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[Warhammer] Die Reise nach Tiléa

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Friedie:
noch Königstag, der 2. Vorgeheim

„Komm lieber rasch wieder hinauf!“, rufe ich Raslani zu, und wenige Augenblicke später steht die Elfin auch schon wieder neben mir. Da bleibt uns wohl nur der bereits bekannte Weg, um diese Höhlen zu verlassen. Zügig, aber mit aller gebotenen Vorsicht machen wir uns dann auf, die bekannten Gänge entlang, durch den grossen Saal - auch aus der Öffnung im Boden dringen jetzt Waffenlärm und Schreie - die Treppe herauf und an dem Totenschädel und der Steinfalle vorbei in die Waffenkammer. Die Geheimtür verschliesse ich sorgfältig hinter uns, während Magnus sich den Leichnam des armen Sigmund über die Schulter wirft. Die urgewaltige Kraft dieses Sigmar-Priesters ist doch immer wieder erstaunlich! Als Magnus und ich den Steg am Höhleneingang erreichen, sind auch dort plötzlich Waffengeklirr und Stimmen zu vernehmen - und zwar diesmal direkt aus dem Berginneren. Noch ehe wir etwas unternehmen können, bricht ein Teil der Mauer unter dem Steg ein. Ein gewaltiger Wasserschwall brandet aus der jetzt deutlich vergrösserten Öffnung und reisst den ganzen morschen Steg mit sich fort. Während Magnus mit Sigmund ins Wasser stürzt, gelingt es mir gerade noch, mich mit meiner linken Hand an einem dieser Eisenringe in der Wand festzuhalten. Fast im gleichen Moment erhebt sich aus den Fluten ein riesiger, gehörnter Tiermensch: Er will sich wohl auf den fast hilflosen Magnus stürzen, der gerade versucht, irgendwie Halt zu finden - was bei dieser Strömung und dank seiner zusätzlichen Last gar nicht so einfach ist. Aber in meiner rechten Hand halte ich ja immer noch eine Fackel, und genau die ziehe diesem Untier jetzt mit aller mir in dieser Situation zur Verfügung stehenden Kraft über den Schädel. Sofort bricht es zusammen - und gestürzt geradewegs auf Magnus und Sigmund. Gemeinsam werden die drei dann aus der Höhle herausgespült - und über den Rand des Wasserfalls! Ich selbst versuche gerade, zügig durch das Wasser zum Ausgang zu waten, da sehe ich, wie Raslani und Myralin fast gleichzeitig ins Wasser springen, an mir vorbeischwimmen... und dann Magnus hinterher springen: Raslani mit einem sehr eleganten Kopfsprung, bei Myralin sieht es dann nicht ganz so geschickt aus. Auf dem Fels-Sims draussen angekommen - Mann, es ist ja ganz schön hell hier! - mache ich mich an den Abstieg, schliesslich bin ich bisher nur bis zu den Oberschenkeln nass geworden, und von mir aus kann das auch gerne so bleiben.


Beim Wagen angekommen treffe ich meine - völlig durchnässten - Weggefährten wieder. Obwohl kein Verfolger in Sicht ist, beschliessen wir zügig aufzubrechen. Magnus verfrachtet Sigmunds Leiche auf dem Karren, ein wenig zögerlich setzt sich Myralin dazu, und ich binde mein Reitpferd hinten an dem Wagen fest. Mir erscheint es sinnvoll, das ich das Gefährt vom Kutschbock aus lenke, schliesslich habe ich Sigmund in den letzten Tagen dabei genau auf die Finger gesehen und traue mir eigentlich mittlerweile auch zu, so einen Karren zu beherrschen.

Auf der Suche nach der Spur von Torgoch und dem Erdstein scheint es uns ratsam, zunächst einmal diesen Turm aufzusuchen, der auf der Karte der Orks verzeichnet ist und im Süden, irgendwo abseits der Strasse, auf der anderen Seite des Flusses liegen sollte. Wir überqueren die kleine Brücke am Ende des kleinen Seitentales und folgen dann der Strasse, die das Land der Grenzfürsten mit dem Reich verbindet, weiter Richtung Süden. Ich halte den Wagen immer möglichst weit auf der rechten Seite der Strasse, denn zu unserer Linken fällt das Gelände sehr steil ab. Ach, was heisst 'steil' - fast senkrecht! Und das Waldgebiet, durch das glitzernd der Fluss strömt, liegt noch mindestens achthundert Meter unter uns. Nach einiger Zeit erreichen wir eine Biegung: der Weg ist in Serpentinen angelegt, so dass wir uns erst einmal wieder in Richtung Norden bewegen! Langsam merke ich, wie anstrengend es eigentlich ist, so einen Wagen zu lenken. Komisch, bei Sigmund sah das viel einfacher aus... Plötzlich hören wir über uns ein tosendes Grollen, als ob irgendetwas genau auf uns zu rollt! Ich gebe dem Pferd die Zügel - gerade noch rechtzeitig, denn als ich mich kurz darauf umsehe bricht hinter uns ein ganzes Rudel Rotwild durch die Büsche, setzt über die Strasse und stürmt weiter hinab auf den Fluss zu.

Bald darauf macht die Strasse wieder in eine Kehre, es geht also wieder Richtung Süden. Hoch über uns glitzert jetzt der Wasserfall in der Abendsonne, es wird also langsam Zeit, ein geeignetes Nachtlager zu finden - was schwierig werden dürfte, schliesslich befinden wir uns immer noch weit über dem Talboden. Langsam wird es zu dunkel, um den Wagen noch sicher steuern zu können, und so reiche ich meinen vor mir reitenden Gefährten zwei Fackeln. Da diese aber auch nicht ewig brennen werden, halten wir jetzt verstärkt Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz. Und wir haben Glück! In der nächsten Spitzkehre verbreitert sich die Strasse, und an der Aussenseite wird sie auch noch  durch einen Felsüberhang geschützt. Also stelle ich den Wagen ab, und wir errichten unser Nachtlager. Raslani sammelt ein wenig Bruchholz für ein kleines Feuer - es wird hier oben auch in dieser Nacht sicher wieder empfindlich kalt werden, wie uns ein klarer Sternenhimmel verheisst. Als die Elfin zurückkehrt, erzählt sie von einem katzenartigen Geschöpf, das irgendwo über der Strasse lauern würde, Vorsicht sei also geboten. Wir einigen uns darauf, dass Raslani und Magnus die ersten beiden Wachen übernehmen, gefolgt von mir und Myralin, und ich rolle mich erst einmal in meine warme Decke ein.

Magnus weckt mich in stockfinsterer Nacht - denn das Feuer ist mittlerweile erloschen. Nein, nicht 'erloschen', Holz wäre noch genügend vorhanden gewesen: es wurde bewusst gelöscht. „Das war Raslani, sie hat da wohl bedrohliche Laute von irgendeinem grossen Tieres gehört. Und weil sie nicht wusste, was das nun ist, wollte sie verhindern, dass es auf uns aufmerksam wird“. So sinnvoll das auch gewesen sein mag: ein wärmendes Feuer wünsche ich mir schon, denn es ist jetzt wirklich bitterkalt. Ich lege mir eine Decke um und entferne mich ein paar Schritte von unserem Lagerplatz - durch Myralin’s Geschnarche ist sonst aus der Umgebung kaum etwas zu hören! Nach einer Weile zünde ich mir eine Pfeife an: Das tut gut und hilft vor allem ein wenig gegen die klirrende Kälte. Wie kalt muss es hier erst im Winter werden! Auf einmal höre ich über mir ein Knurren. Langsam und vorsichtig ziehe ich mich ein paar Schritte in Richtung Lager zurück. Da bewegt sich etwas, zum Glück aber nähert es sich nicht. Danach scheint sich dieses Etwas in Richtung Tal zu bewegen, man hört noch ein paar Steinchen den Abhang unter der Strasse hinabkullern und dann ist es wieder ruhig. Nach etwa zwei Stunden wecke ich Myralin, weise sie kurz ein und versuche danach noch etwas Schlaf zu finden.

