Nu iss er weg!
Godaks Spieler rief mich vor der zweiten Sitzung ganz zerknirscht an, dass er in seiner der derzeitigen Lebenslage erst einmal eine Weile pausieren müsste. Wegen Stress und all dem.
Tja, was sollten da erst der Wegwart Sigwart und der Stutzer Hallodrian sagen! Von wegen Stress! 12 Goblins auf zähnefletschenden Wölfen geiferten ihnen entgegen, und da löst sich der mit Gomril bewehrte Eisenbrecher auch noch in Luft auf!
Aber das hatten sie ja schon eher festgestellt: Was für ein beschissener Tag!
Immerhin wurden die Goblins nun postwendend zu Henchmen downgegraded (bis auf die Anführer). Nach einem weiteren Schlagwechsel, der auf beiden Seiten nicht viel bewirkte, außer dass der entwaffnete Goblinchef seine Waffe wieder aufheben konnte, wirft Sigwart einen Blick in die Kutsche. Vielleicht ist da ja noch jemand, der helfen kann.
Doch der Blick auf die Passagiere ist ernüchternd: Ein blasses Studentlein mit einem Buch in der Hand (der muss noch auf das Verena-Supplement mit den Melee Action Cards mit dem Requirement „Book equipped“ warten, um im Kampf eine Hilfe zu sein), eine Shallyaschwester, die mit ihrem Leibesumfang zwei Sitze belegt, und eine zeternde, dürre und unsäglich lange Dame.
War wohl nix.
Die Recken kriegen es mit der Angst und rätseln, wie sie am besten die Flucht ergeifen sollen. Aber ich überschreite meine spielleiterischen Befugnisse und stecke ihnen, dass die Goblins schon ordentlich Moraleinbußen hinnehmen mussten und durchaus die Chance existiert, den Kampf auch kämpfend zu überstehen.
Und so ist es auch. Indem die beiden Abenteurer sich hinter der Kutsche in eine bessere Position bringen, klug in der Auswahl ihrer Actions vorgehen, reichlich stress und fatigue sammeln und ihren ganzen fortune-Vorrat ausgeben, plätten sie innerhalb kürzester Zeit noch zwei oder drei weitere Goblins, sodass der Moralmarker sogar übers Ziel hinausschießt. Nun ist selbst Gork nicht mehr gut auf die Goblins zu sprechen, wie es scheint, und Mork ist sowieso nie da, wenn man ihn braucht: Die Goblin meckern und kreischen, reißen ihre Wölfe rum und hauen ab.
Bei all dem hat sich der Wegwart eine vorübergehende Insanity eingehandelt. Der Party sress Marker der Trunkenbolde ist nun auch am Ereignisfeld angekommen (eigentlich bereits während des Kampfes, aber wir wickeln das jetzt erst ab, eins nach dem anderen).
Das Ereignis heißt: „Ich brauch dringend einen Schluck!“ Als wären sie mir Gehorsam schuldig, versemmeln beide ihre Disziplin-Probe, was laut Trunkenbold-Sheet zur Folge hat, dass sie Alkohol finden und ihren Kater damit bekämpfen. Durstig stürzen die beiden also zur Kutsche und fragen, ob irgendwer was zu Trinken dabei hat, und ja, die Shallyaschwester holt einen Flachmann aus ihrer Robe. An leiblichem Wohl ist der Nonne sehr gelegen.
Den Rest des Tages bringen Sigwart und Hallodrian unter der Intoxicated-Condition zu.
Was nun?
Sigwart untersucht erst mal flüchtig die gefallenen Goblins. Seine Observation misslingt und generiert einen Chaosstern (ich glaube, das ist derjenige, den wir auf den Party-Sheet legen und uns für später aufheben; nach dem Kampf gab es aber eher schon mal einen, der starken Regen ausgelöst hat).
Dem besoffenen Wegwart entgeht, dass die Bewaffnung der Grünhäute für Goblins unüblich ist. Sie haben im Imperium handelsübliche, neue Waffen.
Dann sehen sie nach dem Kutscher. Er ist tot. Doch bei seinem Anblick fällt ihnen (fast) alles wieder ein: Der Kutscher heißt Benrad. Mit ihm und einem gewissen Sami haben sie gestern Abend gebechert:
-- Benrad hat letzte Nacht viele Runden gezahlt.
