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[Warhammer] Die Reise nach Tiléa
Friedie:
Daubentag, der 31. Sommerzeit
Als ich wieder erwache, erinnere ich mich an wirre Träume, an entfernte Frauenstimmen, eine gewisse Zeit der Ruhe und dann eine lange Zeit mit gleichmässigem, aber dann lauter werdendem Gepolter. Und jetzt auf einmal Schreie und Kampfeslärm. Sind denn nur wenige Sekunden vergangen ? Ich stelle fest, dass ich mich wieder auf dem Karren befinde und ich scheine um den Bauch herum verbunden zu sein. Grosse Schmerzen empfinde ich allerdings nicht und ich werde dann doch ziemlich schnell klar im Kopfe. Vorsichtig luge ich über den Wagenrand, um mir ein Bild der Situation zu machen. Links von mir befindet sich eine mir völlig unbekannte Herberge, und vor mir türmt sich eine wohl eilig aus Balken, Tischen und Stühlen aufgetürmte Barrikade quer zur Strasse. Ich sehe, wie neben Raslani, Sigmund und einer mir unbekannten Frau ein paar weitere Männer diese Stellung verteidigen, während von der anderen Seite sicher mehr als ein Dutzend Orks heranstürmen. Hört das denn nie auf? Da sehe ich Magnus auf seinem Pferd über die Barrikade setzen, mitten in eine Gruppe von Feinden, von denen zwei augenblicklich zertrampelt werden. Kurz darauf wird er allerdings wohl getroffen und geht zu Boden. Was dann passiert kann ich mir im Nachhinein nicht mehr ganz erklären. Plötzlich erfasst mich reine Kampfeslust. Wenn ich schon sterben muss, dann jetzt und hier in der Schlacht! In unendlicher Wut auf diese Grünhäute schwinge ich mich von der Kutsche und laufe auf die Barrikade zu. Einem gefallenen Ork reisse ich die Streitaxt aus den Klauen und stapfe dann weiter. Ich sehe noch wie Raslani einen Feind geradezu in Stücke schiesst, und Sigmund feuert die anderen Männer an, die wie die Berserker auf einige Orks einschlagen, denen es irgendwie gelungen ist, die Barrikade zu überwinden. Auch ich bahne mir einen Weg durch die Absperrung und stürme dann mitten unter die Feinde. Eine ganze Weile gelingt es mir tatsächlich, mich auf den Beinen zu halten, ich schlage auf alles ein, was sich bewegt, drei oder vier der erschreckend grossen Gestalten stürzen nacheinander zu Boden, bis mich letztlich ein Schlag auf meinen Hinterkopf niederwirft. Als ich dann noch einmal kurz die Augen öffne, in der Erwartung, dass es wohl das letzte sein wird, was ich in dieser Welt erblicke, sehe ich den totgeglaubten Magnus über mir stehen, der mit seinem Schwert um sich schlägt und mich so vor weiteren heranstürmenden Orks beschützt. Als nur noch zwei unserer Feinde übrig sind ergreifen diese die Flucht, wobei ich sehe, wie einer der beiden von Raslanis buntgefiedertem Elfenpfeil in den Nacken getroffen wird und zusammenbricht. Ich vernehme laute Siegesrufe und höre noch einige Befehle, die von Sigmund oder Magnus zu kommen scheinen, ehe sich wieder ein dunkler Schleier vor meine Augen legt.
Fortsetzung folgt!