Friedie:
Arbeitstag, der 3. Vorgeheim

Noch im Halbschlaf vernehme ich den leckeren Duft von leckerem Rührei mit Speck - es ist doch gut einen Sigmund dabei zu haben denke ich mir, doch als ich langsam wieder ganz zu mir komme fallen mir die Ereignisse des vergangenen Tages wieder ein - und auch, dass unser 'Koch' den Tag nicht überlebt hatte! Myralin ist es, die das Feuer wieder zum Leben erweckt hat und gerade dabei ist, uns ein anständiges Frühstück zu brutzeln.

Frisch gestärkt setzen wir dann unsere Reise fort. Mit Befriedigung stelle ich fest, dass mir das Steuern des Wagens zunehmend leichter fällt. Schon bald schwenkt die Strasse wieder nach Süden. Weit über uns ist wieder der in der Morgensonne glitzernde Wasserfall auszumachen – wir haben schon einiges an Höhe verloren und scheinen jetzt Meter um Meter tiefer in das bewaldete Tal einzutauchen. Zu unserer Linken schimmert der Bergfluss ab und an durch die spärlichen Baumlücken, doch von diesem Turm ist nichts zu sehen - er muss laut Karte auch noch ein ganzes Stück weiter im Süden liegen.

Nach einer Weile kommt uns ein einzelner Reiter entgegen, ein typischer Ranger etwa Anfang dreissig mit dunklen Haaren und wettergegerbtem Gesicht. Das pechschwarze Pferd, auf dem er sitzt, macht einen hervorragenden Eindruck - vielleicht stammt es ja sogar aus Arabia. Der Mann, der sich als Kundschafter einer Handelskarawane aus Tilèa herausstellt, erkundigt sich bei Magnus, ob der Pass „frei“ sei, worauf mein Gefährte ihm mitteilt, dass wir ja erst vor kurzem aufgebrochen seien und deshalb nicht genau wüssten, ob bald hinter uns noch jemand käme. Kurz darauf macht sich der Fremde mit dem prachtvollen Pferd wieder auf in Richtung Passhöhe. Und nach wenigen Minuten kommt auch schon die Karawane auf uns zu, angeführt von drei Männern in schweren Kettenhemden. Ich lenke unseren Wagen so weit es geht an die rechte, an den Berg grenzende Seite der Strasse.

Auf die drei Männer - offenbar die Leibwachen des Händlers - folgt der Besitzer persönlich: auf dem Bock einer prächtigen Kutsche. Dagegen komme ich mir mit unserem Karren ja richtig armselig vor! Er ist ein Halbling, der sich uns als 'Gustav Brandywein' aus Tilèa vorstellt. Es scheint übrigens eine Tilèanische Eigenart zu sein, sehr viel zu reden, denn zumindest im Redefluss unterscheidet sich der Händler keinen Deut von dem Tilèaner Giovanni, den wir ja vor einigen Tagen zwischen Kemperbad und Nuln trafen: Die Grenzfürsten seien zur Zeit recht friedlich - jawohl - aber vor kurzem habe doch tatsächlich ein riesiger wilder Eber seinen Handelszug angegriffen und einen seiner Wagen dabei völlig auseinander genommen! Teppiche aus Arabia hätte er geladen, und es sei ja sehr aufwändig gewesen, die Ladung des zerstörten Wagens auf die anderen Wagen so gleichmässig zu verteilen, ohne einen von denen zu überladen, aber sein Personal - ja, darauf könne er sich ja zum Glück verlassen, gutes Personal zu bekommen sei ja heutzutage sehr schwierig - hätte das zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigt... Ohne Unterlass redet er minutenlang für uns teilweise völlig belangloses Zeug, aber man soll ja in solchen Situationen die Höflichkeit walten lassen, und so bleibt uns nur, ihn freundlich und verständnisvoll anzulächeln und auf das Ende seiner Wortkanonade zu warten. Manchmal wünsche ich mir dann doch meinen alten Gefährten Wolfgang Kern herbei: Dieser hätte in seiner unnachahmlichen Art diesen Redeschwall sicherlich im Keim erstickt. Unsere Freundlichkeit führt aber letztlich immerhin dazu, dass Brandywein sich bereit erklärt, den Leichnam Sigmunds zu übernehmen und im Reich für eine angemessene Bestattung zu sorgen - gegen eine bescheidene Aufwandsentschädigung, versteht sich! Für ein paar weitere Goldkronen bietet er uns auch noch die Möglichkeit, eine seiner Landkarten der hiesigen Gegend abzuzeichnen (die ihm schon seit Jahren immer gute Dienste geleistet habe, redet er weiter und weiter und weiter...), was ich daraufhin auch gerne tue. Nun, etwas genauer als dieser Fetzen der Orks, an dem wir uns bisher immer orientiert haben, ist diese Karte schon. Immerhin erfahren wir durch diese auch, dass der Fluss dort unten den Namen 'Jetzin' trägt, und dass der Wald jenseits davon als sehr gefährlich gilt. Der Turm, den wir suchen, ist allerdings nicht auf der Karte eingezeichnet, auch hat Gustav Brandywein noch nie von einem solchen Gemäuer in dieser Gegend gehört, wie er auf unsere Nachfrage hin erklärt, und er bereise diese Strecke ja nun wahrlich nicht zum ersten Mal. Nachdem Magnus dem Händler ein Schreiben an den nächstgelegenen Tempel überreicht, um Sigmunds angemessene Beisetzung auf einem Morrsfeld sicherzustellen, und Arnold - ein hagerer, aber sehr muskulöser Kerl aus Brandyweins Gefolge - den Leichnam unseres Kameraden auf einen der Handelskarren umlädt, können wir unseren Weg endlich fortsetzen.

Der geheimnisvolle Turm scheint uns als Ziel jetzt noch lohnender, denn die Tatsache, dass dieser ja offenbar seit Jahrzehnten völlig unbekannt zu sein scheint, erhöht sicherlich die Chancen, dort vielleicht noch irgendetwas zu entdecken, was auf die Ereignisse von damals hindeutet... aber erst einmal müssen wir das alte Gemäuer ja finden.

So geht es die Strasse weiter Richtung Süden, bis Raslani auf einmal ihr Pferd anhält und mit dem Arm gen Osten zeigt: „Da!“ Ich kann beim besten Willen nichts erkennen - und ich wage zu behaupten, dass meine Augen eigentlich doch recht gut sind! Irgendwo zwischen den Bäumen hat die Elfin tatsächlich den Turm entdeckt - behauptet sie zumindest. Wir verlassen darauf hin die Strasse und bewegen uns langsam durch den Wald dem Jetzin entgegen. Als wir den Waldsaum und damit auch das Flussufer erreichen, liegt vor uns ein Hügel, auf dem sich tatsächlich der gesuchte Turm erhebt, den die Orks auf ihrer Karte so erfreulich mit „Towa“ bezeichnet hatten (ein komisches Kauderwelsch, diese Orksprache!). Mein Respekt vor der Sehkraft der Elfen! Es handelt sich um einen mächtigen Rundturm mit einem viereckigen Vorbau, dessen Aussenmauer an einer Stelle eingestürzt ist. Ansonsten scheint das Bauwerk in recht gutem Zustand. Das wäre also geschafft - nur: wie den Fluss überqueren? An dieser Stelle ist der Jetzin zwar recht flach, allerdings hat sich in Flussmitte eine tiefe Rinne gebildet - wohl als Folge zahlreicher Schneeschmelzen, die dieses Flüsschen in einen reissenden Gebirgsstrom verwandeln dürften. Die Überlegung, das Gewässer schwimmend zu überqueren, wird schnell verworfen - und allen scheint es doch sinnvoller, nach einer Furt zu suchen. Da das Gelände flussaufwärts sehr unwegsam wird, beschliessen wir, in der entgegengesetzten Richtung zu suchen. Daraufhin reiten Raslani und Magnus voraus, während Myralin und ich mit dem Wagen langsam folgen.

