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Soziale Begegnungen ausspielen?

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Xemides:
Moin,

ach mal wieder das belibte Thema Soziale Fertigkeiten und "Ausspielen".

Eigentlich gabs da schon ein paar Threads zu, aber seid drum.

Mit ist zunächst mal egal, wo das Worz her kommt. Für mich stellt sich die Frage, warum spiele ich ein Rollenspiel.

Für mich geht es unter anderem dabei, etwas zu spielen, was ich in Wirklichkeit nicht bin oder kann.

Ich bin kein Magier, möchte aber Zaubern können. Ich bin kein Kämpfer, möchte aber zaubern können. Genauso kann jemand einen sozialen Charakter spielen, der in Wirklichkeit eher schüchtern ist.

Außerdem kann man mal nen schlechten Tag haben,ist mit der Situation überfordert etc.

Deshalb lasse ich auch auf soziale Skills immer würfeln.

Natürlich ist es schön, wenn der Spieler denn vorher auch ausspielt, was er sagt, sei es durch direkte oder indirekte Rede, wenn ihm aber nichts einfällt, dann wird halt einfach gewürfelt.




Settembrini:
Ach ja:

"Wir bestechen Trader Joe."

<<Wie macht ihr das?>>

"Na ich habe Birbery -2."

*öttelöttel*

"Zehn! Das macht dann zwölf! Wieviel kostet der Spaß?"

<<Zenhtausend.>>

oliof:
Hey Settembrini,

danke für Deinen Brief! Dein Positiv-Beispiel hatte mir schon gereicht, wie ich ja schon schrieb. Zum neuen Beispiel: "Ich habe Bribery -2" ist ja schon ein Hinweis auf die Vorgehensweise: Trader Joe wird bestochen, und nicht etwa erpresst, verhauen, verführt, entführt, … die Wahl der Fertigkeit liefert als Informationen über das Spielgeschehen.

Hallo TurningWheel: Wenn ich eine Fertigkeit einsetze, also eine Ressource benutze, die meiner Spielfigur mechanisch zusteht; dann würde ich ja eine Analogie zum ausspielen im Kartenspiel-Sinne erkennen. Aber eine mechanisch irrelevante Tätigkeit käme mir da nicht unbedingt in den Sinn. Ich halte es da eher wie Dom, der ausspielen im Sinne von ausführen oder verdeutlichen versteht.

Einige Beispiele:

Bei DSA 3 gibt es ein relativ rigides Magiesystem mit festen Zaubersprüchen, die bishin zur gesprochenen Formel und den notwendigen Ritualbestandteilen (Handbewegungen etc.) beschrieben sind. Ich kenne viele Spielleiter, die es für wichtig halten, dass die klassischen Akademie-Magier immer brav die Reime aufsagen, bis hin zu den schweren Fällen, die ohne Reime den Zauber fehlschlagen lassen. Aber ich habe noch von keiner Runde gehört, wo der Hexenspeichel nur wirkt, wenn der Hexenspieler seinen Speichel dem SL auf die Körperstelle schmiert, an der ein NSC verletzt ist. Inkonsequent? Das Kartnespiel-Analogon gibt eigentlich nur her, dass der Spruch von der Figur beherrscht werden muß, ich kann als Spieler einer Hexe also nicht einfach den SL anspucken und dann verlangen, dass der Zauber wirkt, weil ich ihn so überzeugt ausgespielt habe, oder? Genausowenig wird ein Krieger durch einen überzeugend vorgetragenen Donnerkeil tatsächlichen Schaden hervorrufen (mal ab vom Krieger mit Magiekunde 15, der zumindest überzeugend bluffen kann, aber das ist ja wieder ein anderer Fall; und auch hier hängt der Erfolg dann ja wohl auch davon ab, dass die Werte das getane wiederspiegeln, zumindest so, wie ich es kennengelernt habe).

Dieses Beispiel soll belegen, daß darstellerisches Ausspielen den mechanischen Einsatz von Fähigkeiten oft nur unterstützen kann, wenn man die geschriebenen Regeln nicht der Beliebigkeit zuführen will. Daß das darstellerische Ausspielen der Tätigkeiten eines Charakters für einen Haufen Leute die Besonderheit des Rollenspiels ist, ist von dieser Betrachtung unbenommen.

