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Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Oberkampf:
--- Zitat von: Boba Fett am 13.06.2015 | 13:54 ---"Besser" ist immer subjektiv.
Pen & Paper beherrscht vieles, auf das man bei D3 verzichten müsste...
Ich verstehe nicht' warum man immer nur beide Extreme hochhalten kann und es immer auf eine Einzelfunktion beschränken und es für die eigene Lieblingsfunktion exklusiv vereinnahmen möchte. (allein die Bezeichnung "Sprechspiel" schubst es doch genau so in eine Schublade, wie der genauso Begriff "Tabletop-RPG"). Warum wird nicht erkannt und vor allem nicht anerkannt, dass das grandiose am Rollenspiel ist, dass es unglaublich viele Dinge parallel erlaubt.
--- Ende Zitat ---
Die "Sprechspiel"-Tradition ist eben im deutschsprachigen Raum stark ausgeprägt, da Rollenspiele bei uns populär wurden, als sie sich schon weit von ihrer Wargame-Vergangenheit gelöst hatten. Die DSA-Tradition ist es nunmal, Geschichte vor Spiel zu stellen. Trotzdem waren frühe DSA-Abenteuer noch mit einem starken SPIEL-Anteil versehen, der aber immer mehr in den Hintergrund rückte, obwohl das Regelsystem dazu immer umfangreicher und kleinteiliger, letzten Endes komplizierter und unübersichtlicher wurde. Was natürlich die Entwicklung weg vom Gesellschaftsspiel nochmal begünstigte.
--- Zitat von: Boba Fett am 13.06.2015 | 13:54 ---Meine Antwort nach der Zahl der notwendigen Mechanismen lautet daher: je nachdem, wie man Rollenspiel betreiben möchte...
--- Ende Zitat ---
Das kann man aber erst bestimmen, sobald man sich im Klaren darüber ist, ob man ein Spiel spielen will oder nicht. Für viele Leute ist Rollenspiel eben nur Improtheater und nur Geschichten erzählen. Wenn man aber bereits die Frage stellt, welche Mechanismen Rollenspiel braucht, dann ist doch die Grundvoraussetzung, dass es irgendwelche Bereiche gibt, die man persönlich nicht durch Improtheater und Erzählkunst geklärt haben will.
Aber sind das wirklich Bereiche alltäglicher Tätigkeiten, selbst wenn sie "abenteuerlich" erscheinen?
Das ist meiner Ansicht nach das Problem an der "Würfel + Fertigkeitswert gegen Schwierigkeitsgrad"-These: Wer sagt denn, dass irgendwelche Proben der Aspekt sind, der mit den Mitteln des Spiels geklärt werden muss? Noch dazu mit diesen Mitteln? Ich kann mir ein Spiel vorstellen, wo es weder Attribute noch Fertigkeiten gibt, sondern willkürliche Kampfwerte - weil Kampf oft das einzige ist, was mit Spielmechanismen geklärt wird. Vielleicht wäre das sogar näher am praktischen Spiel vieler Gruppen als irgendwelche Systeme mit differenzierten Werten für alle möglichen Tätigkeiten, deren Handhabung im Spiel nach dramaturgischen Gesichtspunkten entschieden wird.
Die Frage, welche Mechanismen ein Rollenspiel wirklich braucht, würde ich im Augenblick - für mich! - so beantworten: Mechanismen für ein flottes, übersichtliches und alle Spieler (inkl. SL) integrierendes, damit auch ein balanciertes Kampfsystem. Ich habe nichts dagegen, mehr als nur Kämpfe am Tisch auszuspielen (= mit Mitteln eines Brettspiels zu behandeln), aber weniger Spiel will ich nicht haben, ohne dass für mich der Charakter eines Rollenspiels verloren geht.
Oberkampf:
--- Zitat von: Nørdmännchen am 13.06.2015 | 14:03 ---
Eine These, die seit mindestens 15 Jahren von diversen Stellen bestritten wird - meines Erachtens mit durchaus starken Argumenten. Überhaupt sehe ich persönlich die Antonymie zwischen Erzählen und Spielen (im Sinne von "Game") gar nicht. Vielmehr kann der spielerische Aspekt ein symbiotisches Verhältnis zur erzählerischen Komponente einnehmen. Spannung und Stringenz sind sowohl dramaturgische als auch gamistische Ansprüche und Regeln können im Sinne der Spontanität sehr produktiven Creative Constraint führen.
--- Ende Zitat ---
Das sind Ansätze aus einer oder mehrerer der Gegenbewegungen, die den Spiel-Aspekt mit dem Impro-Theater und der Erzählkunst wieder unter einen Hut bringen wollen, um die Gesamtheit Rollenspiel zu erhalten. Und natürlich funktioniert das, denn sowenig die ersten Rollenspiele reine Brettspiele waren, selbst wenn sie aus dem Wargames-Lager kamen, so wenig sind Erzählspiele reines Geschichtenerzählen, so sehr sie den GAME-Bereich auch kleinreden wollen.
Das Problem ist allerdings, dass man sich auf Spielmechanismen (GAME) einlassen muss, damit sie Erzählen begünstigen. Und das ist ein Bruch mit der Tradition, die beide Mechanismen gegenüber stellt.
