Autor Thema: Blutige Anfänger - Spielbericht (SPOILER)  (Gelesen 62 mal)

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Blutige Anfänger - Spielbericht (SPOILER)
« am: Gestern um 12:08 »
Freiheitsweg 23

Berlin, Reinickendorf. Der Himmel hing wie eine ausgebrannte Leuchtstoffröhre über der Stadt, und der Wind roch nach nassem Beton und synthetischem Bier.
Der Freiheitsweg 23 war kein Ort, an dem man freiwillig landete — eher so ein Fleck, wo du dich wiederfandest, wenn das Leben dich dreimal überfahren und in den Rinnstein gespuckt hatte.

Aber genau hier, zwischen verbeulten Wohnwagen, zusammengeflickten Drohnen und einem Lagerfeuer aus brennendem Elektroschrott, lag das Hauptquartier der Füchse — eine Gang, die irgendwie zwischen Straßenkunstkollektiv, Cyberclowntruppe und bewaffneter Sozialtherapie pendelte.

Tag 1 – Willkommen im Bau

Tank war die Erste, die das Feuer bemerkte. Eine Zwergin mit breiten Schultern, einem Axtgriff aus Karbonstahl über der Schulter und dem Blick einer Frau, die schon mehr Zähne ausgeschlagen hatte, als andere Freunde besaßen. Ihr Lederpanzer war zerkratzt, ihr Grinsen echt.

Neben ihr "schwebte" Sprite, ein Elf mit Tribal-Tattoos, deren Linien sich im schwachen Neonlicht zu bewegen schienen. Er hatte die Hasenpfote, die um seinen Hals hing, liebevoll „Möhrchen“ getauft. Seine Augen funkelten wie zwei kleine AR-Symbole.

„Na, wenigstens haben sie Bier,“ murmelte Sprite und sah zu den Autositzen rund ums Feuer.

Dort saßen schon zwei andere: ein hochgewachsener unscheinbarer Elf und der typischen Aura eines Typen, der lieber mit Maschinen als Menschen redete — New Hope — und ein breitschultriger Mensch mit glänzendem Metall unter der Haut — Boogey, Straßensamurai, Pistolenholster wie zweite Haut.

Foxy, der Ork mit der goldenen Sonnenbrille und einer Stimme wie ein übersteuerter Lautsprecher, sprang auf, als die Neuankömmlinge sich näherten.
„Ey, geil! Jetzt sin’ wa komplett! Setzt euch, ihr Helden der Zukunft! Kartoffelsalat links, Tofu-Würstchen rechts, Bier is’ da, wo’s zischt.“

Tank ließ sich auf einen Autositzen plumpsen, Sprite folgte ihrem Beispiel mit gespielter Eleganz.
„Sag mal,“ meinte sie, „sind das echte Tofu-Würstchen oder der billige Sojaersatz, der nach Schuh schmeckt?“
Foxy grinste breit. „Na, kommt drauf an, ob du nach’m dritten Bier noch schmeckst.“

Lachen. Irgendwo im Hintergrund wummerte Techno aus einer Box, die schon zwei Jahrzehnte zu alt war, um noch Strom zu sehen.
Über ihnen blinkte ein Hologramm in Gestalt eines Fuchses, das sich ab und zu verschluckte und dann wieder zum Leben flackerte.

Zwischen Bier und Bits

Während Sprite mit Foxy um die Wette trank, zog New Hope sich leise in die Matrix zurück. Seine Finger glitten über das Interface, die Pupillen spiegelten Codezeilen.
Die Füchse hatten zwei Hosts am Start: die Gebäudesteuerung und die Kameraüberwachung. Nichts, was ein erfahrener Decker nicht in fünf Minuten hätte aufbrechen können — aber heute war er brav. Ronin, der mürrische Auftraggeber mit dem vernarbten Gesicht, hatte klare Regeln gesetzt: Kein Hacken der Spielleitung.

Sprite dagegen öffnete seinen Geist. Die Astralebene flutete ihn, Berlin erstrahlte in einem kaleidoskopischen Rauschen aus Licht und Emotionen.
Tank glühte wie eine Fackel — eine Adeptin, klar zu erkennen, Körper und Geist geschärft wie Klingen.
Die Füchse selbst dagegen? Leere Hüllen, Straßenleute ohne Funken Magie. Nur Kuma Lisa hatte eine seltsam warme Aura, als hätte die Anführerin der Füchse zu oft über Hoffnung geredet, um ganz kalt zu sein.