Friedie:
noch Daubentag, der 31. Sommerzeit
Als ich wieder die Augen aufschlage, blicke ich in das Gesicht einer jungen blonden Frau, die sich mir auf meinen fragenden Blick hin als Myralin vorstellt. Sie ist die Ärztin, die mich nach unserem ersten Zusammentreffen mit den Orks wieder zusammengeflickt hat. Das sei jetzt fast zwei Tage her. Ich meine mich auch jetzt zu erinnern, sie gestern an der Barrikade gesehen zu haben, als sie zusammen mit Sigmund und Raslani einige Orks abwehrte. Während sie so von sich erzählt, unter anderem, dass sie eine Ärztin aus Pfeildorf sei, die in Nuln studiert habe und nun mit uns zusammen Richtung Süden ziehe, dringt mir plötzlich ein furchtbarer, unnatürlich säuerlicher Gestank verbrannten Fleisches in die Nase. Dieser Geruch scheint allerdings nicht von Myralin zu kommen, sondern eher aus Richtung des geöffneten Fensters. „Ahh“ sagt sie, „dort draussen verbrennen sie wohl gerade die Orks, die uns vorhin überfallen haben“. Sie schliesst das Fenster wieder und fragt, ob sie mich eine Weile allein lassen kann - was ich bejahe. Myralin verschwindet daraufhin rasch aus dem Zimmer und eilt die Treppe hinab in Richtung Gaststube der Herberge, in der ich mich jetzt offenbar befinde. Von unten dringt lautes Getöse herauf, dort wird der Sieg über die Orks anscheinend ausgiebig gefeiert. Ich versuche mich kurz aufzurichten - die können doch nicht ohne mich anfangen, schliesslich hatte ich auch einen kleinen Anteil an unserem Sieg! - aber meine Bauchgegend sagt mir, dass das heute wohl doch keinen grossen Sinn mehr hat, da müssen sie wohl heute mal ohne mich feiern. Trotz des grossen Lärms, ziemlich dissonanter - um nicht zu sagen: 'schiefer' - Siegesgesänge und häufigem Gepolter gelingt es mir dann doch recht bald, in Morrs Arme zu fallen.
Friedie:
Markttag, der 32. Sommerzeit
Als ich mich am nächsten Morgen mit Hilfe meiner Gefährten in die Gaststube schleppe, werde ich von einem sichtlich gut gelaunten Sigmund Grünfels begrüsst. Auf meine Bemerkung hin, ich würde gerade überlegen, in wievielen Einzelteilen ich wohl Tiléa erreiche, entgegnet er mir, dass ich dafür gestern ja nun auch ganz schön ausgeteilt hätte - und mit einem Augenzwinkern fügt er an: „Eigentlich wäre es ja meine Aufgabe gewesen Dir den Rücken freizuhalten, und nicht umgekehrt“. Von einem ehemaligen Soldaten des Königs ist das sicher ein Kompliment, auf das man durchaus stolz sein kann.
Es ist noch recht früh als wir uns auf den Weg machen. An Reiten ist für mich selbstverständlich nicht zu denken, und so verbringe ich die Zeit wieder auf dem Karren, auf dem mir Myralin, die junge Ärztin von gestern, Gesellschaft leistet. Die Reise geht weiter entlang des Oberreik-Laufes durch eine sehr felsige Gegend. Es geht zudem immer mehr bergan, was sich auch durch zunehmend sinkende Temperaturen bemerkbar macht. Schon nach einigen Stunden öffnet sich der Blick in ein grosses Hochtal, das wohl die sich hier vereinigenden Flüsse Oberreik und Söll im Laufe der Zeiten in die Landschaft gefressen haben müssen. Am uns gegenüberliegenden Ende dieses Tales erhebt sich eine gewaltige Felswand, die mit zahllosen Stollen durchzogen ist. Zu ihren Füssen liegt ein kleines Städtchen, dass Sigmund, der wie immer die Kutsche steuert, mir als „Meissen - bekannt durch seine reichhaltigen Edelsteinminen“ vorstellt.
