Autor Thema: Detailtiefe und Anspruch [War RPG-Hobby ohne "kommerzielle" RPG-Produkte?]  (Gelesen 16797 mal)

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Offline Praion

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Es mag Ausnahmen geben (eine, die mir selber einfällt, wäre Witchcraft), aber mein bisheriger Eindruck ist, dass die meisten dauerhaft für umme angebotenen Systeme ziemliche Leichtgewichte und Dünbrettbohrer sind. Sprich: Okay für etwas oberflächliches One-Shot SPiel, aber für eine etwas tiefergehende Beschäftigung und dementsprechende Langzeitmotivation ohne deutliche Niveauabflachung quantitativ (und bei fast allen Indy-Sachen vor allem auch qualitativ) ungenügend.

Terrorbeagle, da machst du aber den klassischen Fehler, dass du annimmst, Rules-Lite-Systeme seien nicht für Kampagnen geeignet. Das mag in deiner persönlichen Wahrnehmung stimmen, ist allerdings auf gar keinen Fall allgemeingültig!

Viele Leute können auch mit Systemen wie SWN, DS oder FATE lange Kampagnen spielen und Spaß haben, obwohl die Systeme weniger umfangreich als DSA4.1 sind.

edit: Der fiese S-Fresser hat mein S gefressen.

Was Taschi gesagt hat, (Beispiel Polaris)

außerdem: Wie kommst du darauf, dass der OneShot oberflächlich sein müsste.

Nein, ich mache wenn überhaupt den "Fehler", zu behaupten, dass sog. Rules-light Systeme für intensives und gutes Rollenspiel nicht wirklich geeignet sind.  Das ist allerdings weniger ein Problem der Regeln sondern vielmehr eine Frage der Fülle des Hintergrunds.  Aber ja, es stimmt, ein entsprechender One-Shot muß nicht zwangsläufig overflächlich sein, aber schlichte Systeme werden halt eher für schlichte Gemüter geschrieben. Ein Regelwerk und vor allem eine Hintergrundwelt muß eine gewisse Üppigkeit und Detailfülle besitzen, um ein gewisses Niveau zu erfüllen.
 Kurzfristig okay, aber langfristig bieten die entsprechenden Systeme fast nie genug Fleisch auf den Knochen, um Abwechslung, persönliche Entwicklung und Varianz mitzubringen die sich niveautechnisch oberhalb reinen Blafasels und Austauschbarkeit bewegen.

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Jason Corley

Taschenschieber

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Einfache Systeme werden für "schlichte Gemüter" (Euphemismus für Idioten) geschrieben?

Ich bin aus der Diskussion raus.

El God

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Ich bin da ganz bei Taschi und Praion. Erfüllendes Rollenspiel erschließt man sich über das, was die Charaktere tun, nicht darüber, was man ihnen als SL zum Fraß vorwerfen kann. Letztlich habe ich meine intensivsten Rollenspielrunden in fast intimen, extrem fokussierten Settings und mit One-Shots gehabt. "Dicke" Settings helfen zwar, lange Kampagnen zu bauen, aber ich bin mittlerweile ohnehin kein Freund von langen Kampagnen mehr.

Terrorbeagle, das soll natürlich keinesfalls heißen, dass DU nicht mehr Spaß mit "dicken" Settings haben kannst, ich mag mein Rollenspiel aber lieber erstmal ein wenig fluffig - Tiefe entwickle ich lieber während des Spiels. Du scheinst ja gern von Niveau zu fabulieren und lange Settingtexte zu lesen. Andere tun das nicht.

Und:

Zitat
aber schlichte Systeme werden halt eher für schlichte Gemüter geschrieben

Gehen dir etwa schon die Argumente aus? Denkst du nicht, dass das mit einem "nur verbohrte Buchhalternaturen brauchen mehrbändige Settings zum festhalten, damit sie beim Rollenspiel nicht umfallen" viel zu einfach zu kontern ist? Ich bin von dir viel mehr Einsatz für besseres Rollenspiel gewohnt, streng dich doch mal ein bisschen an!
« Letzte Änderung: 28.09.2012 | 16:39 von La Dolge Vita »

Offline Sphärenwanderer

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Ich glaube ja eher, dass detailliert vorgefertigte Hintergrundwelten etwas für schlichte Gemüter sind, die nicht über genügend Kreativität verfügen, um die Spielwelt mit eigenen Ideen farbiger und detailreicher zu gestalten.  ;) Aber es kann sich ja nicht jeder von seinem inneren paradigmatischen Paragraphenreiter lösen...