„Hier is’ nix Übernatürliches,“ sagte Sprite, als er wieder zurückkehrte. „Außer der Musik vielleicht.“
„Ja,“ murmelte New Hope, „die ist übernatürlich schlecht.“

Foxy lachte. „Wartet nur ab. Morgen zeigen wir euch, was wir können.“

Tank prostete ihm zu. „Ich hoffe, das Training is’ härter als der Kartoffelsalat.“

Nacht im Malepartus

Später, als die Boxen nur noch knisterten und der Mond sich im Chrom der Wohnwagen spiegelte, gingen sie schlafen.
Die Füchse hatten die Wagen zu einem Haufen zusammengeschoben, der sie an eine Mischung aus Nomadenlager und Cyberpunk-Flohmarkt erinnerte.
Sprite murmelte ein paar Worte an seinen Totemgeist, Tank legte sich mit der Axt unter den Arm, New Hope verschwand hinter seinem Deck, und Boogey schlief wie ein Stein — der wahrscheinlich implantiert war.

Tag 2 – Der Run

Am nächsten Morgen roch es nach synthetischem Kaffee und verbrannten Sojapfannkuchen. Um acht Uhr gab’s Frühstück, um zehn das Briefing.
Foxy stand vorne, ein Headset im Ohr, Ronin im Hintergrund mit verschränkten Armen.

„Also, Leute,“ begann Foxy, „ihr spielt heute Runner. Konzern heißt Silberfuchs Pharma. Ihr Ziel: Dr. Senta Karg, leitende Wissenschaftlerin. Sie weiß Bescheid, will raus. Ihr bringt sie über’n Zaun. Bonusziel: Serverraum. Löscht die Forschungsdaten. Easy, oder?“

Tank grinste. „Klingt nach nem netten Spaziergang.“
„Regeln?“ fragte New Hope trocken.
„Klar: Kein echter Schaden, kein Magieeinsatz, keine Sabotage von uns, kein Hacken. Alles markierte Munition. Spaß soll’s machen!“

Ronin schnaufte. „Wenn ihr das versaubeutelt, habt ihr hier nichts verloren.“

Der Schleicheinsatz

Das Team zog im großen Bogen über das Gelände, Schatten zwischen Containern. Sprite schwebte wieder astral — eine Wache am Tor, zwei patrouillierend, vier auf dem Dach.
Perfekte Trainingskulisse.

„Dreißig Sekunden, bis sie zurück sind,“ flüsterte Sprite.

„Dann los,“ raunte Boogey.

Einer nach dem anderen sprangen sie über Container, Metall quietschte, Neon flackerte.
Auf der anderen Seite hockten sie zwischen alten Transportboxen.
Boogey schnappte sich Tanks Kletterausrüstung, grinste und stieg die Wand hoch wie ein Spinnenmensch mit Cyberknien.

„Fenster ist offen,“ kam es leise durchs Comlink. Er bemerkte nicht den reißenden Alarmdraht. Zum Glück war der Alarm-Lautsprecher genau so schrottig, wie das meiste auf dem Trainingsgelände und blieb einfach stumm.

Sie folgten ihm — Tank mit Schwung, Sprite leichtfüßig, New Hope zähneknirschend. Drinnen: ein improvisiertes Büro voller ausrangierter Terminals und flimmernder Holoprojektoren.

Serverraum des Grauens

„Weg frei,“ meldete Sprite. „Keine Wachen im Gang.“

Tank schob die Tür zum Serverraum auf. Alte Hardwaretürme, Kabelsalat, und mittendrin — ein pinker, uralter Mac. Das Ding hätte als Museumsstück durchgehen können.

„Heilige Drek,“ murmelte New Hope. „Das läuft noch mit MacOS 9.2.“

„Dann eben Retro-Hack,“ grinste Tank, setzte sich einfach hin und drückte den Power-Knopf. Das Gerät piepte, summte — und startete.