Als wir näher kommen, erweist sich dieser auf den ersten Blick unscheinbare Ort durchaus als reiches und florierendes Städtchen. Am Ortseingang wird anscheinend gerade mit dem Bau eines Stadttores begonnen - wohl der Beginn einer ordentlichen Stadtbefestigung. Alle Häuser sehen recht edel aus, und die von zahlreichen Schmuckständen gesäumten Strassen sind fast pingelig sauber gehalten. An einem hübschen kleinen Marktplatz biegen wir rechts ab und nähern uns dem hiesigen Sigmartempel. Das mit wunderschönen Fresken - wie üblich grösstenteils Darstellungen Sigmars grosser Taten - umsäumte Eingangstor könnte auch dem Tempel in Altdorf, oder sogar dem in Nuln, Konkurrenz machen, nur das dieses hier natürlich etwas kleiner ausfällt. Alles ist hübsch herausgeputzt, als erwarte man jederzeit hohe Gäste, und zum Empfang steht dann auch ein kerniger Sigmarianer bereit, der sich auf Magnus Begrüssung hin als „Mirak“ vorstellt. Mein Bewacher Magnus lässt sich den Weg zum Tempel-Oberen weisen, einem gewissen Vater Thersson, und betritt das Gebäude, nicht ohne Mirak anzuweisen, „den Gefangenen“ zu bewachen - nur wie um aller Götter Willen sollte ich in meinem Zustand schon fliehen können?! Bald darauf kehrt er zurück, an seiner Seite ein Zwerg, den ich mit einem freundlichen „Dobri den“ begrüsse, was dieser überrascht erwidert, und eine junge Frau, die sich als Priesterin der Göttin Shallya herausstellt. Magnus befiehlt Mirak, auf den Wagen und unsere Sachen aufzupassen, von nun an solle Grungni - so der Name des Zwerges - auf mich achtgeben. Was dann passiert ist höchst erstaunlich: Die Priesterin sieht mir in die Augen, hebt den Arm und zeigt auf mich, worauf ich mich wie von Geisterhand erhebe und vom Wagen geradewegs in den Tempel schwebe, wo ich in einer kleinen Seitenkammer auf einen grossen Tisch sinke. Gleichzeitig gerate ich in einen merkwürdigen Dämmerzustand. Irgend woher dringt sehr beruhigende Musik, und dann passiert da irgendetwas mit mir, eine heisse Welle wandert von meinem Kopf abwärts bis zu den Zehenspitzen, und an mehr erinnere ich mich nicht.
Als ich wieder zu mir komme bemerke ich, dass die Priesterin, deren Namen ich nicht einmal erfahren habe, verschwunden ist. Verschwunden sind aber auch alle Schmerzen und die Verletzungen, die ich in letzter Zeit davongetragen hatte. Als ich mich jetzt aufrichte, habe ich das Gefühl wie neugeboren zu sein. Dort steht Grungni der Zwerg, der mich dann aus der Kammer herausführt, einige Gänge entlang und eine Wendeltreppe hinauf in eine kleine Klosterzelle. Hier solle ich mich erstmal ein wenig ausruhen, sagt er. Aber danach fühle ich mich gerade wahrlich nicht. Ich könnte Bäume ausreissen! Die Zelle hat ein kleines Fenster, aus dem ich hinausspähe. Hinter den Dächern des Städtchens überragt die gewaltige Felswand das gesamte Tal, jetzt sind deutlich die Eingänge der Minen erkennbar, die unzweifelhaft zumindest einer der Gründe für den Reichtum von Meissen sind. Von unten dröhnt das Klirren von Waffen herauf, und ich blicke auf einen Exerzierplatz, auf dem sich Sigmarpriester und -akolythen im Nahkampf üben. Zu den Kämpfern gehört auch ein junges blondes Mädchen, das mit zwei Gegnern gleichzeitig beschäftigt ist. Ihre Bewegungsabläufe sind schon sehr beeindruckend. Die im Gegensatz zu ihr sehr viel massigeren Gegner sind bei dem Geschick und den geschmeidigen Bewegungen des Mädchens völlig chancenlos. Das Ganze erinnert an eine Katze, die mit zwei jungen Hunden spielt. Das muss ich mir aus der Nähe ansehen! Als ich kurz darauf den Hof betrete, sehe ich, dass diese blonde Priesterin jetzt gerade mit Magnus die Klingen kreuzt. Zum Glück scheinen hier nur Übungswaffen zum Einsatz zu kommen. Auch wenn Magnus wesentlich erfolgreicher agiert als die zwei Akolythen von vorhin, steht ihm doch der Schweiss auf der Stirn. Die beiden sind sich, zumindest meiner Einschätzung nach, durchaus ebenbürtig. Als sie ihren Kampf beendet haben, tritt Magnus auf mich zu und stellt uns vor: mich mit meinem richtigen Namen, den meine Gegenüber von irgendwoher zu kennen scheint. „Sylva von Felchenberg“ ist der Name der jungen Priesterin, und ich muss sagen, sie ist nicht nur hübsch anzuschauen, wenn sie gerade ein Schwert führt. Grungni erscheint und fragt, den Blick auf mich gerichtet: „Will der vielleicht auch kämpfen?!“, was ich verneine, ich sei ja schliesslich Sänger und kein Sigmarpriester. Sylva lächelt und fragt mit Blick auf Magnus, ob es nicht vielleicht eine gute Idee wäre, wenn ich sie später begleiten würde - sie wollten ja am Abend noch ins Städtchen, und ein wenig musikalische Unterhaltung wär da doch ganz nett. Magnus möchte ihr das offenbar nicht abschlagen und nickt zustimmend.
