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Worin besteht das Ziel Eurer Charakteroptimierung (Powergaming?)

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Archoangel:
@Klingenbrecher: Du beschreibst kein Powergaming, sondern Min/Max-ing. Wie bereits erwähnt gibt es da einen gewaltigen Unterschied. Das was du hier schreibst ist dann eher ein Munchkin.

Ein Powergamer ist zu hohem Anteil jedoch eher ein "Real Man", kann zudem auch ein "Real Roleplayer" sein und ist in der Regel (vor allem in einer Gruppe in der es quasi nur Powergamer gibt) der ideale Mitspieler.

Ich verstehe die öde und seltsame Debatte nicht, die da sagen möchte PG wäre etwas schlimmes am Spieltisch, was anderen den Spaß verderben würde und den Fluss des Rollenspiels stören täte ; nun bin ich ja ein reiner Spielleiter, d.h. meine Ausflüge in die Spielerwelt umfassen deutlich weniger als 5% meiner aktiven Rollenspielzeit und ich muss sagen: ich habe gerne PG-ler am Spieltisch. Zumindest immer dann, wenn ich epische Geschichten spiele und nicht Bauergaming betreibe. Aber selbst beim Bauergaming ist ein gesundes Maß an PG notwendig.

Nichts hasse ich als SL so sehr, wie Spieler, die unnötig ihre Charaktere verbauen. Ich möchte das mal an einem Beispiel festmachen: in einem AD&D-Oneshot vor gar nicht allzu langer Zeit, saß ein DSA-Flötenschlumpf mit am Tisch, der von seinem SL jahrelang die "Mär vom guten Rollenspieler" eingebläut bekommen hatte. Das war insofern für die DSA-Heimrunde sicher nicht schlimm ... wenn man sich immer nur den Schienen entlangbewegt und alle entscheidenden Ereignisse ohne zutun der Spieler ohnehin stattfinden ist es vermutlich ohenhin egal was auf dem eigenen Charakterbogen steht - solange man also ohnehin nur die Statistenrolle einnimmt kann man gerne ohne Konzept, aber mit stimmungsvollem Hintergrund spielen.
In einer AD&D-Sandbox ist das jedoch tödlich - nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Gruppe. Der Spieler wollte einen Barden spielen - warum auch nicht. Die Attribute waren (oneshot) vorgegeben (78 Punkte), die Verteilung jedoch nicht. Der Spieler nahm, trotz genauer Einführung was was bedeutete - seinen höchsten Wert (18) auf Weisheit, weil sein Barde ja ein weitgereister Kerl unglaublicher Lebenserfahrung sei. Weil er jedoch unbedingt ein guter Rollenspieler sein wolte nahm er sich zum Ausgleich eine grottenschlechte Konstitution (6) - der Charakter sollte kränklich sein und unter Fallsucht leiden. Auch die Stärke war eher schlecht (8), weil er eben schon als Kind unterernährt war und ihn damals deshalb ein weiser Barde in seine Obhut nahm. Zum Ausgleich war er unglaublich sympathisch (Charisma 17) - was ihm nur zu gute kam, schließlich lebte er von seinen Geschichten und seinem Gesangstalent. Abschließend gab er ihm eine gewisse Geschicklichkeit, die er ja zum Spielen der Instrumente bräuchte (14) und der Rest floss in seine Intelligenz (15) die seine hohe Bildung und weltmännische Erfahrung wiederspiegeln sollte. Seine Punkte für Diebesfertigkeiten gingen quasi aussschließlich in Sprachen lesen, da er den Rest für unpassend hielt. Seine gewählten Zauber passten zur Rolle: sie bewegten sich im Stil von "Bauchreden".
Rollenspielerisch eine beeindruckende Gestalt mit glaubhaftem Hintergrund, leicht pazifistisch veranlagt, ein guter Erzähler und sympathischer Zeitgenosse.
Spieltechnisch war er eine Katastrophe, die den Rest der Gruppe mehr behinderte, als das er etwas brachte. Er konnte nicht kämpfen (gewählte Waffenfertigkeiten: Dolch, Messer, Wanderstab), trug keine Rüstung (zu schwach - er wollte ja noch seine Instrumente schleppen), hatte keine HP (W6-2 pro Stufe) und konnte sich nicht verteidigen (AC 10). Nützliche Fähigkeiten hatte er nicht wirklich, sicher er konnte die Leute inspirieren - was er auch dauernd mit (viel zu langen) spannenden Geschichten tat und ab und an einen Zauber kreativ einbringen (auch mit Bauchreden kann man Monster ablenken) - unter dem Strich war er ein Minusgeschäft.

