Der Fall, für den ich keine Standardlösung habe, und wo ich in Versuchung käme, die Entscheidung des Mitspielenden in Frage zu stellen, ist folgender:
Eine sensible, diplomatische Situation: Die mächtige Königin, eigentlich als Big Boss die Gegenspielerin der Gruppe, hat sich zu Überraschung aller der Gruppe gegenüber geöffnet und ein Geheimnis offenbart, das ihre Entscheidungen in einem anderen Licht erscheinen lässt. Die SCs sind halb gerührt, halb verunsichert, aber sie wissen: Mit einem solchen Wissen geht man behutsam um. Auch, weil man nicht möchte, dass die Königin plötzlich einen Scham-Anfall bekommt, und ihr Geständnis der Gruppe gegenüber plötzlich als großen Fehler wertet. Die Folgen dieses Geständnisses sind noch gar nicht abzusehen. Aber wohin es sich nun weiter entwickeln wird? Niemand weiß es, und noch traut niemand, sich vorzutasten...
Ihr wisst schon: Rührung, Zwischentöne, Überraschung, Emotionalität, ein Sich-Öffnen, Verunsicherung - dies ist einer von den raren Momenten, die man nur selten im Rollenspiel hat.
Da fragt Christoph: "Wie weit stehe ich eigentlich von der königlichen Schmuckschatulle weg, und kann ich da nicht einfach mal reingreifen?" oder er kommt mit einem anderen Vorschlag, der von allen anderen als unpassend empfunden wird.
Die Restgruppe pöbelt Christoph natürlich sofort an mit "Wehe Du machst das! Lass' gut sein!"
Mit Pech lässt sich Christoph diesen Gegenwind natürlich nicht gefallen, und besteht darauf, dass gewürfelt wird, ob die Königin seinen Diebstahl bemerkt.
Über die Jahre hinweg sind diese Momente in unserer Gruppe extrem selten geworden, weil wir uns aufeinander eingestellt haben. Aber in meiner ersten Spielgruppe kamen sie durchaus vor.
Mein Zwiespalt als SL in dem Moment: Nur aufgrund eines spontanen Impulses, den ein Mitspielender hat, ist der seltene, hohe, zerbrechliche Grad an Immersion, den alle anderen empfinden, gefährdet.
• Auf die Meta-Ebene wechseln und Christoph deutlich machen, dass er hier einen potentiell wahnsinnig wertvollen Moment gefährdet?
• Die Restgruppe das "Verprügeln" von Christoph überlassen? Auf SC-Ebene oder auf Spielenden-Ebene? Und dabei in Kauf nehmen, dass die Spielenden sich zerstreiten?
• Den potentiell wahnsinnig wertvollen Moment potentiell gefährden und einfach würfeln? Aber wie dann mit dem möglichen zwischenmenschlichen Fallout in der Gruppe umgehen?
Was ich nicht machen würde, wäre innerweltlich Barrieren hochzuziehen, die sonst nicht da wären, à la "In dem Moment kommen übrigens die Wachen zurück, und haben Euch besonders scharf im Blick..."