es da in der Masse nicht zugegangen sein.
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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #38 am: 25.09.2023 | 23:51 »
Generell, denke ich, ergibt Leder oder Fell oder dergleichen als "Rüstung" am ehesten noch Sinn in einem Steinzeitsetting, in dem's einfach noch nicht so viel an Alternativen (und natürlich auch noch keine Metallwerkzeuge zur Bearbeitung anderer Materialien) gibt.

Sobald die Metallverarbeitung nämlich erst mal so weit ist, daß sie nicht mehr nur als reine Kuriosität oder Hexerei angesehen wird, sondern tatsächlich praktische Mengen auch nur erst mal an Kupfer o.ä. abwirft, wird sich relativ schnell herumsprechen, daß dieses Zeug buchstäblich Pfund für Pfund -- d.h., fürs selbe Gewicht -- wesentlich besseren Schutz bieten kann als alles, was vorher da war...und ab da sind dann schnell alle "richtigen" Rüstungen eben aus dem besten Metall, das die vorhandene Materialkunde bieten kann, und Leder und Stoff sind als reine Schutzkleidung zumindest fürs Militär (oder was immer kulturell gerade in dieser Richtung existiert) so ziemlich abgemeldet. Textilien behalten ihre Daseinsberechtigung auf dem Gebiet wenigstens noch ein Stück weit als Unterfutter und Polsterung, aber egal, was man aus Leder sonst noch alles sinnvoll machen kann, für den Zweck taugt es auch nicht so besonders.

Soviel von meinem Möchtegern-Historikerschaukelstuhl. ;) In einem Fantasysetting mag's halt tatsächlich Viecher geben, deren Haut bei geeigneter Bearbeitung ein Superleder mit der Widerstandskraft z.B. wenigstens eines Kettenhemds abgibt, oder Leute wie den stereotypen Fäntel"druiden", der als religiöser Fanatiker Metall strikt ablehnt (und dann aber besser entsprechende Magie haben sollte, um den Mangel an Rüstungsschutz irgendwie auszugleichen). Ich denke aber, daß, solange man Metall nicht ausdrücklich massive Nachteile andichtet, die es in der Realität so schlicht nicht hat, der typische Durchschnittssoldat und auch -abenteurer immer noch dazu greifen wird, wenn er denn wirklich mit einem möglichen Kampf in näherer Zukunft rechnet und sich dabei seiner Selbstverteidigungs- und Ausweichkünste nicht so sicher ist, daß er sich ohnehin auch in Straßenklamotten hineintrauen würde.

Offline Raven Nash

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #39 am: 26.09.2023 | 08:03 »
(Dafür verbeult es nicht, wie ne Metall Rüstung, rostet nicht, und heizt sich nicht so leicht auf.- Als Bonus kann es bei kühlen Temperaturen auch wärmen)
Leder wärmt nicht. In keinster Weise. Deshalb füttert man Lederjacken z.B.
Und es muss regelmäßig geölt oder gewachst werden, um nicht schlicht zu verschimmeln und sich zu zersetzen. Wir reden hier von vegetabil gegerbtem Leder. Und wenn es getroffen wird, bekommt es Schnitte und Risse, die man auch nicht mehr einfach reparieren kann (Metall beult man wieder aus und/oder kann es sogar schweißen).

Was die Monster betrifft: Dafür gibt es durchaus Beispiele aus unserer Welt. Krokodilleder wird aus der weichen Unterseite gemacht, aber es gab auch Schilde aus der dicken Rückenhaut. Schildkrötenpanzer sind auch durchaus verwendet worden. Hornplättchen aufgenäht auf einer textilen Unterlage sind mW aus Zentralasien bekannt.
Lederbespannte Schilde kennt man aus Afrika.

Was man dabei grundsätzlich feststellen kann: Man versucht, harte, glatte Oberflächen zu schaffen, sei das durch Einzelteile oder durch Aufspannen. All das kann die Fantasy-Lederrüstung nicht leisten.
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Offline Aedin Madasohn

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #40 am: 26.09.2023 | 09:23 »
Noch eine weitere "Quelle" für Lederrüstungen im Rollenspiel könnten übrigens die Darstellung höherer römischer Offiziere in vielen Filmen seien. Die tragen oft aus Leder gemachte Varianten des antiken Muskelpanzers. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, ob das i-wie historisch ist, allerdings gehe ich davon aus, dass wenn es die Dinger tatsächlich aus Leder gab, war das Schmuck für Paraden uä, nicht was für den Feldeinsatz.

