2. Fall: Conversion nach SW als "Bugfix" eines ansonsten beliebten QuellsystemsDieser Fall ist tragisch.
Das Ziel ist hier der Zielgruppe der Spieler des Quellsystems, die das Quellsystem sehr gut kennen, die ihre Erwartungen, wie das Setting so ist, aus der langen Kenntnis des Quellsystems heraus geprägt haben, mit einem einfacheren Regelsystem ein paar der "Unschönheiten" des Quellsystems zu beheben.
Letztlich verspricht man sich von der Conversion, daß Savage Worlds als "Bugfix" für ein oftmals deutlich komplexeres (hier mengenmäßige Komplexität gemeint, regeltechnisch ist SW ja auch sehr komplex) Quellsystem wirken möge.
Das KANN Savage Worlds meist NICHT.
Hier "kämpft Savage Worlds auf verlorenem Posten". - Das ist so, weil ja den Spielern des Quellsystems ihr altes, ihre altgewohntes, ihr liebgewonnenes Regelsystem ganz grundsätzlich ja GEFÄLLT. Es hat nur die eine oder andere Macke, die Kämpfe brauchen so lange, die Fahrzeugregeln sind so kompliziert, daß sie keiner verwenden mag, usw.
Was hier eigentlich angezeigt wäre, sind HAUSREGELN für das Quellsystem. Eine Verschlankung (ggf. einfach eine MicroLite-Version des Quellsystems), so daß einige der Kritikpunkte dadurch behoben wären.
Savage Worlds VERSPRICHT Fast! Furious! Fun! - Und Savage Worlds HÄLT dieses Versprechen!
Aber, wenn man im Grund seines Herzens eigentlich NICHT WILL, daß für mehr Geschwindigkeit bei der Regelsysteanwendung, für mehr cinematische Action-Sequenzen, für mehr Augenzwinkern und Sich-selbst-nicht-so-ernst-Nehmen eben viele der feinen Details durch die groben Pinselstriche des Savage-Worlds-Pinsels übergemalt werden, dann WILL man nicht wirklich FFF, sondern dann will man eigentlich sein Quellsystem "nur ein wenig flotter, nur ein wenig aktionsreicher, nur ein wenig leichtherziger" haben.
Die Zielsetzung und die Zielgruppe für Conversions ist in diesem 2. Fall nicht ein Ziel und eine Gruppe, die "JA, ich WILL Savage Worlds spielen!" sagt, sondern eigentlich eine Gruppe und somit ein Ziel, daß sich nicht vom Quellsystem, von der ALTEN LIEBE lösen möchte.
Beispiele:
Der Gut-Fall:
Ich hatte mit der D&D 3E wirklich die Schnauze voll von D&D. Die 3E war so ärgerlich, vor allem als Spielleiter, daß ich eine laufende Kampagne hingeschmissen hatte. Als wird dann später Savage Worlds ausprobiert hatten, als ich das auch mal im "D&D-like Fantasy"-Sektor probiert hatte, da fühlte ich, daß mit Savage Worlds MEIN SPASS-Bedürfnis an "D&D-like Fantasy" BESSER befriedigt wird, als mit dem 3E-Regelsystem (und die alten D&D-Regelvarianten waren und sind mir einfach zu alt - ich spiele gerne auf Old-School-Art, aber ich bin KEIN "Nostalgiker" oder "Retro-Gamer", da alte Spiele (im Gegensatz zu Settings!) einfach erst einmal ALT sind).
Der Schlecht-Fall:
Wir sind langjährige Deadlands-Spieler in z.T. parallel laufenden Weirdwest-Kampagnen. Als wir neben den weiter laufenden Deadlands-Runden Savage Worlds als unser Hauptregelsystem für alles D&D- und D20-Material, was wir spielten, gewählt hatten, probierte ich die erste Savage Deadlands Conversion aus. Ausgangspunkt war die als kostenlosen Download verfügbare Savage Deadlands PDF-Datei von der Pinnacle-Homepage. Nur gefiel mir sogleich das Verwenden des SW-Standard-Magie- und Weird-Science-Systems nicht. Also strickte ich beides selbst. Und zwar entlang der Regelsystemvorgaben des alten Deadlands Classic Regelsystems.