„Bonusziel erfüllt,“ sagte eine blecherne Stimme aus einem Lautsprecher. Foxy hatte Humor.

Während Tank sich über das Nostalgie-Monster amüsierte, war New Hope längst wieder in der Matrix. Er fand den Host der Gebäudesteuerung, flutschte durch eine Hintertür und sah, wie Lampen, Sprinkler und Hologramme alle über die gleiche Steuerung liefen. Ein Spielfeld aus Licht und Kontrolle.

„Wenn das hier echt wär,“ murmelte er, „würde ich die ganze Scheiße in Rauch aufgehen lassen.“
Boogey grinste. „Dann wär’s wenigstens spannend.“

Sprite nickte, legte die Hand auf die Hasenpfote. „Ich spür da was… Vielleicht sollten wir lieber—“

Der Serverraum stank nach Elektronik, verschmortem Kunststoff und einem Hauch Panik. Ein pinker Mac summte, LEDs blinkten wie Herzschläge. Tank lehnte an einem Serverschrank, die Axt über der Schulter, Boogey justierte seine Handschuhe, New Hope steckte tief in der Matrix der Haussteuerung, und Sprite glitt in die Astralebene, um den Flur zu überwachen.

„Plan?“ fragte Tank, die Stimme rau vom Schlafmangel und vom letzten Abend.

„Ich simuliere Störungen der Beleuchtung“, erklärte New Hope ruhig. „Vielleicht kommt unsere Zielperson raus, neugierig wie ein Fuchs.“

Sprite glitt auf dem Flur hin und her. Alles lief nach Plan… bis plötzlich eine Aura auftauchte. Nicht Dr. Karg, die Zielperson, sondern ein ahnungsloser Techniker eines Berliner Hausverwaltungsservices, automatisch vom Gebäude gerufen.

„Hm… sieht aus wie einer von Foxys Leuten“, murmelte Bogey und sprang aus dem Serverraum, um den vermeintlichen Verbündeten auszuschalten. Tank half von der anderen Seite, New Hope hielt dem armen Mann den Mund zu, während Bogey seine Colt Cobra UZI auf ihn richtete.

„Ich… ich arbeite nur hier…“ stammelte der Techniker, vollkommen überfordert. Sprite zog sich den Blaumann über, als wäre es ein Zauberumhang, und sicherte die Codekarten der Magschlösser. „Improvisieren, Leute, improvisieren,“ murmelte er, während er wie ein Fremder in der Uniform wirkte.

Sprite bewegte sich zur Sicherheitsschleuse, doch er war kein Decker. Zahlencode? Kein Problem für New Hope, für Sprite ein Rätsel, das ihn ins Stolpern brachte. Sekunden des Zögerns, ein Klick — und BÄM: Alarm.

„Verdammt!“ fluchte Tank, während New Hope blitzschnell den Feueralarm im Erdgeschoss auslöste. „Abgelenkt werden, Leute! Wenn wir schon auf dem Katastrophenweg sind, dann richtig!“

Farben spritzten, Paintball-Geschosse flogen, und Sprite stürmte frontal auf die Wachen zu. Zwei bekamen direkt Farbkleckse ab, Bogey erledigte die dritte. Tank und New Hope nutzten Deckung und Seitenlinien, während die restlichen Wachen, farbbekleckert und konsterniert, die Hände hoben und zurückzogen.

Im Labor warteten zwei Selbstschuss-Drohnen. „Sieht aus, als hätten die ‘ne schlechte Sicht“, murmelte Tank, während Bogey und New Hope die Drohnen beschossen. Farbklekse trafen die Sensoren — die Maschinen fielen in den Standby-Modus. Zwei Zivilisten und die Zielperson selbst, Kuma Lisa, traten hervor.

„Ich brauch Foxybaby! Ohne ihn kann ich nicht raus!“, rief sie theatralisch. Tank verdrehte die Augen, Sprite überprüfte astral die Wachen auf dem Dach, die sich langsam der Treppe näherten.

Keine Zeit zu verlieren. Sie schnappen sich Kuma Lisa und sprinten das Treppenhaus hinunter. Bogey und Tank feuern aus der Deckung, New Hope flankiert, Sprite stürmt frontal und trifft zwei Wachen, während New Hope den dritten von der Seite erledigt. Eine Wache erwischt Bogey – raus aus dem Spiel.

