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Transhuman Space

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DeadOperator:
Also vielleicht mal meine 2ct dazu. Die meisten THS-Bücher bieten erstklassige Anregungen für Hard-SF. Toxic-Mems,5th Wave, High Frontier, In the Well und Broken Dreams kann ich uneingeschränkt empfehlen.

ABER: Es kommt darauf an, was Du mit "spieltischtauglich" meinst. Die THS-Bücher sind relativ arm an Konflikten. Für größere Kampagnen bieten die Bücher allgemein relativ wenig Vorlagen. Sie beschreiben ein Setting und was Du damit machst, das bleibt Dir überlassen. "By the Book" kann THS sogar schnell langweilig werden.

Die Regeln spielen eigentlich gar keine Rolle. Ich habe nie GURPS gespielt und konnte die Bücher prima für meine Kampagne gebrauchen. Daher würde ich auf jeden Fall auch das Basis-Buch empfehlen.

Ein Gedanke noch: Du hast was von Cyberpunk geschrieben. In THS sind KIs und Virtuelle Realität eher alltagstauglich, wenig abenteuerlich. Ich finde, da wirst Du schon Hand an das Setting legen müssen ;D.

Tar-Calibôr:

--- Zitat von: Dead Operator ---Ein Gedanke noch: Du hast was von Cyberpunk geschrieben. In THS sind KIs und Virtuelle Realität eher alltagstauglich, wenig abenteuerlich. Ich finde, da wirst Du schon Hand an das Setting legen müssen
--- Ende Zitat ---

Das mit dem "Cyberpunk" seh' ich nicht so eng, zumindest nicht im Sinne von "Old School"-Cyberpunk – "klassischer 80er-Jahre-Cyberspace" im C64-Look ist nichts, worauf ich unbedingt bestehe ;) Ich hab eher vor, einen gewissen Fokus auf die "zwielichtigen" (oder besser: ambivalenten) Seiten des Transhuman Space-Settings zu legen – und gerade Broken Dreams scheint dafür ja einige Möglichkeiten zu bieten.

Transhuman Space scheint für ein "Post-Cyberpunk"-Spiel ja ganz gut geeignet zu sein: Die Welt ist "besser" geworden – die Möglichkeiten größer, die Technik besser, die potentiellen Freiheiten fast grenzenlos (der Thread Transhuman Space - A Setting Defined By Its Freedoms im RPG.net-Forum klingt sehr vielversprechend). Aber eben nicht für alle – während die eine Hälfte der Gesellschaft die Zukunft in allen Zügen genießt, sind andere davon ausgeschlossen.

Und keine neue Technologie, die nicht auch missbraucht wird, so nützlich sie auch erscheinen mag, so sehr sie das leben auch oft erleichtern mag. Gentechnik, Nanotechnologie, Memetik etc. – man muss nicht sonderlich weit denken, um auf Anwendungsmöglichkeiten zu kommen, die den feuchten Träumen leidenschaftlicher Dystopisten entspringen könnten.

Man sehe sich heute nur Google, Facebook & Co. an: Sie machen das Leben in mancher Hinsicht einfacher, eröffnen neue Möglichkeiten – aber wenn man ein wenig tiefer gräbt, stößt man auf diverse Risiken und Ungereimtheiten. Die fortschrittliche Welt von Transhuman Space läd geradezu dazu ein, dass aufzugreifen. Gerade da im Setting der Streit um Urheberrechte und Produktpiraterie eine große politische Rolle zu spielen scheint, so weit ich das bislang mitbekommen habe, lassen sich aktuelle Themen à la ACTA, PIPA, SOPA und IPRED wohl wunderbar aufgreifen.

Ich finde Near SF ganz interessant, um aktuelle gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Konfliktzonen in der Zukunft weiterzudenken und spielerisch zu behandeln – "was wäre, wenn XY wirklich..." Und wenn am Ende ein Moment der Erkenntnis steht à la "Hey, das Problem kenn ich doch von irgendwo..." wär's sehr cool – die Zeiten ändern sich, aber Mensch bleibt Mensch.

Und gerade hier stößt das transhumanistische Motiv des THS-Settings dazu: Der Mensch nimmt seine Evolution in die eigene Hand – aber kann die "Trans-Menschheit" dadurch ihre menschlich-allzumenschlichen Probleme überwinden? Und was bedeutet es für die Menschheit, wenn Menschen andere Menschen bis hinab auf's Genom und ins Gehirn verändern, über sie bestimmen können? Wenn Menschen nicht mehr bloß die Kinder ihrer Eltern sind, sondern Geschöpfe ihrer wissenschaftlichen "genetischen Götter" – wenn die Eltern-Kind-Beziehung von einer Geschöpf-Schöpfer-Beziehung ergänzt wird? Was bedeutet es, wenn Menschen "nach ihrem Ebenbild" Androiden, künstliche Intelligenzen o. Ä. entwerfen – anerkennt der "Schöpfer" seine gleichwertigen (oder vielleicht sogar ihm überlegenen) Geschöpfe als ebenbürtige Gegenüber? Der "Transmensch" und seine androidischen Gefährten als Frankensteins Monster des Jahres 2100, gewissermaßen – "I want me more life, father!"

Es soll definitiv kein "Grim Dark, Eternal Night, Everyone's Corrupt, You're All Scummers" sein, sondern eher eine dialektische Perspektive auf eine vielschichtige Welt, wo "Hell" und "Dunkel" zwei Seiten ein und derselben "The Future Is Now"-Medaille sind, mit den Spielern mitten drin. Gewissermaßen "Jürgen Habermas & Günter Anders vs. Nick Bostrom", im Jahr 2100.