Wir spielten jede Menge Dime-Novels und eigene Szenarien, aber eben nur mit dem, was ich gerade bis zur nächsten Runde an Conversion vorbereitet hatte. Und dann schlief das wieder ein, weil ja bald (BALD! *lach!*) Deadlands: Reloaded herauskommen sollte. Eine OFFIZIELLE Conversion des HAUS-Settings von Pinnacle, gemacht von dem MACHER von Deadlands UND Savage Worlds selbst. - Das KANN doch nur SUPERGUT werden!
War es aber NICHT!
Die erste Kampagne über ein knappes Jahr mit gleichbleibenden, von mir vorbereiteten Charakteren, die aber von ständig wechselnden Spielern weitergespielt wurden, hatte ich angesetzt, um ein Gefühl für das "Wahrhaftige DL:R" zu bekommen, im Gegensatz zur "Papierform". - Es hatte allen richtig viel Spaß gemacht. Es gab einige Tote, sogar viele, um genau zu sein. Es wurde von New Orleans bis ins Maze alles an Setting-Glanzlichtern mal heimgesucht.
Aber.
Im Vergleich zu der etwas behäbiger fortschreitenden Denver-Kampagne mit DL Classic wirkte der DL:R-Weirdwest eher wie der hektische und hyperaktive jüngere Bruder eines gefährlichen, einschüchternden, knallharten Deadlands-Classic-Weirdwest. Und das TROTZ mehr SC-Toten in der DL:R-Runde!
DL:R spielte sich wie der Film Wild Wild West, wie Plastik mit Steampunk-Anstrich, während sich Deadlands Classic wie Dampf und Blut und Stahl und Blei spielt, wie dreckiger Steampunk mit dreckigem Italo-Western mit splatterigem Horror kombiniert.
Effektiv war DL:R, die HEISSESTERSEHNTE Savage-Worlds-Publikation in unserer Runde, die bislang mit Abstand enttäuschendste.
(Nebenbei: Ich spiele WEITERHIN DL:R. Jedoch lieber auf Cons, weil ich das Regelsystem schneller bei Neulingen im Weirdwest in die Köpfe bekommen und weil ich nicht so viel Streß bei der Szenario-Vorbereitung habe. Ich MAG DL:R immer noch, weil einfach das Weirdwest-Setting so VERDAMMT GEIL ist. Das wird selbst durch eine solala-Conversion nicht schlecht!
Aber im Kampagnenspiel bevorzuge ich TROTZ der Macken (und die gibt es REICHLICH) das DL Classic Regelsystem.)Was war das Problem im "Schlecht-Fall"?
Das Problem war, da bei einem Rollenspiel, welches NICHT GENERISCH konzipiert ist, auch oft Settingfakten, Settingelemente nur in Form bestimmter Regelteile abgebildet werden. Andere, stimmungstragende Elemente können ebenfalls nur in Form von Regelmechanismen vorliegen, die Spieler des betreffenden Rollenspiels nicht getrennt vom Setting sehen und im aktiven Spiel diese Rollenspiels ja auch nicht getrennt vom Setting ERLEBEN.
Wenn man nun ein paar Jahre MIT FREUDEN ein solches Rollenspiel gespielt hat, dann sind einem die Macken oft deutlicher bewußt, als es die schönen Seiten, in die man sich anfangs verguckt hatte, noch sind.
Bei Deadlands Classic war es die gegenüber SW so geringe Skalierbarkeit. Ich hatte schon viereinhalb Stunden dauernde Kampfszenen mit gerade mal 19 Beteiligten in DL Classic erlebt, die mich schier zum Wahnsinn getrieben hatten, weil ich zur gleichen Zeit in unseren SW-Runden Kampfszenen schon damals mit über 200 Beteiligten inklusive Fahrzeuge, Monster, usw. in kürzerer Zeit durchgespielt hatte.
Es gibt für Deadlands Classic auch manche Szenarien, wo man es mit an die hundert Gegnern, die im schlechtesten Falle zur selben Zeit auf die SCs eindringen, zu tun bekommt. - Da muß man sich nur für die Kampfabwicklung wirklich Zeit freihalten.
Daher warteten wir auf die offizielle Deadlands-Weirdwest-Conversion des MACHERS "himself" so sehnsüchtig, und daher wurden wir auch so enttäuscht.
Shane Hensley hatte nämlich für Savages den Weirdwest als Setting erschließen wollen. Er hatte NIE VOR ein "Bugfix"-Deadlands herauszubringen. - Nur war es das, was wir erwartet hatten.