In der Garage stehen Lastwagen wie stumme Zeugen des Chaos. Drei Drohnen spucken Farbkugeln. „Zeit für Fahrstunde!“ ruft Tank und haut auf die Garagensteuerung. Tor hoch, alle huschen hindurch. New Hope schließt es wieder, bevor die Drohnen voll feuern können.

Die letzten Meter zum Zaun sind ein Sprint. Farbspritzer fliegen, Herzschläge rasen. Trainingsszenario abgeschlossen. Kuma Lisa lehnt sich zurück, sarkastisch: „Nur ein totes Teammitglied – guter Schnitt, Runner. Bravo.“

Tank schüttelt den Kopf, Sprite zieht die Hasenpfote aus der Tasche und murmelt: „Chaos hat Stil.“ New Hope und Bogey holen tief Luft. Dann: Abmarsch zum Raum der Spielleiter. Debriefing wartet. Und irgendwo draußen, im neonverhangenen Reinickendorf, flackert das Fuchs-Hologramm, als wollte es sagen: Willkommen im Spiel, Runner. Morgen geht’s erst richtig los.

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Re: Blutige Anfänger - Spielbericht (SPOILER)
« Antwort #1 am: Gestern um 12:09 »
Ronin stand schon im Raum, die Arme verschränkt, als die Gruppe mit Kuma Lisa hereinschneite. Kaum sah er den Plüschfuchs, verzog er das Gesicht, als hätte ihm jemand Säure ins Getränk gekippt.

„Wollt ihr mich eigentlich komplett verscheißern?!“ fuhr er sie an, ohne Vorwarnung.
„Da draußen sollt ihr lernen, wie man überlebt, und ihr rennt rum wie im Kindergeburtstag und jagt ein Scheiß-Plüschtier? Für sowas zahl ich keine fünf verdammten Nuyen mehr!“

Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass die Plastikbecher vom Briefing hüpften. Tank zuckte kaum sichtbar zusammen, Bogey verzog keine Miene, New Hope senkte nur eine Augenbraue. Sprite versuchte unauffällig, den Fuchsbaby-Plüsch hinter seinem Bein zu verstecken.

„Ihr habt Glück, dass das hier alles nur Paintball war,“ knurrte Ronin. „Auf ’nem echten Run hättet ihr mit so einer Aktion nen ganzen Konzern auf euch gehetzt.“
Er zeigte auf Tank. „Und du! Dein Job ist’s NICHT, beim Ziel rumzudiskutieren!“
Dann auf Bogey: „Und du schlägst einfach Zivilisten zusammen?!“
Dann einmal pauschal auf alle: „Habt ihr se alle noch?!“

Er holte Luft, offenbar bereit, eine weitere Salve loszulassen…
…hielt dann aber inne.
Man sah regelrecht, wie er sich selbst zurück in den Käfig zwang.

Er schnaubte.
Rieb sich über das Gesicht.
Der Sturm ebbte ab.

„Scheiße, egal“, murmelte er schließlich. „War’n Übungsszenario. Ihr lebt, ihr habt’s irgendwie hingekriegt, und Foxy meint, ihr seid ‚zufriedenstellend‘.“
Er zuckte die Schultern. Der Blick war wieder hart, aber kontrolliert.
„Passt nächstes Mal besser auf. Das war’s.“

Dann drehte er sich um, schob sich an ihnen vorbei und knallte die Tür halbherzig hinter sich zu — gerade stark genug, um seinen Frust zu zeigen, aber nicht stark genug, um Ärger zu machen.

Foxi trat vor, die Hände in die Hüften gestemmt, das Gesicht wie ein müdes, aber stolzes Fuchswappen.
„Joa… insgesamt? War gut“, sagte er mit einem Schulterzucken. „Ein bisschen chaotisch, bisschen brutal, bisschen unprofessionell – also ganz solide Runnerqualität. Ihr wachst rein. Weiter so. Oder na ja… ein bisschen besser vielleicht.“

Der restliche Tag war frei. Endlich.
Bogey überredete Tank zu einer spontanen Schießsession auf der improvisierten Range hinter dem Schuppen. Tank traf wie ein Sturmgewehr mit Sentimentalitätsmodus, Bogey wie ein geduldiger Kunstschütze mit Einstellung auf „Baller’ halt irgendwas an“.

