Autor Thema: Abenteuer ohne Antagonisten - Wie kann man die spannend gestalten?  (Gelesen 529 mal)

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Offline Ludovico

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Moin moin!

In so ziemlich allen Romanen, Serien und Filmen gibt es Antagonisten - also Gegenspieler.

Hier mal, wie ich hier Antagonist definiere:
Zitat
Intelligentes Subjekt, dass gegen die Interessen der Protagonisten handelt.

Also ein böser Supercomputer und der böse Overlord wären damit abgedeckt und ebenso ein korrupter Politiker, ein selbststüchtiger Geschäftsmann, aber ebenso jemand, der einfach anderer Meinung ist.
Zombies, Vulkanausbrüche, Erdbeben und Schwarze Löcher sind keine Antagonisten.

Und hier kommen wir zu dem Punkt, den ich erörtern will:
Wie kann man Abenteuer ohne den Faktor Antagonist spannend gestalten?

Aus meiner Sicht muss eine situative Herausforderung geben muss. Der Klassiker wäre eine Naturkatastrophe oder eine hochansteckende Krankheit.
Aber auch hier gibt es (wie oben angedeutet) bei Film und Roman soweit mir bekannt immer Antagonisten, die gegen die Helden arbeiten und die notwendige Maßnahmen verhindern.
Ein Beispiel dafür wäre ein Bürgermeister, der nicht wahrhaben will, dass ein Asteroid auf seine Kleinstadt zurast und die Charaktere als Panikmacher verspottet und alles daran setzt, die notwendige Evakuierung verhindert.

So eine Person fehlt bei den Abenteuern und deren Aufbau, die ich hier diskutieren möchte.

Offline AndreJarosch

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Die Charaktere müssen in den Dschungel reisen, um eine vermisste Person zu finden.
Gegenspieler muss es da gar keinen geben:
Raubtiere, Insekten, Hitze, giftige und/oder stachelige Vegetation, Sumpflöcher, finden von sauberem Wasser, finden/jagen von etwas Essbarem, etc.
Das kann MINDESTENS einen ganzen Spielabend füllen, ohne dass ein Gegenspieler (oder eine intelligente Zufallsbegegnung) vorkommt.

Gilt auch für Wüste, Eiswüste, einsame Insel, Überleben auf einen treibenden Floss/Schiff, etc.

Offline manbehind

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Die Frage ist, was für Fälle durch deine Definition abgedeckt werden sollen:

Wenn z. B. der Bruch eines Staudamms, die Invasion durch Außerirdische oder der Einschlag eines Kometen drohen, die Menschen sich allerdings nicht zu Maßnahmen bewegen lassen, ist das dann schon "gegen die Interessen der Protagonisten handeln"?

Offline ghoul

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Im ZBR wurde mal dieses Traveller-Modul besprochen, in welchem man einfach nur einen Planeten kartographieren soll (und vielleicht wertvolle Substanzen entdeckt).

Edit: https://pesa-nexus.de/2021/06/26/episode-m-traveller/
« Letzte Änderung: 1.12.2023 | 10:04 von ghoul »
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PESA hilft!
PESA diskutiert.

Zensur nach Duden:
Zitat
von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität.

Offline nobody@home

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Nach dieser Definition kann ich immer noch Abenteuer um unintelligente Gegner haben. Also Dinge wie Spielbergs weißen Hai, eine Hornschreckeninvasion, oder eine Zombieapokalypse, in der die Zombies sich nicht besonders schlau anstellen, aber trotzdem durch ihre reine Anzahl, Hartnäckigkeit, und was-weiß-ich-sonst-noch gefährlich sind.

