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[Hard SF] Langlebigkeit vs Unsterblichkeit

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nobody@home:

--- Zitat von: Feuersänger am  2.07.2025 | 16:23 ---Ich verstehe schon den von Chaos angesprochenen Gedankengang, dass Deflation schädlich ist, weil ja dann zB niemand mehr irgendwem irgendwas leihen wird und auch nichts mehr investiert wird. Ich frage mich halt nur, ob da nicht auch ein Gleichgewicht möglich ist.
--- Ende Zitat ---

Letzten Endes wird's auf absehbare Zeit immer noch genügend Dinge geben, die jemand gleich braucht. Wenn ich heute am Verhungern bin, warte ich nicht bis nächste Woche darauf, daß der Preis für ein Pfund Brot und etwas drauf noch mal um ein, zwei Cent sinkt, und auch, wenn ich irgendetwas Längerfristiges plane, muß ich ja mit der konkreten Umsetzung dieser Pläne irgendwann mal tatsächlich anfangen, wenn sie mir jemals etwas bringen sollen, und kann das nicht bis in alle Ewigkeit aufschieben.

Hinzu kommt, daß Deflationen zwar allgemein schlecht für den Profit sein mögen...aber inwieweit der seinerseits auch noch über die nächsten Jahrhunderte und -tausende überhaupt noch konstant als wirtschaftliche Tugend betrachtet werden wird, fällt dann endgültig in den Bereich der Spekulation. Schließlich hat sich die Art, wie Handel betrieben wird, auch im bisherigen Verlauf der Geschichte schon mehrfach teils recht radikal geändert; vielleicht kommt also eine hinreichend aufgeklärte Gesellschaft doch mal irgendwann an den Punkt, an dem nicht ausgerechnet die menschliche Gier ganz selbstverständlich in vielen Dingen die Hauptmotivation schlechthin darstellt. Auch, wenn das für dieses spezielle Setting doch noch etwas zu optimistisch sein mag. :)

Feuersänger:

--- Zitat ---man könnte sich zum Beispiel fragen, was denn so schlimm daran sein soll, der Arbeiterschaft einen Teil von Kuchen abzugeben, anstatt sie nur gerade eben so am Leben zu erhalten.
--- Ende Zitat ---

Ja, das ist ja genau so vorgesehen. Jetzt Solidarsysteme mal außen vor gelassen, ist ja das Ideal, dass jeder den Teil vom Kuchen bekommt, den er selber erwirtschaftet hat - und sich eben nicht erstmal einer ein ganzes Drittel des Kuchens krallen darf.
Wie genau sich das da dann alles aufteilen müsste, unter Berücksichtung von Produktivitätsgewinnen durch Automatisierung etc, das ist sicher ein komplexeres Thema, darf sich gerne ein Volkswirtschaftler dran austoben. ;)


--- Zitat von: nobody@home am  2.07.2025 | 16:59 ---wenn ich irgendetwas Längerfristiges plane, muß ich ja mit der konkreten Umsetzung dieser Pläne irgendwann mal tatsächlich anfangen, wenn sie mir jemals etwas bringen sollen, und kann das nicht bis in alle Ewigkeit aufschieben.
--- Ende Zitat ---

Ja schon, aber was ist wenn du nicht das gesamte für diese Investition benötigte Kapital selber auf der Naht hast? Dann müsstest du dir etwas leihen.    Aber in einem deflationären System wetteifern quasi alle potentiellen Kreditnehmer um eine immer geringere Geldmenge. In der Folge dürften die Zinsen durch die Decke gehen. Investitionen werden also sehr teuer, weil hohe Zinsen. Es werden also weniger Investitionen getätigt, und von diesen wenigen müssen die hohen Kosten also dann hinterher wieder reingeholt werden -> zack werden auch die Preise nach oben klettern, und die Deflation ist ad absurdum geführt.
 