Natürlich ist es leichter, alles vorgekaut zu bekommen und das dann auswendig zu lernen. Doch schließt das Spielwelt- und Charaktertiefe aus? Keinesfalls.
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Offline Grimnir

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Terrorbeagle, vielleicht magst Du uns mitteilen, was Du unter guten, intensiven, anspruchsvollen Rollenspielerlebnissen überhaupt verstehst. Die hast Du jetzt schon in verschiedenen Threads wiederholt gefordert, aber ich weiß immer noch nicht, was Du damit überhaupt meinst. Für krasses Drama, für die tiefgehende Behandlung menschlicher Nöte, für intensivstes Charakterspiel mit schauspielerischer Höchstleistung brauche ich weder ein ausgefeiltes Setting noch ein komplexes Regelwerk.
Selber Regelwerke schreiben zeugt IMHO von einer reaktionär-defaitistischen Haltung [...]

Vergibt Mitleidspunkte...
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El God

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Man unterschätzt die intellektuelle Leistung, einen Vorlesetext stimmungsvoll auszuformlieren und ihn dann mit dem geboten deklamatorischen Drama vorzutragen. Ich glaube ja, DAS ist es, was sich Terrorbeagle unter intensivem Rollenspiel vorstellt.

Offline Praion

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Hey Leute, jetzt nicht übertrieben albern/beleidigend werden. Ich hab den Threat nicht aufgemacht damit alle dem armen Beagle eins über die Mütze hauen können.
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Offline Oberkampf

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Hm, das ist so eine verzwickte Frage. Man muss schon allein nach Regeln und Setting unterteilen. Eine meiner längsten (und meiner Meinung nach "anspruchsvollsten") Runden hatte ich mit AD&D in einem selbstentworfenen, aber nicht sonderlich innovativen Setting. Allerdings heißt "lange" bei mir nicht viel, nach zwei Jahren habe ich meistens keinen Bock mehr.

Was den Anspruch angeht, denke ich, dass nicht entscheidend ist, ob Setting oder Regeln sehr detailliert sind oder nicht, sondern ob die Spieler für dieses Setting oder diese Regeln geeingnet sind. Mit mir wird man nie ein "anspruchsvolles" Cthulhu spielen können. Simulierte Furcht vor Glibbermonstern am Wohnzimmertisch als Abendunterhaltung ist für mich einfach sowas von albern, das kann nicht funktionieren. Das kann ich mir nur als Bier & Brezel mit Augenzwinkern vorstellen (oder eben als lockere Dreingabe in "richtige" Settings.) Settings sind für mich ohnehin belanglos, zu viel Vorgegebenes nervt mich nur.

Genauso weiß ich, dass ich nicht 100% für komplizierte Regelmechanismen geeignet bin, die Bastlertypen befriedigen. Ich habe mich vor kurzem wieder durch nWoD und jetzt durch Pathfinder gegraben, und nach der fünften Seite Feats/Merits/Powers etc. sinkt meine Motivation, das weiterzulesen oder gar zu spielen, drastisch ab (obwohl ich mit WHFRPG3 und D&D4 gut zurecht komme).
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Offline Maarzan

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Ich bevorzuge deutlich detailiertere Systeme für längere Spiele. Das bezieht sich aber auf die Regeln.
Settings "gehören" sich letztlich selbstgemacht.

Die Regeln sind das Werkzeug, das Setting und folgend Szenarien und Charaktere sind das eigentliche "Kunstwerk".

Wobei bei ich da Settingstechnisch tendenziell eher für die leiseren Töne bin. Nur noch greller, abgedrehter oder "cooler" ist für mich kein Qualitätsmerkmal. Lieber mit Blick und Liebe fürs Detail.
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Offline Bad Horse

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Ich hatte meine intensivsten Runden entweder ganz ohne oder mit extrem wenigen Regeln. Waren alles Drama-Runden, die vor einem mehr oder minder mystisch angehauchten Realwelthintergrund stattfanden. (New Orleans - Tage des Teufels und Das Judas-Evangelium, falls jemand wissen möchte, was ich damit meine)

Diese Setting waren vom Lernaufwand, den wir betreiben mussten, um uns hineinzudenken, natürlich sehr einfach. Das Judas-Evangelium hat eigentlich auch keinen Aufwand in der Vorbereitung gebraucht, New Orleans war etwas anstrengender. Trotzdem waren die Runden sehr anspruchsvoll, was die nötige Aufmerksamkeit und Kreativität anging. 'Simple Gemüter' ist da nicht so recht der passende Begriff.

