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[SW] Settingspezifische Regeln zu verbalen Konflikten und Intrigenspiel
Rabe:
Charisma ist natürlich in einem Setting mit zentraler sozialer Interaktion kein vermeidbarer „Dump-Stat“ mehr. Die Geringschätzung, die im Grundsystem deutlich wird, führt in einem anderen Setting natürlich zu einer Neubewertung. Wahrscheinlich müsste man den Charismawert in der Wirkung im Wortgefecht halbieren oder in Stufen einteilen.
Ich denke, es sind neben den Charisma beeinflussenden Handikaps und Talenten, nur noch wenige dem Setting Farbe gebende Zusätze nötig. Schließlich sind ja auch die Kampftalente schon einmal zwischen Nah- und Fernkampf aufgeteilt und einige der Talente, zB Initiative beeinflussende, bleiben in ihren Auswirkungen bestehen. Andere können durch allgemein zugängliche Maneuver abgebildet werden.
Ich schätze ein charismatischer und gut aussehender, aristokratischer 'Ladykiller', ist durch 4 bis 5 Talente, die ihm Charisma geben ebenso hervorragend individualisiert wie ein Kämpfer der seine Lieblingswaffe hat. Auch das Alleinstellungsmerkmal der Ausrüstung ist gegeben: ob jemand Schmuck oder polierte Waffen, oder sogar das Gegenteil, eine besonders barbarische Aufmachung trägt, macht einen Unterschied. Mit einem Studium der Redekunst kann man seine Waffen besser schmieden und mit Beredsamkeit (Persuasion) oder sogar Heilen – den Therapeuten ernst genommen - kann man moralische Wunden heilen – man muss nur alternative Anwendungen von Fertigkeiten akzeptieren. Aber 'Schießen' bedeutet ja auch in einem Mittelalterlichen Setting etwas anderes, als wenn ich einen Bordschützen der Interstellaren Armada spiele.
Eine 'Kampfrunde' würde einem Wortwechsel, also einem Zeitraum von etwa einer Minute entsprechen. Tatsächlichen Dialog könnte man sogar einfließen lassen, oder umgekehrt, die Darstellung des Dialogs wie in anderen Kampfgeschehen üblich, eher den Ergebnissen folgen lassen.
Diese Regeln sind für rasche 'Wortgefechte' gedacht und nicht für langwierige Meinungsschlachten.
Dazu eignet sich bereits das Massenkampfsystem ohne große Änderungen, wie in der Gentlemans Ed. vorgeschlagen.
Wunden, die ein solches Wortgefecht geschlagen hat sind wahrscheinlich eher kurzfristig, auch das ist vom Setting abhängig, so wie bei Fleischwunden: steht ein Bactatank, Nanitenheilpaste oder ein Heilzauber zur Verfügung ist die Heilphase ja auch mitunter sehr kurz.
Nachtrag:
Geheimnisse zu finden die sich als Waffe einsetzen lassen ist mit "The Call" erfasst.
Mir war es wichtig, das man Rededuelle jederzeit, dh. auch ohne eigens geschmiedete 'Waffen', beginnen konnte.
Zornhau:
Hier ein paar Links auf vorangegangene Diskussionen zum selben Thema:
Social conflict
Social Conflict, how do you work it?
Social Status
is there anything Savage Words can't handle?
Nicht zu vergessen: Savage Westeros (von DerFinsterling; enthält Settingregeln für Gerichtsverhandlungen per Massenkampfsystem)
Nebenbei: Winterweir bietet ein ganz anderes System, in welchem eine Honor-Eigenschaft (für Adelige) bzw. eine Integrity-Eigenschaft (für Gemeine) verwaltet wird. Durch Aktionen im Spiel, durch bewußtes Herausstreichen ehrenhafter oder durch Hervorheben unehrenhafter Verhaltensweisen fluktuiert diese deutlich. Dabei stellen die Honor/Integrity-Punkte sozusagen die "Sozialen-Trefferpunkte" dar, die durch entsprechendes Verhalten auch wieder "geheilt" werden können. - Das System krempelt nicht den Regelkern von Savage Worlds um, und funktioniert sehr ähnlich dem Fame-System bei PotSM.