New Hope lief eine Runde um das Trainingsgelände – und stellte fest, dass der Zaun mehr Löcher hatte als ein schlecht gepflegter Straßenköter. Er blieb stehen, freute sich insgeheim über die Ironie eines Trainingsgeländes, das null Sicherheit bot, und bemerkte nicht, wie ihn aus einem geparkten Wagen ein stiller Beobachter durchs getönte Fenster fixierte. Keine Bewegung, kein Geräusch. Nur ein rotes LED-Lämpchen, das zweimal kurz pulsierte.

Sprite saß derweil in einem Holzschuppen, meditierte, ließ astrale Ströme durch sich gleiten und sammelte seine Kräfte. Seine Hasenpfote lag auf dem Schoß und schien im schwachen Licht zu glühen.

Am Abend trafen sich alle wieder am Feuer. Wie am Vortag bruzzelte irgendwas auf dem Grill, das möglicherweise Tofu war, möglicherweise aber auch ein medizinisches Experiment aus den 2050ern. Die Stimmung: super. Ronin: nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hatte der Zorn ihn aufgelöst wie Nebel in der Sonne.

Dann kam der Morgen des 17.10.2080.

In der Spielleitung wartete Foxi bereits, Kaffee in der Hand, Augenringe wie Schlagschatten.
„Heut wird’s simpel“, sagte er. „Dachlandung per Fallschirm, rein in die Garage, Prototyp schnappen, Tor auf, rausfahren… alles Show, ja? Ihr werdet eh mit Augenbinden hochgeführt. Keine echten Fallschirme.“

Mit einer Mischung aus kindlicher Neugier und professioneller Vorsicht ließen sich die Runner von zwei Gangerstatisten aufs Dach führen. Augenbinden runter – und da standen sie tatsächlich: auf dem Dach der Garage, über ihnen ein grauer Morgenhimmel, unter ihnen die ferne Stadt.

Sprite wechselte sofort in die Astralebene. „Weniger Ganger heute“, murmelte er. „Viel weniger.“
Tank nickte und spähte über den Rand. Bogey kniff die Augen zusammen.

„…Moment.“

New Hope drehte sich zu ihm. „Was siehst du?“

„Ein Projektil. Sehr schnell. Sehr… geradlinig.“
Bogeys Stimme wurde unnatürlich ruhig.
„Äh— das ist ‘ne Rakete, Leute.“

„WAS?!“

Ab hier war der Plan tot. Alle rissen die Klappe zur Treppe auf und stürmten die Stahlgittertreppe nach unten. Über ihnen eröffneten Drohnen und verkleidete Ganger das Feuer mit Gelmunition, völlig ahnungslos. Das Klirren, das Pfeifen, die Stufen unter den Füßen – ein chaotisches Crescendo.

Der Einschlag kam wie ein Weltuntergang im Kleinformat.
Eine Druckwelle, ein Aufschrei aus Metall.
Sprite, New Hope und Tank klammerten sich ans Geländer.
Bogey verlor den Halt, rollte über mehrere Stufen, fing sich im letzten Moment ab.

Betonstaub regnete wie grauer Schnee. Dämmmaterial rieselte in den Kragen. Oben gähnte ein Loch, wo eben noch ein Stockwerk gestanden hatte.

Plötzlich: Ein Rundcall in der AR.
Foxis Stimme, scharf wie eine Klinge.
„ALARM! Konzerner! Z-IC ist auf dem Gelände! Euch wird scharfe Muni ausgegeben – verteidigt das verdammte Gelände! Einsatzfahrzeug markiert! Zwölf Ziele – sechs Richtung Spielleitung, sechs zur Roten Lunte!—“

Schüsse.
Geschrei.
Verbindung tot.

Sekunden später vibrierte Bogeys Kommlink. Ronin, per Video.
„Holt mich hier raus!“ schrie er, im Hintergrund flackerte Licht. „Die sind hier drin! Macht hin!“

Die Runner verloren keine Zeit. Ein Ganger drückte ihnen scharfe Munition in die Hände und öffnete das Tor.