(Disclaimer: Ich will jetzt nicht aussagen, dass das die einzige Art und Weise ist, anspruchsvoll zu spielen. Es ist nur die Art und Weise, die für mich am besten funktioniert.)
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Shield Warden

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Bei der letzten Diskussion war ich ja noch geneigt, mangels besseren Willens, die Aussagen von Terrorbeagle möglichst positiv und wenig wertend zu lesen, aber "schlichte Systeme sind für schlichte Gemüter" gepaart mit "nur Üppigkeit schafft Niveau" ist in meinen Augen nicht nur falsch, sondern auch ungerechtfertigt erhebend und gleichermaßen beleidigend. Ich kann also den "Aufschrei" um diese Aussagen durchaus verstehen und mich den bisherigen Postern soweit anschließen. Und ich kann mittlerweile auch verstehen, warum die letzte Diskussion um "objektiv niveauvolleres / besseres Rollenspiel" so verlaufen ist, wie sie ist.

Just my 2 cents.


und das hier

Man unterschätzt die intellektuelle Leistung, einen Vorlesetext stimmungsvoll auszuformlieren und ihn dann mit dem geboten deklamatorischen Drama vorzutragen. Ich glaube ja, DAS ist es, was sich Terrorbeagle unter intensivem Rollenspiel vorstellt.

War ein guter Konter. Chapeau! ;D
« Letzte Änderung: 28.09.2012 | 17:49 von Deck Warden »

Offline Terrorbeagle

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Einfache Systeme werden für "schlichte Gemüter" (Euphemismus für Idioten) geschrieben?

Nee, schlichte im Sinne von genügsame, anspruchslose, Spieler sind eher die Zielgruppe für anspruchslosere Systeme. War vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt. Ansonsten verhält es sich mit Rollenspielsystemen ähnlich wie mit der Sprache - um eine gewisse Ausdruckstiefe und Prägnanz zu erreichen, ist  es unumgänglich, auch eine gewisse Komplexität zu bemühen, um eine differenzierte und tiefer gehende Darstellung zu erreichen. Genausowenig wie man mit einer Farbrolle ähnlich gut wie mit einem Bleistift eine Porträtzeichnung anfertigen kann, hat ein System mit feineren Abstufungen und Nuancen weniger Probleme, rein plakative Oberflächlichkeit hinter sich zu lassen, als die üblicherweise sehr viel grobmotorischeren und unschärferen typischen einfachen Systeme. Ich halte das jetzt nicht für eine sonderlich bahnbrechende Erkenntnis.
Andersrum wird natürlich auch ein Schuh draus: Ein Spieler, der nur begrenzt fähig oder willens (erfahrungsgemäß ist es weniger ein Problem von kannicht sondern vielmehr von willnicht) ist, sich mit dem Regelwerk oder mit dem Hintergrund eines Spiels auseinanderzusetzen, wird mit einem sehr einfach gehaltenen System natürlich auch eher glücklich werden, als der engagiertere Spieler, der eher bereit ist, Zeit und Aufmerksamkeit darin zu investieren, sich Regel- und Hintergrundkenntnisse anzueignen. Hinzu kommt, dass die meisten etwas anspruchsvolleren Spieler die ich so kenne durch ein all zu einfaches System einfach intellektuell unterfordert sind und sich daher diesbezüglicher schneller mal langweilen. Passiert mir dauernd und ich bin in der Hinsicht meines Erachtens gar nicht so anspruchsvoll.

Erfüllendes Rollenspiel erschließt man sich über das, was die Charaktere tun, nicht darüber, was man ihnen als SL zum Fraß vorwerfen kann. Letztlich habe ich meine intensivsten Rollenspielrunden in fast intimen, extrem fokussierten Settings und mit One-Shots gehabt. "Dicke" Settings helfen zwar, lange Kampagnen zu bauen, aber ich bin mittlerweile ohnehin kein Freund von langen Kampagnen mehr.
Ich hab doch gar nicht geleugnet, dass entsprechende Settings & Regeln für One-Shots gut geeignet wären.  Wobei ich eh die Vermutung habe, dass One-Shots dazu neigen, als intensiver wahrgenommen zu werden (was fürs Rollenspiel genauso gut wie intensiver zu sein), weil jedes Szenario ja tatsächlich neu ist und durch die Abgeschlossenheit der Ereignisse die Spieler auch eher mal bereit sind, Risiken einzugehen oder etwas krassere Charaktere zu spielen, deren Wirkungsmächtigkeit im typischen Kampagnenspiel recht schnell abnehmen würde.

