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Savage Worlds Nachteile

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Zornhau:

--- Zitat von: Dirk Remmecke am 22.03.2009 | 17:03 ---Ein Vorwurf, den ich mal gehört habe, war, dass einen "aus einem Charakterbogen kein Charakter anblickt", die Figuren spielwertetechnisch sehr ähnlich aussehen.
--- Ende Zitat ---
Das trifft aber auf ALLE grobgranularen Regelsysteme zu.

Wenn ich einen OD&D Fighting Man oder Magic-User mit seinen 6 Attributen, seinem Level, seinen Hitpoints und seiner Ausrüstung auf dem Charakterbogen stehen habe, dann ist das ALLES, was mir das Regelsystem über den Charakter sagt. - Der Charakter entsteht durch den UMGANG DES SPIELERS mit den Spielwerten, durch das Konzept, die Vorstellung des Spielers von seinem Charakter und wie er diese IM AKTIVEN SPIEL vermittelt.

Das Finden des Charakterkonzepts ist bei Savage Worlds nach DAS WICHTIGSTE bei der Charaktererschaffung überhaupt. Das Charakterkonzept bestimmt die Ausprägungen, die "Farbe", die die Edges und Hindrances und Skills und Powers und sogar die Ausrüstung annehmen werden. - Der Charakter wird in Fragen der Regelmechanik auf einen grobgranularen, soliden Boden gestellt, auf dem sich das Spiel ohne Unsicherheiten oder Unterbrechungen flüssig bewegen kann.

Aber die "Tiefe" eines Charakter wird ALLEIN VOM SPIELER bestimmt.

Wenn ich einen Charakter habe, der mit einem anderen Charakter identische Spielwerte hat (was verdammt selten der Fall sein dürfte, da ja die wesentlichen individualisierenden Eigenschaften eben NICHT Attribute und Skills, sondern Hindrances und - vor allem - Edges sind, welche eine heftigen Einfluß darstellende, aber karge Ressource sind), dann sehen zwei Charaktere trotzdem grundverschieden aus.

DL:R-Beispiel:

Charakter mit Agi d8, Sma d6, Str d6, Spi d6, Vig d6; Toughness 5, Parry 5, Charisma -3, Pace 6
Skills: Shooting d8, Fighting d6, Riding d6, Notice d6, Taunt d6, Intimidation d4, Gambling d4, Stealth d4, Tracking d4
Hindrances: Code of Honor, Mean, Habit (minor)
Edges: Quick, Quick Draw

Charakter A: Ein "Naturbursche", der sich als Viehtreiber durch den Westen treiben läßt. Er hat einen Hang zu derben "Scherzen", die oft von der brutalen Seite geprägt sind (Mean, Taunt). Er hat einen Hang sich bei Faustkämpfen zu "entspannen", weshalb er ständig Reibereien und Rangeleien mit seinen Begleitern anfängt. Er braucht das Schlägern einfach, ohne eine anständige Schlägerei ist er besonders unleidig (Habit (minor)). Als Naturbursche hat er oft draußen in der Prärie Klapperschlangen gefangen, die er als "Scherz" anderen Leuten in die Schlafstelle gelegt hat. Dabei hat er eine außerordentliche Reaktionsschnelligkeit erlangt (Quick). Nachdem oft seine Schlägereien zu Messerstechereien oder gar Schießereien eskalieren, hat er den schnellen und ansatzlosen Griff zur Waffe geübt. So ist er immer dann mit einer Waffe zur Stelle, wenn eine "freundliche" Schlägerei ernst wird (Quick Draw). Er würde jedoch NIE die Hand gegen eine Frau erheben. Seine Mama hatte ihm das von klein auf so beigebracht. Andere Jungs darf er verkloppen, aber Frauen niemals. Daran hält er sich noch immer (und schreibt seine Mama auch jeden Monat einen Brief) (Code of Honor).

Typische Common Knowledge Felder: Viehtrieb, die diversen Gegenden der großen Trails, Wetter in den Ebenen, Critters in der Wildnis, Beleidigungen/Schimpfworte in nahezu allen Sprachen, die irgendwer im Weird West sprechen mag.

