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Text vermittelalterlichen
Waldviech:
--- Zitat ---Das "mittelalterliche" Englisch in englischsprachigen Ländern ist meist ähnlich unhistorisch wie unsere Mittelaltermarkt-Fantasy-Larper-Sprache. Dort wird auch oft irgendetwas aus Shakespeares Renaissance-Englisch genommen, das "you" durch "thou" ersetzt, hier und da ein stummes -e an Substantive und Adjektive angehängt, i durch y ersetzt und ansonsten allenthalben die Schreibweise so geändert, dass sie an alte Zeiten gemahnen soll.
--- Ende Zitat ---
Ist, denke ich auch naheliegend. Ich habe mich mit mittelalterlichem Englisch nicht wirklich eingehend beschäftigt (beim Lesen der Reclamausgabe der Canterbury-Tales z.b. habe ich eigentlich nur die deutsche Übersetzung im Blick gehabt ;)), aber ich vermute mal, die Differenzen zwischen modernem Englisch und mittelalterlichem Englisch werden ähnlich groß sein wie die zwischen Neuhochdeutsch und Mittelhochdeutsch. Das brächte bei Mittelaltermärkte natürlich Probleme mit sich. Auch wenn´s und Historiker und Sprachwissenschaftler beim Hören graust: "Marktsprech" hat seine Daseinsberechtigung für sowas. Echtes Mittelhochdeutsch (oder gar Mittelniederdeutsch) würde nämlich keine Sau verstehen - außer den paar Piepeln, die sich im Studium zufälligerweise mal mit Mediävistik beschäftigt haben.
korknadel:
Das Problem beim Mittelhochdeutschen ist natürlich auch das, dass man damit meist in seiner lyrischen Form in Kontakt kommt. Und Lyrik ist von vornherein immer (oder doch meistens) etwas vertrackter als Prosa. Eine viel beschwingtere, leichter verständliche und sehr schöne Lektüre auf Mittelhochdeutsch bietet zum Beispiel der Prosalancelot. Das ist gar nicht so weit weg von frühneuhochdeutschen Erzähltexten (ich würde sogar sagen, es ist einfacher, weil die Satzbezüge meist klarer und die Sätze insgesamt auch nicht so lang und verschachtelt sind, wie das oft im (Früh-)Barock der Fall ist). Die kompletten fünf Bände gibt es zum Jubiläum des Deutschen Klassiker Verlags übrigens ab Oktober für den sagenhaften Sonderpreis von 248 Euro (in Leinen, versteht sich, die Leder-Ausgabe ist von den Sonderpreisen wohl nicht betroffen).
Jiba:
Ganz andere Sache: Warum orientiert man sich in der Rollenspielsprachenpraxis nicht am guten alten Schiller, Goethe, oder (am allerbesten) an Kant... das, was die geschrieben haben, klingt stellenweise wunderbar antiquiert, bei frühen Werken schleicht sich auch schonmal ein "itzt" ein und trotzdem kann man es verstehen.
Pyromancer:
Ich wollte da eigentlich keine Wissenschaft daraus machen, sondern mir nur Arbeit sparen. Na ja:
--- Zitat ---
Wir Ratislav dero Zwote Könjg des Reyces Herezog der Nordmarc Besytzer der Kjrce Besrejter des phlammenden Pfahdes uswusf erlaubjgen Uns alldawejl Unseren Oren zu gethragen worden jset es haethe befunden sich in der Burg Rodovjec ein Zejcen eine Relyquje eines Hejlygen von gar groszer Mäctjgkeyt der Zumsel des heyligen Gregory welches Uns zur Hylfe gerejcen can gegen die dysteren Creaturen der Fynsternyse dy sych noch wejter herum trejbjgen yn Unserem Lande und welcer derweylen aus gestelet gewesen sejn sol in ejner gar sylbernen Fasung yber dem Thore des groszen Ejnganges dero Burg Ihn dero sich selber nenen gethraut den Borjslav Grafen von Rodovjec eben selbst derwejlen also auf eyne gar trefljche Queste die Ihn fyhren wyhret jn dyso sejne Hejmate von dero sejne Vorfaren angebeljc hero kämen um Uns djeselb vor genantes zuruec zu bryngen auszuschicen
Da dero Wege als auch dorthen alerhand Gefar und Unwejl lauern oder es sjch erejgnen coennen mag so yber laszen Wir Ihm jn Unserer Guete ejn halb Duzen gar tychtjger Krjeger und als Lon fyr tapfere Myen und muthjgen Kampfe mag Er ales weytere was Er dorthen fynden moege und behaltjgen can djes alez also sol fyrder nach Ihm gehoeren oder Seynen Gethreuen dje mjt Ihm zu zjen bereyet gewesen synd
Aber jeder Man so jst es Unser aus druecljcer Wuns und Wile demo Er begegnet dero sol Ihm helfen und Ihn unter stytzjgen wy es Brauctum und Syte jset hjero zu Lande sejt Althers hero
Siegel
--- Ende Zitat ---
Jed Clayton:
--- Zitat von: Waldviech am 25.08.2011 | 00:29 ---Ist, denke ich auch naheliegend. Ich habe mich mit mittelalterlichem Englisch nicht wirklich eingehend beschäftigt (beim Lesen der Reclamausgabe der Canterbury-Tales z.b. habe ich eigentlich nur die deutsche Übersetzung im Blick gehabt ;)), aber ich vermute mal, die Differenzen zwischen modernem Englisch und mittelalterlichem Englisch werden ähnlich groß sein wie die zwischen Neuhochdeutsch und Mittelhochdeutsch.
--- Ende Zitat ---
Ehrlich gesagt: ja. Größtenteils ist das der Fall. Für den typischen, auch akademisch gebildeten Amerikaner, Kanadier u.a. ist auch der alte William Shakeaspeare - eventuell noch Christopher Marlowe und wenige andere - das älteste Englisch, mit dem er in Kontakt kommt. Echtes Mittelenglisch (ca. 1100 - 1450) und Altenglisch (800 - 1100) braucht man als Muttersprachler auch nie und man wird nur in einem gezielten philologischen und sprachvergleichenden Studium damit in Berührung kommen. Für zahlreiche Muttersprachler zählt Shakespeare auch noch irgendwie als Mittelalter und die Details interessieren nicht.
Die Canterbury Tales kann man offenbar mit ein wenig Fantasie besser lesen, wenn man als Muttersprache Deutsch gelernt hat. Der Satzbau, die Wortbetonung und die Aussprache der meisten Buchstaben müssen damals noch eher "deutsch" gewesen sein (vom heutigen Neuhochdeutschen aus gesehen). Dagegen hat es mir beim ersten Überfliegen von Beowulf OHNE Übersetzung nicht viel geholfen, dass ich deutscher Muttersprachler bin. Altenglisch und Althochdeutsch sind für mich genau gleich schwer, sobald ich es mit längeren zusammenhängenden Sätzen zu tun habe.
--- Zitat ---"Marktsprech" hat seine Daseinsberechtigung für sowas. Echtes Mittelhochdeutsch (oder gar Mittelniederdeutsch) würde nämlich keine Sau verstehen - außer den paar Piepeln, die sich im Studium zufälligerweise mal mit Mediävistik beschäftigt haben.
--- Ende Zitat ---
Genau so ist das. Ich bin trotzdem froh, wenn ich nicht zu viel Marktsprech vernehmen muss und wenn niemand im Rollenspiel von mir verlangt, so zu reden.
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