Denkst du nicht, dass das mit einem "nur verbohrte Buchhalternaturen brauchen mehrbändige Settings zum festhalten, damit sie beim Rollenspiel nicht umfallen" viel zu einfach zu kontern ist?
Vielleicht; ist möglicherweise eine Frage der Wahrnehmung und Perspektive. Ich persönlich vertrete die These, dass interessantes Rollenspiel interessante Charaktere zwingend voraussetzt. In der Regel bedeutet dies auch, dass die Charaktere homogen in ihre Spielwelt eingebettet sind und aus dem Hintergrund erwachsen, anstatt als davon losgelöste Fremdkörper in der Luft zu hängen. Daher ist ein Hintergrund, der eben diese Einbettung der Charaktere bedingt und fördert, ein ganz wesentlicher Vorteil fürs Spiel.

Natürlich hast du nicht unrecht wenn du sagst, dass tatsächlich zählt, was am Ende am Tisch ankommt und nicht was auf dem sprichwörtlich geduldigem Papier der Bücher steht, aber es ist doch kontrafaktisch, anzunehmen, dass das zwei völlig von einander losgelöste Kategorien sind. Der Hintergrund der Vorgabe kann dem Spielleiter erst das Rüstzeug geben, damit dieser auch etwas hat, was  erkonstruktiv ins Spiel einbringen kann, ohne eben auf der bereits erwähnten Ebene der reinen unverbindlichen Blafaseligkeit zu verharren. Kontinuität und Nachhaltigkeit des Spiels erfordern eine Fixierung des Hintergrunds.

Ähnlich wie bei den Regeln gilt auch für den Hintergrund, dass eine gewisse Darstellungstiefe eine dem entsprechende Komplexität zwingend erfordert. Dies ist allerdings insbesondere für die Handlung wesentlich prägender, da eine tatsächlich mehrschichtige und komplexe Handlung eine entsprechende Grundlage erfordert; ein einfacher und eindimensionaler Hintergrund limitiert die entsprechende Handlung auf einfache und eindimensionale Handlungsstränge.
Und auch wenn ich damit das Argument wiederhole: Einfache Hintergründe werden schnell langweilig. Entsprechende Tiefe und Vielschichtigkeit erlaubt auch Abwechslungsmöglichkeiten, Variationen und Nuancen, die ein einfacheres Setting eben nicht bietet.

Terrorbeagle, vielleicht magst Du uns mitteilen, was Du unter guten, intensiven, anspruchsvollen Rollenspielerlebnissen überhaupt verstehst. Die hast Du jetzt schon in verschiedenen Threads wiederholt gefordert, aber ich weiß immer noch nicht, was Du damit überhaupt meinst. Für krasses Drama, für die tiefgehende Behandlung menschlicher Nöte, für intensivstes Charakterspiel mit schauspielerischer Höchstleistung brauche ich weder ein ausgefeiltes Setting noch ein komplexes Regelwerk.
"krasses Drama, für die tiefgehende Behandlung menschlicher Nöte, für intensivstes Charakterspiel mit schauspielerischer Höchstleistung" ist die eine Seite der Medaille, aber das findet ja auch nicht im luftleeren Raum statt noch losgelöst von den tatsächlichen Ereignissen. Die tatsächliche Handlung und die Darstellung des Hintergrunds sind zwar weniger augescheinlich, aber keineswegs weniger wichtige Elemente eines gelungenen Rollenspiels. Relevantes Drama erfordert auch relevante Ereignisse. Eine verlorene Socke oder ein verregnetes Picknick bietet einfach weitaus weniger Potential für große Momente, wenn diese nicht albern wirken sollen.

"schlichte Systeme sind für schlichte Gemüter" gepaart mit "nur Üppigkeit schafft Niveau" ist in meinen Augen nicht nur falsch, sondern auch ungerechtfertigt erhebend und gleichermaßen beleidigend.

