Zu eurer Überraschung bleibt Rendre im Haus zurück, seine Gestalt wirkt wie ein Scherenschnitt in der Tür zu Oktars Anwesen. Sechs Hirdmänner des Grimme Clans nehmen euch in ihre Mitte und geleiten euch zum Hafen. Die Nacht ist dunkel und feucht, dichter Nebel liegt über der Stadt und Gylfi muss daran denken, dass in solchen Nächten die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und Helgard dünn ist. In solchen Nächten finden böse Geister den Weg aus den Landen der Toten in die Welt der Lebenden. Raak hätte sich keine bessere Nacht für das Begräbnis seines Bruders Ask auswählen können. Wo immer auch Licht brennt strahlt es blass, diffus in die feuchte Luft, wird geschluckt von den grauen Schwaden. Ihr erreicht das Ende einer Menge und die Hirdmänner bahnen euch einen Weg nach vorne, hin zu den Stegen wo die Langschiffe liegen. Licht scheint von dort herüber und lässt die Szene noch unwirklicher wirken. Ihr könnte das Kläffen und Knurren von Wölfen hören die an Ketten zerren.
Es müssen mehr als eintausend Männer und Frauen sein die sich in dem Hafen zusammendrängen, auf Kisten und Fässern sitzen, von Lagerhäusern aus ein Blick auf die Szene werfen wollen und ihr steht ganz vorne. Fackeln erhellen die Szene und so wirkt es als würdet ihr in einer riesigen grauen Halle stehen deren Decke der Nebel ist in dem das Licht der Fackeln verschwindet. Leise ist das Knarzen von Tauen oder Segelzeug zu hören, es riecht nach Tang und Salzwasser. Sechs Scheiterhaufen wurde errichtet, einer für jeden Hirdmann der in der Nacht von den Uvails erschlagen wurde vor ihnen steht Fylkjarl Raak Wulfr um ihn herum fünf riesige graue Wölfe, der Schein der Fackeln spiegelt sich in ihren Augen, ihr zottiges Fell ist Nass vom Nebel. Knurrend halten sie die Menge auf Abstand und es besteht kein Zweifel das sie jeden der sich ihnen nähert in Stücke reißen werden. Weiß wie Elfenbein stechen ihre Fangzähne hervor wenn sie grollend die Lefzen heben. Hinter Raak liegt ein einzelnes kleines, schmales Boot. Dort aufgebahrt liegt Ask, in Tücher gewickelt auf einem Bett aus ölgetränkten Scheiten.
Es scheint das ihr die letzten seid die erwartet wurden, das Murmeln verstummt und eine Stille kehrt ein. Selbst die Wölfe sind ruhig.
Fylkjarl Raaks Stimme erschallt laut und deutlich, getragen von der feuchten Luft.
„Verwandte, Freunde, gestern dachte ich, ich würde den Anbruch einer neuen Zeit erleben. Eine Zeit in der Ungerechtigkeiten vergessen werden könnten. Eine Zeit, in der neue Verwandte in unsere Reihen aufgenommen werden könnten. Eine Zeit…“ seine Stimme wird bitter „…der Freude und Festlichkeit. Die Männer der Uvails haben eine Abneigung gegen all meine Versöhnungsbemühungen. In der Vergangenheit und auch jetzt auf dieser Feier, sie haben kaltblütig zum Ausdruck gebracht was sie von den Wulfr halten!“
Raak legt eine kurze Pause ein.
„Ich habe euch alle zusammengerufen, damit wir gemeinsam Abschied nehmen können von denen welche uns so unrühmlich genommen wurden!“
Der Fylkjarl macht eine ausholende Geste zu den Scheiterhaufen, die Menge raunt.
„Heute Früh hat unser geliebtes Brautpaar sich von meinem Bruder verabschiedet und ich war es der sie davon überzeugt hat, ihr Leben trotz dieses großen Leids weiterzuführen. Ich kann ihnen die Heimreise nach Wretguard nicht missgönnen, ebensowenig wie die Freud über ihre neue Verbindung. Ich sage euch, verflucht sie nicht ob ihrer Abwesenheit denn sie gehörten zu den ersten die ihre Tränen vergossen haben und sie waren die ersten die sich verabschiedet haben. Fragt meinen Bruder, meine Freunde so war es bei Sturmi!“
Wieder raunt die Menge, die Wölfe knurren.
„Ich hatte meinem verstorbenen Vater versprochen meine jüngeren Brüder vor Schwert, Pfeil und Reißzähnen zu beschützen. Ein Versprechen…“ Raaks Stimme bricht und er muss erneut ansetzen „..ein Versprechen das ich gebrochen habe!“
Jetzt liegt eine düstere Endgültigkeit in seinen Worten.
„Nun muss ich daher Blutrache für den Tod meines Bruders fordern und die Herrschaft der Uvails ein für alle Male stürzen. Ich schwöre bei allen, die hier sind, ihr seid meine Zeugen! Keines der Wulfr-Schwerter wird ruhen bis nicht Vret Uvail und sein gesamter Clan von Wechselbälgern und Gesindel ihr Opfer für all die Missetaten gebracht haben die ungestraft geblieben sind. Allen voran dem Mord an meinem Bruder!“
Die Menge stöhnt auf, ist sie doch gerade Zeuge eines Racheschwurs geworden welcher die Wulfr´s bindet, bis auch der Letzte Uvail erschlagen unter ihren Eisen im Gras liegt. Ihr Blut in der Erde der Wildlande vergossen.
„Nun…“ Raaks Stimme wird weicher, trauernder „…lasst Silgra ihr
Schicksal wählen!“
Aus den Schatten hinter Raak tritt die Frau von Ask. Geleidet in ein schlichtes einfaches Gewand. Trotz der Kälte und Nässe sind ihre Füße nackt, ihr langes Haar fällt offen über ihre Schultern. In ihren Händen hält sie ein Beil, vielleicht die Streitaxt ihres verstorbenen Ehemanns und euch fährt es kalt den Rücken herunter. Erinnert ihr euch doch an die Worte des Brückers welche er zu Miri sagte und die euch die Saatigias erläuterten. Eine Ehefrau folgt ihrem Mann, damit er die Ewigkeit in Helgard nicht alleine überstehen muss. Was die Axt in ihren Händen bedeutet wird euch nur zu deutlich bewusst. Die Menge schweigt, hält den Atem an.
Langsam schreitet Silgra die Reihen der Menschen ab dann bleibt sie vor Gylfi stehen.
„Alter Skwilde, Meister der Worte und Sagas welcher uns gestern so gut unterhalten hat. Uns über den Sinn der Liebe belehrte und welche Aufgeben von Braut und Bräutigam erwartet werden. Erfüllt mir meinen letzten Wunsch. Seit mein Schicksal!“
Auffordernd hält sie Gylfi die Axt hin, ihr Wunsch ist klar. Es bestehen keine Zweifel, alle Augen sind auf den Skwilden und die Gäste von Oktar Grimme gerichtet.