Ich sehe ja das Grundproblem im Ansatz einfach das Kampfsystem als Blaupause für soziale Konflikte zu nehmen darin, daß das Kampfsystem in SW KEIN KONFLIKT-AUFLÖSUNGS-SYSTEM ist, sondern ein HANDLUNGS-SYSTEM.
Einfache Übertragungen von physischem Kampf in soziale Konflikte laufen am besten bei reinen Konfliktauflösungssystemem (wie z.B. HeroQuest).
In SW wird aber nicht das System direkt zur Auflösung des Konflikts herangezogen, sondern nur zur Abwicklung von Handlungen, die in ihren Auswirkungen dann durchaus einen Konflikt auflösen können.
Das aber übertragen auf soziale Konflikte, wo eine halbstündige Rede von einem indignierten Räuspern der richtigen, einflußreichen Person komplett entwertet werden können sollte, führt zu reinen ZERRBILDERN von sozialen Konflikten.
Die Rollenspiele, welche soziale Konflikte in den Mittelpunkt stellen oder zumindest ein stärkeres Augenmerk darauf legen, sind regeltechnisch weit "unkonventioneller" als die normalen Handlungs-Abwicklungssysteme, zu denen auch SW gehört. (Reign, DitV, HotB, Dying Earth, usw. - alle nicht so "normal" wie SW vom Regeltechnischen her.)
Zudem: Wenn man wirklich für JEDEN SATZ den man einem Gegenüber sagen möchte, einen HANDLUNGSWURF mit "Schaden" gegen dessen seelische Robustheit machen muß, dann sehe ich hier ein extrem "herbeigewürfeltes" Rollenspielen.
Bei dem Ansatz von Winterweir ist NICHT ein Würfelwurf für die Änderung der Honor/Integrity-Eigenschaft ausschlaggebend. Man kann ohne Wurf, allein durch sein Verhalten diese ändern. Und man kann ohne Wurf, allein durch sein Verhalten die von einem anderen Charakter ANGREIFEN.
Ein unwidersprochenes (weil z.B. nicht einmal mitbekommenes) Schlechtreden über jemanden, kostet diesen gleich etwas seiner Honor/Integrity. Dagegen vorzugehen gibt es Mittel mit oder ohne Fertigkeitseinsatz.
Mir stellt sich noch nicht der VORTEIL einer wie das Kampfsystem feiner detaillierten Behandlung sozialer Auseinandersetzungen dar. - Wozu jemandem mittels eines "Angriffs" ein Taunt/Provozieren vor versammelter Adelsschaft entgegenschleudern, wenn die Konsequenzen so viel VIELFÄLTIGER aussehen können, als beim Kampfsystem (in die Fresse und Aua oder nicht). Dazu müßte - unter Beibehaltung der Detail-Ebene - das feingranulare (Kampfrunden!) Kampfsystem für Soziales viel mehr unterschiedliche Resultate berücksichtigen.
Der ERGEBNISRAUM ist weitaus größer als beim körperlichen Kampf.
Und das, was für den Sozialkampf in die Waagschale geworfen wird, kann viel unterschiedlicher sein.
Will man durch die Provokation den anderen als Schwächling da stehen lassen?
Will man nur sehen, ob und WER ihm Unterstützung zukommen läßt?
Will man sich selbst als mutigen Machtfaktor präsentieren?
Will man nur seinen Rachegelüsten nachgeben und jeder im Saal hätte die Provokation erwartet - dafür nimmt man sie auch nicht so ernst?
usw.
Und wenn man provoziert wurde, will man den Provokateur öffentlich zurechtweisen? Welche Verbündeten hat dieser? Kann man das? Darf man das? Soll man das?