Nach einer Weile nehme ich weiter vor uns äusserst merkwürdige Geräusche wahr, und noch ehe ich irgendetwas unternehmen kann, bietet sich uns ein schier unglaubliches Bild: Da schreitet doch tatsächlich ein Baum auf uns zu! Die Wurzeln benutzt er dabei als Beine. Myralin schreit auf, und auch mir wird ganz anders zumute! Ich halte den Wagen erst einmal an - ein Wunder dass das Pferd nicht durchgeht! Da fallen mir die alten Geschichten über die so genannten Ents ein, die mir meine Ziehmutter Gwendolyne früher immer erzählt hat. Ich hatte das damals ja immer für Phantastereien gehalten. Nun, jedenfalls schilderte sie mir diese Baumwesen als sehr machtvoll, aber auch friedlich und weise - 'friedlich' natürlich nur, wenn man sie in Ruhe lässt. Zum Zeichen meiner eigenen Friedfertigkeit breite ich die Arme aus, da legt sich auch schon von oben ein Ast um meinen Oberkörper und hebt mich vom Kutschbock in die Höhe. Myralin hinter mir scheint ähnliches zu widerfahren - zumindest lässt ihr panisches Geschrei das vermuten, sehen kann ich nämlich nichts. Dafür bemerke ich, nachdem ich mittlerweile schon bestimmt vier Meter über den Boden angehoben wurde, plötzlich Magnus und Raslani in der gleichen Lage wie mich - und der leicht amüsierte Blick der Elfin beruhigt mich dann doch schon sehr. Kurz darauf setzt sich der Ent wieder in Bewegung und stapft geradewegs auf den Fluss zu, den er dann auch mit erstaunlich schnellen Schritten durchquert. In der Mitte sackt er zwar kurz ein - das war dann wohl die Rinne! -, bringt uns aber trockenen Fusses über den Jetzin und setzt uns dann behutsam im hohen Ufergras ab. Myralin ist ein wenig grün im Gesicht, ansonsten haben wir alle es gut überstanden. „Danke, guter Hirte! Wie ist eigentlich Euer Name ?“ fragt Magnus das Baumwesen höflich. „Den könntet Ihr wohl nicht aussprechen, nennt mich einfach 'Der Wald'“, grollt es irgendwo hinter den Blättern hervor. Ob wir denn die garstigen Orks verfolgen würden, fragt er uns dann noch, was wir natürlich eifrig bejahen. Abgesehen davon, dass uns das dem Ent vermutlich noch sympathischer machen dürfte, ist es ja schliesslich auch noch die Wahrheit! Tatsächlich verspricht uns der Ent daraufhin, an genau dieser Stelle auf uns zu warten und uns dann wieder über den Fluss zurückzutragen. Ein wenig später frage ich Magnus, worüber Raslani und er denn noch mit dem Ent geredet hätten, worauf er mir entgegnet: „ Wir kamen da von Hölzchen auf Stöckchen... nun ja, er stand da halt so rum, und da hat Raslani ihn gefragt, ob er vielleicht die Freundlichkeit besässe uns überzusetzen."

Kurz darauf stehen wir dann am Fusse unseres Turmes. Raslani ist gerade im Begriff, die eingestürzte Mauer näher in Augenschein zu nehmen, da stapfen ihr plötzlich mit ungelenken Bewegungen zwei drollige „Pelzknäule“ entgegen und schlingen die Pfoten gleich darauf besitzergreifend um die schlanken Beine der Elfin. Bären!!! Plötzlich bricht ein markerschütterndes Gebrüll aus dem Turminneren hervor, und wenige Augenblicke später stürmt auch schon die Bärenmutter aus der Mauerlücke und baut sich in ihrer ganzen Grösse bedrohlich vor uns auf! „Sigurd, schiess!“ brüllt mir Magnus entgegen, und schon schnellt ein Pfeil von meiner Bogensehne, der den Bären in den Bauch trifft. Doch das macht ihn nur noch wütender, und da stampft er auch schon geradewegs auf Magnus zu. Dieser trifft ihn zwar mit seinem Schwert, bekommt aber postwendend einen gewaltigen Prankenschlag ins Gesicht. Ich stürze mich von hinten auf das Ungetüm und lasse mit aller Kraft mein Schwert in dessen Nacken fahren - aber selbst das bringt das Tier nicht zu Fall, im Gegenteil! Gerade noch kann ich einem Tatzenhieb ausweichen, da stürzt sich zu meinem Glück Magnus mit blutüberströmtem Gesicht erneut auf den Gegner. Ein gewaltiger Hieb, das Schwirren eines Armbrustbolzens - das war ohne Zweifel Myralin - und endlich stürzt das Tier tödlich getroffen zu Boden.

Magnus hat es leider wieder einmal ziemlich böse erwischt: quer über seinem Mund scheint der Bär mit seinem Hieb irgendwie eine zweite Öffnung geschaffen zu haben - ich kann da jedenfalls nicht länger hinsehen. Während Myralin ihn verarztet, sehe ich, dass Raslani die beiden Bärenkinder derweil in friedlichen Schlummer versetzt hat.

Als Myralin dann Magnus soweit wieder hergestellt hat - den wirft anscheinend so schnell nichts um! -, wagen wir uns durch die Maueröffnung in das Gebäude selbst. Der Raum, den wir betreten, endet vor dem eigentlichen Rundturm. An den Seiten befinden sich jeweils mehrere Meter hohe Steinvorsprünge, die den Raum fast wie einen Tempel mit mehreren Seitenkapellen erscheinen lassen. Der Gestank der hier herrscht ist hingegen nicht gerade sakraler Natur: überall liegt Bärenkot. Erklärend deutet Magnus auf einige Eisenringe, die in gleichmässigen Abständen in etwa fünf Fuss Höhe in die Wand eingelassen sind: „Das war nur ein Pferdestall“. Als wir schliesslich wieder hinauskommen - viel länger hätte ich diesen Gestank auch wirklich nicht ausgehalten, und das will 'was heissen, den der Geruch in den Zwergenkaschemmen von Middenheim ist auch nicht von schlechten Eltern!, entdecken wir an einer Seite des quadratischen Vorbaus einen Sims in etwa drei bis vier Metern Höhe. Darüber befindet sich eine Holztür, die Zugang in das Obergeschoss verspricht. Mit Hilfe von Magnus' Räuberleiter ist es für Raslani ein leichtes, den Sims zu erreichen, doch die Tür scheint zwar nicht abgeschlossen, dafür aber immens verklemmt oder verzogen zu sein, denn als die Elfin sie mit der Schulter aufstossen will, prallt sie davon ab und fällt den Sims herunter. Aber keine Sorge: genau wie die Katzen, scheinen auch Elfen sieben Leben zu haben, denn sofort steht Raslani wieder aufrecht. „Lass mich mal !“ werfe ich Magnus zu, und mit seiner Hilfe gelange ich - genau wie zuvor die Gefährtin (nur dass Magnus bei mir deutlich mehr schnauft) - auf den engen Sims. Nur nicht zuviel Schwung, denke ich mir, und presse vorsichtig mit dem Oberkörper gegen die Tür, die darauf hin aufspringt. Das ging ja leichter als ich dachte - wahrscheinlich hat Raslani schon einiges an Vorarbeit geleistet.
 
