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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Fredi der Elch am 2.04.2008 | 12:16

Titel: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 2.04.2008 | 12:16
Ich möchte mal für Abgründe im Rollenspiel plädieren. Für Abgründe und gegen "Das geht gar nicht", "das ist krank" und "DU bist krank". Ist mir einfach mal ein Bedürfnis.

Ich bin Erzählspieler. Ich möchte interessante Geschichten erzählen. Aber mehr noch, ich möchte alle Facetten des Menschseins beleuchten. Und dabei möchte ich nicht bei "Abenteuern" Schluss machen. Die sind eine mögliche Art von Geschichten, aber eben nicht alles.

Um es mal in Filmen zu sagen: Ich mögchte nicht nur "Stirb langsam" und "Herr der Ringe". Ich möchte auch "Vom Winde verweht", "Casablanca", "Panic Room", "Schindlers Liste", "City of God", "Falling Down" und "8 mm".

Ich will Protagonisten, die
- unschuldig sind und erwachsen werden
- das Richtige tun und Fehler machen
- von der Situation zum Äußersten getrieben werden
- schreckliche Dinge tun und diese bereuen - oder auch nicht
- irgedwie mit ihrem Leben fertig werden oder daran zerbrechen
- sich mit sich und ihren Problemen auseinandersetzen
- gute Argumente für ihre Grausamkeiten haben
- als Menschen beginnen und zu Monstern werden
- als Monster beginnen und sich ihre Menschlichkeit erkämpfen
- dabei grandios siegen oder grandios scheitern

Dazu gehört für mich auch, sich mit den Abgründen des Menschseins zu befassen. Wenn ich mich mit den Mitläufern der Nazizeit befassen will, muss ich mich mit den Gräueltaten befassen. Wie konnte ein liebender Familienvater jemals Menschen vergasen? Zur Beantwortung der Frage im Spiel muss ich mich mit den Abgründen befassen und die Spannung aushalten, die sich zwischen Abscheu und Verständnis aufbaut. Eben die Spannung, ein Mensch zu sein.

Und das Gleiche gilt auch für Ganggewalt, Geschlechterrollen und Sex, Liebe, Verrat, Folter für die Nationale Sicherheit, auf den Strich gehen, um das eigene Kind durchzubringen, ... Jede Menge menschlicher Themen. Unangenehme Themen. Und dennoch bringt es mir eine gewisse Befriedigung, mich mit diesen Themen zu befassen. Genau so, wie "Schindlers Liste" einem etwas gibt, auch wenn man danach nicht unbedingt zum Feiern aufgelegt ist.

Und wer das "krank" und "geschmacklos" findet, und mich "in seinem Hobby" nicht haben will, der sollte mal bei Shakespeare anfangen und sich langsam durch die Weltliteratur arbeiten. Da gibt es aus der Perspektive einige "entartete Kunst", die es sich zu verbrennen lohnt.


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EDIT:
So, der Thread ist wirklich lang und ausufernd geworden. Ich kann es keinem verübeln, wenn er das nicht alles lesen will. Also schreibe ich mein Fazit einfach auch hier hin. ;D Natürlich kann man gerne alles lesen um zu sehen, wie es dazu gekommen ist. Und mein Fazit dann auf Seite 6 lesen. :)

Ich wiederhole einfach mein Fazit:
Phantasie ist Phantasie. Und wenn die nichts mit der Realität zu tun hat (wie das beim Rollenspielen in mehr als 99,99% der Fälle gegeben ist), sind die Phantasien harmlos und schaden niemandem. Damit sind sie völlig in Ordnung, denn meine Ethik fußt darauf, dass nur das schlecht ist, was anderen schadet. Also, um es nochmal zu wiederholen:

Und damit mein Fazit zum Thema: Wenn jemand Vergewaltigungsphantasien im Rollenspiel auslebt, dann kann ich das eklig finden. Ich muss nicht mit ihm spielen wollen. Ich kann ihn auch unsympatisch finden. Whatever. Aber moralisch verurteilen darf ich ihn nicht. Denn damit macht man sich derselben Scheuklappenmentalität schuldig wie die BADD-Leute.

Und dann hänge ich noch ein schönes Medley von Vermi als Fazit dran (jaja, das hätten wir schon früher haben können...):

„Wenn Ihr etwas nicht versteht, dann muss es doch nicht auch gleich falsch sein.“

Der Punkt ist, dass es hier um Fiktion geht. Eine Phantasie ist niemals unrecht, solange der Mensch, der diese Phantasie hat, sich von ihr nicht verleiten lässt, die moralischen Maßstäbe seines realen Handelns zu verschieben. Die Gedanken sind frei.

Das Darstellen und Rezipieren solcher Phantasien, die als solche niemals Unrecht sein können, kann nach meinem moralischen Verständnis seierseits nur Unrecht sein, wenn andere Menschen dadurch in einem schützenswerten Gut beeinträchtigt werden. Das ist nun wiederum im Einzelfall äußerst differenziert zu betrachten.

Ich denke einfach, man sollte ehrlich urteilen, statt zu verurteilen, und man sollte sich hüten, am Maßstab einer willkürlich festgelegten Sittlichkeit zu messen, die letztlich Ausdruck einer verlogenen Doppelmoral ist, statt an echten, reflektierten Maßstäben von Anstand und Moral. Man sollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen und nichts unterstellen, sondern nachfragen. Man sollte nicht verallgemeinern und es sich nicht zu einfach machen, sondern differenziert betrachten - oder eben zugeben, dass man sich kein Urteil erlauben kann.

Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Tantalos am 2.04.2008 | 12:19
Aber es muss für Dich auch ok sein, wenn Dir ein Mitspieler sagt: "Ich möchte mich nicht beim Rollenspiel mit Folter, Vergewaltigung und Massenvernichtung auseinander setzen."
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 2.04.2008 | 12:24
Aber es muss für Dich auch ok sein, wenn Dir ein Mitspieler sagt: "Ich möchte mich nicht beim Rollenspiel mit Folter, Vergewaltigung und Massenvernichtung auseinander setzen."
Das ist natürlich klar. Ich gehe hier davon aus, dass a) alle Spieler volljährig sind und b) sie in der Lage sind zu sagen, wenn etwas ihnen zu viel wird. Und dann wird natürlich gestoppt und entweder ganz was anderes gemacht oder etwas abgeschwächt oder einfach nicht detailliert erzählt oder... So halt.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Wawoozle am 2.04.2008 | 12:33
 :d
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Joerg.D am 2.04.2008 | 12:39
Fredi hat nirgendwo geschrieben, das es nicht für ihn OK ist, wenn Leute anders sind. Das steht hier auch gar nicht zur Debatte.

Er erläutert, warum er solche Spiele mag und was ihn an der Thematik faziniert. Er gibt Beispiele, was für erfolgreiche Filme sich mit den Thematiken befassen und was für Klassiker im Buchhandel das ebenfalls machen.

Es ist wie mit den Filmen und Büchern:
Wenn man sie nicht mag soll man nicht reingehen. Aber jemanden zu verurteilen, der es macht, das ist nicht unbedingt die feine Art.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Boni am 2.04.2008 | 12:40
:d

Full Ack!
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 2.04.2008 | 12:41
Ist das hier der Tanelorn Redemption Thread?

Auf jeden Fall hat Fredi recht. Und Jörg auch.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Enkidi Li Halan (N.A.) am 2.04.2008 | 12:42
Ich sehe das wie der Elch, aber auch wie J:Jack.
Diese Art des Spielens ist anstrengend, sehr anstrengend, aber es gibt einem auch viel. Genug um zu rechtfertigen, dass man in den Abgrund blickt.

Kraftvolle Geschichten drehen sich um Menschen in all ihren Facetten, sei es nun im Film, in der Literatur oder im Theater. Und natürlich will ich das auch im Rollenspiel. Allerdings muss ich dazu sagen, dass es bei mir extrem darauf ankommt, in welcher Stimmung ich bin und mit welchen Mitspielern ich es zu tun habe. Bestimmte Tiefen kann man nur mit bestimmten Menschen ausloten.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Joe Dizzy am 2.04.2008 | 12:43
Ein packendes Rollenspielerlebnis bedeutet für viele Leute, dass sie über ihre Verbindung zum eigenen Charakter gepackt werden. Was der Charakter erlebt, erleidet und tut; wird durch den Spieler mit-erlebt, mit-erleidet und mit-getan.

Man kann jedoch auch sehr packendes Rollenspiel erleben, weil das Gesamtbild einen mitnimmt. Man kann es Setting, Story oder Fiktion nennen. Es muss nicht immer die Kopplung an den Gemütszustand des Charakters sein, die einen mitreißt. Wenn man daran Gefallen findet, dann spricht wenig dagegen sich Situationen und Inhalte zu bedienen, die nicht bequem und angenehm sind.

Dass jedoch gerade dieser Punkt schon mal wie das Rollenspiel-äquivalent zum Torture-Porn in Filmen wie Saw oder Hostel verstanden wird, ist ein Problem dass sowohl in der Darstellung durch diese Rollenspieler als auch in der engstirnigen, moralischen Entrüstung ihrer Kritiker liegt.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Tantalos am 2.04.2008 | 12:46
Ist das hier der Tanelorn Redemption Thread?

Könntest Du diese Aussage mal näher erläutern? Ihr Sinn entzieht sich mir.

Zitat
Dass jedoch gerade dieser Punkt schon mal wie das Rollenspiel-äquivalent zum Torture-Porn in Filmen wie Saw oder Hostel verstanden wird, ist ein Problem dass sowohl in der Darstellung durch diese Rollenspieler als auch in der engstirnigen, moralischen Entrüstung ihrer Kritiker liegt.
Die Frage stellt sich, ob man sich mit der Thematik beschäftigt, sozusagen mal die Seiten beleuchtet und auch mal über den Tellerand blickt oder nur in der Qual anderer wälzt und sich darin erfreut. Sprich, ob man sich damit auseinandersetzt oder daran ergötzt
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Wolf Sturmklinge am 2.04.2008 | 13:00
Fredi:
Ist es dabei egal ob Du diese Dinge als Spieler machst oder als SL?

Als Spieler käme es mir nicht in den Sinn zu Vergewaltigen, Kinder zu verletzen oder ähnliches. Ich bin kein Friedensbringer und habe meine Mitmenschen hin und wieder übel zugerichtet, aber in meinen Augen war ich da immer auf der richtigen Seite. Und so handhabe ich es als Spieler, ich spiele entweder Helden oder halbböse Schurken, die aber immer noch Skrupel haben.

Als SL habe ich diese Skrupel nicht, wobei ich auch hier auf Vergewaltigungs-Szenen und Kindesmisshandlung nur beiläufig eingehen würde und es nur als besonders grausiges Stilmittel einsetzen würde.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Vash the stampede am 2.04.2008 | 13:14
...
Als Spieler käme es mir nicht in den Sinn zu Vergewaltigen, Kinder zu verletzen oder ähnliches. Ich bin kein Friedensbringer und habe meine Mitmenschen hin und wieder übel zugerichtet, aber in meinen Augen war ich da immer auf der richtigen Seite. Und so handhabe ich es als Spieler, ich spiele entweder Helden oder halbböse Schurken, die aber immer noch Skrupel haben.
...

Auf der richtigen Seite. Und wer definiert die?

Ansonsten stimme ich Fredi zu. Und Jörg. Und Kathy. Und J:Jack. :d
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 2.04.2008 | 13:17
Ich habe für mich Grenzen, die ich nicht überschreiten will. Moralisch ambivalente Charaktere sind ok. Charaktere mit dem Standpunkt "der Zweck heiligt die Mittel" sind ok. Charaktere für die das Mittel zum Selbstzweck gerät nicht.

Meines Erachtens lassen sich moralische Dilemmata auch darstellen, ohne dass man als Spieler zum Äußersten greift.

Natürlich dürfen andere Spieler das anders sehen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Tom am 2.04.2008 | 13:20
Fredi wenn Du jetzt noch in München wohnen würdest, hättest Du einen Mitspieler mehr.  >;D
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Preacher am 2.04.2008 | 13:25
Meines Erachtens lassen sich moralische Dilemmata auch darstellen, ohne dass man als Spieler zum Äußersten greift.
Es kommt eben drauf an, was für eine Art von Kampagne (oder im falle von PtA: Serie) Du spielst.

Und wenn alle Charaktere Gangmitglieder in einer Favela in Rio De Janeiro sind, dann kommen eben harte Situationen dabei raus.
Für so jemanden ist es eben kein moralisches Dilemma, ob man einen reichen Touristen beklaut - das gehört wahrscheinlich sogar zum guten Ton. Um da in ein moralisches Dilemma zu geraten, sind schon schwerere Gecshütze erforderlich.

Wenn man kein Spiel mit einer derartig "harten" Thematik betreiben will, ist das natürlich verständlich.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 2.04.2008 | 13:33
Ich gebe an der Stelle zu, dass "das Äußerste" sich für jeden anders definiert ist und deshalb als Begriff hier nicht taucht. :)

Wahrscheinlich sind Grausamkeit gegen Unschuldige und Vergewaltigungen das einzige, das für mich wirklich jenseits der Grenze ist. Um das rauszufinden, müsste ich die Grenzen aber erstmal ausloten. >;D
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 2.04.2008 | 13:38
Ja, wenn alle Erwachsen (und das auch Geistig ) sind kann ich Fredi nichts als Zustimmen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 2.04.2008 | 13:41
JJ: Nach der peinlichen Implosion der Frauen/Männer und Verbieten Threads ist dieser hier hoffentlich auch weiterhin sinnstiftend.