Große Erwartungen, die nicht erfüllt wurden - das enttäuscht stark.
Es kam noch ein wichtiger Punkt hinzu: Wir hatten alle beim Spielen von DL:R entdeckt, WIE SEHR wir doch in die DL Classic Regelmechanismen (auch TROTZ ihrer Macken!) verliebt sind.
Ich MUSS meine Mad Scientists konstruieren lassen, Karten ziehen lassen, ihre "Beschaffungskriminalität" ausüben lassen, und dann stundenlang ihre Apparillos zusammenzimmern lassen. - Alles das fehlt bei der Weird Science in DL:R völlig. Das ist dort "Magie mit Geräte-Trapping". - Für MICH enttäuschend.
Interessanterweise für NEULINGE im Weirdwest-Setting BEGEISTERND. Manche sagten mir, daß sie noch nie soviel Spaß mit solchen Verrückten Erfindungen gehabt hätten, wie bei DL:R-Runden, die ich auf Cons angeboten habe. Andere schrieben auf Weirdwest.de, daß mit DL:R für sie Mad Science zum ersten Mal wirklich Spaß im Spiel gemacht habe.
So können sich die Leute unterscheiden.
Daher bin ich zu Hausregeln und konsequenter Verwendung von Shortcut-Empfehlungen aus Weirdwest-Foren übergegangen und so läuft aktuell die DL-Classic-Runde vom Regelanwendungsthema her flotter als manche früheren Runden. - Und DL:R spiele ich weiterhin auf Cons oder für Weirdwest-Einsteiger.
Ich möchte hier noch ein Stück des Beitrags von The Pat zitieren:
... hier muss oft der Trade-Off zwischen geringer Komplexität (SW Maxime) und Übernahme von Aventurien-Kernelementen gemacht werden. "Convert the setting, not the rules" hilft in diesem Fall wenig, da es viele "Grauzonen" gibt, in denen Setting- und Regelelemente sich überschneiden
Das trifft auch meine Erfahrung.
Regelinformation kann auch TRÄGER von Settinginformation sein. Sie kann auf jeden Fall "Stimmungsträger" sein (sogar noch viel mehr als man meint: Illustrationen in einem Regelwerk wirken nur einen Augenblick lang, aber die Regelanwendung macht man STÄNDIG und sie gibt durch den Griff nach den Würfeln, den Karten, den Glassteinen, den Figuren eine intensivere Einstimmung des Spielers als dies ein gezeigtes Bild je kann).
In unserer Gruppe haben wir uns nach einigen Sessions - nach anfänglicher Euphorie - wieder von SW Aventurien verabschiedet. Wir spielen jetzt mit DSA 4 Regeln, die wir durch Hausregeln massiv entschlackt haben.
Same here. - Das war auch meine Lösung für Deadlands.
Manchmal kommt man beim Versuch an Conversions zu basteln an den Punkt, wo man sich fragen sollte, ob man mit gleichem oder gar geringerem Aufwand nicht einfach ein paar HAUSREGELN bauen kann, die einem die gröbsten Macken des Quellsystems wieder erträglich machen. - Und wenn man das schon überlegt, dann SOLLTE man es mindestens mal mit Hausregeln VERSUCHEN.
Lieber eine glückliche Runde in einem verhausregelten Altsystem, als ein paar unglückliche Savage-Worlds-Spieler.
Wie sagte, ich glaube es war jblittlefield im Pinnacle-Forum: "Anything could be Savaged, but not everything should."
Ich höre schon die erschreckten Reaktionen von SW-Fans: "Werte auf dem Charakterbogen machen doch nicht den Charakter aus ... !". SW Regeln funktionieren bei uns seltsamer Weise bei vielen anderen Settings, und da stört uns die fokussierte Skill-Auswahl auch nicht. Aber wir haben - vielleicht durch den SW Regelausflug - gemerkt, dass diese umfänglichen Werte eines Helden einen Teil unserer Begeisterung für Aventurien ausmachen.
Das kann ich voll nachempfinden.
Manchmal macht das Spielen einer Conversion einem erst bewußt, was man alles am Quellsystem so toll gefunden hat und was man nicht missen möchte.
Dieser 2. Fall, um den es hier gerade ging, kommt nur vor, wenn die Spieler bereits das Altsystem LANGE GENUG kennen, um eine positive Beziehung auch zu dessen Mechanismen und den darin enthaltenen Stimmungselementen aufzubauen.