Der Raum, den kurz darauf dann auch meine Gefährten betreten, bildet das Obergeschoss des viereckigen Vorbaus/Stalles. Der Boden ist hier übersät mit zertrümmerten Möbelstücken - diesen Anblick kenne ich doch irgend woher! An den Wänden sind deutlich Inschriften von Orkhand zu entziffern: „Wir sind schon viel zu lange hier! - Der Boss ist doof! - Der Kerl nebenan stinkt! - Torgoch lässt uns hier verhungern!“. Die Orks waren also tatsächlich hier, wir sind also ganz offenbar auf der richtigen Fährte. Der Weg in den Rundturm selbst ist von hier aus leider durch ein Fallgitter versperrt. Dahinter, das erkennen wir deutlich, führt an der linken Mauerseite eine Treppe nach oben, im Boden befindet sich eine Falltür. Gemeinsam versuchen Magnus und ich, das Fallgitter anzuheben, was uns tatsächlich auch ein winziges Stück gelingt, aber eben leider nicht weiter: es ist also entweder festgerostet, oder der Zugmechanismus hat sich furchtbar verklemmt. Bedauerlicherweise bietet sich keines der zerstörten Möbelstücke als Hebel an, um das Gitter hochzustemmen - oder vielleicht auch nur als Rammbock genutzt werden zu können, und so beschliessen wir, den Turm zu verlassen und nach einem weiteren Eingang zu suchen. Aussen an der Rückseite des Rundturmes befindet sich dann auch ein Fenster, allerdings in selbst für Raslani unerreichbarer Höhe.

Wenn wir die Geheimnisse dieses Gemäuers ergründen wollen - vielleicht befindet sich dieser sagenumwobene Erdstein ja tatsächlich hier - müssen wir also wohl oder übel an diesem Fallgitter vorbeikommen.


Fortsetzung folgt!

Friedie:
noch Arbeitstag, der 3. Vorgeheim

Im nahen Wald schauen wir uns nach geeigneten Hölzern um, und schon nach kurzer Zeit kommt Raslani mit einem stabilen Ast herbei, der uns für unsere Zwecke gut geeignet scheint. Wieder zurück im alten Gemäuer, machen Magnus und ich uns ans Werk. Der Ast passt gerade in die Lücke unter das Fallgitter, die Überreste eins alten Schemels dienen uns als Auflage. Mit vereinten Kräften drücken wir den Ast nieder, und tatsächlich gibt das Fallgitter langsam nach. Das scharrende Kreischen rostigen Metalls auf Gestein ist allerdings ohrenbetäubend. Und dann:„Krawummm!“ zerspringt der Rest des Schemels in zahllose Einzelteile, und der Ast knallt uns mit Schwung vor die Füsse. Aber das Gitter reicht jetzt nicht mehr bis knapp zum Boden: Wir haben uns einen Spalt von fast vier Fuss erkämpft. Das reicht uns, um darunter hindurch zu gelangen - nicht ohne uns Sorgen zu machen, was wohl geschehen wird, falls das Gitter doch wieder hinunterkracht....

Auf der anderen Seite angelangt öffnet Raslani die Falltür im Boden - augenscheinlich hat sie hier das Verlies entdeckt, denn das einzige, was man dort unten in einem leeren und völlig fensterlosen Raum in etwa vier Metern Tiefe ausmachen kann, ist eine leblose Gestalt, die zusammengesunken mit dem Rücken zur Mauer sitzt. Die Elfin meint sicher zu erkennen, dass es sich dabei um die Überreste einer Grünhaut handelt. Das interessiert mich jetzt aber nicht so sehr, ausserdem erinnert mich das jetzt ein wenig an meine Zeit in der Kemperbader Gefängniszelle, und so gehe ich rasch die Treppe hinauf, die an der Wand entlang in das nächste Stockwerk des Rundturmes führt.

Im Teil des Bodens, der über der Treppe liegt, befinden sich fünf quadratische Öffnungen von jeweils fast einem halben Fuss Breite, die Magnus als sogenannte „Mörderlöcher“ bezeichnet: „Hier konnte der Feind notfalls von oben mit heissem Wasser, Öl oder Pech begossen werden, wenn er versuchte, diesen Raum einzunehmen“. Myralin stellt die - durchaus berechtigte - Frage, was denn überhaupt der Zweck dieses Gemäuers gewesen sei, worauf ich die Vermutung äussere, es könne vielleicht einmal ein Raubritternest gewesen sein - die Lage unweit der Handelsstrasse, die von den Ländern der Grenzfürsten in das Imperium führt, lässt dies ja durchaus vermuten. Magnus nickt daraufhin zustimmend. Doch derartige Überlegungen helfen uns natürlich jetzt auch nicht recht. Also schauen wir uns weiter um, und finden hier eine Winde - für das Fallgitter von unten -, eine weitere Treppe, die weiter nach oben führt und den Rest einer völlig vermoderten Holztür. Ich beseitige die Holzreste, betrete dann das Obergeschoss des viereckigen Vorbaus ...und traue meinen Augen nicht: Ich stehe doch tatsächlich in einem hochherrschaftlichen Schlafgemach! Neben einem Himmelbett an der Kopfseite des Raumes und einem Tisch mit einigen Stühlen in der Mitte befindet sich an der linken Seite sogar ein gemütlicher Kamin. Entlang der rechten Wandseite führt eine weitere Treppe hinauf. Der Boden besteht zu meinem Erstaunen aus kunstvollem Holzparkett. Etwas unangenehm ist allerdings der süssliche Geruch vermoderten Fleisches, der mir jetzt in die Nase dringt. Raslani drängelt sich an mir vorbei, um dem nachzugehen, und geht geradewegs auf das Himmelbett zu. Krachend bricht ein Stück des Bodens heraus, so dass sie fast bis zum Knöchel feststeckt. Na gut: so schön dieses Parkett auch aussehen mag, besonders stabil scheint es ja nicht mehr zu sein, wenn selbst unsere Elfin, eindeutig das Leichtgewicht unter uns, hier schon einzubrechen droht. Als sie sich dann, nun deutlich vorsichtiger, weiterbewegt, wird sie weder unter dem Bett noch im Kamin fündig. Ich hingegen bewege mich unter äusserster Vorsicht um den Tisch herum in Richtung Treppenaufgang, denn hier scheint mir der Geruch am stärksten zu sein. Auch ich drohe dabei mehrfach einzubrechen und bin froh, als ich wohlbehalten die rechte Wand des Raumes erreiche. Der üble Geruch scheint seinen Ursprung hinter der Holzverschalung der Treppe zu haben, aber ich sehe keinen Anlass hier jetzt länger zu verweilen und nach irgendwelchen Leichen zu forschen - das ist mir ein wenig zu heikel, und ich habe wirklich nicht die Absicht, mich plötzlich ein Stockwerk tiefer wiederzufinden ...mit gebrochenen Knochen! Und so gehe ich, als würde ich über rohe Eier schleichen, langsam weiter und erreiche, nachdem ich mehrfach kurz davor gestanden habe, in diesem Boden einzubrechen, endlich die unterste Treppenstufe, die mir zumindest ein wenig sicherer erscheint.

Diese Treppe führt in den Rundturm zurück, in dem mich eine gleissende Helligkeit empfängt. Die Decke wird hier lediglich von vier breiteren Säulen gehalten, dazwischen umläuft eine geschlossene Glasfront den gesamten, kreisförmigen Raum, unterbrochen lediglich von einer Holztür, die auf das Dach des Anbaus führt. Eine solch kunstvolle Glaserarbeit habe ich noch nie zuvor gesehen! Gewiss nicht das Werk von Menschen, vielleicht von Zwergen ? - wer weiss. Das Ganze macht für mich den Eindruck einer Art Observatorium, der Blick von hier oben ist nämlich atemberaubend. Dieser „Towa“ erhebt sich hier aus dem tiefgrünen Wald, der uns von allen Seiten umgibt, wie ein Leuchtturm an der Küste. Fern im Norden ist der dreigipfelige Berg zu sehen; er gehört zu einer langen Gebirgskette, die sich östlich von uns weit in Richtung Süden erstreckt. Auf der anderen Seite schlängelt sich der Jetzin gen Süden und ich meine dort am Ufer sogar unseren Ent auszumachen, dessen Äste sich wie grosse Arme im Wind zu bewegen scheinen.