Und ganz klar: Die Abgründe der Menschlichkeit kann ich nur mit Leuten ausloten, die mich dabei halten. Schließlich will ich nur einen Blick reinwerfen in diesen Abgrund, mich nicht reinbegeben.

Crimson KING: Diese Grenzen werden in bestimmten Spielen als "Lines & Veils" (Grenzen und Schleiern) bezeichnet, zum Beispiel bei der Shab Al-Hiri Schabe: Man legt fest, was nicht vorkommen soll (lines) und was nicht ausgespielt werden soll (veils). Das gehört gerade bei "abgründigen" Spielen zur Vorbereitung, und ist genauso wichtig wie z.B. die Charaktererschaffung. (Und im Zweifelsfall sind sie auch von Spielabend zu Spielabend anpassbar).
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 2.04.2008 | 13:43
Gibt es da Links zum einlesen?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: wjassula am 2.04.2008 | 13:49
Ist ja voll öde, dass hier alle nur zustimmen. Ich mach mal den hier:  :gasmaskerly:.

1. Fredi, du willst dich doch hier nur als Künschtler aufspielen, gib´s zu. Nur Spaß haben beim Rollenspiel geht natürlich nicht, man muss sich voll tiefgründig als Große-Themen-Behandler inszenieren, damit man sich von den Dungeoncrawlern abgrenzt. Wenn man dann noch doller Rollenspiel-Autor is, kann man gleich noch sein Indie-Spiel bewerben, weil´s total tiefsinnig ist. Rollenspiele für echte Kerle fordern aber klare Leistung und nicht son Hirnwichs. Du bist Deutschland, Alter - von Sozpäds beherrscht, von Leistungsverweigerern und Elitefeinden zerlabert. Du musst endlich erwachen!

2. Wie abgestumpft und verkommen muss man eintlich sein, hömma, dass einem nix mehr Spaß macht als Kinder vergewaltigen und Leichen schänden? Du tust doch nur so, als ginge es dir um ganz wichtige Behandlung - eigentlich findest du´s doch geil, gibs zu. Du kranke Sau.

3. Mein gesundes Volksempfinden schreit da auf. Sowas ist doch krank. Und überhaupt, wir müssen doch dringend mehr 14jährige für die Bewegung, äh - das Hobby, begeistern. Was, wenn das die Eltern mitkriegen, mit den Favela-Kindernutten und so? Rollenspiel hat eh schon schlechte Presse, und dabei wollen wir doch ein Teil des Gesellschaft sein, menno. Wir sollten lieber angekettete Babes von Orks besabbern lassen, während im Hintergrund Drachen Feuer speien. Das hält die Mehrheit für normal - verdammt, das IST normal. Unser schönes Hoby soll sauberer werden.

Jetzt fällt dir nix mehr ein, ne?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 14:02
Und wer das "krank" und "geschmacklos" findet, und mich "in seinem Hobby" nicht haben will, der sollte mal bei Shakespeare anfangen und sich langsam durch die Weltliteratur arbeiten. Da gibt es aus der Perspektive einige "entartete Kunst", die es sich zu verbrennen lohnt.

Hier gehen einige Dinge zusammen, die man unterscheiden kann und mMn auch unterscheiden sollte. Jemanden von etwas auszuschließen oder Verbote auszusprechen halte ich grundsätzlich für problematisch. (Was nicht ausschließt, dass man im Einzelfall gute Argumente für ein Verbot vorbringen kann.) Aber das hindert mich nicht daran, manche Filme, Romane, Performances etc. geschmacklos zu finden.

Ansonsten gehöre ich zu den Weicheiern, denen ausgedehnte und ins Detail gehende Folter-, Vergewaltigungs-, Missbrauchsszenen etc. zu sehr aufs Gemüt schlagen. Das ist schon in Filmen so. Beim Rollenspiel lege ich da auch keinen Wert drauf. Für mich wäre also weniger die Frage, ob die Abgründe thematisch werden, sondern wie sie es werden. Den Hinweis auf Spiele, die genau dies vorweg klären, nehme ich dankbar auf und werde mich beizeiten fortbilden.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 2.04.2008 | 14:06
Ha, da würde ich ja meinen Ruf als Theorie-Hansel stärken.

"Lines and Veils" kommt tatsächlich aus Ron Edwards' (ha!) Sex and Sorcerer – ist also schon alt. Tatsächlich ist es nicht mehr als die Diskussion, was man im Spiel nicht haben und nicht sehen will. Ist gar keine Magie, für die man lustige Abkürzungen kennen muß.

Zu intensivem/abründigem Spiel such doch mal nach "I will not abandon you" und "nobody gets hurt" – das war Anfang 2006 oder so, leider nicht schön gebündelt, weil post-forge-Theorie. Ein kurzer Überblick hier (http://www.fairgame-rpgs.com/comment.php?entry=32). Und dann gibts noch Überlegungen zu dangerous play (http://games.spaceanddeath.com/yudhishthirasdice/71). Vielleicht sind auch Dieser Artikel über Intimität (http://games.spaceanddeath.com/sin_aesthetics/57) und dieser Artikel (http://games.spaceanddeath.com/sin_aesthetics/43) interessant.

Hab ich jetzt nach Georgios keine eigene Meinung, die aber jeder hören soll?
 
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 2.04.2008 | 14:07
Jasper: 4 von 5 Punkten für den Stil, aber Du hast das magische Wort "Speiseröhre" vergessen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dirk am 2.04.2008 | 14:09
Das mit den "Lines" und "Veils" stammt, oder ist zumindest dort zum ersten mal richtig vollständig erläutert, aus Ron Edwards "Sex and Sorcery". Nur damit keine Missverständnisse aufkommen und alle interessierten Leute plötzlich in der Schabe (Shab-al-hiri-Roach) nachschauen und dann dort nicht ausreichend informiert werden...

Ansonsten: ein open disclaimer dem ich hundertprozentig zustimme!

MfG
Dirk

edit: crosspost mit oliof
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 2.04.2008 | 14:12
Und hier ein RPG Net (http://www.rpg.net/news+reviews/columns/edit13feb04.html)-Artikel, der auch nochmal auf lines & veils aus Sex and Sorcerer eingeht. Da gehts zwar nur um Geschlechterrollen und Geschlechtsleben (ha!), aber auf andere Themen läßt sich das problemlos übertragen.

EDIT: Der Titel Sex & Sorcery ist übrigens, wie der unsterbliche Hetzer es gesagt hat, Etikettenschwindel: Darum geht es mehr um Geschlechterrollen als um Sex – letzterer ist dann nur konsequenterweise auch Bestandteil der Betrachtung.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Skyrock am 2.04.2008 | 15:01
Es ist weniger eine Frage der Themen, es ist mehr eine Frage der Behandlung dieser Themen.
Ich bin ja mehr der spießige, krachlederne und katholisch erzogene Abenteuerrollenspieler, der auf dem Schützenfest mit anderen Schnurrbartträgern über den Sittenverfall der langhaarigen Bombenleger lästert (wenn er nicht in einem anderen Webforum unter der alten Karte Preußens neben "Wir woll'n unser'n Kaiser Willi wieder ham!"- Anflehungen ähnliches tut)[1], aber als jemand der SR und CP2020 gespielt hat mangelt es mir nicht an rollenspielerischer Erfahrung mit den Abgründen.
Beispiele:
- Drogensucht (auch auf SC-Seite)
- gegen ihren Willen auf Sexsucht verchippte Frauen (auch auf SC-Seite)
- dto., aber auch gegen ihren Willen nach dem Wunschbild des Besitzers umoperiert (auch auf SC-Seite)
- Terroranschläge mit Kollateralschaden (ja, mit der für den Mafiaboss bestimmten Bombe ebenfalls hochgejagte Kinder, natürlich von SC-Seite)
- häusliche Gewalt
- Bandengewalt
- Freisetzen von Designerseuchen, für die das schweineteure Heilmittel schon fertig entwickelt im Schrank lag
- Folter von Geiseln, um Informationen zu gewinnen, und ihre anschließende Ermordung ("Wir wollen keine Zeugen")

Natürlich kamen diese Elemente nicht rein wegen "dem künstlerischen Anspruch" oder "weil es eine rollenspielerische Herausforderung wäre sich damit auseinanderzusetzen" (ich würde mir selbst in die Tasche lügen wenn ich das behaupten würde), ich möcht mich jetzt auch nicht darin aalen wie "erwachsen", "künstlerisch wertvoll" oder "dark" alles gewesen wäre, aber eine Sache ist da doch die mich davon abhält mich selbst aus dem Hobby zu Kicken: Das alles war immer nur Mittel zum Zweck. Beispielsweise als Abenteueraufhänger, oder einfach als Konsequenz aus Spielerhandlungen ("Lasse ich die unschuldige Geisel unbeschadet gehen und riskiere dafür auf einem Steckbrief zu landen, oder pfeife ich auf alle Moral und foltere sie tot?")
Nie wurde es ins Spotlight gehoben, nie wurde ins pornographische Detail gegangen, und ich habe mich auf SL-Seite immer bemüht herauszustellen dass das was passiert eine gräßliche Sache ist. (Ich würde lügen wenn ich sagen würde dass es keine Metaebenen-Witze zu den Themen gab - meine Runden sind immer eher locker und zurückgelehnt, und wir nehmen nichts allzu ernst - aber es war definitiv kein infantiles Aalen in der Makaberheit dabei.)


Bei Lumpley-Poison'd mag das ähnlich gewesen sein (was die Stellung der Abgründe anging, nicht den Anspruch).
Bei RPGnet-Poison'd würde ich mir hingegen besser alle Apologetik verkneifen, denn da klingt richtig das "hihihi, und dann, hihihi, nehme ich die rotglühende Zange und, hihihi, kastriere ihn" durch.

Was die Ponyrunde angeht: Da weiß ich zu wenig darüber und kann darum nicht sagen welche Stellung der Verkauf der kleinen Schwester hatte. Da müsste ich aufgeklärt werden.


[1] Fehlt noch ein Klischee?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 15:22
Fredi, du hast natürlich Recht, aber das Traurige ist eben, dass man sich im öffentlichen Bereich des Internets nicht vor Heuchelei, Ignoranz, Infantilität und Missverständnissen schützen kann. Davor sollte man gewarnt sein, ehe man sich öffentlich zu seinen abgründigen Spielinhalten bekennt. Das Dilemma ist ja, dass wir unsere Art zu spielen bewerben und verbreiten wollen, und das geht nur öffentlich. Andererseits habe ich es aber auch satt, nachts wachzuliegen, weil irgendwas das irgendein trauriger Wichser online über mich oder meine Freunde geschrieben hat mich wieder mal so wütend macht, dass ich nicht schlafen kann und ich mich dann mit einer hitzköpfigen Erwiderung nachts um drei um Kopf und Kragen rede. Mal davon abgesehen, dass man manchmal durch Offenheit genau das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 15:29
Du tust doch nur so, als ginge es dir um ganz wichtige Behandlung - eigentlich findest du´s doch geil, gibs zu. Du kranke Sau.
Dieses wunderbare Zitat bringt es doch auf den Punkt. ;)
Die Befürchtung ist einfach da, dass man eben nicht nur in den Abgrund hinein Blicken will, wie oliof es sagte, sondern sich irgendwie hineinbegeben möchte. Also eben nicht eine Frage der Themen, sondern der Behandlung. Klar wenn man ganz genau hinsieht ist das wieder schwer zu unterscheiden und wenn man nur oberflächlich hinsieht mindestens genauso schwer.

Aber trotzdem es gibt diesen Unterschied und der bedeutet etwas. Bei pubertierenden Jungs als Spielern meinen wir die Gründe zu kennen warum Sex und Gewalt in deren Spielen vorkommen und wollen uns davon distanzieren. Ist das krank und pervers was die machen? In den meisten Fällen wahrscheinlich nicht, aber es ist eben nicht "erwachsen".

Wenn ich ein Spiel wie GTA spiele, dann freu ich mich, dass es eine Firma wie Rockstar gibt die Spiele für erwachsene macht in denen Kettensägen und Nutten vorkommen (eventueller Zusammenhang rein zufällig ;D ).
Trotzdem macht diese Firma auch ein Spiel wie Manhunt bei dem ich mich dann frage: HÄ?! "Snuff the Game" Gesellschaftskritik oder Wichsvorlage für Schulhof-Poser? Nebenbei ist das Spiel einfach schlecht.

Gewagte Themen verlangen also nach eine gewissen Qualität und einem gewissen Umgang. Da ist es eben wieder, der Anspruch und das "serious game", aber ohne den, oder zumindest die Distanzierung durch Pulp-Klischees, wird es einfach schwierig solche Themen "richtig" zu behandeln.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Charles Ward III am 2.04.2008 | 15:38
Ich kann mich diesem Thema so nicht anschließen.