Tar-Calibôr:
Ach ja, ein weiterer Punkt der mich interessieren würde:

Für wie "aktuell" haltet ihr das THS-Setting? Der Grundband ist 2001 erschienen – seitdem sind nun 11 Jahre vergangen.

Das ist nicht wenig Zeit für ein Science-Fiction-Setting, das ausgehend von der Gegenwart eine hundertjährige Prognose anstellen will.

Seit den frühen 2000er-Jahren hat sich so einiges getan: Politisch, gesellschaftlich, technologisch, "informatisch" – einige Dinge haben sich entwickelt wie erwartet, andere nicht: sei es viel schneller oder viel langsamer.

Sind die "Grundannahmen", von den THS in seiner "Zukunftsprognose" ausgeht, immer noch plausibel? Wenn nein: Wo hakt es?

Die Frage wurde im SJGames-Forum unter dem Titel http://forums.sjgames.com/showthread.php?t=59242&highlight=transhuman+space bereits aufgeworfen – doch auch dieser Thread ist nun bereits über über zwei Jahre alt.

Am "klassischen" Cyberpunk, dessen Prämissen ja den 80ern entstammen, treten diese "gewandelten Erwartungen" an die nahe Zukunft – und damit auch "Near SF" – ganz deutlich hervor: Ich hab neuerlich schmunzeln müssen, als ich im Vorspann von Blade Runner wieder mal "Los Angeles, 2017" gelesen hab. Nicht, dass das Genre dadurch an "Coolness" verlieren würde – aber es verliert an Plausibilität: "Old School"-Cyberpunk-Settings sind nicht mehr in Einklang mit unseren Zukunftserwartungen. Beim deutlich jüngeren THS-Setting ist das bestimmt weit weniger drastisch – aber ich vermute mal, dass sich durch die Entwicklungen der letzten 10 Jahre doch die eine oder andere "Dissonanz" ergeben haben könnte.

Vanis:
Was zum Beispiel den Konflikt rund um Urheberrechte angeht, ist THS gerade sogar aktueller als noch vor 10 Jahren  ;).

THS geht davon aus, dass die Realität mit dem Netz nach und nach verschmilzt, dass virtuelle Realitäten genauso genutzt werden wie die Wirklichkeit, dass Genfixing standard wird... All das ist aktueller denn je. Wenn ich mir da Shadowrun von vor 15-20 Jahren anschaue: Die Matrix wird bewundert und bestaunt, nur die Freaks können mit ihr umgehen. Da durchdringt das Netz heute schon mehr den Alltag als bei SR im Jahr 2050.

Was ich bei THS noch nicht so sehe, ist die Entvölkerung der Städte. Durch virtuelle Realitäten brauche ich nicht mehr in einer Großstadt leben, um dort zu arbeiten. Die Menschen ziehen aufs Land.

Der ganze Themenkomplex Raumfahrt ist natürlich auch aus heutiger Sicht noch total überzogen. Ich hab mich dazu mal mit einem ESA-Wissenschaftler unterhalten. Da gehen die Zukunftsprognosen, jemanden irgendwann mal auf den Mars zu schicken, in Richtung "in vielen Jahrzehnten vielleicht irgendwann mal". Am ehesten werden weitere unbemannte Sonden auf den Mond oder eben den Mars geschickt.

Der gesamten Komplex "erneuerbare Energie" wird bei THS ziemlich ausgeblendet. Da ist das Setting sehr technikbegeistert und geht davon aus, dass Helium-3 und Fusionsreaktoren als Nachfolger der Atomkraft den heilgen Gral darstellt. Für das Setting passt's, nur unwahrscheinlich aus heutiger Sicht. Es ist eben immer noch billiger, die letzten Ölreserven abzubauen und erneuerbare Energien auszubauen, als H3 vom Mond abzubauen.

Woodman:

--- Zitat ---Der gesamten Komplex "erneuerbare Energie" wird bei THS ziemlich ausgeblendet. Da ist das Setting sehr technikbegeistert und geht davon aus, dass Helium-3 und Fusionsreaktoren als Nachfolger der Atomkraft den heilgen Gral darstellt. Für das Setting passt's, nur unwahrscheinlich aus heutiger Sicht. Es ist eben immer noch billiger, die letzten Ölreserven abzubauen und erneuerbare Energien auszubauen, als H3 vom Mond abzubauen.
--- Ende Zitat ---

Da hat man ja das Problem das der funktionsfähige Fusionsreaktor konstant in ca. 40 Jahren von aktuellen Jahr an gesehen verfügbar sein soll, die Angabe hält sich so aber schon über 10 Jahre. Auf dem Feld tut sich zwar dauernd was und es werden erkennbare Fortschritte erzielt, nur der praktischen Anwendung scheint die Technik dabei kaum näher zu kommen.
Das interessanteste Projekt ITER soll beispielsweise erst 2020 in Betrieb genommen werden und ein mögliches wirtschaftlich arbeitendes Folgeprojekt soll 2050 fertig werden (was in knapp 40 Jahren ist ;) )
Das ist einer der Punkte wo eine recht optimistische aber aus damaliger Sicht nicht gänzlich unrealistische Prognose angenommen wurde, aus heutiger Sicht würden wohl die erneuerbaren Energien einen deutlich höheren Stellenwert bekommen.

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