überliefert sind ja Statuen und Reliefs mit grandios überladenen Feldherrnrüstungen als Torax.
aus Bronze (etwa gegossen) wären die unhandlich schwer gewesen  ;D, so dass Formleder da sicherlich so manches "erleichterte"

bei Leder muss man übrigens immer mit bedenken, dass die zugrundeliegende Haut unterschiedlich dick ist - je nach Segtion, aus der sie abgenommen wurde.
das grenzt natürlich den Einsatz im Rüstungsbau ein, da diese Lederpartie dann ja auch für feste Schuhe, Sattel, Taschen, Gurte und Schnüre benötigt wurden.

Leder wurde erst durch moderne (schnelle) Gerbung (etwa durch Chromsalze) massenverfügbar. Bei zwei Jahren Bearbeitungszeit mit Eichenlohe und dergeleichen ist Leder schon eine begrenzte Ressource.
Kurzum, kleine Lederschuppen aus Randstücken/Abschnitte der Primärprodukte zu stanzen/schneiden ist sinnvoll im Sinne der Resteverwertung. Ansonsten halt ein Abgleich mit den Vergleichskosten etwa zu einem gesteppten Gambeson bzw der langen Nutzungsdauer von Metall (welches ja gut recycelt werden konnte, gerade Ringpanzerungen lassen sich weiten, kürzen, erneuern, je nach Bedarf und Geldbörse)

ansonsten bleibt aber das riesige Problem, dass wir aus annoduzemale Zunftslisten tolle Namen für eigenständige Gewerke haben, aber keine sichere Vorstellung der dahinterliegenden fertigen Rüstung  ;)
es kann also auch passieren, dass "nobrainer" Rüstungen nur deswegen am Markt verfügbar waren, weil dafür die Anbieter eine eigene neue Zunft gegründet kriegten und nur so gegen alle etablierten Monopolisten überhaupt aus ihrer Hände-arbeit Geld machen konnten. Streckenweise war im Mittelalter das überangebot an Arbeitskräften in den Städten ein echtes Problem, welches die Eliten mit Marktzugangsbeschränkungen wegzudrücken trachteten. Druck erzeugt aber Gegenbewegung.

heutiges Beispiel:
Wieviele unsaubere "Neu"auflagen von schon längst etablierten Softwarelösungen gibt es, nur weil Lizenzen und Patente der Monopolisten umgangen werden (müssen)? ;)


Offline Raven Nash

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #41 am: 26.09.2023 | 09:29 »
aus Bronze (etwa gegossen) wären die unhandlich schwer gewesen  ;D,
Das würde ich nicht pauschalisieren - kommt drauf an, wie dick der Panzer ist. Wenn er reine Prunkfunktion hat, reicht da auch 1 mm - und damit ist er nicht bedeutend schwerer als dickes Formleder, das gewachst werden muss.

Ich kann dir aus praktischer Erfahrung sagen, wie schwer ein Helm für einen Thraex aus Bronze ist - sauschwer.  ;D Da hatte ich schon mal eine kampftaugliche Replik auf. Und man kriegt kaum Luft drunter. Aber der hat auch 3 mm Bronze...
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Offline Issi

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #42 am: 26.09.2023 | 09:37 »
Leder wärmt nicht. In keinster Weise. Deshalb füttert man Lederjacken z.B.
Und es muss regelmäßig geölt oder gewachst werden, um nicht schlicht zu verschimmeln und sich zu zersetzen. Wir reden hier von vegetabil gegerbtem Leder. Und wenn es getroffen wird, bekommt es Schnitte und Risse, die man auch nicht mehr einfach reparieren kann (Metall beult man wieder aus und/oder kann es sogar schweißen)
Du kannst eine dünne Lederjacke nicht mit ner dicken Lederrüstung vergleichen.
Leder schützt gegen Wind und Feuchtigkeit.

Leder ist zudem gar so nicht leicht mit dem Schwert zu durchdringen.
Bei ner Metallrüstung geht beim Reparieren ohne Schmiede oder Werkzeug gar nichts.