Ich weiß, dassich eine Mindermeinung vertrete, die bekanntermaßen etwas unbequem ist. Aber wer das ganze als Beleidigung auffasst, sollte sich vielleicht eher mit der eigenen Kritikfähigkeit auseinandersetzen, bevor er sich auf die inhaltliche Auseinandersetzung einläßt. Eine Diskussion auf dem Niveau, "ich bin toll, du bist toll" (gesungen von einem lila Plüschdino) ist zwar nett, aber leider wenig konstruktiv. 
Würde ich tatsächlich jedes Mal, wenn ich sinnbildlich Lehrgeld bezahlen würde, tatsächlich Geld verteilen, wäre ich arm.

Shield Warden

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Ich weiß, dassich eine Mindermeinung vertrete, die bekanntermaßen etwas unbequem ist. Aber wer das ganze als Beleidigung auffasst, sollte sich vielleicht eher mit der eigenen Kritikfähigkeit auseinandersetzen, bevor er sich auf die inhaltliche Auseinandersetzung einläßt. Eine Diskussion auf dem Niveau, "ich bin toll, du bist toll" (gesungen von einem lila Plüschdino) ist zwar nett, aber leider wenig konstruktiv.  

Und du meinst, dass alles andere, als die Basis, auf der du diskutierst, in "ich bin toll, du bist toll" enden muss? Sehe ich anders. Im Gegenteil: an eine ergebnisoffene Diskussion ist in meinen Augen nur zu denken, wenn keine der beteiligten Parteien eine unumstößliche Faktenbehauptung versucht zu verteidigen und im Gegenteil mögliche Gegenmeinungen erstmal als gleichberechtigt akzeptiert. Wenn man dann auch nicht versucht, den anderen auf Teufel komm raus zu missionieren, sondern schlicht seinen Standpunkt mit Argumenten untermauert, stehen die Weichen gut, dass alle was davon haben.
Wenn man allerdings mit einer deiner Meinung nach "unbequemen Meinung" in die Diskussion startet, die qualitative Pauschalansprüche postuliert, ist da nicht sehr viel Spielraum um deine Hoheitsmeinung anzufechten, die du ja auch durch nicht viel anderes begründest, als es besser zu wissen. Zumal es schwer ist, so eine Meinung dann im Kontext der Diskussion zu akzeptieren, weil sie naturgemäß alle anderen Argumente außer Kraft zu setzen versucht.

Letztlich läuft so eine Diskussion dann meist auch nur auf ein "das IST so und so!" "nein es ist SO!" "Ich hab viel rechter als du, weil ich bin auch viel intelligenter!" "Du hast doch keine Ahnung! Geh spielen!" raus. Prinzipiell ist es immer gefährlich, mit Messlatten von "Niveau" "besser und schlechter" etc. zu hantieren, weil man sich dann schnell dafür rechtfertigen muss, woher man denn die Berechtigung und die Befähigung hat, das jetzt in der Tat besser zu wissen, als alle anderen. Wenn du nicht zufällig zertifizierter Hauptkomissar der Rollenspielpolizei bist, die hier gerade im Forum begründet wurde, wirst du es schwer haben, diese Position allzu lange zu halten ;)
« Letzte Änderung: 28.09.2012 | 20:49 von Deck Warden »

Offline Bad Horse

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Nee, schlichte im Sinne von genügsame, anspruchslose, Spieler sind eher die Zielgruppe für anspruchslosere Systeme.

Einfach ist ungleich anspruchslos.

Anders gesagt: Der Anspruch an eine Runde korreliert meiner Erfahrung nach nicht mit der Komplexität des verwendeten Regelwerks.
« Letzte Änderung: 28.09.2012 | 20:50 von Bad Horse »
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Shield Warden

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Einfach ist ungleich anspruchslos.

Anders gesagt: Der Anspruch an eine Runde korreliert meiner Erfahrung nach nicht mit der Komplexität des verwendeten Regelwerks.


Sehe ich auch so. In Anbetracht der Tatsache, dass man auch völlig ohne (kommerzielles) Regelwerk anspruchsvolles Spiel hinbekommt ist es sowieso schwierig, sich vorzustellen, dass das allzu viel mit den bereitgestellten Materialien zu tun hat. Hier wurde ja schon mehrmals gesagt, dass gerade die Fähigkeit, aus wenig durch Eigenarbeit viel zu machen ebenfalls angerechnet werden muss.

Offline sir_paul

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Es gibt Personen die benötigen einen Taschenrechner und ein Geodreieck um das Haus vom Nikolaus zu zeichnen, andere können nur mit einem Blatt Papier und einem Wachsmaler ein ausdrucksstarkes Gemälde zaubern.