Tank und Sprite hechteten hinter zwei Lastwagen in Deckung, Bogey hinter ein Auto. New Hope stieg auf ein anderes Fahrzeug und tauchte mit einem Ruck in die Matrix.

Sprite beschwor zwei Panthergeister – majestätische, schimmernde Raubkatzen, die sich auf den Lastwagen niederließen und wie lebende Schatten lauerten.

New Hope hackte sich in den Host des Mannschaftswagens der Angreifer. Audio. Video. Funk.
„Z-IC Black Ops“, murmelte er. „Verdammt gut ausgerüstet.“
Er broadcastete den Funk an das gesamte Team. In den Tiefen des Hosts konnte er eine E-Mail Konversation zwischen Claas Vinters und seiner Sekretärin Barbara Ahrendt herunterladen. Anscheinend wollte der Lackaffe sich seine Sporen durch die Aktion hier verdienen.

Im realen Raum näherten sich die Konzerner. Die leichten Vier stürmten vor, die zwei Schweren blieben zurück und sicherten ab. Einer kniete sich hin, legte Sprengstoff an die Tür zur Garage.

„TANK! NICHT!“ rief New Hope – gerade rechtzeitig.

Tank sprang zurück, als die Explosion die Tür zerfetzte. Ein Soldat stürmte herein und eröffnete Feuer auf Bogey. Das Auto wurde durchlöchert, Metall splitterte, Glas sprang.

Ein Schuss von links – Sprite feuerte die Schrotflinte ab, der Soldat wurde wie ein bunter Fetzen in die Wand getackert.

Tank brüllte, Muskelkraft durch Adeptenmagie gesteigert, und stürmte durch das Loch in den Gang. Ihre Axt sprang wie ein Blitz. Ein Hieb – und der zweite Soldat fiel, Kopf vom Körper getrennt.

Die Panthergeister sprangen mit ihr, doch ihre Krallen prallten an moderner Panzerung ab.

Bogey, New Hope und mehrere Ganger folgten. Der Korridor verwandelte sich in ein Schlachtfeld. Die leichten Soldaten fielen schnell; zu schnell.

Doch dann kamen die schweren.

Der erste eröffnete das Feuer – eine volle Salve. Tank wurde hart getroffen, taumelte zurück, Blut lief an ihrem Arm hinunter.

Sprite reagierte instinktiv, sprang vor, feuerte – ein Schrotknall, und der schwere Soldat ging zu Boden.

Bogey preschte an ihm vorbei, sprang auf den zweiten Schwere gepanzerten zu und rammte ihm das Katana in die Seite. Der Konzerner brüllte, zog einen Elektroschlagstock und traf Bogey mit einem brennenden Schlag, der ihn fast zu Boden schickte.

Doch gemeinsam – die Panthergeister, die Ganger, Sprite, Tank, Bogey, New Hope, jeder, der noch stand – umzingelten sie den letzten schwer Gerüsteten.

Schüsse. Klingen. Magie.
Ein wilder, chaotischer Tanz.

Bis er fiel.
Bis Stille einkehrte.

Fast Stille.

Denn draußen, jenseits der Garage, jenseits der Wände, hörte man noch immer das Echo von Kampf.
Schüsse, Schreie, das Heulen von Motoren.

Der Run war vorbei.
Die echte Scheiße hatte gerade erst angefangen.

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Re: Blutige Anfänger - Spielbericht (SPOILER)
« Antwort #2 am: Gestern um 12:09 »
Kaum hatten die Runner das Gebäude verlassen, vibrierten ihre Kommlinks wie ein hyperaktiver Hornet-Schwarm. Ein eingehender Videoanruf. Ronin.

Der Bildschirm sprang an — und direkt füllte Ronins Gesicht den Frame: Blutverschmiert, verschwitzt, schwer atmend. Hinter ihm türmten sich die Körper von dutzenden Z-IC-Soldaten wie ein makabrer Hügel aus Metall und Fleisch. Rauch stieg in schwarzen Schlieren auf.