-- Sami, der Wachmann, hat kein einziges Getränk bezahlt letzte Nacht, der Knauser!
-- Der Wein hat seltsam geschmeckt.
-- Irgendwann ist Benrad mit einer großen Blonden verschwunden.
-- Hat der Wachmann nicht gemeint, wir könnten umsonst mitfahren?
Das sind die Bruchstücke.
Auch Kutscher Benrad wird untersucht, und siehe da! Er hat einen Brief bei sich. Lass sehen! Holla, mit dem Siegel des Kaisers! Höchstpersönlich! Na sowas.
-- Hallodrian: Was da wohl drinsteht? Lies doch mal!
-- Sigwart, ganz imperialer Gesetzeshüter: Das geht nicht, das ist streng vertraulich! Das ist das Siegel des Kaisers!
-- Hallodrian: Ich mach's auf …
Der Stutzer bemüht sich, das Siegel mit dem allergrößten Fingerspitzengefühl zu öffnen, damit es nicht zerbricht. Doch ich nehme den Chaosstern vom Partysheet und schlage vor, dass das Siegel trotz allem zerbröselt.
Das Schreiben ist in einem Geheimcode verfasst, den die beide nicht lesen können. Hm. Doof jetzt. Sigwart will den Brief unbedingt zum Kaiser bringen, als Pflichtbewusster. Aber mit gebrochenem Siegel? Da ziehen sie kurzerhand einen Goblinpfeil aus Benrads Leib und stoßen ihn durch das Siegel: „Bei dem Goblinüberfall, bei dem der Kurier umkam, traf ein Pfeil ausgerechnet den Brief. Da, schaut Euch das an, glatt durch das Siegel ...“
Nein, wahrlich, so dumm sind die Fools gar nicht.
Nun hören sie Hufgeklapper, und da taucht ein Trupp Wegwarte auf. Ihr Anführer heißt Konrad Balck. Die Trunkenbolde erfahren, dass dies nicht der erste Überfall ist. Die Goblins sind eine richtige Plage für die Kutschen. Deshalb sucht der Kaufmann Josef Karlsberg in Lachenbach Leute, die endlich mit ihnen aufräumen. Lob, Schulterklopf. Ach, und den Wachmann, der vom Kutschbock gefallen ist und überrollt wurde, haben sie auch aufgesammelt. Den muss man auch zurück nach Lachenbach bringen, der ist halbtot.
Mit einer unglaublichen Charme-Probe überreden die beiden Angeheiterten die Dame und den Studenten, während der Rückfahrt aufs Kutschdach zu sitzen, damit sie selbst nicht im Regen sitzen müssen. Kein bisschen uneigennützig bieten sie sich an, den verletzten Sami in die Kutsche zu hieven. So erhält Sigwart nämlich die Gelegenheit, ihn abzutasten und ihm die Geldbörse abzunehmen. Denn er ist überzeugt, dass Ben und Sami sie absichtlich abgefüllt haben, um sie auszurauben und zu entführen.
Während der Rückfahrt nach Lachenbach unterhalten sie sich mit der Shallyaschwester Heidrun Heilsam. Sie stellt sich als Chefin des Hospitzes in Frederheim heraus und ist wohl auf der Rückreise von irgendeinem Shallyakonzil. Auf dem Weg möchte sie unbedingt das Wurstfest in Heideldorf besuchen. Aber da das erst in einiger Zeit ist, kann sie getrost noch einmal nach Lachenbach zurück und Sami gesund pflegen.
Bei der langen Dame, die sich bei der holprigen Verfolgungsjagd am Kutschendach den Kopf grün und blau geschlagen hat, handelt es sich um Trine von Zimpfig, die in Lachenbach ihre Schwester Ernstine von Wanst-Schlemmerburg-Zimpfig besucht hat. Sie hält sehr, sehr große Stücke auf ihre Schwester. Sie sei eine überaus fromme und tugend- und beispielhafte Frau. Trine würde ihre Retter und Helden gern mit ihrer Schwester bekannt machen. Warum nicht?, meinen die beiden erstmal, doch als sie mitbekommen, dass man dabei irgendwelche Besuchszeiten beachten muss, sind sie nicht mehr so eifrig. Wer will schon eine verrückte Dame in einer Anstalt besuchen?