Aber gut, nem Zwerg würde ich zugestehen, dass er nach dem Kampf erstmal seinen Hammer rausholt, um Rüstung oder Helm zu entbeulen.
Apropos Metall Helm.....
Es soll schon Ritter und Krieger gegeben haben, die den dann für immer aufhatten.... ~;D
« Letzte Änderung: 26.09.2023 | 09:43 von Issi »

Offline Isegrim

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #43 am: 26.09.2023 | 09:38 »
aus Bronze (etwa gegossen) wären die unhandlich schwer gewesen  ;D, so dass Formleder da sicherlich so manches "erleichterte"

Archäologen haben mWn Beispiele für Muskelpanzer aus der römischen Zeit (späte Republik/frühe Kaiserzeit) gefunden, sowohl aus Bronze als auch aus Eisen. Die Frage ist nicht, ob es Metallvarianten (auch als echte Rüstung) gab, sondern ob daneben reine Zierstücke aus Leder existierten. Ist bei den vorhandenen Plastiken, die extrem reich verzierte Exemplare zeigen, nicht auszuschließen, dass sie solche zeigen (wie gesagt, den Forschungsstand kenn ich nicht, oder ob es einen solchen gibt), aber es ist halt nicht nachweisbar, und Leder hätte die Zeit nicht überdauet.

das grenzt natürlich den Einsatz im Rüstungsbau ein, da diese Lederpartie dann ja auch für feste Schuhe, Sattel, Taschen, Gurte und Schnüre benötigt wurden.

Grundsätzlich nicht falsch, aber Metall war eine mindestens ebenso rare Ressource, die aufwendig gewonnen und verarbeitet werden musste.

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Offline unicum

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #44 am: 26.09.2023 | 09:46 »
Noch eine weitere "Quelle" für Lederrüstungen im Rollenspiel könnten übrigens die Darstellung höherer römischer Offiziere in vielen Filmen seien. Die tragen oft aus Leder gemachte Varianten des antiken Muskelpanzers. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, ob das i-wie historisch ist, allerdings gehe ich davon aus, dass wenn es die Dinger tatsächlich aus Leder gab, war das Schmuck für Paraden uä, nicht was für den Feldeinsatz.

 :d

Das denke ich eigentlich auch, vieles der Bilder aus dem "finsteren Mittelalter (#)(und vergleichbarem)", ist eben aus dem mittelalterlichen Örtchen Hollywood,...
Gar so abwegig auf solche Gedanken zu kommen wie "Auch aus Leder kann man Rüstungen machen" find jezt auch nicht, also wenn ich all mein ziemlich geringes Wissen über Leder im allgemeinen und über Mittelalter im besonderen ausblende.

Gab ja auch die Vorstellung das ein Ritter nur mit Hilfsmitteln wie einem Krahn auf sein Pferd kommen kann,... (hüstel) und ja das haben viele eben früher auch so für bare Münze genommen.

Ich würd sagen es ist heute besser geworden, spätestens wenn Leute die einen Film drehen "wissenschaftliche Berater" mit reinnehmen damit nicht gar so grosser Schmuh passiert.

(#) und natürlich waren die Filme auch noch schwarz Weis - also wenn es einen besseren Grund gibt vom finsteren Mittelalter zu sprechen, denn wirklich bunt und schön kann es ja nicht gewesen sein sonst hätten sie sicher in farbe gedreht. *hüstel*


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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #45 am: 26.09.2023 | 10:04 »
Meinst du den Bauernkreuzzug? Den Ersten Kreuzzug, der immerhin Jerusalem einnahm, würd ich anders beschreiben. Bin aber auch kein Experte.

Der erste Kreuzzug bestand zum Teil eben aus dem Bauernkreuzzug, und auch bei den feudalen Aufgeboten beim 1. Kreuzzug war ein großer Teil an religiös fanatisiertem Volk dabei. Das war übrigens auch DIE Negativerfahrung, die alle späteren Kreuzzugsorganisatoren zu vermeiden versuchten, die haben dann schwer darauf geachtet, dass ausgebildete und ausgerüstete Truppen in Marsch gesetzt werden, was spontane irre Mobs natürlich nicht weiterhin daran gehindert hat, sich mal auf den Weg zu machen.
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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #46 am: 26.09.2023 | 10:11 »
Archäologen haben mWn Beispiele für Muskelpanzer aus der römischen Zeit (späte Republik/frühe Kaiserzeit) gefunden, sowohl aus Bronze als auch aus Eisen. Die Frage ist nicht, ob es Metallvarianten (auch als echte Rüstung) gab, sondern ob daneben reine Zierstücke aus Leder existierten. Ist bei den vorhandenen Plastiken, die extrem reich verzierte Exemplare zeigen, nicht auszuschließen, dass sie solche zeigen (wie gesagt, den Forschungsstand kenn ich nicht, oder ob es einen solchen gibt), aber es ist halt nicht nachweisbar, und Leder hätte die Zeit nicht überdauet.