Für mich sind Rollenspiele in erster Linie ein Spiel. Das heißt ganz klar, dass ich mit Bier, Bretzel und Freunden Spaß haben möchte und mich nicht mit der dunklen Seite der Menschheit beschäftigen will, dafür brauche ich nur Zeitung lesen und Nachrichten schauen.
Ich sehe ehrlich gesagt auch keinen Mehrwert darin mich mit solchen Sachen zu beschäftigen, da diese Art von Spiel den Menschen selbst nicht wirklich weiterbringt. Es ist nicht die Realität, ergo gibt es da auch nichts nachzuempfinden. Man sitzt nun einmal nicht im KZ und ist Häftling, sondern man sitzt an einen Tisch.
Deshalb empfinde ich solche Spiele höchstens als pseudointerlektuelle Sensationsgeilheit.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Falcon am 2.04.2008 | 15:39
uuuh, das wird er eigene Geschmack gleich auf Shakespearniveau gehoben. ungeschickt. Da werden sich die dummen Abenteuerspieler sicher bedanken.

davon ab gehören für mich aber alle genannten Stichpunkte zu einem spannenden Abenteuer (es müssen ja nicht immer alle gleichzeitig sein). Viele denken bei Abenteuer leider immer an Questen abklappern und XP einheimsen.
Und alle Punkte kommen ohne den Bodensatz des Menschseins aus, wobei ich kein Problem sehe dies auch einzubauen. Das geht auch mit Orks und Elfen. Müssen nicht immer Nazis und KZs sein. Bösewichter die einfach nur böse sind z.b. haben mir noch nie ausgereicht. Einfache Abenteuer spielen heisst nicht automatisch stumpfsinnig sein.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 15:40
Wie ich schon mal an anderer Stelle schrieb: Für den einen ist Death Metal Krach, für den anderen Musik. Für den einen sind Pornos ekelhaft, für den anderen sind sie ein normaler, nicht wegzudenkender Bestandteil seiner Sexualität. Für den einen ist Saw ein Meilenstein der Filmgeschichte, für den anderen der Niedergang der abendländischen Kultur. Für den einen ist Helge Schneider ein Genie, ...

Letztendlich geht es dabei, wie so oft, darum, andere Menschen zu respektieren. Schließlich reden wir hier nur darüber, was jemand unterhaltsam findet, und mehr eben auch nicht. Um es mit den Worten von Rosenstolz zu sagen:

„Wenn Ihr etwas nicht versteht, dann muss es doch nicht auch gleich falsch sein.“
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Falcon am 2.04.2008 | 15:43
hab mir die Posts der anderen jetzt nicht durchgelesen.
Falsch ist es sicher nicht was Fredi möchte. Was mich persönlich stört ist der Muff sich von den anderen abzuheben, der aus dem Post steigt. 

für mich ists ein ganz ordinärer Wunsch auch etwas tiefere Abgründe zu erspielen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 15:45
Eigentlich stellt es eher eine (späte) Reaktion auf Verunglimpfung andernorts dar...
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Preacher am 2.04.2008 | 15:50
Für mich sind Rollenspiele in erster Linie ein Spiel. Das heißt ganz klar, dass ich mit Bier, Bretzel und Freunden Spaß haben möchte und mich nicht mit der dunklen Seite der Menschheit beschäftigen will, dafür brauche ich nur Zeitung lesen und Nachrichten schauen.
Das ist doch völlig in Ordnung.

Ich sehe ehrlich gesagt auch keinen Mehrwert darin mich mit solchen Sachen zu beschäftigen, da diese Art von Spiel den Menschen selbst nicht wirklich weiterbringt. Es ist nicht die Realität, ergo gibt es da auch nichts nachzuempfinden. Man sitzt nun einmal nicht im KZ und ist Häftling, sondern man sitzt an einen Tisch.
Deshalb empfinde ich solche Spiele höchstens als pseudointerlektuelle Sensationsgeilheit.
Was ist denn mit Filmen, die sich mit besagten Abgründen beschäftigen, wie 8mm? Ist das auch pseudointellektuelle Sensationsgeilheit?

Das ist doch einfach eine Frage der Art von Geschichten, die man mit dem RSP erleben will. Wenn Du lieber Geschichten erleben willst, die, sagen wir mal "leichter verdaulich" (ohne Wertung, nur im Sinne von "nicht an die Abgründe gehend") sind, dann ist das doch völlig in Ordnung und nicht mehr und nicht weniger wert als die andere Art.

Die Wertung die Du anbringst ist, völlig daneben und unangebracht und geht darüber hinaus noch voll an der Intention vorbei. Setzen, sechs.


uuuh, das wird er eigene Geschmack gleich auf Shakespearniveau gehoben.
Es ging darum, daß man sich auch in den großen Dramen mit diesen Themen beschäftigt hat, nicht, daß die literarische Qualität des Spiels mit Shakespeare vergleichbar ist.

Aber mich hat es schon gewundert, wieso es so lange dauert, bis jemand diesen falschen Zusammenhang herstellt.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Falcon am 2.04.2008 | 15:53
@Vermi: ja, wie Georgies schon sagte.
Da ist zum einen die engstirnige moralische Entrüstung der Kritiker, die sofort an Torture Porn denken und die Vorstellung eben jener Abgrundrollenspieler, die meinen sie würden "tieferes" Rollenspiel betreiben.

Dabei sehe ich keine besondere Form des Rollenspiels wenn ich mir den Post angucke. Das kann doch so vielfältig sein und muss nicht immer gleich so werden, was im Allgemeinen als Geschmacklos oder zu hart gesehen wird. Das gehört für mich einfach ins Abenteuer. Belanglose Erwähnung.

Es sei denn Fredi besteht auf sein Torture-Porn ;)
Dann sag ich ganz klar, ist nicht mein Metier, würd ich nicht spielen aber können die Leute ja gerne machen.


OT:
Hendrik schrieb:
Zitat
Aber mich hat es schon gewundert, wieso es so lange dauert, bis jemand diesen falschen Zusammenhang herstellt.
Na, wenn du sagst, daß das falsch ist wird das wohl stimmen.
Was zählt ist eben was ankommt, nicht was gesagt wird. Ich lass das lieber für sich sprechen:
Zitat
Und wer das "krank" und "geschmacklos" findet, und mich "in seinem Hobby" nicht haben will, der sollte mal bei Shakespeare anfangen und sich langsam durch die Weltliteratur arbeiten.
Weltliteratur, ne ist klar. Bah. Ich hab schon versucht klar zu machen, daß auch Orks und Elfenspieler Elemente dieses EmoSpiels haben. Kein Grund tief in die Niveaukiste zu greifen und sich abzugrenzen.
Anders gesagt: Das muss nicht mehr Drama sein als übliche Rollenspielstile, man kann die Nähe also ruhig bei ihnen suchen. Merke, nicht nur Shakespear und Dramaspieler  beschäftigen sich damit. Jetzt verstanden?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 15:54
„Wenn Ihr etwas nicht versteht, dann muss es doch nicht auch gleich falsch sein.“
Muss nicht falsch sein kann aber. Das ist das Problem mit einem zu starken Relativismus. Und das kann man eben als zumindest grundsätzlich an Moral (im allgemeinen philosophischen Sinn) Glaubender nicht völlig außen vor lassen.
Klar, in Sachen Rollenspiel reden wir immer nur von Vorstellungen und Kommunikation in kleinen Gruppen. Dabei kann es zumindest in meinen Augen nahezu niemals etwas moralisch gesehen falsches geben, sondern höchstens ein Problem für den einzelnen selbst. Aber trotzdem kann man ja über andere urteilen. Darf man das nicht? Das Thema ist schwierig.

Es gibt ja auch noch Trennlinien zwischen tolerieren, nachvollziehen, verstehen, und befürworten.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Charles Ward III am 2.04.2008 | 15:59
Lieber Hendrik,

ich glaube wir müssen hier ganz klar zwischen dem Medium Film und dem Medium Rollenspiel unterscheiden und was man damit erreichen möchte. Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel. Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.

Ich werte diesen Spielstil nicht ab, ich halte ihn für Zeitverschwendung, da man das gleiche Ergebnis auch mit einmal Saw anschauen abhandeln kann, nur das man sich ja fürs Saw schauen schämen müsste, während hier das intellektuelle Rollenspiel, welches in meinen Augen ein Klischee ist, gerade chic ist.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Joerg.D am 2.04.2008 | 16:07
Aber mich hat es schon gewundert, wieso es so lange dauert, bis jemand diesen falschen Zusammenhang herstellt.

Weil Fredi sich dieses mal echt Mühe gegeben hat konstruktiv zu posten, ohne zu sticheln oder zu provozieren, wie er es sonst ganz gerne mal macht? Ich meine wer das falsch verstehen will, muss dazu schon echten Hirnschmalz aufbringen um solche Aussagen zu verbiegen. Oder einfach nicht dazu in der Lage sein zu lesen und zu verstehen wie mein Kumpel H aus Z in der S sagen würde.

Zitat
Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel. Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.

Richtig, die wollen Menschen in die Kinos locken um Gewinne zu machen. Das ganze Geschwafel von Politik ist doch Dumfug, da geht es um Profit. Und kitische Distanz? Ein Film der dich in einer Kritischen Distanz berührt ist fürn Arsch.
Wenn ich am Ende von Bravehard Rotz und Wasser heule, weil der Held des Filmes gefoltert wird, dann ist der Film gut.

Wenn er meine Emotionen anspricht, nicht weil er kritische Distanz bewahrt.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Grimnir am 2.04.2008 | 16:12
Mag ich das Abgründige? Ja, deshalb lese ich "A Song of Ice and Fire" so gerne. Gehört es bei mir ins Rollenspiel? Kommt darauf an...

... nämlich neben meiner momentanen Laune v.a. auf die Leute mit denen ich spiele. Es gibt Freunde, mit denen ich unheimlich gerne in diese Tiefen hinabsteigen würde, und ich habe ebenso gute Freunde, bei denen ich mir das nicht vorstellen kann.

Das Zauberwort ist hier "Sensibilität". Ich würde nicht unbedingt davon ausgehen, dass sich diejenigen, denen es nicht passen würde, direkt zu Wort meldeten, wenn ich als SL die Gruppe auf derartiges Terrain bewegen würde. Aus Schüchternheit schweigen manche lieber, als zu sagen: "Hey, stop, das ist mir unangenehm. Bis hierhin und nicht weiter!" Da ich im Regelfall ohnehin nur mit guten Freunden spiele, die ich seit Jahren kenne, glaube ich zu wissen, wie weit ich gehen darf. Bei ganz derben Sachen - bisher noch nicht vorgekommen - würde ich davor mit den Spielern (möglichst einzeln) sprechen.

Es grüßt
Grimnir

Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 16:21
@ Boomslang:

Ich glaube an Moral. Ich glaube an Recht und Unrecht als Absolute Begriffe und daran, dass es richtig ist, Recht nötigenfalls mit Gewalt gegen Unrecht durchzusetzen. Was das angeht, bin ich kein Relativist.

Worunter die scheinheiligen Debatten und Möchtegern-Aufreger leiden, ist ein Mangel an Differenzierung. Moralphilosophie ist nicht leicht. Manche sagen, es sei die Königsdisziplin aller Wissenschaften. Mit Stammtisch-Niveau kommt man da eben nicht weit. Wenn man dann noch die hohe Emotionalität dazu nimmt, zu der Vergewaltigungen, Nazis & Co. einladen, dann steht man eben mit Vernunft und sauberer Argumentation auf verlorenem Posten.

Der Punkt ist, dass es hier um Fiktion geht. Eine Phantasie ist niemals unrecht, solange der Mensch, der diese Phantasie hat, sich von ihr nicht verleiten lässt, die moralischen Maßstäbe seines realen Handelns zu verschieben. Die Gedanken sind frei.

Das Darstellen und Rezipieren solcher Phantasien, die als solche niemals Unrecht sein können, kann nach meinem moralischen Verständnis seierseits nur Unrecht sein, wenn andere Menschen dadurch in einem schützenswerten Gut beeinträchtigt werden. Das ist nun wiederum im Einzelfall äußerst differenziert zu betrachten.

Ich persönlich neige in diesem Bereich dazu, dem Wohl des Individuums einen überragenden Stellenwert einzuräumen und dem Anstandsempfinden der Gesellschaft einen nichtigen. Wenn also ein Mitspieler an einer bestimmten Darstellung im Rollenspiel Anstoß nimmt, sich von ihr abgestoßen fühlt oder sogar echten psychischen Schaden davonträgt, dann ist das für mich Unrecht. Wenn Außenstehende, die die Situation in ihrer Gesamtdynamik noch dazu überhaupt nicht einschätzen können, daran Anstoß nehmen, dann ist das für mich allenfalls in Extremfällen beachtlich.

Eine andere Frage ist freilich, ob das Unverständnis der Öffentlichkeit bei manchen Inhalten vorhersehbar und es daher fahrlässig ist, sich über diese ganz unbefangen öffentlich zu äußern. Es sei denn man wollte bewusst Tabus brechen, um so den Kampf um Akzeptanz einzuleiten. So was macht man ja manchmal, wenn man diskriminiert wird.

Edit: P.S.: Natürlich nehme auch ich mir heraus, Sachen geschmacklos zu finden. Aber "geschmacklos" ist was ganz anderes als "falsch".
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Haukrinn am 2.04.2008 | 16:22
Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel.

Welche hat das eine Medium, welche das andere? Und woran machst Du das fest?

Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.

Wenn ich mein Rollenspiel nicht im Actor Stance, sondern im Director Stance durchziehe, bin ich auch ziemlich distanziert. Wenn mich ein Film richtig fesselt, habe ich keine kritische Distanz mehr zur Thematik. Deine Ausführung erscheint mir doch arg konstruiert und nicht gerade allgemeingültig.

Ich werte diesen Spielstil nicht ab, ich halte ihn für Zeitverschwendung, da man das gleiche Ergebnis auch mit einmal Saw anschauen abhandeln kann, nur das man sich ja fürs Saw schauen schämen müsste, während hier das intellektuelle Rollenspiel, welches in meinen Augen ein Klischee ist, gerade chic ist.