Dann dämmern die Trunkenbolde erst einmal weg und wachen erst wieder auf, als man das Stadttor von Lachenbach passiert. Der Wegwartchef Konrad Balck bringt die ganze Baggage erst einmal zum Gasthaus zur Grünen Flasche zurück, die um diese Uhrzeit eine rowdy tavern ist. Sami wird in ein Zimmer gebettet und von Heidrun Heilsam betreut. Sein Geldbeutel bringt leider weniger zutage, als die Abenteurer vorher besessen haben, dennoch gönnen sie sich ein ordentliches Zimmer.
Im Schankraum hören sie sich um, und hier sind sie ganz in ihrem Metier, denn einer der Trunkenbolde-Party-traits gewährt ihnen überall dort Glückswürfel, wo reichlich Alkohol fließt. Zudem werden sie natürlich als die glorreichen Goblinschlächter gefeiert!
Sie finden Folgendes heraus: Sie waren tatsächlich gestern Abend hier mit Ben und Sami. Sie haben über dem Stall geschlafen, um Geld zu sparen. Alle Kutschen waren zu teuer. Irgendwann sind sie eingeschlafen (oder bweusstlos geworden). Da war Ben aber schon weg, mit einer blonden Frau. Diese hat aber keiner kommen sehen (vielleicht hatte sie eine Kapuze). Die Besoffenen hat Sami hinausgetragen, wie der Wirt, der Fette Olaf, zu berichten weiß. Olaf nahm natürlich an, dass Sami sie in den Stall bringen würde. Er hat Besseres zu tun, als sich um jede Alkoholleiche und jede blonde Frau zu kümmern.
Die Goblins haben in letzter Zeit viele Kutschen überfallen, es ist eine Plage. Besonders hat traf es den Kaufmann Josef Karlsberg. Der sucht Leute, die mit den Grünhäuten aufräumen. Ein besonders gelungener Wurf entlockt dem Wirt am Ende noch ein Geheimnis: Benrad, der Kutscher, hatte ein Verhältnis mit Frieda Karlsberg, der blonden und überaus hübschen Frau des geschädigten Kaufmanns.
Oh, ich glaube, die betrunkenen Toren durchschauen bereits alles doppelt! Wirklich fit, die Jungs, habe ich den Eindruck. Doch jetzt wird erst einmal der Rausch ausgeschlafen. Am nächsten Tag wollen sie zur Kaufmannsfrau Frieda gehen und ihr vom Tod ihres Liebhabers berichten!
Man darf gespannt sein.
Shit, da ist mir gleich eine Sache für den miesen SL-Thread passiert. Das Abenteuer „as written“ sieht vor, dass die Abenteurer zunächst keinerlei Agenda haben und zudem während des Kampfes gegen die Gobbos verletzt werden. Meine Jungs sind nun zwar auch verletzt, aber nur leicht. Und sie wollen Richtung Altdorf. Das hatte ich nicht bedacht, bzw. damit hatte ich nicht gerechnet. Denn als die Wegwarte aufkreuzten, wollten sie erst in Richtung Altdorf weiterfahren. Wie ich ihnen da dann so allmählich jede Alternative genommen habe, das war mir hochnotpeinlichstes RR, und ich schwitzte Rotz und Wasser. Nee, zu Fuß ist es zu weit, um vor der Dämmerung zur nächsten Wegstation zu gelangen. Nee, die Wegwarte können euch keine Pferde geben. Nee, die Kutsche brauchen sie, um den verwundeten Sami nach Lachenbach zurückzubringen.
Okay, ganz so krass, wie sich das hier jetzt anhört, war es nicht. Es kam bei den Spielern offenbar auch nicht so an. Aber es war unangenehm. Weil ich einfach auch nichts anderes vorbereitet hatte. Sonst wäre mir das ja egal gewesen. Uff. Ich hatte das mit dem woher und wohin vorher dummerweise auch gar nicht richtig durchdacht.
Übrigens weiß ich auch immer noch nicht, was ich mit der codierten Nachricht an den Kaiser machen werde. Aber bis dahin wird auch noch viel Wasser den Reik hinunterfließen ...