Dann gibt es welche die mit jedem Werkzeug gut umgehen können, andere mit keinem!

Die Qualität eines Ergebnisses hängt nicht hauptsächlich vom Werkzeug sondern von den Personen ab die daran mitwirkten.

El God

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Was die Größe des Werkzeugkastens angeht: Ich habe mehr Respekt vor MacGyver als vor Tim Taylor.

Offline sir_paul

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@Dark Father:
Sagt ja keiner was gegen, aber wenn ich mich entscheide nur mit Bleistift zu zeichnen bedeutet das halt nicht das man Werk oberflächlich, plakativ und ohne Anspruch geschaffen wurde.

Wenn ich später dann auf Ölfarben, 2 Dutzend Pinsel, etc. zurückgreife weil ich darauf Lust habe ist das O.K. Die Werke werden auch anders sein, habe aber nicht auf jeden Fall mehr Tiefe und befriedigen einen höheren Anspruch!

Und das sieht TB eindeutig anders!

Offline sir_paul

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Offline sir_paul

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Offline sir_paul

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Das auch ;)

El God

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Ich glaube, die allerallermeisten Spieler machen mindestens eine "Phase" durch, in der sie sehr detaillierte Spiele spielen. Je nachdem, wie ihnen das liegt, machen sie das weiter und tauchen in immer komplexere Settings/ Regelwerke ein oder es macht ihnen keinen Bock und sie suchen sich was anderes. Ich glaube, bei eurer Forderung nach Weiterentwicklung überseht ihr, dass die meisten Spiele schon eine ordentliche Reise quer durch die Regelwerke und Settings hinter sich haben. Es soll ja sogar Leute geben, denen umfangreiche Regelwerke oder Settings dem angestrebten Spielgefühl *im Wege stehen* - übertragen auf den Werkzeugkasten hieße dass, dass man ein 1000-teiliges Gerät hat, an dem man hundert Schrauben justieren und fünfzig Aufsätze montieren muss, ehe man die gleiche Aufgabe erledigen kann, die man tun könnte, hätte man ein simples Taschenmesser zur Hand. Haben wir die Werkzeug-Metapher langsam zu Tode geritten? Nein? Dann noch schnell ein polnisches Sprichwort zum Thema: Wenn du das Problem nicht mit Gewalt lösen kannst, brauchst du einen GRÖSSEREN Hammer.

Ich persönlich halte einen Spielstil für die Königsdisziplin, bei dem der SL on the fly mit Vorgaben der Spieler exakt das improvisiert, was die Geschichte, die am Entstehen ist, fördert, ohne sie allzu genau vorzugeben. Beim Improspiel ist die Gefahr des Railroadings gering, die Spieler haben definitiv einen signifikanten Einfluss auf die Geschichte und auch der SL kann vom Ergebnis der Runde wirklich überrascht werden. Für ein weitestgehend improvisiertes Spiel bedarf es einfach eines Regelwerks, dass man ziemlich vollständig im Kopf behalten kann und eines Settings, das nicht zu viele Details vorgibt, die man beim Improvisieren bedenken muss.
Dies ist natürlich meine ganz private Meinung und ich strebe danach, DIESEN speziellen Stil zu kultivieren und darin besser zu werden. Das bedarf zwar völlig anderer Voraussetzung als das, was z.B. Terrorbeagle für anspruchsvolles Rollenspiel hält, bedarf aber von Seiten der Spieler maximale Beteiligung und kreativen Input und einen extrem wachen, flexiblen und kreativen SL, der sich *schnell* auf neue Situationen einstellen kann und trotzdem die Übersicht über das, was bereits erspielt wurde, behält. Der Anspruch mag an anderer Stelle liegen als z.B. bei DSA oder Midgard oder wasweißich, LEUGNEN kann man ihn aber nicht. Wen man mir ins Gesicht sagte, dass dies ein anspruchsloser Stil für einfache Gemüter wäre, würde ich das als definitive BELEIDIGUNG empfinden.
« Letzte Änderung: 28.09.2012 | 22:11 von La Dolge Vita »

Offline sir_paul

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Ein schöner Post und wahrscheinlich wirklich besser als der Werkzeug Vergleich  :D

Also, volle Zustimmung!

Shield Warden

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Amen, La Dolge Vita.

 :d