Charakter B: Ein zivilisierte Gentleman aus dem Osten. Das ist sein Auftreten auf den ersten Blick. Aber er ist verbal schnell dabei seine Mitmenschen mit wohlüberlegten Gemeinheiten zu provozieren und zu beleidigen (Taunt, Mean). Er hängt oft und gerne in Saloons, Gambling Halls, Dance Halls herum, da er sich dort sehr gut aufspielen kann. In der Öffentlichkeit würde er nie (außer verbal) die Grenzen des "Gentleman-like Behaviours" verletzen und somit steht er auch (nach außen hin) zu seinem Wort (Code of Honor). Nimmt er jedoch eines der Saloon-Gals mit aufs Zimmer, was er mit schöner Regelmäßigkeit tut, so zeigt sich ein anderer Charakterzug: Er schlägt gerne Frauen. Er traut sich nicht so recht Männer zu schlagen, daher geht er sie als "Gentleman" nur verbal an, jedoch die Frauen, die er sich kauft, erleben einen prügelnden Bastard, der sich nur so an ihnen Befriedigung verschaffen kann (Habit (minor)). Das spricht sich natürlich rum, so daß er von Stadt zu Stadt reist, wenn es kein Saloon-Gal, keine noch so billige Hure der "Himmlischen" mehr gibt, die mit ihm noch allein in einem Zimmer sein wollte. Kein Law Man würde jemals einen wohlsituierten Gentleman in den Knast verfrachten, bloß weil eine billige Hure sich beklagt, daß dieser sie verprügelt hätte. Jedoch ist es manchmal besser rechtzeitig abzureisen, und der Westen ist weit. - Er ist ein halbwegs ehrlicher Kartenspieler, der aber schon weiß, wie es ist, wenn ein "freundliches Kartenspiel" zu einer Schießerei eskaliert. Daher hat er stets gleich mehrer Derringer unauffällig in seinen Kleidern plaziert und kann sie in einem Wimpernschlag einsetzen (Quickdraw). Da er körperliche Auseinandersetzungen mit überlegenen Gegnern scheut, ist er ständig auf der Hut (unter anderem von Brüdern oder Freunden der Huren, die er so mißhandelt hat), was ihm eine gewisse Grundnervosität verleiht, ihn oft aber den entscheidenden Moment schneller agieren läßt, so daß ihm eine Flucht oder ein Hechten in Deckung gelingt, bevor Blei fliegt (Quick).

Typische Common Knowledge Felder: Benimm, Etikette, Politik, Einflußreich Familien im Osten wie im Westen, Rechtslage bezüglich Mißhandlungen in den jeweiligen Regionen, in denen er aktiv ist.


Ein Charakter ist IN KEINEM EINZIGEN Rollenspiel, das ich kenne, wirklich NUR DAS, was auf dem Charakterbogen steht.

Wenn man meint, daß einen aus dem Charakterbogen kein Charakter "anschaut", dann liegt das meiner Erfahrung mit entsprechenden Spielern daran, daß sie keinen Charakter HINEINSCHAUEN können!

Beispiel: Ich verwende oft vorgenerierte Charaktere für Con-Runden. Da stehen meist die "nackten" Spielwert auf dem Bogen und eventuell noch ein Grund, weshalb dieser Charakter gerade dort ist, wo das Szenario startet. - ALLES ANDERE, also das EIGENTLICHE ROLLENSPIELRELEVANTE, das legt der jeweilige Spieler SELBST hinein.

Bei manchen Con-Szenarien, die ich mit immer denselben Charakteren schon im zweistelligen an Häufigkeit geleitet habe, kann ich aus dem Überblick sagen, daß dieselben Spielwerte-Ansammlungen NIE, wirklich NIEMALS einen identischen Charakter ergeben haben.

Der Charakterbogen ist nur ein Spiegel mit einem Spielwerte-Filter. Aber der Charakter, der sich darin widerspiegelt, das ist der Charakter, den der SPIELER diesen Werten gibt.

Ob das ein Risus-Charakter aus einer Handvoll Klischees ist, oder ob das ein BRP-Charakter mit Unmengen von Prozentwerten in Fertigkeiten ist, oder ob das ein OD&D-Charakter ist, dessen vollständige Spielwerte auf einer knappen Zeile eines Zettels Platz finden, oder ob es eben ein Savage-Worlds-Charakter ist: Die Spielwerte sind immer nur ein TEIL (und zwar der hart verregelte) des Gesamtbildes eines Charakters.

Enpeze:

--- Zitat von: Prisma am 22.03.2009 | 16:16 ---

Ich habe als zahlender Kunde jedes Recht zu klagen, wenn der Hersteller seine Designschwächen, mit kuriösen „Durch die Brust ins Auge”-Regeln einigermaßen zu flicken versucht. Dabei ist es mir gleichgültig ob Du der Meinung bist, dass ich keine Kenntnisse im Systemdesign habe. Mir ist es auch schlicht egal, ob Du der Meinung bist, selbst welche zu haben.

--- Ende Zitat ---

Du hast als zahlender Kunde das Recht zu klagen, das stimmt. Andererseits bist Du selber schuld wenn Du nicht vorher die Testdriveversion ausprobiert hast sondern gleich gekauft hast. In diesem Sinne nerv nicht mit so einem niveaulosen Argument.
Was Deine Kritik an SW angeht, so kann man hier nur mit der Schulter zucken. Wenn Du glaubst daß gutes Rollenspiel nur über ein 500 seitiges "feingranuliertes" System bei dem Tabellen für Mamas Schuhgröße auch dabei sind, möglich ist, dann spiel halt das. Sind eben unterschiedliche Schulen des Rollenspiels. Ich hab in den letzten 26 Jahren (ja-ich habe bereits rollenspiele geleitet, da sind viele Poster hier noch in Gottes Wurstteich geschwommen) beides probiert und bin bei SW hängengeblieben, weil ich erkannt habe, daß letztendlich weniger mehr ist.