Da wüßte ich ehrlich erst einmal gar nicht, was daran besonders schwierig oder auch nur ungewöhnlich sein sollte. :think:

Offline Ludovico

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@Nobody
Ok, der weiße Hai wäre eine Art Antagonist. Wobei auch hier, wie auch bei anderen Filmen mit ähnlichen Themen (Der Geist und die Dunkelheit z.B.) diese Antagonisten eine gewisse Intelligenz aufweisen. Aber generell sehe ich das als Grenzfall. Nichtsdestotrotz gibt es auch bei Der Weiße Hai klare Antagonisten und zwar die Stadtverwaltung.

Aber eine Heuschreckeninvasion oder eine Zombieapokalypse sind definitiv keine Antagonisten. Bei The Walking Dead sind die Walker eher Teil der Umwelt. Insgesamt bei Zombiesettings sind es die Menschen, die sich gegenseitig die schlimmen Dinge antun. Die Zombies sind eher ein Naturelement. Ein intelligenter Zombielord wäre dann wieder ein Antagonist.
Das selbe gilt für die Hornschreckeninvasion oder bei Angriff der Killerameisen.

Und welche Elemente und Faktoren zur Spannungsförderung kann man einbauen, wenn eine Zombieapokalypse kommt und es keinen Antagonisten gibt.

@Andre
Das sind gute Ideen, die man gut einbauen kann als Plotelemente.
Danke!

Es geht mir aber darum, dass das Abenteuer selber ohne Antagonisten auskommt.

Offline ThinkingOrc

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Ich glaube ganz klassisch schließt die Definition eines Antagonisten nicht Intelligenz (=> vielleicht besser: Willkürliches Handeln) ein.
Also Naturkatastrophen, einfach widrige Landschaft, ungezähmte Natur sind Literarisch Antagonisten.
Insofern, ja klar, kann sowas spanned sein. Sind nicht die meisten Survival-Heavy Settings davon geprägt?
Ganz ohne Antagonist nach der klassischen definition wird schwierig, kann aber auch "nicht langweilig" sein.
Siehe Shoppingtouren oder einfaches Entdecken einer Landschaft oder Stadt.
Da gibt es glaube ich auch einen Begriff für, den ich vergessen habe. Da ist für mich aber die Frage, ob das noch wirklich ein Abenteuer ist...

Noch ein bisschen konkreter:

Spannungselemente jenseits willkürlich handelnder Antagonisten wären:
Umweltschaden (Kälte, Hitze, Sturm mit herumfleigendem Zeug was einen verletzt) -> Suche nach Schutz (Klamotten, Unterschlupf, technische/magische Ausrüstung)
Ressourcenknappheit (Wasser/Essen/Licht) -> Suche danach am besten schwer erreichbar.
Ausrüstungsknappheit -> Suchen und Finden, Selbst bauen oder Alternativen suchen
Kann man ja auch verknüpfen:

Ein Eissturm naht, die rettende Höhle ist auf einem Berg, den man nicht so einfach erreicht, weil man keine Kletterausrüstung hat. Aus Weidenruten kann man sich eine Behlfsleiter basteln.
Dort angekommen geht einem langsam Nahrung und Feuerholz aus. Jemand muss raus und was sammeln.
Oder nutzt man das letzte Holz was man hat, dazu die Tieferen Gänge der Höhle zu erkunden? Immerhin gab es Spuren von früheren Bewohnern...
« Letzte Änderung: 1.12.2023 | 11:05 von ThinkingOrc »

Offline Chaos

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Bestes Beispiel des Abenteuers ohne Antagonist ist für mich "Der Marsianer". Mensch gegen Natur - der Klassiker.
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Im asiatischen Raum gibt es eine andere Geschichtstradition als im Westen, sodass da mehr Fokus auf einen Twist als auf Konflikte gelegt wird. Dementsprechend kann man u.U. in deren Geschichten und Games vielleicht ein paar Elemente finden. In Genshin haben sie z.B. gerade eine sehr spannende Geschichte erzählt, bei der ein katastrophale Profezeihung über ein komplettes Reich lag. Alle Beteiligten Figuren haben ihr bestes gegeben, um diese Katastrophe zu verhindern. Gelöst wurde die Prophezeiung über einen Twist.
In Final Fantasy 14 gibt es eine Geschichte in der der Antagonist in seinem Verhaltensschema gefangen war und er bewusst oder unbewust wollte, dass die Spieler ihn besiegen und ihm damit aus dem Fluch betreiben.
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Jens