In der Mitte des Raumes, einmal mehr mit zerstörten Möbelstücken übersät - die Orks waren also wohl auch hier - liegt ein umgefallenes, kunstvolles gewirktes Dreibein aus Bronze, das eine grosse runde Schale trägt. Genau davor finden sich eine ganze Menge feiner Glassplitter - ich würde fast wetten, dass diese einmal eine hohle Glaskugel gebildet haben, die in diese Schale gehört. Nur was man damit anfangen soll, bleibt mir ein Rätsel.

Während ich noch den herrlichen Ausblick von hier oben geniesse, sind auch meine Reisegefährten eingetroffen, und die beiden Frauen beginnen sogleich systematisch den Raum zu durchsuchen. Und schon nach kurzer Zeit werden sowohl Raslani als auch Myralin fündig - beide reichen mir jeweils ein vormals zerknülltes Schriftstück. Und natürlich sind beide wieder in dieser fast unverständlichen Ork-Verballhornung einer Sprache abgefasst. Ich würde sogar fast sagen wollen, sie wurden mit der gleichen Hand geschrieben - wenn man das 'Schreiben' nennen darf.

Raslanis Schriftstück hat folgenden Inhalt:
„Bis jetz keine Zwerge da, wo den Towa angreifen wollen, aba ich weiss, dasse kommen. Bin schon seit 'nem Monat hier, und irgendwann müssen die ja kommen. Aba wenn se kommen, werden wir uns besser schlagen wie die Menschen, wo vor uns hia waren. Haben deren Boss nie gefunden - muss wohl weggelaufen sein. Wenn die Zwerge nicht kommen, können wir im Frühjahr hier verschwinden, und bis dahin kann ich daran arbeiten diesen Stein hier auszubaldowern.
Torgoch, Kriegsboss des Blutaxt-Bundes“

Auch Myralins Notiz scheint aus der Feder „unseres“ Orks zu stammen, aber seine Schrift wirkt hier schon um einiges wirrer:
„Immer noch keine Zwerge und der Winter ist fast vorbei, also können wir bald aufbrechen. Ich und mein Schatz sind einen weiten Weg zusammen gegangen, jetz muss ich nach Hause und die Priester fettichmachen. Dann ist Torgoch der Boss der Bosse! Ich und mein Stein, da kann mich niemand mehr hindern! Höchstens vom Steinkreis, wie Zoglub gesagt hat, aber die Priester sind auf jeden Fall tot. NIEMAND KASS MICH JETZT NOCH AUFHALTEN.“

Wenn das so weiter geht mit den immer grösser werdenden Buchstaben, braucht der für sein nächstes Briefchen grössere Pergamentbögen! Aber wir sind offenbar immer noch auf der richtigen Spur. Doch wie wir jetzt weiter vorgehen, soll - so sind wir uns schnell einig - erst später entschieden werden. Erst wollen wir mal sehen, ob hier vielleicht nicht noch mehr zu erfahren ist - oder sogar doch noch was zu holen! „Die Menschen, die hier einst wohnten, können uns da ja leider nicht mehr behilflich sein“ teilt mir Magnus noch mit. „ Die haben wir nämlich vorhin unter der Treppe gefunden“. Aha. Daher also der Geruch. Auch schön.

Das Dach des Anbaus hat die Form einer Pyramide und wird ringsum von einem schmalen Laufsteg umgeben. Zusätzlich führt an einer der Seitenwände - wenn man auf das Dach hinaustritt, die linke - eine Treppe bis zur Pyramidenspitze und von dort im rechten Winkel zum nächsten Stockwerk des Rundturmes - also genau über dieses Observatorium. Doch der schmale Gang ist übersät mit Vogelnestern, und deren Bewohner - vor allem riesige Raben und Krähen - bevölkern das ganze Dach in fast unglaublichen Massen. Na gut, einladend ist der Anblick zwar nicht, aber letztlich sind das ja nur Vögel, denke ich mir - auch wenn sie grösser sind als alle, die die ich bisher je gesehen habe. Also öffne ich die kleine Holztür und trete nach draussen.

Oweia! Was für eine Fehleinschätzung meinerseits - sofort stürzen sich diese fliegenden Bestien auf mich. Ich versuche noch, mir die Viecher mit heftigen Armschlägen vom Leibe zu halten, aber die lassen einfach nicht locker, und so sehe ich mich gezwungen, mich sofort wieder zurückzuziehen. Ich rechne es der Elfin hoch an, dass sie nicht in schallendes Gelächter ausgebrochen ist. Aber immerhin habe ich da draussen etwas gesehen, was ich den anderen auch sogleich mitteile: „Da hinten glitzert alles mögliche! Wahrscheinlich hunderte von Münzen - das muss ein kleines Vermögen sein! Und ausserdem liegt da hinten auf dem Mauerrand eine weitere Schriftrolle - glaub' ich zumindest“. - „Die müssen wir unbedingt haben“ beschliesst Magnus, hüllt sich in seinen Umhang und tritt nach draussen auf den Laufgang, um selbst sein Glück mit diesen Vögeln zu versuchen. Leider finden dabei diesmal mehrere dieser Krähen den Weg zu uns in den Raum und greifen uns sofort an. Eines dieser Biester krallt sich an meiner Schulter fest und beginnt damit, mir unaufhörlich in den Hals zu picken - welch ein Schmerz! Nie wieder werde ich 'Ist ja nur ein Vogel' sagen! Ich packe das Tier, was gar nicht so einfach ist, denn es schlägt unaufhörlich - und kräftig - mit seinen Flügeln, und schliesslich gelingt es mir, es mit Schwung gegen eine der vier Säulen zu schleudern. Die Krähe fällt wie ein Stein zu Boden und rührt sich nicht mehr. Auch die beiden Frauen haben sich derweil erfolgreich gegen diese fliegenden Angreifer zu Wehr gesetzt, Raslani hält noch das Dreibein in ihrer rechten Hand, das sie allem Anschein nach als übergrosse „Vogelklatsche“ gebraucht hat.

Magnus kehrt zurück – und, welch' Überraschung, er hält nicht eine, sondern sogar zwei Rollen in der Hand. Die Erstere von Beiden erweist sich als eine „Zauberrolle“. - „Was hat es den für eine Bewandnis damit ?“ frage ich Raslani. – „Diese Rolle enthält Magie, den Wind und die Elemente zu beherrschen“ sagt sie und nimmt das Schriftstück an sich. Die zweite Rolle enthält wiederum einen in orkischem Kauderwelsch verfassten Text - aber dieses Mal in einer anderen Klaue geschrieben!

„Hallo Torgoch,
jetzt haben die anderen Priester dich aber so richtig auf dem Kieker. Was die da machen, scheint mir einfach nicht richtig zu sein, aber ich kann dir nicht in aller Offenheit helfen, sonst machen die mich fertig. Die Götter sollen sie für das bestrafen, was sie dir da antun!
Wenn du irgendwann mal deine Zauberkraft auffrischen möchtest, dann geh hoch zum Steinkreis. So kommst du rein: Geh um die Steine rum nach Nordost, dann nach Südwest und dann wieder nach Norden. Währenddessen musst du das Zeichen machen, was ich dir gezeigt habe. Dann gehen Flammen an. Du hältst eine Flamme fest und gehst durch die Öffnung - sollte gar kein Problem sein. Die Flammen gehen hoch, und dann kommst du rein. Sag keinem, dass ich dir das gesagt habe und bleibe den Göttern treu.
Zoglub.“

Also wird schon wieder dieser Steinkreis erwähnt - ganz offensichtlich sogar mit anständigen Hinweisen, wie man dort „hineingelangt“ - was auch immer das nun bedeuten mag -, um wertvolle Magie zu finden. Sicher ein lohnendes nächstes Ziel für uns. Aber noch sind wir hier nicht fertig. Was befindet sich wohl noch in den Räumen über uns ? Der einzige Weg dorthin führt leider über das Dach, und dort herrschen ja nun diese Vögel! Schliesslich fasse ich mir ein Herz und zünde meine letzte Fackel an - vielleicht hält mir das die Viecher ja vom Leibe! Und tatsächlich - indem ich die Fackel teilweise vor und teilweise hinter mir schwenke, gelingt es mir ohne grössere Schwierigkeiten, über die pyramidale Aussentreppe nach oben zu gelangen. Doch viel gibt der „Towa“ leider nicht mehr her. Ein leerer Raum - wurde wohl früher als Verteidigungsplattform genutzt, zu erkennen an geradezu winzigen Fenstern und zahlreichen Schiesscharten - und eine Leiter mit Deckenluke. Ich steige dort hinauf, wuchte die Luke hoch - was gar nicht so einfach ist, die ist nämlich erbärmlich schwer! - und - ...lasse sie fast augenblicklich wieder fallen. Denn dort oben gibt es ausser Zinnen nur noch dutzende weiterer Vogelnester - mitsamt wütenden Bewohnern. Und gepiesackt wurde ich von diesen Biestern heute ja wohl schon mehr als genug.