Nachdem die Übungen beendet sind und Sylva und die anderen Kämpfer sich zurückziehen, bittet Magnus mich um ein kurzes Gespräch unter vier Augen, und so ziehen wir uns kurz darauf in seine Zelle zurück. Er eröffnet mir, ich gelte zwar offiziell weiterhin als sein Gefangener, er sei aber mittlerweile zu der festen Auffassung gelangt, ich sei ein redlicher Kerl, der im Grunde zu Unrecht verurteilt wurde. Wenn ich ihm nun schwören würde, ihn nicht zu hintergehen, dann dürfe ich wieder als freier Mann auftreten, und das bedeute auch, ich erhielte alle meine Habseligkeiten zurück - mit Ausnahme meines eigenen Schwertes, das er als Faustpfand behalten wolle. Allerdings sei er weiterhin an seinen Eid gebunden, mich aus dem Reich zu führen. Ich schwöre es daraufhin, was mir aber auch leicht fällt, denn hintergangen hätte ich diesen eigentlich doch ganz netten Kerl ohnehin nicht. Wir unterhalten uns noch ein wenig, unter anderem bemerke ich, dass mir mein eigener Bogen sehr viel lieber ist als der Raslanis', der etwas verzogen sei - ich hätte nämlich damals eigentlich auf den daneben stehenden Ork gezielt und nicht auf den, der dann den Pfeil abbekam. Wir reden auch über Götterglauben im Allgemeinen, und Magnus scheint mich sogar ein wenig auf den von ihm bevorzugten Pfad führen zu wollen - nun, als echter Sigmarianer war so etwas wohl irgendwann von ihm einfach zu erwarten. Natürlich habe ich Respekt vor Gott Sigmar, vor allem nach diesen Begebenheiten in Wittgendorf, aber man kehrt sich doch von den Göttern, auf die man seit Jahren unbedingt vertraut, doch nicht so schnell ab, wie man sein Hemd wechselt.
Ich verabschiede mich von Magnus, der sein Nachmittagsgebet vor sich hat, und treffe auf dem Hof Raslani und Myralin. Die beiden teilen mir mit, dass es bald etwas zu essen geben soll - was mir nur recht ist, und so begeben wir uns in das Refektorium, dass dem Exerzierplatz direkt gegenüber liegt. Es ist ein grosser schmucker Saal mit langen Tischen, an denen bereits einige Priester und Akolythen ihr Mahl einnehmen. Auf einem grossen Podest am Ende der Halle ist ein weiterer Tisch aufgestellt, an dessen Kopfende ein würdevoller, narbengesichtiger Mann Anfang Vierzig sitzt, der uns freundlich zuwinkt und uns einlädt sich zu ihm zu gesellen. Er macht sich mit den beiden Frauen bekannt - über mich habe er ja von Magnus schon so einiges gehört - und stellt sich selbst als Thersson vor - ich habe es hier also mit dem Oberen des Tempels zu tun, wie ich schon beim Eintreten vermutet hatte. Es gibt recht leckeres Hammelfleisch mit Gemüse zu speisen, und Thersson stellt sich als ein recht redseliger Gastgeber heraus. Wir unterhalten uns über unsere weitere Reiseroute - Thersson berichtet uns, dass es denn Söll herauf rund zwei Tagesreisen bis zu den Winterzähnen sind -, und während dieses doch unerwartet zwanglosen Gesprächs - nur Magnus scheint immer ein wenig befangen zu sein, wenn er es mit Vorgesetzten zu tun hat - vielleicht nicht ganz unverständlich, für mich ist dieses hierarchische Denken einfach befremdlich -, erkundige ich mich auch nach seiner Herkunft. Obwohl er aus Marienburg stammt, ist er tatsächlich nie zur See gefahren, berichtet er, möchte dann aber auch erfahren, warum ich denn so etwas wissen wolle, und ob ich selbst schon das Meer gesehen hätte. Daraufhin erzähle ich ihm ein wenig von meinen Flussfahrten auf der Beribeli. Thersson muntert uns weiter auf, die Unterhaltung fortzuführen, da er das Essen immer gerne ein wenig in die Länge zieht - „damit meine Schäfchen auch satt werden“. Was er damit meint, zeigt sich später, als er sein Mahl beendet. In dem Moment, in dem er seinen Teller zurückschiebt, ist nämlich auch das Nachmittagsmahl für alle anderen beendet, die sofort aufstehen und in Reih und Glied das Refektorium verlassen. Thersson erklärt uns, dass er diese uralte Sitte eigentlich für eine wahre Unsitte halte, aber seine Schäfchen wären gewiss nicht damit einverstanden, sie einfach so abzuschaffen. Traditionen hätten ja eigentlich auch durchaus Sinn.