Mir ist kein einziger schriftlicher oder archäologischer Hinweis bekannt, dass es die Muskelkürasse aus Leder gegeben hätte. Außer, dass Hollywood das gerne so dargestellt hat. Sonst nada. Nach der Logik "könnte ja so gewesen sein" kann man dann ja auch für alles mögliche, was Statuen so tragen, eine hypothetische Lederversion postulieren. Ist völlig unsinnig.

Natürlich gibt es Knallchargen wie Raffaele D'Amato, die sogar einen archäologischen Abschluss haben, und in Dutzenden von Ospreyheften dann bei jeder noch so obskuren und künstlerisch verfremdeten Darstellung behaupten, das wäre ein 1-zu-1-Bauplan, wie das Zeug tatsächlich ausgesehen hätte. Und das befeuert wieder viele Leute, diese eigentlich längst von gründlich arbeitenden Experten wie Connolly und Junkelmann widerlegten Nonsensaufmachungen für real zu halten.
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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #47 am: 26.09.2023 | 10:26 »
Leder schützt gegen Wind und Feuchtigkeit.
Frage: Hast du schonmal Lederzeug draußen, in freier Natur, bei Schlechtwetter getragen?

Ich schon - und ich kann dir sagen, es hält weder warm, noch hält es Nässe ab, noch ist es besonders winddicht. Letzteres kann man durch Unterkleidung ausgleichen - oder wie die Inuit u.a. indem man den Pelz auf der Innenseite hat und das Leder mit Öl imprägniert. Das macht Leder aber trotzdem nur zu einer Notlösung in Ermangelung besserer Materialien.
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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #48 am: 26.09.2023 | 10:35 »
Nach der Logik "könnte ja so gewesen sein" kann man dann ja auch für alles mögliche, was Statuen so tragen, eine hypothetische Lederversion postulieren.

Kettenhemden aus,... Lederringen!

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Re: Rüstungsrechtfertigung
« Antwort #49 am: 26.09.2023 | 10:36 »
Das denke ich eigentlich auch, vieles der Bilder aus dem "finsteren Mittelalter (#)(und vergleichbarem)", ist eben aus dem mittelalterlichen Örtchen Hollywood,...

Allerdings. ;D Und das hat seinerseits wahrscheinlich mindestens einige seiner Vorstellungen aus der finsteren viktorianischen Geschichtsklitterung...

Zitat
Gab ja auch die Vorstellung das ein Ritter nur mit Hilfsmitteln wie einem Krahn auf sein Pferd kommen kann,... (hüstel) und ja das haben viele eben früher auch so für bare Münze genommen.

Daß der Ritter nur mit Hilfe auf sein Roß gekommen ist, mag eventuell für einzelne späte und spezialisierte Turnierrüstungen gegolten haben, bei denen man dank des vorhersehbar-ritualisierten Ablaufs schon mal zugunsten des dafür optimierten Schutzes auf so einiges an Beweglichkeit verzichten konnte. Aber in so einem Trumm dann aufs Schlachtfeld zu reiten und sich selbst ins Getümmel stürzen zu wollen, wäre wohl kaum gut ausgegangen -- und zu der Zeit, als die Herren Ritter selbst noch hauptsächlich Kettenhemden trugen, dürfte es dergleichen auch ohnehin noch gar nicht gegeben haben. (Wobei das alles schon voraussetzt, daß eventuelle "Belegexemplare" tatsächlich authentisch und keine wesentlich neuzeitlicheren Fälschungen sind; für so was gab's ja seit spätestens der Erfindung des Museums auch immer einen Markt.)

Zitat
(#) und natürlich waren die Filme auch noch schwarz Weis - also wenn es einen besseren Grund gibt vom finsteren Mittelalter zu sprechen, denn wirklich bunt und schön kann es ja nicht gewesen sein sonst hätten sie sicher in farbe gedreht. *hüstel*

Och, ich weiß nicht -- ich bin alt genug, um mich noch an Schwarzweißfernsehen zu erinnern, und manchmal waren die Farben da tatsächlich besser. ~;D