Entschuldige, aber
Chris, das was zu zu den Detektivplots schreibst ist genau mein Reden. Diese Oberflächkichkeit befürchte ich auch, und auch Blutschrei scheint das zu bestätigen.
klingt sehr nach "Uuuuuh, jetzt sind wir schon zu dritt, also müssen wir doch recht haben!"...
Was ich wirklich nicht verstehe, ist dieses "So kann das doch nur oberflächlich werden!"-Denken. Ja, Herrgott, ich hab geskriptete Detektivabenteuer gespielt, die waren scheiße! Als ob Skript dazu führen würde, das man auf jeden Fall ein gutes plausibles Abenteuer haben würde... hätte ja demnach nicht passieren dürfen, gell? Hat es aber.
Was lernen wir daraus? Beides produziert Müll, leider. Nichts davon ist der Weg zu Heil, Ambrosia und Weltfrieden.
Zumindest meiner Meinung nach geht es nicht darum, Spielern 3 Milliarden Möglichkeiten zu bieten, wenn sie in ein Dorf kommen. Sondern... sagen wir, 5-10. Sachen, die spannend sind und nicht rein trivial, sowas kann man nämlich auch improvisieren (und schwupps, hat man schon 20 mögliche Abenteuer). Niemand verbietet dem SL, auffällige Plothooks auszulegen, und niemand verbietet den Spielern, an selbige anzubeißen. Immerhin sind sie ja auch da, um was zu erleben!
Daher fände ich es auch albern, zu behaupten, man würde nicht direkt Abenteuer implizieren - natürlich tut man das, sonst könnte ich auch vor dem Fernseher sitzen oder ein Buch lesen. Der Trick ist eben, dass man als SL nicht sagt "Hier ist das Abenteuer, das habt ihr jetzt zu nehmen!", sondern sagt "Schaut mal, hier sind Ausgangspunkte a bis f, was hätten Sie denn gern heut abend?".
Werden die Abenteueraufhänger bei einer freien Kampagne (oder einem freien Setting oder wie man das auch immer nennen will) vorwiegend als "Zufallsprodukt" der vorbereiteten Gesetzmäßigkeiten erzeugt oder entwickelt der SL Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten unter anderem auch im Hinblick auf mögliche Abenteueraufhänger?
Für mich erscheint es jedenfalls als die naheliegendste Arbeitsweise, sich bei den Vorbereitungen von der Frage leiten zu lassen: "Was kann interessante Abenteuer/Konflikte fürs Spiel ergeben?"
Ja, natürlich ist es sinnvoll, direkt an Konflikte und Abenteuer zu denken - ansonsten sollte man sich ernsthaft fragen, was man eigentlich mit der Vorbereitung erreichen will.
Gerade im Old-School gibt es zwar auch einige Anhänger der kompletten Zufälligkeit (sozusagen als Ansporn an den SL, aus auch wirklich allem zufällig Produzierten etwas Schmackhaftes zuzubereiten), das würde ich aber nicht als zwingende Komponente des "freien" bzw. nichtgeploteten Spiels bezeichnen.
Dass man sich auch am Tisch ausdenken kann, ob Bauer Piepenbrinks Kühe jetzt von einem verfeindeten Bauern, einer Räuberbande oder einem hungrigen Oger gemopst werden, dürfte wohl nicht das Problem darstellen; damit kann man auch einen Abend verbringen, die Spieler haben ein Erfolgserlebnis und der SL muss letztlich nicht viel machen. Dabei ist dann auch egal, ob er vorbereitet hat, dass Bauer Hinz Bauer Piepenbrink nicht leiden kann (weil der ihm seine Auserwählte Rosi ausgespannt hat), oder ob er das improvisiert, wenn er meint, dass das der Grund für die verschwundenen Kühe ist; Oger und Räuberbande könnten trotzdem involviert sein: z.B. lässt Hinz die Räuber Piepenbrinks Kühe rauben, doch die wollen ihn hintergehen und schaffen sie in den Wald, um sie selbst weiterzuverkaufen oder den Preis hochzutreiben, wo sie ihnen jedoch vom Oger weggemopst werden; jetzt haben die Räuber ein Problem, weil sie ja schon Geld von Hinz für die Kühe bekommen haben und bluffen müssen oder sich davon machen oder Hinz davon "überzeugen", dass er sich besser nicht weiter darum kümmern sollte...