Aha, jetzt sage ich: Bier und Bretzel RPG ist Zeitverschwendung, weil ich mir stattdessen ja auch 'ne Folge Cobra 11 reinziehen kann. Ist genau so großer Quatsch, nur halt auf's andere Extrem bezogen...  ;)

Ach so, wie war das Thema? Ahh, ja, ich mag Abgründe im Rollenspiel. Ich will Abgründe im Rollenspiel, zumindest dann, wenn ich nicht gerade Bier und Bretzel mässig spiele.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 16:28
Es geht ihm doch eigentlich darum, da sollten wir schon ehrlich sein, das Abgründige zum akzeptablen Inhalt des Spiels zu erheben. Ist das richtig?

Ja, das ist richtig. Ich dachte mir schon, dass das Wort "unterhaltsam" missverständlich sein könnte, aber ich wollte meinen Satz nicht zu sehr verkomplizieren. Was ich genau meine, steht in meinem vorigen Post.

@ Charles: Dein Verständnis, was Rollenspiel ist und nicht ist, ist offenbar ein anderes als meines und Fredis und hier nicht der Maßstab. Und dein Kommentar zu Saw drückt genau die Ignoranz bzw. das "nicht Verstehen" aus, das ich meine, insofern danke dafür.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 16:52
Der Punkt ist, dass es hier um Fiktion geht. Eine Phantasie ist niemals unrecht, solange der Mensch, der diese Phantasie hat, sich von ihr nicht verleiten lässt, die moralischen Maßstäbe seines realen Handelns zu verschieben. Die Gedanken sind frei.
Das ist zwar auch ganz meine Ansicht, und ich sehe das ganze im Wesentlichen wie du. Aber es gibt da noch ein Problem: Was wenn man nicht nur die Verschiebung moralischen Maßstäbe des Handelns betrachtet, sondern einen Schritt vorher stehen bleibt und einfach nur die Verschiebung der realen moralischen Maßstäbe eines Spielers, die sich gar nicht auf das Handeln direkt auswirken? Was wenn der Spieler "es wirklich geil findet", wie es in Jaspers Satire so schön heißt. Finden wir das "nur" geschmacklos oder ist es nicht schon wirklich falsch? Eventuell nicht in einem wirklich moralischen Sinn falsch, und schon gar nicht in einem juristisch bestrafenswerten Sinn. Aber kann es nicht trotzdem einfach falsch sein? Wenn ich ein Freund desjenigen wäre, müsste ich ihm dann sagen dass das nicht in Ordnung ist?

Nehmen wir mal den berüchtigten Stein des Anstoßes (den ich gar nicht wirklich kenne, ich habe nur die Debatte damals verfolgt, insofern will ich da gar keine eigene Meinung zu ausdrücken):
Gewaltexzesse und Speiseröhrenvergewaltigungen. Dürfen die im Spiel vorkommen? Klar. Ist das Geschmacklos? Vielleicht, spielt aber für die Gruppe kaum eine Rolle, so lange es für alle in Ordnung ist. Für Außenstehende ist das nur insofern wichtig als das sie es selber Geschmacklos finden können oder auch nicht. Handlungsbedarf oder Intervention irgend einer Art ist nicht wirklich angesagt.
Wenn nun aber völlig klar wäre, dass ein Spieler "es wirklich geil fand", ohne jede weitere Distanz, er fand es richtig, er selbst als Spieler? Er würde es zwar selber nie machen weil er sich vor Strafe fürchtet oder es sich einfach nicht zutraut, aber dafür hat er ja das Rollenspiel. Wäre das "richtig"? Wenn man das verneint, dann kann man noch einen Schritt weiter gehen: Was wenn der Spieler es zwar nicht aus vollen Herzen richtig findet, aber doch nicht mehr in der Lage ist eine "angemessene Distanz" dazu aufzubauen und die von Skyrocks umschriebene "hihihi"-Einstellung, oder eben die viel beschworene pubertäre Unreife zeigt? Muss man ihm dann was verbieten? Muss man es zumindest ablehnen, oder öffentlich verdammen?

Das sind die Dinge die Skyrock meint, soweit ich ihn verstanden habe, und das wäre für mich ein echtes Thema.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dirk am 2.04.2008 | 16:58
Jemand der das wirklich geil findet kann durchaus ein pathologisches Problem haben. Allerdings muss er es ja nicht ausführen. Handlungsbedarf besteht nur im Fall des Leidensdrucks oder des tatsächlichen Handelns. Ganz einfach!

Schwieriger ist da schon der Fall des noch nicht ganz so reifen Spielers. Ist er Volljährig gibt es kein Problem, höchstens ein paar beschämte Blicke von anderen. Ist er nicht volljährig scheint es ihn zu überfordern und es bestünde im Zweifelsfall Klärungsbedarf oder, als letzte Konsequenz, der Rausschmiss aus der Gruppe, wenn das Verhalten gegen das Spiel ist.

Eigentlich doch ganz einfach!

MfG
Dirk
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Skyrock am 2.04.2008 | 17:14
Nehmen wir mal den berüchtigten Stein des Anstoßes (den ich gar nicht wirklich kenne, ich habe nur die Debatte damals verfolgt, insofern will ich da gar keine eigene Meinung zu ausdrücken):
Man muss dazu betonen dass es in Sachen Poison'd _zwei_ Steine des Anstoßes gab (Lumpley auf The Forge, jemand unwichtiges auf RPGnet), und dass die beiden Spielberichte recht unterschiedlich sind (wenn IMHO auch beide geschmacklos).

Das Hihihi-Argument gilt explizit nur für die RPGnet-Sache, bei der Lumpley-Sache kann ich es nicht sicher sagen.

(Nur falls wieder jemand die moralische Fackel der mangelnden Differenzierung meinerseits auspackt.)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Enkidi Li Halan (N.A.) am 2.04.2008 | 17:27
@Vermi: full ack.

Wenn ich mein Rollenspiel nicht im Actor Stance, sondern im Director Stance durchziehe, bin ich auch ziemlich distanziert. Wenn mich ein Film richtig fesselt, habe ich keine kritische Distanz mehr zur Thematik.
So ist es. Ich empfinde es im Rollenspiel weit einfacher, Distanz zu einem Thema zu halten, als bei einem Film oder bei einem Buch. Speziell der Film bietet durch seine Möglichkeit optisch und akustisch auf den Zuschauer einzuwirken, einfach viel mehr "Impact", als ein Rollenspiel (wenn man es nicht gerade mit hammermäßigen Mitspielern zu tun hat, die genau auf der gleichne Wellenlinie liegen, wie man selbst). Eine Spielrunde hat mich aufgrund seiner Thematik noch nie zu Tränen gerührt, ein Film oder ein Buch mehrfach.
Ich schätze immersives Rollenspiel, aber bei anspruchsvollen und grenzwertigen Themen bleibt ein Teil von mir immer und ganz gezielt auf der Metaebene. Diese Distanz ist wichtig und notwendig: wenn ich meine Spielfigur moralisch fragwürdig handeln lasse, heißt das nicht, dass ich in der gleichen Situation so handeln würde, noch, dass ich die Handlungsweise meiner Spielfigur billige. Dennoch ist es für das durch die Spielgruppe einvernehmlich festgesetzte Ziel des Abends [die menschlichen Untiefen der Charaktere auszuleuchten] zwingend erforderlich, dass die Spielfigur so und nicht anders agiert.
Mich interessiert nicht das Verbrechen, so abscheulich es sein mag, sondern das Warum, Wie kam es dazu, Welche Konsequenzen gibt es, Wie verändert sich der Charakter/die Geschichte.
Dieses Erforschen menschlichen Handelns hat für mich höchsten Unterhaltungswert, ja. Aber bedeutet das, dass ich mit den Handlungen der Spielfigur sympathisiere? Nein.
Wie Vermi schon sagte, es ist ein großer Unterschied zwischen "Abgründe" und "Geschmacklosigkeit". Die Distanz ist hier der schmale Grad, auf dem man wandert: hält man sie, setzt man sich mit dem Thema auseinander, hält man sie nicht wird's ekelhaft.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 17:42
@ Boomslang:

Die Schwelle ist für mich der Wirklichkeitsbezug. Wenn jemand etwas, das (moralisch) falsch ist, wirklich richtig findet und es nur nicht macht, weil er Strafe fürchtet oder dazu nicht fähig ist, dann trete ich dieser von mir moralisch abgelehnten Geisteshaltung entgegen. Wenn einer also wirklich Sex mit Kindern haben will, oder wirklich Selbstjustiz üben, oder weiß ich was, dann sollte man das nicht relativieren. Je nach sozialem Kontext kann man dann auf die abweichende eigene Meinung hinweisen und um des lieben Friedens willen auf einen Streit verzichten, oder man kann streiten.

Wenn hingegen jemand etwas als falsch erkennt, aber die fiktionale Darstellung trotzdem als „geil“ empfindet, dann halte ich es für anmaßend, das zu verurteilen. Zumal die Doppelmoral doch unverkennbar ist, wenn das mordlüsterne Wüten durchgeknallter Soziopathen in unzähligen Filmen gehyped wird (auf Mord steht in Deutschland lebenslänglich), aber Sex mit Leichen zu geißeln ist (auf Störung der Totenruhe steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe).

Wenn wir andererseits über pubertierende Jugendliche reden und darüber, inwiefern der Kontakt mit bestimmten, auch fiktionalen Inhalten ggf. die Entwicklung beeinträchtigt oder auch nicht, möchte ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Dazu verstehe ich von dem Thema zu wenig. Aber bei reifen, erwachsenen Menschen hat sich niemand anzumaßen, als „falsch“ (selbst im abgeschwächten Sinne) zu verurteilen, was jemand – als reine fiktionale Darstellung – geil findet oder nicht. Solange er seine Mitspieler damit nicht beeinträchtigt, natürlich.

[Bei der besagten Speiseröhrenvergewaltigung halte ich es für relativ ausgeschlossen, dass nicht zumindest irgendjemand am Tisch daran Anstoß genommen hat. Eine mögliche Erklärung, wie so etwas zustande kommt, könnte sein, dass die Mitspielerin, die das gebracht hat, durch Übertreibung eine emotionale Distanz um Spiel schaffen wollte. Eine andere könnte sein, dass sie ihre Mitspieler provozieren wollte. Dass sie es „geil“ fand, steht wohl eher weit unten auf der Liste der wahrscheinlichen Erklärungen.]
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 18:28
Zumal die Doppelmoral doch unverkennbar ist, wenn das mordlüsterne Wüten durchgeknallter Soziopathen in unzähligen Filmen gehyped wird (auf Mord steht in Deutschland lebenslänglich), aber Sex mit Leichen zu geißeln ist (auf Störung der Totenruhe steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe).
Nun, dass Recht und Gesetz auch kein moralischer Maßstab sein können dürfte klar sein. Aber sicher, die Doppelmoral ist schon offensichtlich und auch bei vielen im vorhanden.

Aber bei reifen, erwachsenen Menschen hat sich niemand anzumaßen, als „falsch“ (selbst im abgeschwächten Sinne) zu verurteilen, was jemand – als reine fiktionale Darstellung – geil findet oder nicht.
Es geht mir gar nicht um Jugendschutz. Ob jemand 17, 18, 20 oder 33 ist, ist eventuell von juristischem Belang. Aber wenn wir nicht übers juristische Reden, dann reden wir nur über normale Menschen die was richtig oder falsch finden und auch was richtig oder falsch machen können.
Auch bei Erwachsenen kommt es doch ständig vor dass sie sich unreif oder falsch verhalten, oder eben einfach nur etwas "falsches denken". Eventuell fällt das dem Betroffenen nachher selber auf oder auch nicht.

Für mich kommt es darauf an warum jemand etwas toll findet und da gibt es eine Grauzone. Als SL habe ich in meiner Gruppe früher gerne und häufig solche Themen reingebracht, einfach weil ich es konnte und weil es mich interessiert hat wie meine Spieler darauf reagieren. Ich hatte dann aber manchmal das Problem dass meine Spieler nicht so reagiert haben wie ich mir das vorgestellt hatte. Meine Spieler haben z.B. aus meiner Sicht unreif reagiert und dann musste ich mich darüber ärgern und habe mich teilweise sogar gefragt ob mit meinen Spielern was falsch ist (z.b. warum der die Vergewaltigungsszene toll fand).
Da muss man schon drüber nachdenken und das kann leicht über das Spiel hinaus gehen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 19:00
Es erfordert viel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, um solche Situationen nüchtern und fair zu bewerten, statt in Hysterie zu verfallen. Jeder empfindet aus seiner eigenen Erfahrungswelt und Veranlagung heraus unterschiedliche Dinge alt traumatisch, als verletzend, als abstoßend, als eklig aber faszinierend, als komisch, als ästhetisch ansprechend oder sogar als sexuell erregend.

Gerade die Vergewaltigungsphantasie ist doch ein Klassiker. Das ist eine total gängige sexuelle Phantasie, besonders bei Frauen. Was natürlich überhaupt nicht bedeutet, dass diejenigen, die solche Phantasien haben, Vergewaltigungen wirklich gutheißen oder gar selbst erleben möchte. Genauso wenig, wie jemand, der einen Film wie Starship Troopers anguckt und dabei einen Endorphin-Flash bekommt, wirklich gerne an einem solchen Gemetzel teilnehmen würde oder sich auch nur wünscht, dass so etwas anderen Leuten tatsächlich passiert. Jeder hat da eben andere Trigger, und den eigenen Maßstab oder den Hollywoods zur Norm zu erheben, ist eben anmaßend.