Bei Dogs in the Vineyard sind Spielwerte und Effekt des Ausgespielten anders verkoppelt als in den meisten anderen Spielen. Ich muß jede Handlung mit einem Wert untermauern, der den Effekt auf die Spielwelt ausdrückt - was auch den weniger wortgewandten Spielern mal die Möglichkeit gibt, mit einem schlichten "Nein" die Kraft eines stoischen, erdverbundenen, eigensinnigen Typen umzusetzen, der schlichtweg zu dumm ist, um hochgestochener Argumentation zu folgen. Dazu kommt, daß man, sollte man es für dramtisch angemessen halten, eine toll ausgespielte Aktion mechanisch mit wenig Gewicht verbinden, wenn man überzeugt ist, daß die Gegner diesen Versuch, den Konflikt zu gewinnen, einfach aus dem Weg wischen können. Echtes Spielbeispiel: Ein Spieler, der seinen Charakter mit immer niedrigeren Werten verbunden auf einem einzelnen Punkt herumreiten läßt, bis der Gegner eskaliert, weil er genervt ist (das ist übrigens eine der Taktiken der 2. Stufe, weil man so auch jede Menge Erfahrung sammelt). Nicht zuletzt kann man jederzeit einen Konflikt aufgeben – wenn Du von dem, was Dein Gegenüber im Konflikt darstellt, schwer überzeugt bist, nimmst Du es an und stellst Dich nicht zwanghaft mechanisch dagegen.

Dieses Beispiel soll belegen, dass es Spiele gibt, die darstellerisches Ausspielen und mechanischen Effekt bewußt trennen, und so klare Wechselwirkungen zwischen darstellerischem Ausspielen, mechanischem Effekt und Spielweltgeschehen definiert.

Ein drittes Beispiel: Ich hatte mal einen SL, der (in einer TOON-Runde, zu allem Überfluß), die Tatsache, ob mein Charakter kitzlig ist, von meiner eigenen Kitzligkeit abhängig machen wollte. Diese Entlehnung des "Du kannst, was Du darstellen kannst"-Prinzips aus der LARP-Ecke halte ich in vielen Fällen für das Hobby, das ich betreibe, als unzulässig.

1of3:
Dafür kam sie aber sehr "unwichtig" rüber:


--- Zitat ---Und wieder einmal diskutieren Rollenspieler über einen Begriff der von anderswoher kommt, als würde es nichts außer ihrem eigenen (für manche wohl zu hochrandigen) Teller geben.
--- Ende Zitat ---

Enkidi Li Halan (N.A.):
Die Verwendung von direkter oder indirekter Rede bei der Kommunikation zwischen den handelnden Figuren (seien es SCs oder NSCs) ist für mich mittlerweile kein Qualitätsmerkmal für 'gutes' Rollenspiel mehr. Beides kann sehr viel Spaß machen, und beides kann total in die Hose gehen, abhängig von den sozialen/kommunikativen/sprachlichen Fähigkeiten des betreffenden Spielers/Spielleiters.

Direkte oder indirekte Rede ist für mich vielmehr ein Mittel der Erzählperspektive, und allem, was damit verbunden ist. Dialoge in der Ich-Form verwende ich, wenn ich einer Figur in einer Szene möglichst nah sein will, und die Szene intensiv erleben möchte; dies sind vor allem Schlüsselszenen des Charakters oder der Story, Momente in denen wichtige Entscheidungen anstehen oder in denen ein Konflikt eskaliert. Es kann sich aber durchaus auch um banale Color-Szenen handeln, wenn mir oder meinen Mitspielern gerade danach ist; entscheidend ist, dass ich durch Verwendung der direkten Rede stärker in eine Szene hineinzoome und in der Regel stärker emotional mit meiner Figur verbunden bin.
Die indirekte Rede findet Verwendung, wenn eine solche Nähe nicht nötig ist oder störend wäre. Wenn ich die Handlungen eines Charakters von außerhalb, also eher wie ein Erzähler, betrachten will oder Distanz zu einer Figur suche (z.B. weil sie etwas tut, das ich persönlich ablehne). Szenen, die keine große Relevanz für die Geschichte oder die Entwicklung der Figuren haben, kann man durch die Verwendung von indirekter Rede sehr gut abkürzen, ohne aber vollständig auf sie verzichten zu müssen (wie das Beispiel von Settembrini zeigt).

Dass eine Szene in indirekter Rede weniger 'ausgespielt' ist, als eine in direkter Rede, halte ich persönlich für Quatsch. Beides ist  ein völlig legitimer Teil des Rollenspiels, nur dass er halt manchen Spielern mehr Spaß macht und manchen weniger.

Eine soziale Begegnung auszuwürfeln, ist genauso legitim, und nicht 'besser' oder 'schlechter', als sie in direkter oder indirekter Rede darszustellen. Das ist dann eben ein anderer Spielstil, und solange der Gruppe das Spaß macht und sie sich auf genau diese Art der Lösung sozialer Begegnungen geeinigt hat, kann sich ja niemand beschweren.


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