--- Zitat ---Hinzu kommt, daß Deflationen zwar allgemein schlecht für den Profit sein mögen...aber inwieweit der seinerseits auch noch über die nächsten Jahrhunderte und -tausende überhaupt noch konstant als wirtschaftliche Tugend betrachtet werden wird, fällt dann endgültig in den Bereich der Spekulation.
--- Ende Zitat ---

Letzten Endes wird der Einzelne ja immer Geld brauchen (es sei denn er lebt als subistenter Homesteader ausschließlich von seinem eigenen Gemüsebeet), solange es keinen Star-Trek-artigen magischen Zauberkasten gibt, der alles auf Knopfdruck zum Nulltarif herbeizaubert, oder man sonstwie ein Post-Scarcity Utopia erreicht, was aber in Redshift noch lange nicht realisiert ist.

Wir haben also hier ein Szenario, in dem das Individuum im Idealfall seinen gesamten Lebens-Geldbedarf in einem Bruchteil seiner Lebenszeit selber erwirtschaftet. Da kann das System wirklich darauf ausgerichtet sein, dass man statt 40-Stundenwoche über 50% seiner Lebenszeit nur noch 20 Stunden über 25% seiner Lebenszeit arbeitet, und dabei noch ein paar andere Leute mitversorgt für die gar keine Arbeit da ist, und seinen Ruhestand mit finanziert hat, alles dank hoher Produktivität.
Theoretisch auch denkbar, dass man die Arbeit noch kleinteiliger rationiert, sodass vielleicht der Einzelne nur noch 1 Tag pro Woche einem Lohnerwerb nachgehen muss, aber dafür auch fast jeder so eine Stelle hat. Oder man arbeitet zwei drei Monate am Stück und hat den Rest des Jahres frei, oder sonstwie. (Heisst halt auch, man muss 5 Leute für die Arbeit ausbilden, die heute von 1 Person erledigt wird, ist natürlich nicht effizient, aber vielleicht trotzdem gesellschaftlich attraktiv)

Dieses Szenario gilt übrigens so oder so erstmal nur auf der Erde. Im Weltraum sind trotz aller Fortschritte die Overheads immer noch so groß, dass man lieber möglichst Vollzeit ein paar Jahre ranklotzt und die Freizeit eher hinterher abfeiert. Vergleich Offshore-Ölplattform - da wollen die Arbeiter auch nicht in 4-Tage-Woche rumschimmeln, sondern in so kurzer Zeit wie möglich so viele Arbeitsstunden wie möglich abrockern.

Da ist es dann vielleicht möglich, dass ein Spacer schon in 10-15 Jahren genug für den Rest seines Lebens rangeschafft hat und die nächsten 90 Jahre, wenn ihm das gefällt, chillen kann.

Chaos:

--- Zitat von: Feuersänger am  2.07.2025 | 18:27 ---Ja, das ist ja genau so vorgesehen. Jetzt Solidarsysteme mal außen vor gelassen, ist ja das Ideal, dass jeder den Teil vom Kuchen bekommt, den er selber erwirtschaftet hat - und sich eben nicht erstmal einer ein ganzes Drittel des Kuchens krallen darf.
Wie genau sich das da dann alles aufteilen müsste, unter Berücksichtung von Produktivitätsgewinnen durch Automatisierung etc, das ist sicher ein komplexeres Thema, darf sich gerne ein Volkswirtschaftler dran austoben. ;)

--- Ende Zitat ---

Grob gesagt, könnte man Arbeitskraft als eine Form von Investition ansehen.

Sagen wir mal, Lebenshaltungskosten sind 100.000 Redshift-Dollar (RSD) pro Jahr. Ein Vollzeit-Arbeiter wird behandelt wie ein Investor, der 100.000 RSD an Geld in die Unternehmung investiert hat. Beide bekommen am Ende des Jahres ihre 100.000 RSD zurück (soweit die Erträge dafür ausreichen); was dann noch über ist, das wird anteilig nach Investitionssumme an alle Investoren (Geld- und Arbeitskraftinvestoren) verteilt. Qualifiziertere Berufe könnten eine stärkere Gewichtung beim Verteilen der Gewinne bekommen, damit für den Stationsarzt mehr rausspringt als für den Tellerwäscher 3. Klasse, aber sie alle bekommen ihre Investition zurück, bevor irgendwelche Gewinne verteilt werden.