Steckt man die Provokation mit Humor weg und wiegelt ab?
Tut man so, als hätte man die Provokation nicht einmal vernommen? Und läßt man danach den Provokateur von einer "Durchgehenden Kutsche" überfahren?
Fordert man den Provokateur gleich richtig zum Duell auf Leben und Tod?
Wo ich bei solchen regelmechanisch umfangreichen und in die freie Charaktersteuerung des SPIELERS eingreifenden Regeln noch ein Problem sehe ist in der FREIWILLIGKEIT. - Harte Regeln, harte Resultate = KAUM SPIELRAUM.
Beim Kampf um Leben und Tod wird das gemeinhin akzeptiert. Eine Wunde oder fünf. Überleben oder sterben. Arm ab oder Auge raus. - Das sind harte Konsequenzen, die Spieler in Kampfszenen hinnehmen bzw. mittels Bennies und Soak-Regeln vermeiden oder abmildern können.
Aber bei sozialen Konsequenzen müßten dann noch viel stärker die WEICHEN NACHTEILE wie Arrogant, Feige, Vorsichtig, Blutrünstig, usw. zum Tragen kommen. - Nicht nur über Charisma-Modifikatoren wie bei Blutrünstig, sondern wirklich im VERHALTEN in den Konsequenzen.
Der Blutrünstige läßt den Provokateur entführen, foltert ihn ein paar Stunden oder Tage und tötet ihn dann.
Der Rachsüchtige läßt dem Provokateur seine Wirtschaftsbasis veröden - und koste es auch noch so viel.
Der Feige läßt den Provokateur gewähren und gilt als Schwächling.
Der Arrogante fordert nicht den Provokateur, sondern dessen Hausvorstand zum Duell, denn mit Unterlingen gibt er sich nicht ab.
All diese Beispiele würden BENNIES EINBRINGEN, weil sie AUSGESPIELTE Nachteile sind.
Wo ist die Möglichkeit im Sozialkampf sich Bennies nach dem freien Willen und der freien Entscheidung des Spielers zu ERSPIELEN?
Ich sehe hier weniger Freiheit im eigentlichen Spielen der ROLLE, als ich mir für meine Charaktere wünschen würde.
Boba Fett:
@Zornhau:
Die gleichen (berechtigten) Vorbehalte, die Du beim verbalen Schlagabtausch hast, gelten aber doch auch für den Nahkampf.
Auch da wird ein Vorgang der sehr vielfältige Konsequenzen und Ausgänge haben kann auf eine simple und grob detaillierte Mechanik gestutzt, um es handhabbar zu gestalten.
Auch beim Kampf kann man sich fragen, warum sich das Resultat auf "eins auf die Fresse oder nicht" beschränkt und nicht ganz andere Resultate möglich sind - die Antwortet lautet einfach: Weil es so das beste Verhältnis zwischen Komplexität und Plausibilität darstellt und damit "am besten spielbar" ist.
Rollenspieler mit anderen Prämissen werden sich andere Systeme mit einem anderen K/P Verhältnis suchen.
Kurz gesagt: Das von mir angepeilte System für verbale Konflikte ist das, von dem ich mir das beste K/P Verhältnis verspreche.
"ich" bedeutet, dass es für Spieler mit anderen Prämissen nicht das beste sein wird.
Generell muss ein verbaler Konflikt auch nicht so gestaffelt sein, dass jeder Angriff gleich den Status um 1 senken kann,
sondern um es langfristiger zu gestalten, kann man ja auch sagen, dass jeder Kampf um die Statussenkung von 1 geht.
Dann bedarf es eben mehrer Gefechte, um eine Person vollständig zu diskreditieren.
Innerhalb des Kampfes kann man dann die Fassung einer Person reduzieren, und wer mehr als dreimal die Fassung (adäquat zu Wunden) verliert, hat den Kampf verloren und verliert damit dauerhaften Status.