„Na ENDLICH hebt ihr ab, verdammte Amateure!“ brüllte er ohne jede Begrüßung. „Wenn ich hier schon die ganze SCHEISSARBEIT allein erledigen muss, könnt ihr wenigstens euren beschissenen Arsch in BEWEGUNG setzen!“

Er trat gegen einen leblosen Arm zu seinen Füßen und fauchte:
„Foxy ist tot. Verdammt nochmal TOT. Und wenn ihr nicht in den nächsten zwei Minuten hier seid, leg ich den Rest von Z-IC eigenhändig um!“

Bevor jemand antworten konnte, knackte die Leitung — und eine zweite Stimme schaltete sich ein.

Kuma Lisa.
Zornig. Überschlagen vor Wut. Aber nur per Audio.

„WAS HAB ICH DA GERADE GEHÖRT?!“ Ihre Stimme klang unerwartet tief für jemanden, der wie ein knuffiger Plüschfuchs aussah. „FOXY IST TOT?! Das lassen wir uns nicht bieten! Hört ihr mich? NICHT!
Findet VINTERS. Bevor der Bastard abhaut. Ich will RACHE! Holt ihn!“

Dann brach die Verbindung ab.
Der Kampf um das Einsatzfahrzeug

Draußen sah das Gelände aus, als hätte ein Orkan aus Metall alles verwüstet. Überall zersplitterte Trümmerteile, verbogene Gerüste, rauchende Krater. Doch zwischen den Containern ragte etwas intakt aus dem Chaos hervor:

Ein schwarzer, schlammverschmierter Mannschaftstransporter mit dem Z-IC-Logo — tief eingesunken und festgefahren wie ein gestrandeter Wal.

„Da steckt er drin“, knurrte Boogey.
„Dann holen wir ihn raus“, keuchte Tank.

Sie rückten vor — geduckt, Schritt für Schritt zwischen den Containern. Die Tür des Transporters flog auf, und fünf schwer gepanzerte Soldaten stiegen aus. Der Offizier in der Mitte hob sein Sturmgewehr.

Er eröffnete sofort das Feuer.

Tank warf sich noch rechtzeitig hinter einen Container, als Kugeln Funken aus der Metallwand schlugen.
„Verdammt! Der Arsch will mich grillen!“

New Hope rutschte hinter die nächste Deckung und tauchte tief in die VR des Fahrzeugs. Seine Augen wurden glasig, sein Körper sackte in Deckung.
„Ich hab den Host… gebt mir nen Moment…“

Boogey zögerte — Katana oder Pistole? Warum nicht beides? Er packte Tank am Arm und zerrte sie weiter hinter die Deckung.
„Nicht hier abkratzen, Große. Noch nicht.“

Sprite dagegen dachte nicht lange nach.
Er sprintete vor, riss die Hände in die Höhe — und ein geisterhaftes, furchterregend großes Wildschwein manifestierte sich. Mit einem Brüllen stürmte es auf den Offizier zu.

Die Soldaten feuerten wie verrückt — alles ging durch. Doch der Offizier stellte sich breit hin, rammte dem Geist sein Gewehr ins Maul und drückte ab.

Der Geist verpuffte in einer Wolke aus Schimmern und Rauch.

„…Das war mein Lieblingsschwein.“ murmelte Sprite düster.

Doch die Ablenkung reichte. Sprite und Boogey stürmten vor. Tank hinkte hinterher, jeder Schritt eine Qual.
New Hopes Kampf im Host

Im Cyberspace ragte ein schwarzes Z-IC-Hochhaus endlos in die Höhe. New Hope huschte hinein — und sofort krachte ein Fenster oberhalb in Stücke.
Ein chromglänzender Wolf schoss heraus und raste auf ihn zu.

„Scheiße. Killer-IC.“

New Hope tauchte ab, legte den Tarnmodus an wie einen Mantel. Der Wolf fauchte, schwebte über den Datenstraßen, suchte.

New Hope schlich sich tiefer in den Host hinein und griff die Funkverbindung des Fahrzeugs an.
„Komm schon… nur ein paar Sekunden…“
Der Feuerwechsel kippt

Die Soldaten rückten professionell vor, Deckung zu Deckung, ein Lehrbuchbeispiel für sauberes Taktiktraining.