Als Außenstehenden geht mich das nichts an. Als Beteiligter in einer Rollenspielrunde sollte ich darauf achten, dass meine persönlichen Grenzen des guten Geschmacks nicht überschritten werden, weil ich ansonsten keinen Spaß habe. Aber ich sollte mich hüten, ohne weiteres aus der Begeisterung meiner Mitspieler für etwas, das ich persönlich geschacklos finde, zu schließen, dass bei ihnen was nicht stimmt.

Erst wenn die Vorliebe Ausdruck einer Geisteshaltung ist: Wenn ich merke, dass da wirlich ein kleiner Rassist, ein kleiner Sexist, ein kleiner Schwulen-Hasser am Tisch sitzt, dann ist ein moralisches Urteil angemessen. Aber das ist eben ganz und gar nicht immer, nicht einmal überwiegend der Fall.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Preacher am 2.04.2008 | 19:22
Na, wenn du sagst, daß das falsch ist wird das wohl stimmen.
Nein, natürlich nicht. Selbstverständlich kann auch ich mich irren. Aber ich denke schon, daß meine Interpretation richtig ist.

Was zählt ist eben was ankommt, nicht was gesagt wird.
Völlig richtig.
Und der von dir zitierte Passus kommt eben bei mir genau so an: "In der Literatur werden diese Themen behandeltm und man findet es gut. Wieso ist es eklig, wenn ich sie im Rollenspiel aufgreife"
Also nicht "Mein Spiel ist so gut wie Shakespeare" sondern einfach der Hinweis auf die Präsenz des Themengebietes.

Alles imho selbstverständlich.

Merke, nicht nur Shakespear und Dramaspieler  beschäftigen sich damit. Jetzt verstanden?
Das ist doch klar - aber das hat doch auch niemand gesagt. Oder hab ich was überlesen?


ich glaube wir müssen hier ganz klar zwischen dem Medium Film und dem Medium Rollenspiel unterscheiden und was man damit erreichen möchte.
Natürlich. Film und Rollenspiel sind zwei untercshiedliche Medien mit unterschiedlichen Techniken. Ich versuche auch nicht, auf dieser Ebene das eine mit dem anderen zu vergleichen.

Aber man kann doch in beiden ähnliche Themen aufgreifen.

Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel.
Entschuldige, aber die "Intention eines Rollenspiels" kann ja wohl von Runde zu Runde und sogar von Session zu Session unterschiedlich sein.
Was übrigens ist denn die Intention von Schindlers Liste? Und wieso kann man diese Intention nicht im Rollenspiel aufgreifen?

Und ist nicht eine Intention von Schindlers Liste, Emotionen beim Publikum hervorzurufen? Kann man das mittels Rollenspiel nicht tun?

Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.
Du mißverstehst mich. Ich habe den Film (8mm übrigens, nicht Schindlers Liste) nur genannt, weil er eine - sagen wir mal "abgründige Thematik" aufgreift, nicht um die Medien zu vergleichen.
Daß beim Rollenspiel weniger Distanz als beim Film gegeben ist, ist übrigens auch so pauschal nicht zu sagen. Es gibt Leute, denen fällt es auch beim Anschauen eines Films schwer, besagte Distanz aufzubauen. Und es gibt Rollenspiele, in denen die Distanz zum Protagonisten höher ist.
PtA ist - vor allem wenn man es spielt wie Fredi - so ein Beispiel. Durch das Aushandeln von Szenen und Konfliktausgängen verbringt man sehr viel Zeit auf der Metaebene und hat dadurch mehr Distanz zur Fiktion. Sie ist immer noch vorhanden und spannend, aber es herrscht nicht so tiefe "Immersion".

Wenn man natürlich nach Method-Acting-Manier versucht, sich möglichst authentisch in solche Dinge hineinzuversetzen, dann könnte das problematisch werden. Da würde ich aber sagen: Falscher Spielstil zum falschen Thema.

Ich werte diesen Spielstil nicht ab, ich halte ihn für Zeitverschwendung, da man das gleiche Ergebnis auch mit einmal Saw anschauen abhandeln kann, nur das man sich ja fürs Saw schauen schämen müsste, während hier das intellektuelle Rollenspiel, welches in meinen Augen ein Klischee ist, gerade chic ist.
Ich merke: Du hast es nicht verstanden.
Und ich habe weder Zeit noch Lust, Dir das zu erklären - und die Ignoranz, die Du in deinem Post zeigst, trägt auch nicht gerade zu meiner Motivation bei. Vielleicht sind andere da geduldiger, ich bin's nicht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Drantos am 2.04.2008 | 19:33
Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn man menschliche Abgründe beim Rollenspiel thematisiert. Man sollte allerdings vorher mit allen Spielern abstimmen was geht und was nicht geht.

Kleines Beispiel:
Wir spielen gerade die Enemy within Kampagne und in Wittgendorf kam uns eine Frau entgegen, die uns ihr Kind zeigen wollte, da es offenbar krank war. Mein Char schaute es sich an und es handelte sich um ein völlig entstelltes Kind mit fiesen Chaosmutationen, welches im Sterben lag.

Ist ja an sich nicht so schlimm. Dummerweise haben meine Frau (spielt auch mit) und ich einen 2 jährigen Sohn, der einen Gendefekt hat (quasi auch ein Mutant, war nicht vererbt) und aufgrund eines schweren Herzfehlers beinahe gestorben wäre. Meine Frau hat mit den Tränen gekämpft und das stelle ich mir nicht unter einem Freizeitvergnügen vor.

Also mit den Leuten reden, bevor man vielleicht irgendwelche alten Wunden aufreisst.


cu Drantos
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 20:11
Aber ich sollte mich hüten, ohne weiteres aus der Begeisterung meiner Mitspieler für etwas, das ich persönlich geschacklos finde, zu schließen, dass bei ihnen was nicht stimmt.
Ich habe das dann bei meinen Spieler letztlich auch nicht wirklich gemacht und mache das generell nicht mehr, wenn ich die Person nicht kenne. Die meiste Zeit findet man etwas erstmal nur interessant oder toll, ohne sich darüber irgendwelche Gedanken zu machen, man muss das nicht gleich bewerten.
Wir waren halt jung und das ist lange her.

Erst wenn die Vorliebe Ausdruck einer Geisteshaltung ist: Wenn ich merke, dass da wirlich ein kleiner Rassist, ein kleiner Sexist, ein kleiner Schwulen-Hasser am Tisch sitzt, dann ist ein moralisches Urteil angemessen. Aber das ist eben ganz und gar nicht immer, nicht einmal überwiegend der Fall.
Da stimme ich auch zu. Ich sehe das schon alles wie du, auch wenn ich es jetzt nicht so klar hätte sagen könne, deswegen habe ich es ja als Fragen formuliert.

Worauf ich aber hinaus wollte ist folgendes: Man muss es auch verstehen dass es Leute gibt, die das was andere Spielen oder auch nur denken nicht unbedingt gutheißen, tolerieren oder auch nur ignorieren wollen und dass diese Leute auch Recht haben oder zumindest berechtigte Bedenken haben können. Wenn jemand wie Skyrock also etwas Geschmacklos oder gar bedenklich findet kann es gut sein dass er damit nicht ganz unrecht hat, auch wenn es dabei "nur" um die Vorstellungen und das Spiel anderer geht. Das allein kann kein Freibrief sein.

Ich selber würde mich zwar nur extrem selten dazu berufen fühlen irgendwie einzigreifen, wenn ich die beteiligten nicht persönlich kenne, ich kann es aber andererseits durchaus nachvollziehen, wenn andere sich über einen bestimmten Umgang mit bestimmten Themen aufregen. Sowas muss eben nicht immer Doppelmoral, Dummheit oder Ignoranz zur Ursache haben.

Ich gebe dir aber Recht darin, dass in den meisten solchen Fällen eine Aufregung völlig überflüssig ist und die meisten Leute die sich aufregen einfach keine Ahnung haben.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Pyromancer am 2.04.2008 | 20:43

Also mit den Leuten reden, bevor man vielleicht irgendwelche alten Wunden aufreisst.


Klar kann man die allergröbsten Gefahren aus dem Weg räumen, in dem man vorher (und zwar nicht erst am betreffenden Spielabend, sondern vorher) anspricht, was denn so auf die Spieler zukommen könnte. "Exzessive Gewalt, Selbstverstümmelung, Kinderschänder, Kannibalismus, hat da irgend jemand ein Problem damit?"

Das bietet nur keinen 100%igen Schutz. Weil es immer irgendwelche Auslöser geben kann, die beim anderen traumatische Erinnerungen wachrufen und alte Wunden aufreißen. Und es gibt Dinge, die erzählt man nicht jedem, auch wenn der andere ein guter Freund ist.
Da hilft nur, dass eben in der Runde ein entsprechendes Grundvertrauen da ist, dass sich jeder traut, in so einer Situation zu sagen: "Sorry, können wir das überspringen?" und dass das dann getan wird, ohne groß nachzufragen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 2.04.2008 | 20:57
@ Boomslang:

Wir haben uns mit unserer Erörterung ja nun auch schon um einiges von dem entfernt, was Fredi meinte, hin zu dem hypothetischen Fall, dass jemand sich eben gerade nicht kritisch auseinander setzt, sondern es tatsächlich einfach nur "geil" findet. Fredis Fall ist ja ein anderer.

Ich denke einfach, man sollte ehrlich urteilen, statt zu verurteilen, und man sollte sich hüten, am Maßstab einer willkürlich festgelegten Sittlichkeit zu messen, die letztlich Ausdruck einer verlogenen Doppelmoral ist, statt an echten, reflektierten Maßstäben von Anstand und Moral. Man sollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen und nichts unterstellen, sondern nachfragen. Man sollte nicht verallgemeinern und es sich nicht zu einfach machen, sondern differenziert betrachten - oder eben zugeben, dass man sich kein Urteil erlauben kann. Und man sollte seine Nase nicht in Dinge stecken, die einen nichts angehen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Blizzard am 2.04.2008 | 21:02
ich verstehe Fredi. Sein Anliegen und seine Aussagen & Ansichten. Aber auch die der anderen. Was kommt also (mal wieder) unterm Strich also dabei raus?
Richtig, jeder soll so spielen wie es ihm gefällt.

@Fredi: Evtl. wäre ja Unknown Armies was für dich. ;)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 21:11
Vom Thema entfernt habe ich mich nicht. Fredi hat u.a. in Reaktion auf Skyrocks Urteil folgendes geschrieben.
Und wer das "krank" und "geschmacklos" findet, und mich "in seinem Hobby" nicht haben will, der sollte mal bei Shakespeare anfangen und sich langsam durch die Weltliteratur arbeiten. Da gibt es aus der Perspektive einige "entartete Kunst", die es sich zu verbrennen lohnt.

Darauf habe ich Bezug genommen (weil das der einzig kontroverse Teil ist, ansonsten geht es ja nur um Fredis Geschmack den man teilen kann oder auch nicht) Und daraufhin habe ich versucht das Fazit herauszuarbeiten: Es muss nicht mit einer Denke ala "entartete Kunst" oder anderem Stumpfsinn zu tun haben wenn man Gedanken oder Ausdrucksformen anderer verurteilt. Und das betrifft eben grade auch das Rollenspiel mit Themen zu den "Abgründen des Menschseins"

Ich würde mich doch niemals vom Thema entfernen ;)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 2.04.2008 | 21:18
Ok, da es wohl nur noch um die Verteidigung einer irgendwo stattgefundenen Verurteilung ging:

Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Leute Grenzwertige, und meinetwegen auch Grenzüberschreitende Dinge in ihren Runden treiben, solange alle Erwachsen und wirklich einverstanden sind.
Aber wenn man sich damit im Internet brüstet und das Echo nicht verträgt, dann Zweifel ich daran, das diese Inhalte wirklich etwas für die Person sind. Entweder man steht dazu, dann weiß man auch, das man damit andere Leute vor den Kopf stösst, selbst wenn man es ihnen nur erzählt, deshalb sind die Sachen ja auch Grenzwertig, sonst würden sie dieses Prädikat garnicht verdienen, oder man steht nicht dazu dann sollte man es in seiner Runde halten und fertig.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 21:19
Mit welchem Ziel werden die "Abgründe" thematisiert und welche Erfahrungen werden dabei gemacht?