Nachdem Grungni uns auf unsere Zellen geleitet - wobei Raslani dabei immer grösstmöglichen Abstand zu ihm hält -, lege ich mich erst einmal ein Weilchen auf's Ohr. Gegen Abend werde ich durch ein Klopfen an der Tür geweckt. Es ist Sylva, die dieses Mal ihre langen blonden Haare offen trägt - holla, ein wirklich hübsches Ding! Sie will mich zum angekündigten abendlichen Ausflug abholen. Neben Raslani, Myralin und Magnus sind auch noch zwei junge Akolythen dabei, im Ganzen also eine doch noch recht überschaubare Gruppe. Als wir aus dem Tempel heraustreten, steht dort Mirak bei unserem Wagen - genau so, wie wir ihn verlassen hatten. Sogar sein starrer Gesichtsausdruck ist der Gleiche wie vor Stunden. Der gute Magnus hat den armen Kerl wohl völlig vergessen. Aber er lässt sich ebenfalls nichts anmerken und gibt Mirak gleich ein paar neue Anweisungen: nämlich mir meine Laute auszuhändigen, den Rest meiner Habseligkeiten auf meine Zelle zu bringen und den Wagen zu versorgen. Auf dem Weg zur Schänke wird Mirak von den beiden Akolythen bedauert „Der hat doch jetzt seit Stunden nichts mehr zu beissen bekommen“. Aber das würde er morgen sicher nach- und aufholen können, denn im Grunde hätten sie ja das Glück, dass Vater Thersson immer so langsam speist, weil er ja immer noch fest auf diese uralte, eigentlich doch völlig unsinnige Tradition bestehe, das Mahl für alle sei beendet, wenn er seinen Teller zurückschiebt. Als Myralin und Raslani daraufhin erklären, dass der „Obere“ doch nur aus Rücksicht auf seine Schäfchen an dieser, aus seiner Sicht völlig überkommenen Tradition festhalte, ist das allgemeine Gelächter gross.
Die Schänke „Smaragdfeld“ scheint gut besucht, schon von aussen sind Flötenspiel und Gesang zu vernehmen. Ein netter Laden, in dem das Ale aus Hörnern serviert wird. Leider hat Raslani, die derartige Trinkgefässe offensichtlich nicht gewohnt ist, den Dreh trotzdem sofort raus, wie man daraus trinkt, ohne plötzlich in Ale zu duschen, und so müssen wir vorerst auf einen weiteren Lacher verzichten. Ich wende mich den Musikern zu und frage mit einem Fingerzeig auf meine Laute, ob ich wohl ein bisschen würde mittun können. Wir stellen einander vor, doch noch bevor er seinen Namen nennen kann, kommt mir der Flötenspieler doch irgendwie bekannt vor. „Erfried Ularsson“ sagt er grinsend. - „Das muss Dein neuer Bart sein...“ entgegne ich und mit dem Blick auf die anderen: „Sigurd Silberzunge“ - einen „Alfons Unterberg“ hätte mir Erfried jetzt sicher nicht abgekauft. Erfried ist ein recht bekannter Flötenspieler aus Nuln, mit dem ich vor einigen Monaten in Delbertz mit ein paar Anderen zusammen ein sehr nettes Konzert gegeben habe. Die Kollegen heissen mich herzlich willkommen, und Erfried betont sogar, es sei für ihn immer eine grosse Ehre, mit mir zu spielen - nicht zu vergessen der Spass. Nach dem wir uns kurz besprechen - Erfried und ich sind ja schon eingespielt - legen wir dann auch los.