„Die flankieren uns“, rief Sprite.
„Ja, merk ich!“ Boogey gab suppressives Feuer ab, Kugeln knatterten über die Containerkanten hinweg.

Sprite nutzte den Moment, sprang nach vorne und hielt die Schrotflinte so nah an den Offizier, dass sich die Mündung fast in dessen Panzerung bohrte.

BOOM.

Der Offizier zerplatzte wie ein aufgeplatzter Blutbeutel.
Rückzug und Zusammenbruch

In der VR knackte eine letzte Datenleitung — New Hope hatte Zugriff.

„Alle Einheiten — Rückzug sofort!“ sendete er über das Funknetz.

Dann traf ihn der digitale Wolf.

Sein Körper im Realraum zuckte, fiel schlaff zusammen.

„Hope!“, schrie Tank, kroch zu ihm rüber und begann sofort mit Erste-Hilfe-Griffen.
Nach einem Moment riss er keuchend die Augen auf. „…Scheiß… Hund…“

Die Z-IC-Soldaten hörten den falschen Funkspruch, sahen den toten Offizier — und brachen den Angriff ab. Boogey gab ihnen noch ein paar letzte Schüsse mit, traf aber nur Schlamm.
Vinters, der erbärmliche Konzerner

Das Einsatzfahrzeug war verriegelt. Sprite zuckte mit den Fingern, murmelte ein paar Worte — und die Frontscheibe zerfloss wie warme Butter.

Dahinter saß Claas Vinters. Teurer Anzug, teurer Haarschnitt, teure OPs — aber null Rückgrat. Er ließ seine Pistole fallen, kaum dass er die Runner sah.

„Bitte! Ich — ich zahle euch alles! Alles was ihr wollt! Holt mich hier raus!“

Sie machten sich gemeinsam auf in die Spielleitung. Ronin wartete in der improvisierten Einsatzzentrale, sichtlich angepisst.

„So. Hier.“ Er drückte jedem von ihnen einen Credstick in die Hand. „Tausend für jeden, dreitausend extra für die Umstände. Erwartet keinen Applaus.“

Er wandte sich schon ab, drehte sich aber noch einmal halb um.
„Erster November. Düsseldorf. Fischmarkt. Yakuza-Jungs. Euer erster richtiger Job. Seid pünktlich oder lasst es bleiben.“

Dann war er auch schon weg.

Kuma Lisa ignorierte Ronin und war immer noch ausser sich vor Wut:
„Gebt mir diesen Wurm. Ich will Genugtuung.“

Tank übernahm das Reden, beruhigte sie, während New Hope und Boogey ihr die Chancen erklärten.
Ausnahmsweise schien Kuma Lisa rationaler als sonst — oder einfach müde vom Brüllen.

Am Ende einigte man sich:
Vinters überschreibt den Füchsen seine Villa.
Und jedem Runner 50.000 Euro.

Sie fesselten ihn, luden ihn ins Fahrzeug und machten sich auf den Weg.
Tegel – das unerwartete Ende

Vor dem Z-IC-Haupttor mussten sie lange warten. Schließlich trat ein Elf in makellosem Anzug heraus und erklärte kühl:

„Claas Vinters — Sie sind aufgrund schwerster Verstöße gegen die Konzerndisziplin entlassen. Ihr Vermögen wird eingezogen. Bitte hinterlassen Sie Ihr Firmeninventar. Sie sind hiermit auf Lebenszeit ausgelistet.“

Vinters’ Gesicht wurde purpurrot.
„Das könnt ihr nicht! Ich bin—ich war—ICH HATTE—–“

Dann spuckte er dem Elfen ins Gesicht.

Die Konzernwachen erschossen ihn ohne zu zögern.

Seine Leiche wurde wortlos von der Reinigungskolonne abtransportiert.

„Bitte verlassen Sie das Gelände“, sagte der Elf, als wäre gerade nur ein Paket falsch zugestellt worden.
Der Ausklang

Tank landete später im Krankenhaus, die anderen machten sich bereit —
denn nach dem Desaster mit den Füchsen konnten sie sicher sein:

Kuma Lisa würde die nächsten Monate nicht vergessen.
Und schon gar nicht verzeihen.