Funktionalist:
Edngültige Wahrheit^tm.
;D

Meine 2Cents:
Habe SW noch nicht gespielt, aber in letzter Zeit mehr Spaß mit groben Systemen gehabt...irgendwie lenken die Regeln dann nicht so stark ab.
Sers,
Alex

alexandro:
Persönliche Kritikpunkte an SW:

1. Schwierig zu "modden": Es ist nicht klar ersichtlich, wie stark bestimmte Edge-Effekte in Vergleich zu anderen und welche Requirements dafür angemessen sind (selbst die Richtlinie für ProfessionaL-Edges hat PegInc in der hintersten Ecke eines SharkBytes vergraben). Das führt dazu, dass viele Coversions (besonders bei Settings, welche stark von dem "typischen" Savage-Setting abweichen) die Balance nicht hinkriegen und eher "nach Gefühl" nachjustiert werden. Ich würde mir eine (zumindest grobe) Richtlinie wünschen, was ungefähr angemessen ist und was ich mit Edges alles machen kann. Genauso eine ähnliche "Anleitung" für Powers, was Wirkungsdauer, Reichweite, Permanenz etc. angeht (ich hoffe da noch auf den Superpowers-Companion).

2. Eindimensionale Settings: Ich mag Settings, in denen ich verschiedene Rollen übernehmen und diese unterschiedlich auslegen kann.
In Fading Suns kann ich einen Avesti als Kreuzritter spielen, der gegen die (zahlreichen und sehr realen) Gefahren im Universum kämpft, weil er die Menscheit beschützen will. Ich kann auch einen Avesti-NSC vorkommen lassen, der seine Gemeinde mit blinden Hass aufstachelt, Technologie auch dann verdammt, wenn sie Leben rettet und seine Fanatiker Alien-Ghettos anzünden lässt.
Bei Vampire kann ich einen Brujah spielen und argumentieren, dass die Ventrue ein Club von Faschisten sind, die nichts auf die Reihe kriegen, weil ihre internen Entscheidungsprozesse zu ineffizient sind. Und ich kann einen Ventrue spielen, der mit der gleichen Überzeugung die Brujah als gefährlichen Störfaktor ansieht, die sorgsam geschmiedete Pläne durch mangelnde Überlegung zunichte machen und damit dem Feind die Blöße bieten.
Im Idealfall brauche ich in solchen Settings nicht mal ein "Monsterhandbuch", weil die spielbaren Archetypen bereits - richtig eingesetzt - wunderbar als Antagonisten für die Spielergruppe taugen.
Ein vergleichbares Setting fehlt mir bei Savage Worlds.

Prisma:

--- Zitat von: Boba Fett am 22.03.2009 | 16:34 ---Auch Cyberpunk 2020 ist nicht schneller. Insbesondere, wenn Du die Regelungen mit "welche Fertigkeiten wurden angewendet" nehmen willst, kommst Du gar nicht weiter, ohne Dir Hausregeln zu stricken.

--- Ende Zitat ---
Wozu soll man die Regel brauchen, wenn man erfahrene Startcharaktere bauen will?


--- Zitat ---Gegenfrage: Was hast Du denn erwartet?

--- Ende Zitat ---
Wegen dem Hype: Ein konsequentes System.



--- Zitat ---Es tut mir leid, aber das kann ich nicht ernstnehmen...
Du hast hier eine Liste von Kritikpunkten angebracht, die sogar von den Leuten, die SW nicht unkritisch sehen, als unzutreffend entwertet wurden und gleich angefangen, die "Szene" an sich zu kritisieren und dabei auch gleich einzelne persönlich angeführt.
Schlammschlacht eröffnet... Jetzt beschwerst Du Dich, dass Du selbst was abbekommst? Das ist doch albern.
Wer austeilt, muss auch einstecken können...
--- Ende Zitat ---

Auch wenn ich besagten Absatz weggelassen hätte, wäre ich als „Nichtswisser”, u.ä. bezeichnet worden. „Austeilen” scheint offensichtlich schon vorzuliegen, wenn man anmerkt , SW nicht (mehr) zu mögen und das - und die Gründe dafür - in einem Forum postet. Meine Meinung zur Fan-Basis ist nur eine Steigerung. Ich wollte die Gründe dennoch vollständig wiedergeben, da ich wie bereits angemerkt, Leute kenne die genau so denken. Und das heißt, es gibt vielleicht noch mehr davon.
„Einstecken müssen”, hätte ich mit meiner Ansicht „Ich mag SW nicht und sage es - und auch warum” so oder so.

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