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Du kannst auch rein über Exploration Hinweise finden lassen, die dann richtig zusammengestellt zu einem Schatz oder so führen - aber falsch zusammengesetzt zu einer oder gar mehreren Fallen. Oder aber es gibt drei Orte mit Schätzen und dann einen anderen Ort in der Nähe, am dem der wahre Schatz liegt. Hatte da Mal so ein kleines Heist -Szenario, in dem es Täuschungsschätze gab, um die Leute vom eigentlichen Hort des Ziels abzulenken, das war eigentlich ganz schön, als der wahre Schatz dann doch noch gefunden wurde (womit aber die Option auf die drei anderen Schätze verfiel, was dem Komplettisten am Tisch so gar nicht gefiel >;D )

Offline Eismann

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Mensch gegen Natur hatten wir ja schon.
Mensch gegen Gesellschaft ginge, also dass etwas im Argen liegt, aber die Gesellschaft als Ganzes das nicht erkennen oder als Problem wahrnehmen will oder kann und die Charaktere dagegen angehen.
Mensch gegen sich selbst. Die Probleme lösen, die man sich selbst eingebrockt hat.
Heists. Relativ simpel. Man besorgt etwas oder erledigt eine Aufgabe in einem geschützten Bereich. Da mag es dann auch Wachleute o.ä. geben, aber keinen expliziten Antagonisten.
Mensch gegen Zeit. All die Zeitreisegeschichten, in denen ein Detail in der Vergangenheit verändert wurde, weshalb einem die Zukunft um die Ohren fliegt etc.

Offline nobody@home

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Bestes Beispiel des Abenteuers ohne Antagonist ist für mich "Der Marsianer". Mensch gegen Natur - der Klassiker.

Oder auch das Vorbild Robinson Crusoe. ;D (Okay, bei dem tauchen meiner dunklen Erinnerung nach irgendwann potentiell kannibalische "Wilde" auf, aber das ist erst relativ spät in der Erzählung -- erst mal muß er jahrelang allein gegen die Natur über die Runden kommen.)

Natürlich ist das dann zumindest eine andere Art von Spannung als im typischen eher kurzfristig angelegten Rollenspielabenteuer. Wenn man es als Schiffbrüchiger erst mal doch geschafft hat, sich einigermaßen einzurichten, dann ist man irgendwann einfach nicht mehr ständig im Krisenmodus; andererseits bleibt die Herausforderung "Überleben und hoffen, daß irgendwann doch Rettung kommt" zumindest auf Sparflamme dauerhaft erhalten, weil deren endgültige Überwindung nichts ist, was man mit eigenen Mitteln herbeiführen könnte.

Offline sindar

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Wenn die Spieler sowas mögen: Schlichte Exploration. Kann viele Abende füllen. Gerne mit dem Auftrag verknüpft, dabei die Lösung für irgendein Problem zu finden (Heilmittel gegen Krankheit, bessere Wasserversorgung, neue Nahrungsquellen erschließen).
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Offline Zed

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Wenn ich es nicht überlesen habe, wurde bislang nur ein Mechanismus ausgelassen: Der Antagonist in sich selbst, der innere Konflikt.

Der innere Konflikt verleiht ja immer zusätzliche Tiefe. Eine Figur ohne inneren Konflikt ist zumeist nur Klischee. Bei der Aufgabenstellung dieses Threads halte ich den inneren Konflikt für nochmal hilfreicher:

Der innere Konflikt kann durch äußere Umstände getriggert werden - rette ich gegen den Drachenangriff das Dorf am Wasser oder das Dorf in den Hügeln - oder aus der Tiefe des Charakters kommen - würde mein extrem goldgieriger Charakter auch das Kind seines Kumpels an den Nekromanten verkaufen?

