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proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)

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1of3:

--- Zitat von: Namo am  6.08.2024 | 09:22 ---Aber bei allem was ich da gelesen habe, kommt mir dann doch immer wieder der Begriff sandbox in den Sinn. Also stellt sich mir die Frage, ob proaktives Rollenspiel nicht ein viel vornehmerer Name für Sandbox ist? Ein anderer, gängigerer Begriff wäre ja auch charakter driven Rollenspiel.

--- Ende Zitat ---

Du machst hier einen systematischen Fehler. Ich weiß nicht, ob auch die Autoren des Buches den machen. Hab ich nicht gelesen. Aber es macht wenig Sinn zu versuchen, sämtliches Tun im Rollenspiel auf einen Begriff herunterbrechen zu wollen. Ziemlich egal, welcher Begriff das ist.

Wir können auf bestimmte Techniken schauen. Du sprichst von "Spieler wählen für ihre SCs kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele". Das ist eine Technik. Sie hat dann wahrscheinlich eine Reihe weiterer dazu passender Techniken, um diese Ziele aufzunehmen.

Ich kann dir klar sagen, dass ich diese Technik so noch nicht benutzt habe. Also eine Klassifizierung von Zielen in unterschiedliche Weitegrade habe ich noch nie gemacht. Ziele an sich schon. Mal mehr oder weniger formell je nach Spiel.

Darüber kann man also reden. Das ist auch sofort verständlich. Wir können auch unterscheiden: Fordern wir so Ziele ein oder können Spielende die formulieren? Ist das ganz frei oder gibt es gewisse inhaltliche Anknüpfungspunkte, die verarbeitet werden sollten ("Warum bist du in Schnackpuck? Was willst du hier erreichen?") Wir können das auch anderen Techniken gegenüberstellen, also z.B. SL teilt fertige Charaktere inklusive individueller Ziele aus. Das wäre eine andere Technik mit ähnlichem Zweck.

Eleazar:
Ich erinnere mich an eine Kampagne, in der wir in der Hochphase der ellenlangen Vorgeschichten für Figuren waren. Da hatte fast jede Figur eine ellenlange Liste an Sachen, die sie noch zu erledigen, wen sie noch rächen, was sie wiederfinden musste... , dass es irgendwann schon wieder schwer wurde, gemeinsam auf Abenteuer zu ziehen und als Gruppe ein Ziel zu verfolgen.

In der nächsten Kampagne kamen dann alle aus einem Dorf.

Ich denke, es gibt da auch Pendelbewegungen.

Arkam:
Hallo zusammen,.

das hängt auch vom Hintergrund ab.
Der von mir bespielte Hintergrund ist sehr hierarchisch. Es gibt neun soziale Stufen die in drei größeren Ebenen organisiert sind. Die Charaktere sind jetzt kurz davor die zweite Ebene, grob gesprochen  das Managment, zu erreichen. Die Leute die diese Ebene erreicht haben sehen sie jetzt als potentielle Verbündete oder Konkurrenten und versuchen sich ein Bild von ihnen zu machen.
Waren sie vorher nur Kanonenfutter so werden sie jetzt das erste Mal für die Spielwelt, außerhalb ihrer vorherigen Aufträge, interessant.

Bisher haben sich die Charaktere noch keine eigenen Ziele gesetzt. Das liegt aber sicherlich auch daran das ihre Charaktere in einer Diktatur mit einer extremen Überwachung leben in der Abweichler auch schnell ein Mal hingerichtet werden.
Hinzu kommt das es eine Vielzahl von Akteuren auf der Bühne gibt die verschiedene Ziele erreichen wollen und die Charaktere zumindest jeweils drei dieser Akteure angehören.
Ich hoffe das sich die Spieler jetzt dazu entscheiden welchem der Akteure sie wie stark verbunden sind und sich die entsprechenden Ziele zu eigen machen.

Allerdings entwickelt sich die Welt in einer Mischung aus Ergebnissen aus anderen Runden, Gedanken die ich mir zu den großen Zielen der Akteure, sozusagen ein überlegter aber nicht zu bespielender Metaplot und Ideen aus realen Dingen die ich auf die Spielwelt übertrage weiter.
Die Spieler bekommen diese Entwicklung über Nachrichten, eine Cyberware sorgt für ein Smartphone im Kopf, Handouts und manchmal auch durch NPCs vermittelt auch unabhängig von den Handlungen der Charaktere weiter.