Bad Horse:
--- Zitat von: Huntress am 13.06.2015 | 14:48 ---Das Problem ist allerdings, dass man sich auf Spielmechanismen (GAME) einlassen muss, damit sie Erzählen begünstigen. Und das ist ein Bruch mit der Tradition, die beide Mechanismen gegenüber stellt.
--- Ende Zitat ---
Sehr schön gesagt. Ich würde meinen, Rollenspiel entsteht irgendwo in dem Spannungsfeld zwischen Improtheater und Tabletop/Brettspiel. Einzelne Spielvorlieben finden sich dann an einem Punkt zwischen beidem wieder - es werden spielerische Elemente eingebracht, aber welche das sind, ist auch nicht gleichförmig. Zufallselemente sind sehr beliebt (wir benutzen für unser Hühnerspiel eigentlich nur Entscheidungskarten), aber keine notwendige Bedingung. Das Marvel-Superhelden-Ding mit den Pöppeln verwendet keine Zufallselemente. Das verwendet dafür taktische Verteilung von Ressourcen.
Ich sage mal: Rollenspiel braucht eine Mechanik, die die Erzählung weiterbringt, indem sie hilft, Situationen mit unklarem Ausgang aufzulösen. Das kann jetzt die vorgeschlagene Mechanik sein, aber es gehen auch andere.
blut_und_glas:
--- Zitat von: Bad Horse am 13.06.2015 | 15:11 ---Ich würde meinen, Rollenspiel entsteht irgendwo in dem Spannungsfeld zwischen Improtheater und Tabletop/Brettspiel.
--- Ende Zitat ---
Kriegs- und Brettspiel zu einem gemeinsamen Pol zusammenzuziehen wird der Situation dabei aber in meinen Augen auch nicht wirklich gerecht. Zwar können wir versuchen das schlicht auf "viele Mechanismen" zu reduzieren (womit wir dann aus dem Improvisationstheater "wenige Mechanismen" machen), aber damit fassen wir dann eben auch ganz verschiedene Mechanismen hinter denen sich unterschiedliche Interessen und Absichten verbergen zusammen.
Persönlich würde ich da zumindest drei, eher vier verschiedene Gruppen sehen und auch das Spannungsfeld entsprechend mehrdimensional aufspannen - auf Wettbewerb/Herausforderung zielende Mechanismen (am ehesten "Brettspiel", wenn die Bezeichnung unbedingt fallen soll), solche, die primär dazu dienen sollen, etwas nachzustellen oder zu verstehen (beispielsweise historische "Kriegsspiele", die sich stärker auf das Nachspielen von Schlachten statt auf das Kräftemessen der Spieler konzentrieren), Mechanismen, die Basteleien unterlegen/ermöglichen (Erstellen von Armeelisten im Kriegsspiel, Deckbau in Sammelkartenspielen, Charakterbau im Rollenspiel) und dabei in Wechselwirkung mit weniger "planerischen" Aktivitäten stehen (Miniaturen bemalen, Karten tauschen, Kerkerkarten zeichnen), und als vierte Gruppe Mechanismen, die den Spielern einfach nur etwas zu tun geben sollen (Hintergrundrauschen/Einwürfe, um das Gespräch/die Handlung/Interaktion am Laufen zu halten, vergleichbar mit Partyspielen).
Das alles miteinander in einen Topf zu werfen und als monolithischen Gegenpol zum "Improvisationstheater" darzustellen greift in meinen Augen einfach zu kurz.
mfG
jdw
Tyloniakles:
Wird hier der Begriff "Tabletop Roleplaying Game" mal wieder falsch verstanden? Der bezeichnet ja einfach nur ein Rollenspiel, das am Tisch gespielt wird, also ein Synonym von "Pen & Paper RPG".
Es gibt ja nicht nur schwarz-weiß "reines regelfreies Erzählspiel" und "verregelter Simulationismus/Brettspiel", sondern gerade der Mittelweg trifft oft den sweet spot. Was zählt ist eben oft das Spielgefühl, das das Gesamtsystem (nicht nur der Kernmechanismus!) erzeugt. System matters!
Die Betrachtung des Threaderstellers ist mir zu eindimensional. Wo er aber recht hat, ist, dass mehr Subsysteme bei weitem nicht gleich besser ist.
Es gibt definitv Rollenspiele, deren Subsysteme sinnvoll sind. Und ich meine nicht nur Gummipunkte und Lebenspunkte o.ä.
Der Probemechanismus ist sowieso oft nur ein Puzzlestück, aber es können auch andere Teile eines Systems tragend sein und das Spielgefühl stark prägen.
Erzählrechte, Spielfluss/Szenenzuschnitt, Beziehungsregeln, Motivationen, XP, Belohnungen, Regeln zu bestimmten Handlungen, Ausrüstungsregeln, Tod/Verletzungen ... all das und viel mehr kann auch durch Regeln bestimmt oder angeregt werden. Auch ohne dass es zu kompliziert wird.
Dem Threadersteller empfehle ich, sich mal mit modernen, progressiven Systemen auseinanderzusetzen. Apocalypse World/Dungeon World, Mutant Year Zero, auch Edge of the Empire beschreiten da andere Pfade.
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