Für nicht AD&D-ler:
1. Weisheit ist für Priester sehr wichtig, da sich ihre Zaubersprüche pro tag dadurch erhöhen. Für alle anderen ist es zweitrangig ; brachte ihm einen +4 Bonus gegen geistesbeeinflussende Zauber, die es im oneshot gar nicht gab.

2. Charisma ist im klassischen AD&D DAS Dump-Stst, da es spieltechnisch quasi keinen Nutzen hat.

3. Attribute gewähren ab 15 einen Bonus und unter 9 einen Malus. Er hatte also Abzüge auf seine TP/LE, sowie seine Chance zu im Nahkampf zu treffen und Schaden zu verursachen. Mit 1W4-1 Schaden (Dolch) war also selbst eine Riesenratte eine echte Herausforderung!


Also nochmals: ich kann immer noch nicht erkennen, was am Powergaming schlecht oder falsch sein soll - im Gegenteil: der so genannte "Roleplayer"-Charakter, der PG komplett ablehnt und statt dessen (wobei ich nach wie vor auch nicht einsehen will, dass PG ein gutes Rollesnpiel ausschließen würde) eine "glaubhafte" Geschichte erarbeiten möchte, stört viel mehr, ist unnütz und bremst die Gruppe. Zumindest in spannenden Geschichten mit Kämpfen und relativ viel Würfelei - und für Geschichten ohne Kämpfe und Würfel benötige ich ohnehin keine Spielwerte.

... der Barde wurde nach zweieinhalb Stunden Spiel von einem Krokodil gefressen. Der ungläubige Blick des Spielers wird mir gewiss bis in den Sarg in Erinnerung bleiben.

... was weiter geschah: der Flötenschlumpf ist mittlerweile ein echter Powergamer geworden. Aktuell spielet er die übelste Kampfmaschiene in unserer Gruppe. Sein Rollenspiel und Hintergrund hat darunter nicht gelitten - er baut seine Charaktere nur viel effizienter. In seiner Hausgruppe hat sein neues Spielverhalten den SL an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht ... er zerstört durch seine neuen Konzepte und seine neue Initiative die Schienen sehr effektiv und hat seinen SL dadurch mehrfach genötigt seinen Plot spontan anpassen zu müssen. Da er zudem noch einen ordentlichen Packen "Ruleslawyer" abbekommen hat muss sein SL jetzt auch noch DSA ohne Handwedeln leiten.

Samael:
Ich würde jetzt nicht jeden, der seinen Charakter so baut, dass er auch seine vorgesehene Rolle im Spiel auch effektiv ausfüllen kann als "Powergamer" bezeichnen. Offenbar gehen hier die Begrifflichkeiten bzw. die Vorstellungen der Diskussionsteilnehmer was der eine oder andere Terminus bedeutet stark auseinander.

In meinen Augen ist nicht derjenige, der einen effektiven Kämpfer spielt ein "Powergamer", sondern der der ständig auf der Suche nach dem besten/effektivsten Kämpfer ist, den das System zulässt. Dabei werden Hintergrundsetzungen und "flavour" gerne ignoriert bzw. umgedeutet / "reflufft" (ein Punkt wo das Spiel m. E. bereits leidet).

In den Vordergrund rücken dann auch gerne mal das möglichst schnelle und gnadenlose mechanische Wegfegen / Wegwürfeln der Opposition, anstelle umsichtigen und klugen Vorgehens unter Zuhilfenahme all der anderen tollen Möglichkeiten zur Hindernisbeseitigung, die das Spiel so bietet.