Jemand, der "mal irgendwann auf einem Con" das Quellsystem gespielt hat, der wird die Änderungen, die Savage Worlds im Spielgefühl bewirkt nicht einmal registrieren. Und für solche Fälle ist eine Conversion ebenfalls lohnend.
SchlußbemerkungSetting-Adaptionen von Settings, für die es noch kein Rollenspiel gibt, oder die sich nicht auf einer bereits existenten Rollenspielvorlage orientieren, sind hinsichtlich der "Alten Liebe"-Problematik, die im obigen 2. Fall angeklungen ist, unkritisch. - Hier ist eher die Kenntnis des Settings, die Neigung zu bestimmten Elementen der Settingvorlage von Interesse, meist jedoch nicht irgendwelche Regeltechnik. Meist, weil es Spieler gibt, die mit "GURPS-Denke" oder "D20-Denke" an ALLE Rollenspiele herangehen, und die dann natürlich mit einer Savage-Setting-Adaption ein ganz grundsätzliches Problem haben werden.
Setting-Conversions von anderen Rollenspielen, die man von ihrem Regelsystem "entgrätet" hat, und bei denen man dann dem "Settingfleisch" ein schnelleres Regel-"Skelett" des SW-Regelsystems implantiert, funktionieren bestens, wenn die Zielgruppe bereits aus Savages besteht oder wenn die Spieler das Quellsystem noch nicht oder nur kurz gespielt haben und keine intensive Bindung an die regelmechanische Seite des Quellsystems aufgebaut haben.
Setting-Conversions, die nur als "Bugfix" bestimmte Macken eines anderen Rollenspiels beheben sollen, funktionieren meist nicht. Savage Worlds ist ein vollwertiges Rollenspielsystem mit EIGENEM Charakter. Dieser Charakter, der sich durch die Regelmechanismen in SW ausdrückt, zieht sich durch ALLE Savage Settings. - Wer mit dem besonderen Charakter, der FFF-Mentalität, der Grobgranularität, den Abstrichen an Details für mehr Regelabwicklungsgeschwindigkeit, usw. nicht klar kommt, wer hier die GEWOHNTEN Quellsystem-Mechanismen mit ihrem eigenen Charakter, ihrem eigenen (bisweilen behäbigen aber doch liebenswerten) Charme erwartet, der wird von solch einer Conversion irgendwann enttäuscht sein. - Eher bälder als später.
Das Arbeiten und das Spielen von Conversions ist jedoch NIE "sinnlos" oder "Zeitverschwendung". - Man lernt nämlich beim Conversion-Erstellen und -Austesten auch gerade das zu konvertierende Setting bzw. das Quellsystem viel BESSER kennen, als es einem je vorher bekannt gewesen ist.
Man kann sich nun viel BEWUSSTER auf sein Altsystem einlassen, als wenn man die Conversion nicht versucht hätte.
Ich weiß nicht, wieviele Conversions bei mir in der ersten Iteration, dem ersten Testspielen eines Conversion-Szenarios "hängen geblieben" sind. - Es schien nach dem Feedback und - meist mehr noch - nach meiner eigenen Zufriedenheit und eigenen Urteilskraft nicht angebracht die Conversion weiter zu treiben. Es gibt ja noch so viele andere Settings, wo man mal einen FFF-Blick drauf werfen könnte.
Andererseits waren es gegenüber den für mich befriedigenden Conversions nicht so viele, die ich nicht weitergeführt habe.
Savage Worlds ist ein so schnell souverän einsetzbares Baukasten-System, daß man, wenn man seine VORÜBERLEGUNGEN gemacht hat, und sich der STOLPERFALLEN bewusst ist, mit Conversions und Setting-Adaptionen einfach viel mehr Abwechslung in seine Runden bringt, seinen Spielern viel mehr Welten zu entdecken und erkunden bietet und für sich selbst viel mehr über die selbst-erschlossenen Settings erfahren hat, das einem das Improvisieren in diesem Setting nachher so leicht fällt, als hätte man das Setting selbst entwickelt.
Daher:
MEHR CONVERSIONS FÜR ALLE SAVAGES!An alle, die schon immer mal ein bestimmtes Setting bespielen wollten: Steht auf und schnappt Euch das SW-Regelwerk und konvertiert drauf los! Und laßt von Euren Taten hier oder anderswo was lesen!