Ich glaube, dass Antworten auf diese Frage ganz entscheidend das Urteil mitbestimmen, das über die entsprechende Person gefällt wird. Sucht jemand einen ästhetischen Genuss? Dann kann man diskutieren, ob es etwas Obzönes, Krankes, Unmoralisches etc. hat, sich auf diese Weise ästhetisch zu stimulieren (vgl. bspw. die Kontroverse um Ernst Jüngers "Stahlgewitter"). Lebt jemand auf diese Weise ein Bedürfnis aus, dass darin besteht, diese Dinge tatsächlich zu tun? Dann kann man meiner Meinung völlig zu Recht dafür kritisieren, dass er dieses Bedürfnis nach Grausamkeit etc. hat. Sucht jemand (Selbst-)Erkenntnis? - Es lassen sich sicherlich noch wesentlich mehr Motive dafür finden, warum und wie "Abgründe" thematisch werden. Wie jemand mit den Abgründen umgeht, sagt etwas darüber aus, was er für eine Person ist. Die zurecht immer wieder angemahnte Vorsicht beim Urteilen über andere Menschen darf nicht mit Indifferenz verwechselt werden. (Ich glaube, dass ich an die Überlegungen von Dr. Boomslang anknüpfe.)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 2.04.2008 | 21:31
Mit welchem Ziel werden die "Abgründe" thematisiert und welche Erfahrungen werden dabei gemacht?
Finde ich garnicht. Das wie ist wichtig, das warum garnicht (IMHO)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 21:37
Finde ich garnicht. Das wie ist wichtig, das warum garnicht (IMHO)

Du findest die Gründe, aus denen jemand handelt, nicht wichtig bei der Beurteilung des Handelns? Das kann ich gar nicht recht glauben. Selbstverständlich ist das "Wie" wichtig - aber das habe ich in dieser kurzen Formulierung beim "Thematisieren" eingeschmuggelt. Wenn du meinen gesamten Beitrag liest, verstehst du mich vielleicht besser. - Anbei würde mich interessieren, warum du das "Wie" wichtig findest. Kommst du da nicht auf die Art von Erwägungen, die ich angestellt habe?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Preacher am 2.04.2008 | 21:46
(vgl. bspw. die Kontroverse um Ernst Jüngers "Stahlgewitter")
Die Kontroverse hab ich nie verstanden. "In Stahlgewittern" ist in meinen Augen vor allem ein Erlebnisbericht aus den Augen eines jungen Soldaten. Es wird keine Botschaft - sei es nun "Krieg ist böse" oder "Krieg ist toll" oder sonstwas - vom Autor vorgegeben; eine Wertung vornehmen muss der Leser selbst.
Daß dann von "Verherrlichung" die Rede ist, spricht in meinen Augen nicht gerade für diejenigen, die den Text auf diese Weise interpretieren.

Aber das ist OT.

Die zurecht immer wieder angemahnte Vorsicht beim Urteilen über andere Menschen darf nicht mit Indifferenz verwechselt werden.
Da hast Du natürlich Recht, aber wenn man die Frage
Mit welchem Ziel werden die "Abgründe" thematisiert und welche Erfahrungen werden dabei gemacht?
stellt, und versucht, sie wirklich zu beantworten, dann läuft man nicht Gefahr indifferent zu werden.

Diejenigen, die aber eine Runde und ihre Teilnehmer in Bausch und Bogen verdammen [und das Aufgreifen "abgründiger Themen" im Rollenspiel gleich mit], sind indifferent, indem sie pauschal und ohne Kenntnis aburteilen. Und das ist mindestens genauso schlimm wie eine unreflektierte "anyting goes"-Einstellung.

Du hast die absolute Kernfrage gestellt. Und das warum ist sehr viel wichtiger als das wie
Beim "wie" geht es eigentlich nur um graduelle Unterschiede - "wie detailreich wird die Leiche beschrieben?", "wie hart gehen wir vor?", was letztlich nur eine Frage des Gruppenkonsenses ist.

Das "warum" hingegen stellt die interessanteren Fragen: Ob jemand diese Dinge spielt, weil er sie tatsächlich erleben und sich am Leid anderer ergötzen will, oder ob er es tut, um mehr über sich selbst herauszufinden, indem er sich selbst mit Tabuthemen konfrontiert macht einen Unterschied. Einen großen sogar.

Addendum:
Wenn unter das "wie" auch eine Aussage wie "ich mache das so, egal wie der Rest der Gruppe dazu steht", dann gewinnt das "wie" natürlich auch eminent an Bedeutung. Aber ich will zuerst mal davon ausgehen, daß Übereinstimmung innerhalb der Gruppe über die Spielweise besteht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 21:53
@ Gaukelmeister
Ja genau das meine ich.

Ich habe ja oben schon gesagt:
Für mich kommt es darauf an warum jemand etwas toll findet und da gibt es eine Grauzone.

Das Problem dabei ist allerdings auch immer dass man diese Grauzone im Allgemeinen nicht so schnell und einfach weg bekommt. Wenn es um die Motive geht, was ist dann mit jemandem der sich selbst über seine Motive im Unklaren ist, oder einfach keine Motive hat (wenn sowas möglich sein sollte)?
Warum interessieren sich Leute für Themen wie Sex, Gewalt und Verbrechen? Warum wollen sie da "näher ran" (z.B. durch Rollenspiel)? Da kann man lange Zeit im Unklaren drüber bleiben, sowohl als Mitspieler, als Beobachter und sogar als betroffener Spieler selbst. Aber dürfen Spieler sich z.B. nur "einfach so" dafür interessieren? Ich finde es nicht einfach da im Allgemeinen eine klare Linie zu ziehen. Es geht ja nicht nur um "geil finden" oder nicht, sondern um alle Varianten in der Nähe.

Aufgrund der Schwierigkeit  das alles von außen zu beurteilen sind die Reaktionen oft so... ich sage mal voreilig. Und viele machen es sich dann lieber leicht und sagen "mir doch egal, wer mag der soll" oder "das ist der Untergang der Kultur", was beides eher falsch als richtig ist.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Falcon am 2.04.2008 | 21:54
Hendrik schrieb:
Zitat
Völlig richtig.
Und der von dir zitierte Passus kommt eben bei mir genau so an: "In der Literatur werden diese Themen behandeltm und man findet es gut. Wieso ist es eklig, wenn ich sie im Rollenspiel aufgreife"
Also nicht "Mein Spiel ist so gut wie Shakespeare" sondern einfach der Hinweis auf die Präsenz des Themengebietes.
Ich denke, da sind wir uns einig. Dennoch, und da wiederhole ich lieber, finde ich es nicht nötig so weit auszuholen.
Mal ehrlich, die virtuelle Durchschnittsrunde wird immer aus den Elementen, Atmosphäre,Charakterspiel,Emotionen,Dramatik und Hackn'Slay bestehen. Das gehört alles zusammen. Frei nach GaryGygax. Und ich hab Fredi so verstanden als spiele das Emo Element normalerweise überhaupt keine Rolle. Da fühle ich mich als DungeonCrawler und Pulpspieler angegriffen.

Deswegen finde ich es fairer zu sagen "mein Spiel hat aber seinen Schwerpunkt auf Emo" als zu sagen, "im Gegensatz zu euch spiele ich mit Elementen, die man aus der Weltliteratur kennt".

wie gesagt, man braucht keine Porno Nazis um mit Abgründen zu spielen (nur hört es sich dann gleich viel exquisiter an). Ich gehe immer noch davon aus, daß es der Normalzustand ist Emotionen in das Spiel einzubauen, deswegen verstehe ich nicht worauf das Thema überhaupt hinaus laufen soll ausser offensichtlichen Fakten.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Ein am 2.04.2008 | 21:59
Ich denke Thalamus ist es wichtig, klarzustellen, dass es so etwas wie eine öffentliche Meinung gibt. Und ja, dass die Öffentlichkeit gewisse Sachen schlicht verurteilt (ohne sich um eine Begründung zu scheren), ebenso wie sie gewisse andere Dinge ohne Zögern gutheißt. Wenn man sich in grenzwertige Bereiche begibt, dann begeht man einen Tabubruch. Davon gibt es in unserer Gesellschaft zwar nicht mehr so viele, aber sie existieren.

Und wenn man einen solchen Tabubruch nun in der Öffenlichkeit inszeniert, dann zeugt es natürlich schon von einer gewissen "Doppelmoral", wenn man zwar das Recht auf Meinungsfreiheit für sich in Kauf nimmt, aber andersherum nicht akzeptieren kann, dass Toleranz auch Grenzen haben muss.

Denn um es mal auf den Punkt zu bringen, wenn man sich nicht über fiktive Kinderprostitution aufregen darf, warum darf man sich dann über realen Rassismus, Sexismus etc. aufregen? Solange letzteres nicht in irgendwelchen widerrechtliche Taten endet, so lange ist es doch nicht so wild, oder? Sind ja nur Meinungen.

@Hendrik
Ich denke, das Hauptproblem ist, das man anderen Menschen nicht so leicht in den Kopf gucken kann. Daher ist das "warum" schwerer zu ermitteln, als das "wie". Und bei zuviel des "wie" darf man sich dann schon fragen, freie Meinung und so, ob bei demjenige, der gerade die "wie"-Schmerzgrenze überschritten hat, auch ein fragwürdiges "warum" dahinter steckt. Moral ist halt auch nur der Versuch, den Schaden zu begrenzen, bevor er stattfindet.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: kirilow am 2.04.2008 | 22:06
Lieber Fredi,

Ich möchte mal für Abgründe im Rollenspiel plädieren. Für Abgründe und gegen "Das geht gar nicht", "das ist krank" und "DU bist krank". Ist mir einfach mal ein Bedürfnis.

Mir wurde nämlich erst mit der Zeit bewusst, dass es tatsäclich nicht um Akolythenmacherei sondern darum, dass ein solcher Spielstil akzeptabel ist. Vor allem nach Vermis Post:
Andererseits habe ich es aber auch satt, nachts wachzuliegen, weil irgendwas das irgendein trauriger Wichser online über mich oder meine Freunde geschrieben hat mich wieder mal so wütend macht, dass ich nicht schlafen kann und ich mich dann mit einer hitzköpfigen Erwiderung nachts um drei um Kopf und Kragen rede.
Kinners, Kinners!
Natürlich geht das alles. Und selbstverständlich sollte man dieses ganze bigotte Gewäsch, wie abartig es sei, so etwas im Rollenspiel zu verwenden, auf keinen Fall ernst nehmen!


Alles weißes Rauschen. Zumal man ja auch nicht vergessen darf, dass vermutlich auch unter Rollenspielern — wie in der ganzen Gesellschaft — eben ein gewisser Satz an Sexisten, Rassisten (Wr haben einen Stammantisemitsimus von relativ stabil 10-15% in der BRD) und einfach spießigen Idioten rumläuft.

Ich denke, dass alles was im Rollenspiel passiert gänzlich wertneutral ist. Ich würde im übrigen nicht einmal eine F.A.T.A.L.-Runde als irgendwie moralisch fragwürdig ansehen, nur mir zu langweilig.

Doch nun zum Thema:

Es klingt ja so, als würdest Du Dir so etwas im Rollenspiel nicht nur wünschen, sondern auch machen. Wie sind denn Deine Erfahrungen?

Um meine Frage etwas deutlicher zu machen:

Ich bin Erzählspieler. Ich möchte interessante Geschichten erzählen. Aber mehr noch, ich möchte alle Facetten des Menschseins beleuchten. Und dabei möchte ich nicht bei "Abenteuern" Schluss machen. Die sind eine mögliche Art von Geschichten, aber eben nicht alles.
Mir scheint ja das Medium / die Technik Rollenspiel vor allem für das Prinzip Abenteuer geeignet, also einer Thematik, die literarisch eher unter Pulp bzw. Trivialliteratur läuft. Das sagt nichts über die Qualität im Rollenspiel aus, der Medienwechsel ist hier entscheidend. Stirb Langsam ist ja ein sehr guter nd wichtiger Film! Er wäre aber ein recht triviales Buch. Das gilt auch umgekehrt: Verfilmungen guter Bücher ergeben oft mittelmäßige Fime: andere Kriterien.
Natürlich gibt es gute Shakespeare-Verfilmungen — einerseits weils Shakespeare auch eine Menge Action bietet und einfach so stark ist, dass er immer noch durchscheint andererseits weil es auch (kon)geniale Filme wie Kurosawas Ran gibt.


Was mich nun wirklich interessiert: Klappt so etwas mit Spielen wie PTA? Mir schienen diese nach den Beschreibungen eher für die Soap-Opera geeignet zu sein; diese behandeln natürlich auch abgründige Sachen aber eben selten abgründig, sondern eher kitschig. Dies dünkt mir allerdings das größte Problem an Deinem Anspruch zu sein: Schindlers Liste ist ja auch keineswegs abgründig, sondern eben kitschig — aber dennoch ein ganz guter Film. Ich kann mir ehrlich gesagt keine wirklich 'anspruchsvolle' Behandlng vom Holocaust im Rollenspiel vorstellen. Eher so etwas wie Werewolf Women of the SS.

Dazu gehört für mich auch, sich mit den Abgründen des Menschseins zu befassen. Wenn ich mich mit den Mitläufern der Nazizeit befassen will, muss ich mich mit den Gräueltaten befassen. Wie konnte ein liebender Familienvater jemals Menschen vergasen? Zur Beantwortung der Frage im Spiel muss ich mich mit den Abgründen befassen und die Spannung aushalten, die sich zwischen Abscheu und Verständnis aufbaut. Eben die Spannung, ein Mensch zu sein.
Das abgründige am Holocaust ist doch aber, dass die Menschen sich diese Fragen eben nicht gestellt haben. Entweder macht man daraus nun Geschichten wie Schindlers Liste, dann hat man wieder Abenteuer/Kitsch, oder man will wrklich KZ-Alltag spielen, doch auch das würde wohl eher weniger anspruchsvoll und abgründig werden — vermute ich zumindest.


Viele Grüße
kirilow
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 2.04.2008 | 22:18
Und nun zur offensichtlichen Filmreferenz:

Das Leben ist schön (http://imdb.com/title/tt0118799/) ist ein Film über Todeskandidaten in einem Nazi-Todescamp. Dabei ist er streckenweise lustig, tiefgründig, abgründig, traurig und hoffnungschürend.

Natürlich muß man sowas weder sehen noch spielen wollen, doch es kann ausgezeichnete[1] Inhalte abliefern. Gleiches gilt für ein Spiel wie Grey Ranks (http://www.bullypulpitgames.com/games/index.php?game=grey_ranks), in dem man polnische Kinderpartisanen spielt; oder eben ein PtA mit einer Serie über Selbstjustiz übende Opfer von Gewaltverbrechen.