Warum er denn eigentlich nicht in „seinem“ Nuln weile frage ich den grossen Flötenmeister in einer kleinen Spielpause, schliesslich stehe doch das grosse Sonnenwendfest bevor. - „Ich beabsichtige hier in Meissen genau das zu tun, was Du in Delbertz ausgeschlagen hast“, teilt er mir lächelnd mit und zeigt in Richtung Tresen, wo ein hübsches Mädchen gerade ein paar Trinkhörner säubert. „Ich werde Gisela am Sonnenwendtag heiraten - ihrem Vater gehört übrigens diese nette Schänke hier“. Einen guten Geschmack hat Meister Erfried jedenfalls! Seine spontane Einladung, auf seiner Vermählungsfeier aufzuspielen, muss ich aber leider - wenn auch verständlicherweise - ausschlagen.
Es wird entwickelt sich ein richtig schöner Abend, „Endlich wieder mal spielen und singen“, denke ich so bei mir. Nach ein paar flotten Liedern kann ich sogar mein neues Stück zum besten geben, dass ich in der Kemperbader Gefängniszelle gedichtet habe - damals im festen Glauben, es würde mein letztes Werk sein. Dieses doch recht nachdenkliche Stück über einen sich opfernden Kriegerbarden kommt trotzdem gut an, auch wenn die Stimmung infolgedessen zumindest kurzzeitig etwas ruhiger wird. Doch wir wollen ja heute Spass haben, und so wechseln wird danach gleich wieder zu deutlich flotteren Tanzliedern über. „Und jetzt wollen wir doch mal sehen ob Sylva von Telchenberg so gut tanzt, wie sie kämpfen kann!“. Die Priesterin lächelt und geht auf Magnus zu, doch der winkt ab, da er gerade mit einem Riesenhorn Ale beschäftigt ist - bestimmt nur eine willkommene Ausrede! So schnappt sie sich einen der beiden Akolythen, der sich dann auch sehr darüber freut. Auch Myralin lässt sich nicht lange bitten und greift sich kurzerhand den anderen der beiden Priesteranwärter. Was die beiden Mädchen dann auf das Parkett legen, ist wirklich höchst beeindruckend. Der Abend wird jedenfalls noch sehr lang und mir kommt der Gedanke: „Sigurd, dass war jetzt wohl Dein musikalischer Abschiedsgruss an das Reich“.
Als wir uns auf den Heimweg machen - der nette Wirt verzichtete übrigens grosszügig auf unsere Zeche: „Du und mein zukünftiger Schwiegersohn habt heute mit Eurer Musik meine Kasse so richtig schön zum Klingeln gebracht“ - scheint sogar die Elfin Raslani Abendstern ein wenig angeschlagen zu sein, und einem bedenklich schwankenden Magnus müssen wir des öfteren sogar den richtigen Weg weisen. Zurück in meiner Zelle finde ich meine Habseligkeiten und - mit Ausnahme des Slann-Schwertes - auch alle meine Waffen wieder. Tatsächlich liegt sogar ein recht anständiges Schwert als Ersatz dabei, dass ich dann gleich mal kurz ausbalanciere. Aber jetzt ist wirklich nicht die Zeit zum Kämpfen, sondern eher zum schlafen, denke ich mir noch, bevor ich mich wieder in Morrs Arme begebe.
Friedie:
Backtag, der 33. Sommerzeit
Strahlender Sonnenschein lacht uns am nächsten Morgen bei unserem Aufbruch entgegen, und das passt hervorragend zu meiner eigenen Stimmung. Ich besteige mein Pferd im Gefühl, fast wieder ein freier Mann zu sein, auch wenn das Schwert an meiner Seite noch nicht wieder mein eigenes ist. Schnell lassen wir das schöne Städtchen Meissen hinter uns, und am Ufer des Söll - hier kaum mehr als ein Flüsschen - geht es jetzt richtig hinauf in die Berge.
Fortsetzung folgt!