Fortsetzung folgt!

Friedie:
noch Arbeitstag, der 3. Vorgeheim

Zurück von meinem kleinen Ausflug, berichte ich den Anderen, dass ausser den zahllosen Münzen wohl nichts mehr zu holen ist in den oberen Kammern des Turmes. Magnus stellt noch einmal die Frage nach dem genauen Zweck des Raumes, in dem wir uns befinden, und Raslani bestätigt meine anfängliche Vermutung, es könne sich früher mal um eine Art Observatorium gehandelt haben. Die mittlerweile zerstörte kristallene Hohlkugel könnte dabei ein Instrument gewesen sein, mit dem man in die Ferne gesehen habe. Des weiteren gebe es, so sagt Raslani, an diesem Ort aber auch Magie zu verspüren, etwas diffuser Art zwar - aber doch noch sehr kräftig. „Vielleicht hat Torgoch ja hier oben seine Versuche mit diesem magischen Erdstein betrieben - würde zumindest die Unordnung erklären, die hier herrscht“ merke ich an, worin mir Myralin recht gibt, und auch Magnus nickt zustimmend: „Dann sind wir hier wohl fertig. Auf zu diesem Steinkreis!“ Ich blicke daraufhin noch einmal aus den grosszügigen Panoramafenstern, aber von hier oben ist beim besten Willen kein Steinkreis auszumachen. Wo also danach suchen ?. „Hmmm, vielleicht sollten wir den Ent fragen“. Raslani hebt eine Augenbraue und scheint meinen Vorschlag in Zweifel zu ziehen.: „Ob der das weiss ?“ - „Nun - fragen schadet doch nichts. Wir können natürlich auch ziellos durch die Wälder irren, wenn es das ist, woran Elfen Spass haben....“. Langsam kommt mir der Verdacht, es ist völlig belanglos, was man in Gegenwart dieser Elfin sagt, denn schliesslich ist man ja nur ein unwissendes, junges Menschlein, also kann es anscheinend ohnehin nichts sonderlich Sinnvolles oder Brauchbares sein.

Magnus und Myralin dagegen scheint diese Vorgehensweise durchaus vernünftig zu sein. Doch bevor wir uns auf den Weg machen, sind wir uns einig, zunächst noch den Ork in dem Kerker zu untersuchen, die menschlichen Überreste - die die Anderen unter der Treppe entdeckt hatten - in Würde zu begraben und uns das Fleisch des toten Bären zu sichern. Wer weiss denn schon, wann wir wieder an solche Leckerbissen kommen? Und gerade die Tatzen dieser Tieres sollen ja sehr wohlschmeckend sein, wie ich schon des öfteren gehört habe. Der tote Ork birgt keine weiteren Geheimnisse, wie Raslani schnell feststellt, die sich mit Magnus Hilfe in den Kerker abgeseilt hat. Er ist fast vollständig skelettiert und laut Myralin wohl schon seit etwa einhundert Jahren tot. Ausser seinem Kettenhemd trägt er nichts bei sich, und der Raum ist auch ansonsten völlig leer. Wir schaffen die toten Menschen nach draussen, wo Magnus und ich uns an ihre Beerdigung machen. Zum Glück ist der Boden recht locker, denn die Holzbretter, die uns dabei als Grabwerkzeug dienen, eignen sich nicht gerade gut für diese Arbeit. Magnus spricht noch ein Gebet, und dann können wir uns auch schon auf den Weg machen, denn Myralin und Raslani haben derweil den Bären ausgeweidet und das Fleisch geschickt in Blätter verpackt. Trocknen können wir es wohl kaum, also muss es wahrscheinlich bald gegessen werden. Na, mir soll's recht sein.

Am Flussufer wartet der Ent. Er steht immer noch genau dort, wo wir in verlassen hatten: „Da seid Ihrrrr ja schon wiederrrr ...typisch fürrrr Menschen ...Ihrrrr macht immerrr allessss sooo schnell“. - „Das liegt wohl in unserer Natur guter Hirte – und wir haben auch jetzt leider nicht viel Zeit“, gibt Magnus zurück. „Wir suchen nämlich einen alten Steinkreis, der sich hier irgendwo in der Gegend befinden muss“. „Dient dassss auch dazu, die bööösen Orrrrksss zu bekämpfen ? Diese finnnnsterrrren Gestalllllltennnn.....immerrr schlaaagennn siiee unser Holzzz und verrrrnichten unserrrre Bäume...“. - „Ja, selbstverständlich guter Herr Ent“ füge ich eifrig an. „Das ist eines unser wichtigsten Anliegen - aber wisst Ihr nun von diesem Steinkreis ?“ - „Immerrrr laaangsaaam ....laaangsam ....hmmm ....Steinkreissss ....jaaa .....weittt im Süüüden ...immerrr am Wasssserrrr entlang - weit jenseitsss dessss verderrrrrbten Landessss.“ - „Wie weit ist das den ungefähr ?“ fragt Raslani.- „Nuuuun.... für unssss Entssss sicherrr gut zwanzig Tagesrrreisen.... aberrrrr Ihr seit ja vom Stamme der Elfen ....hmmm ....fürrr Euch mag esss zu Fuss ein Zehntel derrrr Zeit ausmachen ....fürrr die Menschlein eherrrr den Fünftel Teillll“.

Unser Ent ist dann so freundlich, uns wieder über den Fluss zu tragen und nach einem wortreichen Abschied, den wir so gut es eben geht abkürzen - aber ohne dabei den netten Waldhüter ganz zu verprellen -, stellen wir fest, dass sich noch alle unsere Habseligkeiten bei unserem Wagen befinden. Na ja, wer hätte die hier auch stehlen sollen? Aber man weiss ja nie... Wir machen uns dann auf, zunächst zurück Richtung Strasse – und der nette Ent winkt uns mit seinen Zweigen noch freundlich hinterher (...und sicher noch für eine lange Zeit).

Eine Weile folgen wir der Strasse weiter Richtung Süden, dann versinkt die Sonne langsam hinter den Bergen im Westen. Irgendwo dahinter muss Bretonnia liegen, geht es mir durch den Kopf. „Zeit ein Nachtlager zu suchen“ schlägt Magnus vor. Und so verlassen wir die Strasse wieder Richtung Fluss, denn dort wartet frisches Wasser auf uns - und, hoffentlich zumindest, ein gemütliches, geschütztes Plätzchen. Es wurde auch Zeit, denn jetzt, im Schatten der Bäume, wird es doch sehr schnell dunkel. Plötzlich ist da ein Licht vor uns zu erkennen - offenbar streift dort jemand mit einer Laterne durch den Wald. Geräuschvoll zieht Magnus sein Schwert, was den Laternenschwenker wohl auf uns aufmerksam macht: „Hallo ...Hallo ....wer seid Ihr ...sucht Ihr ein Nachtlager ?“ - „Reisende“ rufe ich ihm zu. Und Magnus fügt an: „Wer seid Ihr denn ? - „Spielleute ...wartet, ich komme näher!“ schallt es uns entgegen. Magnus zieht die Stirne kraus, Raslani hebt die rechte Augenbraue, ich aber grinse ein wenig in mich hinein - das verspricht doch endlich mal wieder einen lustigen Abend in angenehmer Gesellschaft!