Schwups, das passiert in 5 Minuten Klopause. Schnell doch die Werte aus dem Bestiarium oder einem vorbereiteten NSC-Heftchen (Standardräuberbande), schnell noch einen Namen für den Oger und den Hauptmann. Fertig ist der Spielabend.
(Nebenbemerkung: Mir persönlich macht das Verfahren jedoch andere Probleme: was passiert, wenn die Spieler auf das Angebot eingehen und den Mord aufklären wollen. Genau an diesem Punkt brauche ich als SL dann GUTE ANTWORTEN, um einen glaubwürdigen Verlauf des Geschehens im Spiel darstellen zu können, d.h. ich muss wissen, wer wann welche Spur gelegt hat, was für Beweise der Mörder zurückgelassen haben kann und wer wo und wie als Zeuge taugt. Und ich frage mich, was passiert, wenn die Spieler beispielsweise um 20 Uhr sagen: "okay, wir befragen mal XY und gucken in Z nach Spuren". Wird der Spielabend dann vertagt? Reichen 5 Minuten Klopause, um sich solche guten (nach meinen Ansprüchen wasserdichten und widerspruchsbereinigten) Antworten auszudenken? Bei mir eher nicht, vor allem nicht, wenn ich mehr als einen Ansatzpunkt präsentieren will, um Flaschenhälse zu vermeiden. Klar kann ich auch improvisieren, aber ein hinreichend komplexes Detektivszenario fällt mir nicht in den Schoß, es bleibt eigentlich immer etwas oberflächlich. Vielleicht bin ich da auch ein bisschen zu perfektionistisch. Aber das können wir gerne an einem anderen Ort erläutern.)
Dementsprechend wäre es dann auch sinnvoller, sich nicht auf konkrete Szenen einzuschießen, sondern Motive, Absichten und Pläne der Beteiligten sowie (wenn notwendig) Ausreden und Alibis (mit wieder dahinterstehenden Motiven, Absichten und Plänen) vorzubereiten sowie mehrere(!) Spuren, die sich möglichst frei abklopfen lassen. Klar kann das dazu führen, dass die Spieler den Mörder nach einer Stunde bereits haben. Aber dann ist das eben so.
Wie gesagt ist das nix, was man mal eben improvisieren soll (Ein mag das anders sehen), sondern das gehört durchaus zu den Hausaufgaben des SL. Er darf halt nur nicht erwarten, dass die Spieler es auch direkt einfordern.
Letztlich ist es aber auch wieder utopisch zu denken, Detektivabenteuer müssten zwingend nicht-trivial sein. Morde sind oft genug trivial, Diebstähle auch. Das Spannende entsteht ja erst dadurch, dass die Spieler sich das selbst zusammenreimen müssen.
Das ist der alte Irrglaube, improvisiertes Spiel bräuchte keine Vorbereitung. Das ist falsch!
Gerade improvisationslastiges Spiel braucht gute Vorbereitung.
Und wenn man die Vorbereitung nicht in feste Abläufe, sondern Zusammenhänge, NSCs und ihre Motive und Pläne steckt, dann kann man sich sogar daraus lustig weiter bedienen, ohne den Abend in die Tonne treten zu müssen, weil die Spieler den Mörder nicht finden oder keinen Bock auf Mördersuche haben.
Wichtig ist dann natürlich auch wieder, dass man Konsequenzen auch aus dem Nicht-Handeln der Spielercharaktere zieht. Vielleicht mordet der Mörder nicht weiter (wenn es ihm nur um eine bestimmte Sache ging, ist das ja nicht unwahrscheinlich), aber die Spielercharaktere könnten schief angesehen werden von anderen Beteiligten ("Jetzt haben wir schon Helden hier, und sie jagen lieber Kuhdiebe als Mörder!"). Aber auch so etwas kann man aus Vorbereitungen ziehen und dem Wissen, dass man als SL über den Schauplatz der Spielrunde haben sollte.