Rhylthar:

--- Zitat ---In meinen Augen ist nicht derjenige, der einen effektiven Kämpfer spielt ein "Powergamer", sondern der der ständig auf der Suche nach dem besten/effektivsten Kämpfer ist, den das System zulässt.
--- Ende Zitat ---
Wenn ich also, bezogen auf 3.5, den "Jack-of-All-Trades"-Rogue mit vielen Skillpunkten und gemaxten Skills wie z. B. Use Magic Device, etc. nehme, bin ich kein Powergamer?

Arldwulf:

--- Zitat von: Samael am 14.02.2015 | 11:12 ---Ich würde jetzt nicht jeden, der seinen Charakter so baut, dass er auch seine vorgesehene Rolle im Spiel ausfüllen kann als "Powergamer" bezeichnen.



--- Ende Zitat ---

Das nicht, doch rein definitionsgemäß wäre es wohl jeder der versucht dies möglichst gut zu tun.

Was eigentlich schon aufzeigt, das Powergaming durchaus etwas gutes sein kann, und in den meisten Fällen auch ist. Ich finde Archos Geschichte oben dafür recht eindrucksvoll, denn wenn man ehrlich ist betreibt der total weise, weltmännische, aber in allen Abenteuerdingen ungeübte Barde ja kein gutes Rollenspiel wenn er sich in ein gefährliches Abenteuer stürzt. Man kann das natürlich nicht verallgemeinern, es gibt immer mal wieder gute Gründe für solche Charaktere sich sowas anzutun. In dem Fall klang es aber mehr nach "der SL wird mich schon beschützen", und dies stört eher die Glaubwürdigkeit des Charakters.

Charaktere fähig darzustellen ist wichtig, denn sie sollen in dem Abenteuer ja etwas bewirken. Es wird nur dann zu einem Problem wenn "fähig" sich auf sehr komplexe, oder sehr wenige Optionen beschränkt, welche die Zahl der gespielten Charaktere einschränken.

Oberkampf:

--- Zitat von: Nebula am 14.02.2015 | 10:46 ---Was haben Charakterwerte mit Charakterstory zu tun?

--- Ende Zitat ---

Das kommt, glaube ich, immer darauf an, wie man das Regelwerk nutzt.

Mal ganz ehrlich, so wie ich die meisten Runden erlebt habe, werden Regelwerke vor allem genutzt, um Kampfsituationen auszuspielen, also Verlauf und Ergebnis eines Kampfes zwischen Kleingruppen. Manchmal werden die Spielregeln noch bemüht, um eine Serie von Fertigkeitsproben mit unterschiedlichen Auswirkungen zu behandeln. Hin und wieder wird im Kontext einer Erzählsituation auf einen Skill gewürfelt, aber das empfinde ich meistens als völlig unnötig und das Ergebnis ist oft irrelevant.

Erschwerend kommt hinzu, dass es (immer noch) viele Regelwerke gibt, die gute Kampffertigkeiten mit schlechten Allgemeinfertigkeiten "balancen", indem z.B. beides aus dem selben Pool an Erschaffungspunkten bezahlt werden, oder Klassen so entworfen werden, dass Kämpferklassen den Skillklassen gegenüber stehen.

Fazit: Charakterwerte sind also primär für den Kampf interessant. Trotzdem gibt es massenweise Regelwerke, die Werte für allen möglichen Blödsinn außerhalb des Kampfes anbieten, in den zu investieren schlicht und einfach unökonomisch ist. Was der Charakter außerhalb des Kampfes kann und erlebt, wo er Erfolg hat und Misserfolg erleidet, ist von seinen Werten weitgehend unabhängig.

Möglichkeit 1 wäre, Nichtkampffähigkeiten tatsächlich konsequent in den Verlauf eines Abenteuers einzubeziehen. Dann würden die Charakterwerte auch tatsächlich etwas über die fortlaufende Abenteuerstory und damit die Charakterstory aussagen.

Möglichkeit 2 wäre es, Nichtkampfelemente stark, wenn möglich komplett, aus der Regelmechanik herauszuziehen. Dann wären die Charakterwerte bis auf die wenigen Kampfszenen vollkommen unabhängig von Abenteuerstorys.

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