Feuersänger:
Hmmh lass uns das mal ein wenig im Detail durchspielen, ganz simplifiziert:
Sagen wir, Alice in Investorin und kauft eine Maschine für 500.000 RSD
Bob ist Techniker, der diese Maschine bedienen kann und 100.000 RSD Jahresgehalt verdient / haben will.

Wenn sie damit nun pro Jahr 200.000 RSD Einnahmen verzeichnen, ist ja alles in Butter: Alice bekommt 100k von ihrer Investition zurück, Bob bekommt sein 100k Gehalt, prima.

Aber wie ist es, wenn sie nur 150k einnehmen? Wer kriegt dann wieviel?
Oder 80k?
Oder 250k?

Und gesetzt den Fall, es kommen zuverlässig jedes Jahr 200k rum, was passiert dann einige Jahre später wenn Alice ihr Investment längst mit Zinsen zurück hat?

Chaos:

--- Zitat von: Feuersänger am  2.07.2025 | 20:10 ---Hmmh lass uns das mal ein wenig im Detail durchspielen, ganz simplifiziert:
Sagen wir, Alice in Investorin und kauft eine Maschine für 500.000 RSD
Bob ist Techniker, der diese Maschine bedienen kann und 100.000 RSD Jahresgehalt verdient / haben will.

Wenn sie damit nun pro Jahr 200.000 RSD Einnahmen verzeichnen, ist ja alles in Butter: Alice bekommt 100k von ihrer Investition zurück, Bob bekommt sein 100k Gehalt, prima.

Aber wie ist es, wenn sie nur 150k einnehmen? Wer kriegt dann wieviel?
Oder 80k?
Oder 250k?

Und gesetzt den Fall, es kommen zuverlässig jedes Jahr 200k rum, was passiert dann einige Jahre später wenn Alice ihr Investment längst mit Zinsen zurück hat?

--- Ende Zitat ---

Maschinen werden normalerweise über einen bestimmten Zeitraum hinweg abgeschrieben. Lassen wir das hier mal 10 Jahre sein. Die Maschine verliert also pro Jahr 50.000 RSD an Wert, und wenn der Laden (aus welchem Grund auch immer) nach einem Jahr dicht gemacht wird, hat Alice immer noch eine Maschine, die 450.000 RSD wert ist.

Da würden dann 1/3 der Erträge an Alice gehen, weil sie 50.000 RSD pro Jahr Wertverlust der Maschine hat, und 2/3 an Bob, weil er 100.000 RSD pro Jahr Lebenshaltungskosten hat.

***

Wenn wir jetzt noch Charlie den ungelernten Lagerarbeiter nehmen, der auch 100.000 RSD pro Jahr Lebenshaltungskosten hat. Weil Bob höher qualifiziert ist als Charlie, hat er anderthalb mal so viel Gewinnanteil.

Wir haben also 250.000 RSD Investition (Alice 50.000, Bob und Charlie je 100.000); von den ersten 250.000 RSD Erträge gingen also 20% an Alice, und je 40% an Bob und Charlie.

Wenn wir aber mehr als 250.000 RSD Erträge haben, zählt Bobs Investition, weil er höher qualifiziert ist, das anderhalbfache; Gewinne gehen also zu 1/2 an Bob (weil seine Investition hier als 150.000 RSD gerechnet wird), 1/3 an Charlie (für seine 100.000 RSD) und 1/6 an Alice (für ihre 50.000 RSD).

***

Wenn die Maschine dann fertig abgeschrieben ist, in diesem Beispiel nach zehn Jahren, könnte ich mir vorstellen, das Alices Kostenerstattung auf 0 sinkt, weil sie nichts mehr abschreibt, sie aber, solange die Maschine noch läuft, einen Gewinnanteil bekommt, als hätte sie 50.000 RSD investiert. Also, die Gewinnverteilung bleibt unverändert, aber von den ersten 200.000 RSD gehen jeweils die Hälfte an Bob und Charlie für ihre Lebenshaltungskosten.

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