Friedie:
noch Backtag, der 33. Sommerzeit
In der Ferne vor uns ragt eine ganze Reihe schneebedeckter Berge in die Höhe, die die Südwestgrenze des Reiches markieren. Aber auch in unserer näheren Umgebung scheinen die Erhebungen im Laufe unseres Weges immer mehr in die Höhe zu wachsen, aus grösseren Hügeln werden noch grössere, mit immer schrofferen Felswänden. Der Weg wird steiler und steiniger, immer öfter müssen wir absteigen und die Pferde führen. Nachdem wir etwa zehn Meilen dem Lauf des Söll gefolgt sind, brauen sich plötzlich riesige Wolkenberge über uns zusammen. Sigmund kommt gerade noch bis: „Ohhh, gleich wird es anfangen zu…“, da ergiessen sich schon wahre Wassermassen auf uns. Innerhalb weniger Sekunden sind wir völlig durchnässt, und ob des mittlerweile sehr spärlichen Bewuchses rings um uns gibt es leider nirgends eine Möglichkeit, sich unterzustellen. Raslani kommt auf die Idee, doch vielleicht unter der Plane unseres Karrens Schutz zu suchen, aber diese Idee wird rasch verworfen, da die Pferde ja dann weiterhin ungeschützt dem Regen ausgeliefert wären. Weit blicken kann man ob der vom Himmel stürzenden Wassermassen auch nicht mehr, aber Raslanis Elfenaugen entdecken dann doch zum Glück eine Öffnung in einer Felswand links von uns, die der Eingang zu einer grösseren Höhle sein könnte.
„Orks ?“ fragt Magnus auf die Höhle zeigend in die Runde, - „Schon möglich, lasst uns lieber vorsichtig sein und erst einmal nachsehen“ antwortet Sigmund. Die beiden geben uns anderen das Zeichen, bei Kutsche und Pferden zu warten und machen sich auf in Richtung Felsöffnung, um die Lage zu erkunden. Bald darauf kommt Sigmund zurück: „Die Luft ist rein“. Der Felsspalt öffnet sich im Inneren des Berges tatsächlich zu einem sehr geräumigen Höhlenraum, in dem sogar unsere Pferde Platz finden, dass allerdings „die Luft rein ist“ kann ich wahrlich nicht bestätigen; insbesondere was den armen Magnus angeht, der vorhin mindestens bis zu den Knien in diesem übelriechenden Haufen gestanden haben muss, der sich da an der linken Höhlenwand auftürmt. Hier haben sich wohl vor einiger Zeit zahlreiche Orks entleert. Doch ansonsten ist es ein eigentlich ganz heimeliges Plätzchen , vor allem bei diesem Regen, der sturzbachartig immer weiter fällt, insbesondere nachdem wir ein kleines Feuer entzündet haben. An einer Wand rinnt sogar frisches Felswasser herab, das unseren Durst rasch stillt. Weiter hinten entdecke ich einen kleinen Gang, den ich dann kurz ausspähe – man möchte ja doch nicht von hinten überrascht werden! Der Gang wird immer enger, und irgendwann komme ich dann überhaupt nicht mehr weiter. Hier kann sich dann wohl auch kein Ork mehr durchquetschen, höchstens ein kleiner Goblin denke ich mir. Dennoch lege ich ein paar der trockenen Zweige, die in der ganzen Höhle verstreut sind, vor dem Felsspalt auf den Boden - falls uns hier jemand würde überraschen wollen, sollten wir das jetzt zumindest frühzeitig hören. Etwa zwei Stunden lang, in denen wir in trockene Kleidung wechseln, unsere Pferde wenigstens halbwegs trocken reiben können und auch noch die Zeit finden, uns kurz zu verpflegen, harren wir in unserer Notbehausung aus, die uns vor diesem Unwetter guten Schutz bietet. Dann fallen auch schon die ersten Sonnenstrahlen in den Höhleneingang.
Als wäre nichts gewesen, strahlt uns die Sonne an einem völlig blauen Himmel entgegen, als wir uns dann wieder auf den Weg machen. Noch ein ganzes Stück vor uns taucht die Sonne einen einzelnen, hoch aufragenden Berg, den Sigmund den „Blutberg“ nennt, in eine glühendes, fast unnatürliches Dunkelrot, und der Name erscheint mir auf einmal immens passend. Nach etwa zehn Meilen sehen wir dann einen riesigen Findling vor uns auftauchen – Gedanken an die Monolithen im Teufelsschlund, in dem wir damals nach dem grossen Formstein suchten, werden bei mir wach –, und zu dessen Füssen liegt unser heutiges Tagesziel, die Herberge der kaiserlichen Linie „Zum Stein“. Da wir die einzigen Gäste sind, wird es ein kurzer Abend, an dem nichts aussergewöhnliches mehr passiert.
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