[1] Vorsicht, Wortspiel! Der erwähnte Film hat Oscars bekommen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 22:19
Schindlers Liste ist ja auch keineswegs abgründig, sondern eben kitschig — aber dennoch ein ganz guter Film. Ich kann mir ehrlich gesagt keine wirklich 'anspruchsvolle' Behandlng vom Holocaust im Rollenspiel vorstellen. Eher so etwas wie Werewolf Women of the SS.
Es gibt wohl noch einen recht breiten Raum rund um Schindlers Liste und etwas entfernt von Werwolf Women of the SS, und wenn man da irgendwo hinzielt wird man durchaus eine "anspruchsvolle" Behandlung des Themas auch im Rollenspiel hinbekommen.
Das wird eher an den Spielern liegen als am Medium Rollenspiel, grade weil die Spieler eigentlich das Medium erst machen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Preacher am 2.04.2008 | 22:21
Deswegen finde ich es fairer zu sagen "mein Spiel hat aber seinen Schwerpunkt auf Emo" als zu sagen, "im Gegensatz zu euch spiele ich mit Elementen, die man aus der Weltliteratur kennt".
Ist es. Nur ist das "im Gegensatz zu Euch" nur in deiner Interpretation vorhanden. Laß den Passus weg, und es heißt "ich spiele mit Elementen, die man aus der Weltliteratur kennt". In meiner Interpretation füge ich den Passus "und wieso ist es im Rollenspiel plötzlich verdammenswert" hinzu.

Jetzt kann man natürlich streiten, wer näher an dem ist, was Fredi sagen wollte. Ich sage: Ich ;D

Denn um es mal auf den Punkt zu bringen, wenn man sich nicht über fiktive Kinderprostitution aufregen darf, warum darf man sich dann über realen Rassismus, Sexismus etc. aufregen? Solange letzteres nicht in irgendwelchen widerrechtliche Taten endet, so lange ist es doch nicht so wild, oder? Sind ja nur Meinungen.
Da greift eben wieder das "warum". Warum nimmt jemand solche Inhalte in die Fiktion auf?
Es ist ja schon ein Unterschied, ob Kinderprostitution fiktiv oder real befürwortet wird.

Ich denke, das Hauptproblem ist, das man anderen Menschen nicht so leicht in den Kopf gucken kann. Daher ist das "warum" schwerer zu ermitteln, als das "wie".
Das stimmt.

Und bei zuviel des "wie" darf man sich dann schon fragen, freie Meinung und so, ob bei demjenige, der gerade die "wie"-Schmerzgrenze überschritten hat, auch ein fragwürdiges "warum" dahinter steckt. Moral ist halt auch nur der Versuch, den Schaden zu begrenzen, bevor er stattfindet.
Und auch das stimmt. Aber auch hier ist ein Sclüsselwort gefallen: "Fragen". Bevor ich jemanden als abartig tituliere, versuche ich doch zuerst mal rauszufinden, was seine Intention war.

@Kirilow:
Schöner Post, danke :)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 22:28
Ich denke, dass alles was im Rollenspiel passiert gänzlich wertneutral ist.

Kein Bereich des menschlichen Handelns ist "gänzlich wertneutral". Was soll das überhaupt heißen?

Ansonsten: Wir verstehen andauernd, warum Leute tun, was sie tun. Selbstverständlich machen wir dabei Fehler - aber im Großen und Ganzen funktioniert das hervorragend. Wenn jemand gerne Nazis spielt, weil er den Faschismus großartig findet, dann ist es ein Armutszeugnis, vor diesem realen menschenlichen Abgrund die Augen zu verschließen. - Ich dachte über den Indifferenz-Quatsch und den anything-goes-Zynismus wären wir schon hinausgekommen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: kirilow am 2.04.2008 | 22:29
Es gibt wohl noch einen recht breiten Raum rund um Schindlers Liste und etwas entfernt von Werwolf Women of the SS, und wenn man da irgendwo hinzielt wird man durchaus eine "anspruchsvolle" Behandlung des Themas auch im Rollenspiel hinbekommen.
Das wird eher an den Spielern liegen als am Medium Rollenspiel, grade weil die Spieler eigentlich das Medium erst machen.
hehe, war auch eine Übertreibung.  ;)

Ich bin auch wirklich eher neugierig als kritisch: Also was für eine aArt von Kampagne(Begriff ist jetzt egal) man mit dem Thema Holocaust machen könnte. Vielleicht liegt mein kritischer Blick eben daran, dass sobald sich die Kiste um Widerstand oder Empörung dreht, meines Erachtens der Kitsch schon so gut wie da ist.

Allerdings will ich die Holocaust Thematk jetzt auch nicht auswalzen, es war ja nur eines von mehreren Beispielen.

Ich würde halt wirklich gern wissen, ob bei der Behandlung 'abgründiger' Themen eher the Incredible Hulk oder König Ödipus raus kommt -- beide haben ein Problem mit der Agressionskontrolle (dies sind natürlich wieder Extrembesipiele).

Viele Grüße
kirilow
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Preacher am 2.04.2008 | 22:38
Ansonsten: Wir verstehen andauernd, warum Leute tun, was sie tun. Selbstverständlich machen wir dabei Fehler - aber im Großen und Ganzen funktioniert das hervorragend.
Sicher? Das bin ich nicht.
Eigentlich sind imho die, die sagen "ich versteh genau, warum der das tut", ohne ihn selbst dazu befragt zu haben das Problem.
Und ich selbst hab mich schon zu oft geirrt, als daß ich urteilen möchte, ohne die Gegenseite dazu gehört zu haben.

Wenn jemand gerne Nazis spielt, weil er den Faschismus großartig findet, dann ist es ein Armutszeugnis, vor diesem realen menschenlichen Abgrund die Augen zu verschließen. Ich dachte über den Indifferenz-Quatsch und den anything-goes-Zynismus wären wir schon hinausgekommen.

Sind wir das? Nach meinem Dafürhalten hängen wir da noch fest - ich zumindest.

Ich kann da Boomslang zustimmen:
Aufgrund der Schwierigkeit  das alles von außen zu beurteilen sind die Reaktionen oft so... ich sage mal voreilig. Und viele machen es sich dann lieber leicht und sagen "mir doch egal, wer mag der soll" oder "das ist der Untergang der Kultur", was beides eher falsch als richtig ist.

Trifft es ganz gut, wie ich finde.
Aber wo führt das hin? "Denk nach und hör dir alle Seiten an, bevor Du urteilst"?
Dann brauchen wir nicht weiter zu diskutieren, weil wir uns da einig sind (glaub ich zumindest).

Oder willst Du auf etwas bestimmtes hinaus?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: kirilow am 2.04.2008 | 22:38
Kein Bereich des menschlichen Handelns ist "gänzlich wertneutral". Was soll das überhaupt heißen?
Vielleicht doofe Wortwahl.  :(

Ich meinte damit eigentlich nur, dass es sich meiner moralischen/ethischen Wertung entzieht, was im Spiel passiert. Ganz schlicht: Ob man den winselnden Ork umbringt oder begnadigt, kann nicht Gegenstand einer Werung ausserhalb des Spiels sein und auf den Spieler zurückwirken.

Letztlich hast Du recht, nichts entzieht sich der Wertung. Nur eine Sache, die man tut ist eben eine gänzlich andere als eine Sache, die man sich vorstellt oder wünscht.

Ich kriege es jetzt so schnell auch nicht ganz exakt formuliert, was ich damit meine. Vielleicht fällt mir nachher noch was besseres ein.


Viele Grüße
kirilow
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: kirilow am 2.04.2008 | 22:41
Lieber oliof,

Natürlich muß man sowas weder sehen noch spielen wollen, doch es kann ausgezeichnete[1] Inhalte abliefern. Gleiches gilt für ein Spiel wie Grey Ranks (http://www.bullypulpitgames.com/games/index.php?game=grey_ranks), in dem man polnische Kinderpartisanen spielt; oder eben ein PtA mit einer Serie über Selbstjustiz übende Opfer von Gewaltverbrechen.
Hatte Deinen Post glatt übersehen! Krasse Sache das.
Hast Du das Spiel 'mal angetestet? Mich würde interessieren, wie sich so etwas im actual Play gestaltet.

Viele Grüße
kirilow

EDIT: Rechtschreibung
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 22:48
Ich meinte damit eigentlich nur, dass es sich meiner moralischen/ethischen Wertung entzieht, was im Spiel passiert. Ganz schlicht: Ob man den winselnden Ork umbringt oder begnadigt, kann nicht Gegenstand einer Werung ausserhalb des Spiels sein und auf den Spieler zurückwirken.
Ganz im Gegenteil! Solche Themen können grade moralisch interessant werden für die realen Spieler am Tisch, ob auf eine spielerische Weise oder auf eine Weise die über das Spiel hinaus geht. Genau das ist eigentlich das Thema.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: kirilow am 2.04.2008 | 22:52
Genau das ist eigentlich das Thema.
Vielleicht. Ist es das?

Ganz im Gegenteil! Solche Themen können grade moralisch interessant werden für die realen Spieler am Tisch, ob auf eine spielerische Weise oder auf eine Weise die über das Spiel hinaus geht.
Natürlich! Ich merke schon. ich hätte das nie schreiben dürfen.  :)
Mir geht es auch eher darum, dass ich den Spieler nicht danach beurteile, was seine Figur getan hat. Für mich liegt in der Idee, eine andere Rolle anzunehmen, jemanden zu spielen, der nicht so handelt wie ich, eine der Kontituierenden Aspekte des Rollenspiels.

Viele Grüße
kirilow

Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Arkam am 2.04.2008 | 23:04
Hallo zusammen,

meine Erfahrungen mit grenzwertigen Themen sind abwechslungsreich.

Angefangen hat das ganze mit Sex in der Spannweite vom Geschlechtsverkehr bis zur Orgie. Die Runde bestand aus Jungen mitten in der Pubertät.Da war aus meiner heutigen Sicht der Wunsch der Vater des Gedanken.

Dann habe ich für DSA ein KZ Abenteuer geschrieben. Das habe ich getan weil ich ein Buch über Ausschwitz gelesen habe und das Thema das mich emotional aufgewühlt hat in irgendeiner Form bearbeiten wollte.
Da ich diesen Hintergrund meinen Spielern nicht mitgeliefert habe und das System eher das heroische Spiel unterstützte ging dieser Versuch gründlich daneben.

Dann kam das Thema Vergewaltigung auf. Es ging dabei weniger um Sex oder das Ausleben von Phantasien sondern darum ein Element zwischen Charaktertod und streich dir noch ein paar Lebenspunkte ab die du leicht wieder bekommst einzuführen das den Spieler dazu motiviert mit seinem Charakter zu leiden und aktiv gegen dieses Charakterschicksal anzukämpfen.
Eine Mitspielerin damals einfach gesagt hat wenn das Thema im Abenteuer vorkäme wäre sie draußen damit war dann das Thema erledigt.
Nachdem eine Mitspielerin fast vergewaltigt worden wäre und in verschiedenen Diskussionen immer wieder klar wurde das sexuelle Gewalt doch verbreiteter ist als ich vermutet hätte würde ich das Thema in Runden mit Mitspielerinnen wahrscheinlich außen vor lassen.
Das hat nichts mit Selbstzensur zu tun aber ich spiele inzwischen in wechselnden Runden und auch mit Leuten die ich nicht gut kenne da will ich keine Wunden aufreißen und das eventuell dann noch nicht Mal merken.

Dann kam wieder Mal Cyberpunk 2020 und mit der Absicht die Spieler auch emotional zu fesseln und nicht einfach nur das übliche meine Cyberware sorgt dafür das ich ganz viele Böse töten kann und es selbst überlebe Stimmung aufkommen zu lassen. Das Thema waren Snufferpornos die mit Kindern gedreht wurden. Die NPCs umfaßten vom Pädophilen Kriminellen, über den betroffenen Vater der Rache wollte bis zur eiskalten Konzernführung alle Klischees. Die Spieler wußten was das Thema sein würde und wenigstens einer mußte dann doch wenigstens kurz überlegen ob er mitmachen wollte.
Das hat dazu geführt das das Spiel sehr auf der Metaebene blieb und  häufiger weniger die Charaktere als vielmehr die Diskussionen unter den Spielern eine Rolle spielten.
Bei den Spielern habe ich vom skrupellosen ausspielen, über Streß weil die Charakterrolle Konzernerin, nach Klische ohne Emotionen und gewinnorientiert eben die Emotionen des Spielers aufgriff bis zur Distanzierung alles erlebt.

Nach diesen Erfahrungen halte ich Rollenspiel eigentlich für das falsche Medium um etwas über die Einstellungen meiner Freunde zu verschiedenen Themen heraus zu finden. Da versuche ich lieber eine Diskussion anzuregen oder versuche über entsprechende Materialien etwa im Internet per E-Mail, also schriftlich eine Diskussion anzustoßen.
Im Rollenspiel gibt es in den Runden in denen ich mitspiele eigentlich immer ein gewisses Grundrauschen was grenzwertige Themen angeht. Aber es reicht eben zu bemerken das politische Gegner in Lager verbracht werden, die chirugischen Instrumente im Gefängniss frische Blutspuren tragen oder das das Straßenkind vor dem männlichen Abenteurer zurückschreckt. Näher werden solche Themen bei uns eigentlich nicht mehr angesprochen.