Die (eigentlich unmögliche) Entscheidung und ihre Konsequenzen ernst zu nehmen und auszuspielen - das würde die Spannung auch erhöhen.

Online Darkling

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Was ist denn mit dem klassischen "die SCs wachen verkatert auf, haben keine Erinnerung an die letzte Nacht (oder auch die letzten zwei, drei Tage, je nachdem, wie lukrativ das letzte Abenteuer war, dessen Belohnung sie grade verjubelt haben), einer findet sein Auto nicht mehr, der zweite ist verheiratet und der Dritte ist aus unerfindlichem Grund plötzlich total berühmt oder begehrt. "Was zum §*^# haben wir nur getan???"
Der Weg zum Herzen eines Menschen führt durch den Brustkorb!

I`m just a soul whose intentions are good.
Oh Lord, please dont`let me be misunderstood!

Offline Grey

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Für die spannende Gestaltung einer Geschichte brauchst du grundsätzlich

1. ein Element, das die SCs (zeitlich) unter Zugzwang setzt und
2. "überraschende" Ereignisse, auf die sie reagieren müssen.

Ein Antagonist ist in dieser Hinsicht optimal, da er seinerseits planvoll auf die SCs reagieren kann, sodass einem die Ereignisse nicht ausgehen. Aber natürlich gibt es noch andere Optionen.

@Chaos hat bereits den "Marsianer" genannt. Als Roman bzw. Film funktioniert der super, allerdings entstehen hier viele der unliebsamen Überraschungen daraus, dass Mark Watney vieles erst mal experimentell herausfinden muss. Sprich: Um das als Rollenspiel umzusetzen, bräuchte der SL ein irrsinniges wissenschaftliches Hintergrundwissen bzw. (in einem Setting mit Magie/alternativen Naturgesetzen) ein gut ausgearbeitetes Naturgesetz-System, das er zu 100% im Gefühl hat. Daher halte ich dieses spezielle Szenario fürs Rollenspiel eher für untauglich.

Eine grandiose antagonistenfreie Runde, in der ich mal mitgespielt habe, war die "Everest"-Runde meines Bruders. Unser Ziel war, den Gipfel zu erreichen (wofür wir alle unterschiedliche Motive hatten, die teilweise in Wechselwirkung standen). Das Zugzwang-Element war die Wettervorhersage: Uns blieb nur begrenzt Zeit, bis uns Stürme und starker Schneefall zur Umkehr zwingen würden. Die überraschenden Ereignisse waren kleinere Schneeschauer vorab, Lawinen, Materialfehler in der Ausrüstung o.ä.

Für den SL erforderte die Vorbereitung lediglich ein bisschen Recherche, was bei einer Everest-Besteigung alles passieren kann bzw. garantiert passiert (siehe z.B. die Todeszone).

Außerdem habe ich in meiner Heroen-Kampagne mal ein Szenario rund um einen Geißlerzug während einer Pestepidemie geleitet. Es gab keinen Antagonisten in dem Sinne, dass irgendjemand Schaden anrichten wollte; es gab nur verschiedene einflussreiche NSCs mit verschiedenen Interessen, die teilweise die Seuche nicht ernst nahmen ("ist doch noch niemand hier gestorben") und teilweise sehr unterschiedliche Ansichten hatten, wie man am effizientesten gegen die Seuche vorgeht. Der aktivste Charakter der Gruppe in diesem Szenario war die Heilerin mit ihren Maßnahmen, um die Ausbreitung der Seuche zu verhindern; der Rest der Gruppe war vor allem diplomatisch gefragt, um ihre Maßnahmen durchzusetzen. (Hat übrigens am Ende geklappt, die bereits infizierten Geißler wurden erfolgreich isoliert.)
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
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Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)