Parallel dazu könnte man sich auch ausdenken, wie jemand anderweitig Status verlieren kann (wirtschaftliche Schädigung) oder eben auch, wie man an Status gewinnen kann.
Für das Gefecht an sich fällt mir auch noch "bluffen" als Option ein - also eine falsche Unterstellung, die aber für den Moment die Fassung des Gegners belasten kann. Geht das fehl, wird der Bluff entlarvt und man selbst riskiert den Verlust, weil man als Lügner darsteht.
MarCazm:
--- Zitat von: Boba Fett am 5.05.2009 | 16:42 ---Generell muss ein verbaler Konflikt auch nicht so gestaffelt sein, dass jeder Angriff gleich den Status um 1 senken kann,
sondern um es langfristiger zu gestalten, kann man ja auch sagen, dass jeder Kampf um die Statussenkung von 1 geht.
Dann bedarf es eben mehrer Gefechte, um eine Person vollständig zu diskreditieren.
Innerhalb des Kampfes kann man dann die Fassung einer Person reduzieren, und wer mehr als dreimal die Fassung (adäquat zu Wunden) verliert, hat den Kampf verloren und verliert damit dauerhaften Status.
--- Ende Zitat ---
Oder halt noch ne angassten Injury Table mit permanent Status Loss also komplett auf nichts mehr da vom Status als schlimmste Konsequenz.
Rabe:
Auch unter Verwendung von SW handelt man nicht blindwütig, sondern mit einem Ziel meist ist es ein Konflikt den man lösen will, und das bedeutet, das man es eben doch als Konfliktlösungssystem betrachten kann.
Zudem handelt man auch im 'Wortgefecht', halt mit Worten, Gesten und Verstand, statt Muskel, Waffe oder Geschick. Dieses System tauscht ganz einfach die Waffen und erweitert damit die Rollen, bzw. beleuchtet eine weitere Facette des Settings.
Ein Ehrensystem ist etwas anderes. Bei meinem Vorschlag ging es darum einen Gegner moralisch zu treffen und zu verletzen. Wenn hinterrücks über jemand geredet wird, dann mag ihn das vielleicht betreffen, aber es wird ihn ohne den Druck der akuten Auseinandersetzung nicht ernsthaft schädigen.
Wortgefecht ist nicht gleich Soziale Auseinandersetzung. Dafür war der Ansatz unter 'Redicule' gedacht und handhabt größere Intrigen oder langwierige Meinungsgefechte mit dem Massenkampfsystem.
Die Handlungsoptionen auf lange Sicht werden durch ein solches Wortgefecht nicht genommen noch greift es in irgendeiner Weise in die Charaktersteuerung ein. Was beim Kampf auf Leben und Tod gemeinhin akzeptiert wird, gilt genauso für andere Konsequenzen aus dem Spiel. Und ebensowenig wie es akzeptabel ist wenn jemand einen Treffer schlicht ignoriert, ist es auch nicht akzeptabel wenn eine Bemerkung oder ein Argument sitzt und man ihm nichts entgegen zu setzen hat. Schließlich gibt es auch im Wortgefecht, Bennies und Regeln zum Wegstecken erlittener moralischer Schäden. Und ebenso wie im Kampf kann man sich durch Ausspielen von Handikaps Bennies erwerben. Es gibt da keinen Unterschied.
Sinn des ganzen 'Wortgefechtes' ist es mit Methoden, die dem Spieler bekannt sind Kämpfe auf eine andere Art auszutragen. Anwendung findet ein solches System in einem Setting von Intrigen unter den Professoren an einer Hochschule (zB. Illuminatisetting) oder dem Intrigenspiel am Hof des Sonnenkönigs , wo man nicht einfach einen Herzog vor aller Augen abstechen kann, jedenfalls nicht, ohne ihn zuvor herunter geputzt und demoralisiert zu haben.
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