Gruß Jochen

nobody@home:
Ich meine, als halbwegs eingeschworener Fate-Fan bin ich das gelegentliche Nachdenken über Proaktivität sowieso seit spätestens 2013 gewöhnt, weil der Abschnitt "What Makes A Good Fate Game?" in Fate Core genau dieses Stichwort auch fallen läßt (da geht's dann allerdings auch eher allgemeiner darum, daß Fate-SC bitte nicht superzögerlich-abwartend vorgehen, sondern Probleme selber aktiv anpacken sollen und daß das Spiel das seinerseits auch belohnen und nicht abstrafen soll), aber ich denke, mit zum ersten Mal definitiv untergekommen ist er mir spätestens in meiner Hero-Fanphase in den frühen 90ern mit Champions 4E und "Aaron Allston's Strike Force" in der Originalversion -- ersteres als meine erste Begegnung mit einer formalen Spielertyp-Taxonomie und der definitiven Idee von Spielern, die schon selbst mit unterschiedlichen Wünschen ans Spiel herangehen und berücksichtigt werden wollen, letzteres insbesondere in seiner Eigenschaft als Setting- und Kampagnenbeschreibung aus persönlich leitender SL-Perspektive. Daß sich im Superheldengenre ein gewisses Maß an Proaktivität recht organisch allein schon aus "Wir können uns ja nicht immer bloß im Hauptquartier langweilen, wenn mal keine Krise vorliegt" ergibt (was ja auch gar nicht dem Quellmaterial entspräche), mag speziell dabei auch sein Scherflein beigetragen haben.

Namo:

--- Zitat von: 1of3 am  6.08.2024 | 12:10 ---Du machst hier einen systematischen Fehler. Ich weiß nicht, ob auch die Autoren des Buches den machen. Hab ich nicht gelesen. Aber es macht wenig Sinn zu versuchen, sämtliches Tun im Rollenspiel auf einen Begriff herunterbrechen zu wollen. Ziemlich egal, welcher Begriff das ist.

Wir können auf bestimmte Techniken schauen. Du sprichst von "Spieler wählen für ihre SCs kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele". Das ist eine Technik. Sie hat dann wahrscheinlich eine Reihe weiterer dazu passender Techniken, um diese Ziele aufzunehmen.

Ich kann dir klar sagen, dass ich diese Technik so noch nicht benutzt habe. Also eine Klassifizierung von Zielen in unterschiedliche Weitegrade habe ich noch nie gemacht. Ziele an sich schon. Mal mehr oder weniger formell je nach Spiel.

Darüber kann man also reden. Das ist auch sofort verständlich. Wir können auch unterscheiden: Fordern wir so Ziele ein oder können Spielende die formulieren? Ist das ganz frei oder gibt es gewisse inhaltliche Anknüpfungspunkte, die verarbeitet werden sollten ("Warum bist du in Schnackpuck? Was willst du hier erreichen?") Wir können das auch anderen Techniken gegenüberstellen, also z.B. SL teilt fertige Charaktere inklusive individueller Ziele aus. Das wäre eine andere Technik mit ähnlichem Zweck.

--- Ende Zitat ---

Am Ende schreibst du aber jetzt doch auch um einen Definitionsgedanken herum. Gerade weil ich eigentlich auch der Meinung bin, dass man nicht alles in fixe Begrifflichkeiten pressen muss und offensichtlich ja selbst zu gängigen Begriffen wie Sandbox bzw. Railroading noch nicht mal eine 100%ige Definition besteht. Selbst hier existieren ja immer noch Auslegungsmöglichkeiten.

Ich habe ja versucht die Grundgedanken zusammen zu fassen. Die Spieler geben durch ihre Handlungen die Rahmen der Geschichte vor. Die Werkzeuge hat wie im umgekehrten Fall aber der SL alle in der Hand.  Es ist einfach eine Sichtweisenumkehr mit dem Ziel, den Spielern noch mehr das Gefühl zu geben, dass ihre Handlungen relevant sind und sie eben ihre Geschichte spielen. Das finde ich allerdings aus SL Sicht deutlich charmanter, wie die Sichtweise, dass ein SL quasi nur dazu da ist die Spieler glücklich zu machen und alles nach deren Mund designen muss. Das ist für mich ein kleiner aber feiner Unterschied, da hier der SL zwar Ziele und Wünsche der Spieler umsetzt, aber dennoch seine eigenen Ideen umsetzen und kreativ sein kann bis hin zu einem gewissen storydriven Element, dass mir bei reinem sandboxing fehlen würde. Er baut genauso wie im reaktiven Spiel seine Antagonisten, Plots und Dungeons auf. Aber eben immer mit dem Gedanken wie die Charaktere hierzu genau im Kontext stehen. 

Oder anders gesagt, es ist auch eine Form einer Heldenreise - deren Ende aber grundsätzlich durch ein Ziel bestimmt ist. Frodo hat den Ring in den Vulkan geworfen, der Bruder hat die tote Schwester gerächt, der Barde ist König des Reiches geworden, der Zwerg hat den sagenumwobenen Schatz des Drachens bekommen etc. Beim reinen Sandboxgedanken dürfte ja früher oder später immer die Frage im Raum stehen, wann man denn nun aufhört. Finde ich dann auch unbefriedigend oder man geht dann eben doch zum Schluss hin eher wieder auf eine Handlung die einfach ein Ende hat. So wie ich es in Serien ja auch persönlich auch lieber habe, dass die Charaktere am Ende einen runden Abschluss haben, anstatt nach zig Abenteuern einfach die Serie beliebig beendet wird.

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