Der Mann, der jetzt auf uns zukommt, ist etwa so alt wie ich, hat dunkle Haut, etwas krauseliges Haar und trägt einen spitzen Kinnbart. Seine bunte Kleidung deutet darauf hin, dass er die Wahrheit gesagt hat - so sieht ein typischer Vertreter des fahrenden Volkes aus. - „Mein Name ist Dschigalo, wir rasten eigentlich immer hier wenn wir durch diese Gegend ziehen. Es gibt hier eine kleine Landzunge im Fluss, und auf der haben wir unser Lager aufschlagen“. Er erzählt uns dann noch, dass sie weit aus dem Süden kämen und sich auf dem Weg ins Reich befänden um dort ihre Künste zu zeigen - und natürlich Geld zu verdienen.

Kurz darauf erreichen wir das Lager des fahrenden Volkes. Fünf grosse, bunte Wohnwagen sind auf einer Lichtung in einem Halbkreis aufgestellt  davor lodert ein mächtiges Lagerfeuer, über dem bereits ein Stück Fleisch brutzelt. Von was für einem Tier dieses stammt kann ich aber nicht genau erkennen. Um das Feuer herum sitzen schon einige Lagerbewohner, wohl in Erwartung des Abendessens, und um sie herum wuseln einige emsige Frauen und Mädchen, die sich um die Vorbereitungen kümmern und auch bereits die ersten Getränke reichen. „Hmmm… Dschigalo“ spreche ich unseren Gastgeber an, „Ich glaube wir könnten Euren Abendschmaus noch mit etwas Bärenfleisch anreichern.“. Der Kerl ist darauf hin hoch erfreut: „Das ist gut, ich weiss nicht ob unser Pangolin für alle gereicht hätte“. Damit meint er dann wohl das Viech, das da bereits über dem Feuer brutzelt. Sieht auf jeden Fall sonderbar aus, fast wie ein Fuchs mit Schuppen. Ich bin skeptisch.

Ein grosser stämmiger Mann mit dunklem Vollbart kommt auf uns zu, so wie er auftritt, ist er offenbar der Anführer des Lagers: „Ahhh ...Gäste, wunderbar! - Kaia ...bring rasch Wein herbei ...und sag der alten Frau Bescheid!“. Und zu uns gerichtet fährt lächelnd er fort: „Ihr wollt doch sicher die Zukunft geweissagt bekommen!“. Dschigalo erzählt seinem Anführer gleich begeistert von dem Bären, mit dem das Abendessen angereichert werden wird, was Goshwar - so stellt er sich uns kurz darauf vor - hoch erfreut. Auch wir stellen uns kurz mit Namen vor, worauf Dischigalo mich kurz etwas Beiseite nimmt: „Komm doch mit uns, du bist doch von unserem Schlag“. Ich bedanke mich höflich für diese nette Einladung, sage ihm aber, dass ich plane nach Tilèa zu gehen und dort meine eigene Kunst zu verbreiten. Meine Reisebegleiter müssen daraufhin laut loslachen, scheint doch ganz offensichtlich der Hauptgrund für mich das Mal auf meiner Stirn zu sein, das Reich zu verlassen. Nun - sicher würde ich jetzt lieber in Delbertz bei meiner Liebsten sein, aber davon abgesehen muss ich sagen, dass mich Tilèa schon auch reizt. Ich glaube so langsam habe ich mit damit sogar ein wenig abgefunden und freue mich fast ein bisschen darauf, mal neue Länder zu sehen.

Wir setzen uns nah ans Feuer, und sofort springt da so ein junges Ding herbei um uns die rasch gereichten Gläser zu füllen. - „Kaia, meine Jüngste“ merkt Goshwar mit gewissem Vaterstolz an. Und dafür hat er auch allen Grund, denn trotz ihrer vielleicht vierzehn Jahre wird das sicher einmal eine sehr schöne Frau werden. Sie hat dieselbe dunkle Haut wie scheinbar alle hier, schwarze lange Haare, die sie offen trägt und auf ihrem hübschen Gesicht, aus dem die dunkle Wimpern besonders hervorstechen, ein Steine schmelzendes Lächeln, dass mir immer dann besonders freundlich erscheint, wenn sie gerade mir immer wieder aufmerksam Wein nachschenkt. Derweil spielen zwei Musiker fremdländische Melodien auf mir völlig unbekannten Instrumenten - das eine scheint einer Geige recht ähnlich zu sein, das andere erinnert mich an eine Drehleier. 

Der Wein ist sehr würzig - irgendwie hab ich den Eindruck, da sind gewisse Kräuter beigemischt, an deren Geschmack ich mich noch von Gwendolynes Kochkünsten her zu erinnern glaube - aber dabei sehr wohlschmeckend. Zwei junge Frauen servieren das Essen und ich habe Glück, denn auf meinem Teller landet eine der Bärentatzen, die sich als äusserst lecker erweist. Auch ein Stück von diesem „Pangolin“ ist dabei, dessen Geschmack mich irgendwie an Fisch erinnert. Sieht aber trotzdem eher aus wie Fuchs! Sonderbar. Magnus ist derweil in ein Gespräch mit Goshwar verstrickt und warnt ihn, weil der Anführer für dieses Feuer frisches Holz hatte verwenden lassen, schliesslich gebe es in dieser Gegend ja Ents. Goshwar, der sich ruhig seine Pfeife anzündet, erwidert, dass ja genügend altes Bruchholz am Boden läge und fügt in einer sehr souveränen ruhigen Art an: „Respektiert den Wald, dann respektiert der Wald Euch“. - Magnus fragt Goshwar dann auch nach dem „verderbten Land“, das der Ent ja gerade vorhin erwähnt hatte. - „Ja, der Wald weiter im Süden, damit stimmt irgend etwas nicht. Da ist er völlig grau und scheinbar wie tot - und trotzdem hängen dort noch Blätter an den Bäumen. Auch der Himmel sieht dort merkwürdig aus, der ist dort schwarz wie Blei - aber nur über diesem Waldstück - aussen herum war nur klarer blauer Himmel zu sehen. Wir sind dort jedenfalls schnellstmöglich vorbei. Aber diesen Platz hier haben wir ja zum Glück friedlich wie eh und je vorgefunden!“

Als das Mahl beendet ist, geselle ich mich erst einmal zu den beiden Musikern, die sich mir als Taboth - das ist der Drehleierspieler - und Razièl - der Geigenspieler - vorstellen. „Was ist das eigentlich für eine Musik, die Ihr da macht, sehr faszinierend übrigens, so etwas habe ich noch nie gehört.“ - „Die stammt - wie wir alle übrigens - aus Arabia. Freut uns dass dir Euch gefällt. Hast du Lust, ein wenig mitzumachen ?“ - „Nun, wenn ihr auch das hier und im Reich Landesübliche beherrscht, dann wohl gerne.“ Ich hole meine Laute herbei und nachdem die Beiden ihre Instrumente darauf umgestimmt haben - was eine ganze Weile dauert, irgendie stimmen die ihre Instrumente ganz anders als ich! - beginnen wir mit flotter Musik. Die Jungs sind gut und es macht mir gehörig Spass, endlich mal wieder in die Saiten zu schlagen. Schon bald beginnt Dschigalo im Takt mit Bällen zu jonglieren und wenig später tritt ein stämmiger, glatzköpfiger Bursche mit Schnauzbart und nacktem tätowierten Oberkörper hinzu und beginnt mit einem Feuerzauber dass es eine wahre Freude ist. Er jongliert mit brennenden Holzscheiten, die er sich zwischendurch in den Mund steckt und dann wahre Feuersbrünste ausspeit. Sehr beeindruckend! Damit könnte er sogar auf dem Markt von Nuln für einige Furore sorgen, und die Leute dort sind, Ranald weiss es, wahrlich nicht leicht zu beeindrucken.   

