Rhythmische Zahlenspiele scheinen ein gewisses Interesse hervorzurufen...
Da erzähle ich doch gerade mal von einem einfachen und sehr, sehr alten Spielchen... der sogenannten "Hemiole".
Stellt euch einen Dreiertakt vor:
...oder auch zwei Dreiertakte:
Normalerweise wird in Dreiertakten die erste Zählzeit betont.
Das heißt, jeder dritte Schlag wird betont. Logisch - erst dadurch entsteht ja der Eindruck eines Dreiertaktes.
Bei der Hemiole wird nun aber für einen Moment lang bei einer Musik im Dreiertakt jeder zweite Schlag betont.
Dadurch entsteht wieder der Eindruck eines Dreiertaktes, aber in halb so schnellem Tempo.
Wenn eine Musik im Dreiertakt eine ganze Weile läuft und irgendwann taucht plötzlich eine Hemiole auf, hört sich das ganz interessant an. Der Hörer verliert nicht völlig das Taktgefühl, aber irgendetwas Unregelmäßiges geschieht. Für einen Moment reißt´s mich von den Füßen, aber - "Hoppla, da bin ich wieder, was war denn das gerade?" Hemiolen gibt es schon fast so lange, wie es ein Taktgefühl in der Musik gibt. Manche Komponisten (Brahms zum Beispiel) verwenden Hemiolen gern als eine Art Verlangsamung kurz vor einem Schluss... oder auch nur vor einem vorläufigen Schluss - als interessantes Gliederungsmittel. Das folgende Beispiel enthält in der oberen Zeile die regelmäßige Betonung, von der unser Rhythmusgefühl normalerweise ausgeht, im unteren System stehen erst zwei normale Dreiertakte, dann folgt eine Hemiole.
EINS | zwei | drei | Eins | zwei | drei | EINS | zwei | drei | Eins | zwei | drei |
EINS | zwei | drei | Eins | zwei | drei | EINS | und | ZWEI | und | DREI | und |
Hemiolen sind so beliebt, weil sie nicht so manieriert sind und dick auftragen, aber trotzdem ein bisschen Schwung und Irritation in die Sache bringen.
Es gibt sie öfter als man denkt. Zum Beispiel bei Juan Gabriel, meinem liebsten mexikanischen Schnulzenheini. Hier sein Song "La Farsante" (Betrügerin), in dem er in typischer Machomanier der Frau erzählt, dass es ihr noch leid tun wird, was sie ihm angetan hat.
Juan Gabriel: La FarsanteDie erste Strophe lautet:
Yo creí que eras buena
Yo que creí que eras sincera
Yo te di mi cariño
Resultaste traicionera
Und wenn ihr genau hinhört, merkt ihr, dass jeder zweite Vers mit einer Hemiole beginnt.
Ich glaubte, du seist gut
Ich glaubte, du seist aufrichtig
Ich nannte dich "Liebste"
aber du hast dich als betrügerisch erwiesen
...und ist es nicht schön, dass auch der harmlose Dreiertakt in diesem Song regelmäßig das Taktgefühl seiner Hörer betrügt? Immer wieder! Ich wäre an Stelle Juan Gabriels auch sauer!