„Wer ist das denn?“, frage ich dann Kaia, die sich fast schon auffällig eifrig um mich kümmert - steigt mir grade dieser Wein zu Kopfe oder macht die Kleine mir tatsächlich Avancen ? - naja ...die bösen, eifersüchtig erscheinenden Blicke der anderen Frauen scheinen durchaus auf so etwas hinzudeuten. Nun, das schmeichelt mir ja jetzt durchaus, aber einerseits ist da noch Marion - wobei ich die allerdings wohl nicht mehr so schnell wiedersehen werde - und andererseits könnte dieser Goshwar ziemlich unangenehm werden, wenn man seiner Lieblingstochter zu nahe tritt. - „Das ist Haspadin, mein Vetter“ reisst mich die Kleine wieder aus meinen Gedanken. Und schon werden wir in unserer kurzen Zweisamkeit abgelenkt, als nämlich besagter Haspadin beginnt, unter grossem Beifall aller glühende Kohlestückchen einfach in der Luft schweben zu lassen. Kurz darauf ruft Goshwar seine jüngste Tochter zu sich, um auch sein Glas nachfüllen zu lassen.

Es wird später und später, und schiesslich begibt sich Raslani in den Wagen der alten Frau, um sich ihre Zukunft voraussagen zu lassen, Magnus verschwindet im Wald - „um in Ruhe zu beten“ wie er kurz wissen lässt -, und Taboth, Razièl und ich genehmigen uns noch ein paar Gläser von dem wohlschmeckenden, würzigen Wein. Plötzlich entsteht eine leichte Unruhe im Lager. - „Wo ist Sorill ?“ ruft Goshwar besorgt. Wie ich von Taboth erfahre, handelt es dabei sich um die ältere Tochter des Anführers. „Vielleicht bei Magnus!“, versucht ihn Myralin zu beruhigen - aber gerade das scheint Goshwar nicht im Mindesten zu beruhigen. Im Gegenteil. Erst Myralins Zusatz: , „Der ist vorhin in den Wald gegangen zum Beten“, besänftigt ihn - ein bisschen. Nein, einer Tochter dieses Vater sollte man wohl wirklich nicht gerade schöne Augen machen, zumindest nicht, solange er in der Nähe ist.. Doch schon kurz darauf entspannt sich alles wieder: Sorill tritt aus einem der Wagen: “Da bin ich doch, Vater!“, und auch Magnus ist auf einmal wieder unter uns - woher kam der denn jetzt so plötzlich?

Goshwar schlägt vor, für die Nacht Wachen aufzustellen: „Ich glaube zwar, dass es ruhig bleibt, aber Haspadin hier - unser Weiser - meint, die Gegend sei wohl doch nicht mehr ganz so sicher wie früher. So wird beschlossen, dass Magnus und Dschigalo die erste, Goshwar und Haspadin die zweite und schliesslich Taboth und ich die dritte und letzte Wache übernehmen werden. Daraufhin begeben sich Taboth und ich in einen der Wagen, wo mir der Musiker freundlicherweise auch noch seinen Schlafplatz anbietet - das sei er mir als guter Gastgeber schuldig. Als kleinen „Absacker“ bietet er mir noch einen Kräuterschnaps an, den ich dankend annehme und der es mir dann sehr leicht macht, rasch in Morrs Arme zu sinken. Das Zeug hat es aber auch in sich!

Friedie:
Festtag, der 4. Vorgeheim

Mitten in der Nacht pocht es an die Wagentür. Das sollen jetzt vier Stunden gewesen sein ? Müde schäle ich mich aus dem Bett, streife meinen Mantel über und begebe mich in Richtung Lagerfeuer. Das ist allerdings erloschen, und Haspadin erklärt uns auch gleich warum: „Hier gehen merkwürdige Dinge vor! Magnus hat irgendein merkwürdiges Flugwesen gesichtet. Er hat das Feuer ausgemacht, um es nicht noch unnötig auf uns aufmerksam zu machen. Ich meine auch etwas am Himmel gesehen zu haben, mehr als einen grossen Schatten habe ich selbst zwar nicht erkannt, aber vielleicht hat Euer Gefährte ja die besseren Augen“.

Dann verschwindet Haspadin in einem der Wagen und Taboth zückt erst einmal die wohlbekannte Flasche mit dem Kräuterschnaps. - „Danke, im Moment lieber nicht“, lehne ich sein freundliches Angebot ab, auch einen Schluck davon zu nehmen. Nach einer Weile geht Taboth „auf Streife“ wie er sagt - sicher keine schlechte Idee sich ein bisschen die Beine zu vertreten bei der Kälte. So langsam graut der Morgen, da sehe ich weit über mir plötzlich etwas Dunkles herbeischweben. Ich ducke mich an einen der Wagen und kann gerade noch ein riesiges drachenartiges Wesen (mit drei Köpfen?! Was ist das denn?) erkennen. Zum Glück verschwindet es dann recht schnell Richtung Süden.

Es muss kurz vor Ende unserer Wache sein, da ruft mich Goshwar in einen der Wagen. Hier treffe ich auch noch Raslani, Magnus und Haspadin an. Es herrscht grosse Aufregung. In der hintersten Ecke sitzt eine merkwürdige dunkle Gestalt - nein mehr ein dunkler schwarzer Umhang. - „Unsere alte weise Frau, irgendetwas stimmt mit Ihr nicht“ so Goshwar zu mir. Da beginnt die Gestalt mit unnatürlichen rauer Stimme zu reden: „Das ist ein anderer Weg“. - „Was ist mit unserer weisen Frau?“ wundert sich auch Haspadin. Und dann reden irgendwie alle durcheinander - bis auf die auffällig schweigsame Raslani (und das will bei ihr nun wirklich etwas heissen!). „Über was habt ihr gesprochen ?“, versucht Magnus der Sache auf den Grund zu gehen. - „Das war persönlich“, lautet die kurze Antwort der Elfin. Magnus wird jetzt langsam ungeduldig: „Raslani, so kommen wir hier doch nicht weiter. Hat sie vom Tod gesprochen ?“ - „Ja“. Mehr ist aus der Elfin dann nicht mehr herauszubekommen. Auch Elfen können anscheinend trotzig werden! Na, prima! Irgendwie weiss ich jetzt auch nicht, wie ich hier noch von grossem Nutzen sein soll, und so verlasse ich den Wagen wieder, gefolgt von Haspadin.

„Was ist denn überhaupt los ?“ frage ich den Feuerkünstler. „Nun, Eure Weggefährtin Raslani war bei unserer weisen Frau, um sich die Zukunft weissagen zu lassen, das habt ihr ja mitbekommen. Dann muss irgendetwas Merkwürdiges vorgefallen sein. Auf einmal sprach die alte Angelika mit zwei Zungen - und dann überhaupt nicht mehr! Eine Zeit lang war sie sogar überhaupt nicht mehr ansprechbar. Dank Magnus spricht sie jetzt erst wieder - aber nur wirres Zeug in meinen Ohren, über Chaos und Weltuntergang. Was ist überhaupt los mit eurer Elfin, trägt sie etwa das Chaos in sich?“. - „Das glaube ich ganz sicher nicht“, versuche ich ihn zu beruhigen: „Wir alle bekämpfen das Chaos, deshalb kommen wir unweigerlich hier und da mit so etwas in Berührung, das lässt sich leider kaum vermeiden“. Konkreter werde ich hier aber lieber nicht, ich möchte den armen Kerl doch nicht unnötig weiter ängstigen, und Ärger wegen meiner rechten 'Ulhednar-Hand' hab' ich selbst genug.

Haspadins Stirn wirft daraufhin zahllose Falten: „Oh weh, die Welt scheint mir leider überhaupt nicht mehr so sicher zu sein wie früher. Was kann man da nur tun - und wo soll unsereins denn noch hin ?“

Fortsetzung folgt!

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