Eine kleine Ausnahme gilt für Sexualität in jeder Form. Da gibt es in unserer Runde eine Fraktion die sich des Themas immer weider aber eher auf dem Niveau Gute Zeiten / Schlechte Zeiten oder Sex and the City annimmt.

Gruß Jochen
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 2.04.2008 | 23:08
Du findest die Gründe, aus denen jemand handelt, nicht wichtig bei der Beurteilung des Handelns?
Stop! Sofort!
Es geht hier nur ums Rollenspielen, ich finde die Gründe warum jemand das spielt was er spielt nicht wichtig!
Ja, das ist so.
Wenn du meinen gesamten Beitrag liest, verstehst du mich vielleicht besser. -
Ich lese die Biträge immer ganz und habe dich schon verstanden. Dir ist es wichtig ob jemand im Rollenspiel Vergewaltigt weil er das eigentlich gerne machen würde, oder ob er das macht, weil er erfahren möchte wie so eine Situation entsteht oder sich anfühlt.
Ich finde das ist nicht so wichtig (Im Berecih des Rollenspielens!!!). Selbst wenn er das aus persönlicher Lustbefriedigung macht. Solange er das mit Leuten durchspielt die damit einverstanden sind, und er es eben nicht in der Realität macht ist mir das egal, und da sind wir shcon beim "wie".

Anbei würde mich interessieren, warum du das "Wie" wichtig findest.
Das "wie" ist für mich viel wichtiger, weil es bei solchen Grenzthemen sehr schnell passiert, das man seine Mitspieler verletzt, oder in die Enge treibt, oder allgemein in Situationen bringt in die sie nciht geraten wollten. Selsbt wenn sie zugestimmt haben ein Grenzwertiges Thema im Spiel zu verwenden kann es schnell zu Momenten kommen mit denen sie nicht gerechnet haben. Da ist es wichtig, das die Mitspieler sowas mitbekommen, oder mindestens vorher ganz ganz klare Richtlinien festlegen. Im SM soll es ja sowas wie ein codiertes "STOP" Wort geben...

Deshalb, weil im "wie" viel ehr schief gehen kann, als im "warum" deshalb ist mir das "wie" wichtiger.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 23:16
Eigentlich sind imho die, die sagen "ich versteh genau, warum der das tut", ohne ihn selbst dazu befragt zu haben das Problem.
Und ich selbst hab mich schon zu oft geirrt, als daß ich urteilen möchte, ohne die Gegenseite dazu gehört zu haben.

Ah, da habe ich mich wohl etwas unklar ausgedrückt. Natürlich ist es häufig wichtig zu wissen, was die Leute selbst über ihre Gründe sagen. Aber wenn ich diese Selbsteinschätzungen kenne und mit meinen Beobachtungen abgleiche, dann kann ich auch - einigermaßen fundiert - urteilen und muss nicht sagen: "Hey, ich kann andere Menschen niemals verstehen."

Ansonsten bin ich auch der Meinung, dass wir häufig ohne explizite Rückversicherung gut einschätzen können, warum jemand das tut, was er tut. Ich erzähle dir von einer coolen Band und du kaufst dir die CD - muss man da wirklich sagen: "Hey, ich habe nicht den blassesten Schimmer, warum der die CD jetzt kauft"? Oder jemand bekommt die Nachricht, dass er Großvater wird und öffnet eine Flasche Schampus - klingt total nachvollziehbar. Oder (letztes Beispiel): Du schreibst, dass du nicht glaubst, dass wir häufig richtig liegen, wenn wir anderer Leute Motive einschätzen. - Ich bin mir fast 100% sicher, warum du das schreibst: du gehst davon aus, dass dies eine relevante Info ist und du glaubst tatsächlich, dass es sich so verhält. (Ich kann man selbstverständlich täuschen - vielleicht übst du nur tippen, aber das ist extrem unwahrscheinlich.)

Unser Alltag ist voll mit Beispielen, wo wir ziemlich nah an der Wahrheit liegen.

EDIT:
@ Thalamus
Wenn jemand im Rollenspiel foltert, weil er es gerne in der Realität tun würde, dann heißt dies, dass diese Person gerne in der Realität foltern würde. Und jemand, der gerne foltern würde, hat einen schlechten Charakter - altmodisch gesprochen: er ist böse. Und das ist nicht gut  ;)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 23:23
Ich finde das ist nicht so wichtig (Im Berecih des Rollenspielens!!!). Selbst wenn er das aus persönlicher Lustbefriedigung macht.
Das finde ich schon extrem seltsam. Warum machst du ausgerechnet da eine Unterscheidung zwischen Rollenspiel und nicht-Rollenspiel? Und wenn sich jemand gerne Filme ansieht, oder Bücher schreibt in denen reale unmoralische Ansichten vertreten werden ist das eventuell verdammenswert, aber im Rollenspiel nicht, oder wie??

Und @ Gaukelmeister
Ansonsten bin ich auch der Meinung, dass wir häufig ohne explizite Rückversicherung gut einschätzen können, warum jemand das tut, was er tut.
...
Unser Alltag ist voll mit Beispielen, wo wir ziemlich nah an der Wahrheit liegen.
Aber ist nicht unser Alltag auch völlig voll davon dass man die einfachsten Dinge nicht versteht die jemand anderer meint? Wir brauchen uns nur hier auf dem Board umsehen ;D
Und dann kommt eben noch der sehr häufige Fall in dem Gründe und Motive nicht wirklich klar oder durchdacht sind. Ich weiß bis heute z.B. nicht wirklich warum meine Spieler damals bestimmte Vergewaltigungsszenen toll fanden und andere nicht, und ich denke sie haben so oder so eher impulsiv als reflektiert gehandelt, ist das schlimm oder nicht?
Ist die Antwort auf die Frage warum jemand bei einer Vergewaltigung im Film oder im Buch hinsieht ganz offensichtlich, oder hintergründig und komplex?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 2.04.2008 | 23:30
Wenn jemand im Rollenspiel foltert, weil er es gerne in der Realität tun würde, dann heißt dies, dass diese Person gerne in der Realität foltern würde.
Wieso? Selbst wenn die Person gerne in der Realität Bondage-SM betreibt und dort Folterspielchen vorkommen, ist daran doch nichts verwerfliches, solange es in beiderseitigen Einverständnis passiert.
Schlecht wird man nur, wenn man bereit ist, jemand anderen zu Schaden, während man seine Gefühle auslebt.

Als Beispiel: Jemand spielt gerne Counter-Strike oder betreibt im Rollenspiel gerne Hack'n'Slay. Es macht ihm Spaß, Leute aus dem Hinterhalt mit einem Sniper abzuschießen. Es macht ihm so großen Spaß, dass er auch anfängt Shadowrun-LARP und Paintball zu spielen. Trotzdem ist daran nichts Schlechtes. Auch wenn er jetzt anfängt, in einen Schützenverein zu gehen und auf Pappkameraden zu schießen, ist das nicht schlecht.

Erst, wenn er seinen Spaß so hoch ansetzt, dass er bereit ist, auf echte Menschen zu schießen, wird das schlecht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 23:31
Aber ist nicht unser Alltag auch völlig voll davon dass man die einfachsten Dinge nicht versteht die jemand anderer meint?

Naja, das kommt vor. Aber ich habe den Eindruck, dass dies total übertrieben wird, weil Probleme immer stärker ins Auge fallen.

Und dann kommt eben noch der sehr häufige Fall in dem Gründe und Motive nicht wirklich klar oder durchdacht sind.

Das stimmt natürlich. Deswegen sollten wir auch aufpassen, auf welcher Grundlage wir das Handeln anderer einschätzen. Manchmal wird man auch nach gründlicher "Recherche" ratlos bleiben - auch mit Blick auf uns selbst. (allmählich drifte ich OT)

EDIT:
@ Eulenspiegel
Man könnte tatsächlich diskutieren, ob wir andere Menschen für ihr Denken und Fühlen schätzen, bewundern, verachten, tadeln etc. sollten. De facto tun wir das ständig - und ich finde, wir tun dies mit gutem Grund. Du siehst das anders?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.04.2008 | 23:35
Naja, was das Thema hier "eigentlich" ist wird uns Fredi nicht verraten, so lange wir ihn ganz gut unterhalten ;)
Ich glaube aber wir sind da noch ziemlich nah dran.

EDIT: Wenn man vom Fredi spricht...  >;D
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 2.04.2008 | 23:35
So, jetzt will ich doch mal nachlegen.

1. Ich bin so cool wie Shakespeare.
Wie Jasper ja so schön sagte: Ich bin Künschtler! ;) Aber davon abgesehen: Shakespeare ist besser, was die Spannungsbögen angeht, die Akt-Struktur, die Dialoge, die Sprache im Allgemeinen... ja, vermutlich in allem, was das Handwerk angeht. Aber die Themen, Leute, die Themen! Da kann ich mithalten. Macbeth: Eifersucht, Macht, Gewalt, Mord. Hamlet: Liebe, Verrat, Mord und Totschlag. Romeo und Julia: Liebe, Verlangen, Feindschaft, Tragik, Selbstmord. Was ihr wollt: Lust, Liebe, Gewalt, noch mehr Lust. ;) Kurz: Shakespeare ist Sex and Crime des 16.-17. Jahrhunderts. Er greift wichtige menschliche Themen auf und behandelt sie. Und genau das mache ich auch. Also: ich bin doch so gut wie Shakespeare. Und ihr Abenteuerrollenspieler kommt gerade mal an Tolkien ran, ihr Looser. ;D

2. Mir ist das Warum auch egal.
Das wie ist wichtig, das warum garnicht (IMHO)
Jetzt ist es passiert: ich muss Thalamus zustimmen. Vermutlich friert gerade die Hölle zu... ;D

Jetzt stellen wir uns vor, jemand beschreibt eine Vergewaltigungsszene im Rollenspiel.
Zuerst zum "Warum":
Fall 1: Er will sich damit künstlerisch/ästhetisch auseinandersetzen und daran persönlich wachsen. Alles gut, oder? (denke ich zumindest)
Fall 2: Er findet das einfach geil. Ihm geht richtig einer ab. Tja, was soll ich sagen... So what? Ich sehe keinen Grund für eine moralische Verurteilung.

Jetzt zum "Wie" (und zwar unabhängig vom "Warum"):
Fall 1: Der Typ spielt mit einer Gruppe von Leuten, die damit einverstanden sind. Er tut keinem weh, verärgert niemanden und es ekelt sich auch keiner zu tode. Die eventuelle Beule in seiner Hose macht keinem was aus. Evtl. gefällt es den anderen  sogar. Alles gut, oder?
Fall 2: Er verletzt jemanden. Das Ganze ist jemandem zu viel, er macht es, obwohl es vorher ausgeschlossen wurde, er hört nicht auf, obwohl jemand das wünscht. Das ist ein Problem und deutlich zu kritisieren.

Kurz: Wir leben in einer sehr freiheitlichen Gesellschaft. Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo er andere (evtl. auch sich selber) verletzt. Tut er das nicht, ist alles in Ordnung. Und das hängt (im Rollenspiel) sehr stark am "Wie" und sehr wenig am "Warum".

3. "Abstoßend".
Es gibt zwei Formen, die im ersten Post angesprochenen Themen "geschmacklos" zu finden. Eine ist aus meiner Sicht in Ordnung, eine nicht.
a) "Geschmacklios" bezeichnet: gefällt mir nicht, finde ich eklig, mag ich nieeeee machen. Nie. Das ist in Ordnung, weil es ein persönliches Geschmacksurteil ist.
b) "Geschmacklos" heißt: gefällt mir nicht und deswegen bist du krank, ein Schwein und allgemein ein schlechter Mensch. Das ist alles andere als in Ordnung.

Einen Menschen auf Grund seiner Phantasien (und nichts anderes ist es, etwas im Rollenspiel auszuspielen) zu verurteilen ist Unsinn. Tatsächlich lernen wir etwas über eine Person, wenn sie von Vergewaltigungsphantasien anmachen lässt: nämlich, dass sie sich von Vergewaltigungsphantasien anmachen lässt. Und keinen Deut mehr.

Dasselbe gibt übrigens, wenn jemand diese Phantasien mit jemandem einvernehmlich (!) auslebt. Was lerne ich daraus? Jo, das macht dem Spaß. Nichts weiter. Das kann ich eklig finden. Das muss ich nicht nachmachen wollen. Aber ihn deswegen zu verurteilen ist doch hirnrissig. Da müsste ich ja auch jemanden verurteilen, der Spinnen isst (oder Vampire Live spielt... ;) ). Das finde ich auch eklig und möchte es nicht unbedingt nachmachen. Aber das macht den anderen doch nicht zu einem schlechten Menschen.

Und auch hier ist das "Wie" wichtig: Phantasie - ok. Einvernehmlich - ok. Echte Vergewaltigung - whoa, ganz große Scheiße! Und das "Warum" ist mir ziemlich egal. Ob aus Geilheit oder Ästhetik: Phantasie bleibt Phantasie und Realität bleibt Realität. Und danach beurteile ich.

4. Funzt das?
Was mich nun wirklich interessiert: Klappt so etwas mit Spielen wie PTA?
Kurz und knapp: ja, klappt mit PtA sehr gut. Vermutlich auch mit anderen Spielen, aber PtA geht da wirklich gut.

5. Jasper hat mich durchschaut.
Wie abgestumpft und verkommen muss man eintlich sein, hömma, dass einem nix mehr Spaß macht als Kinder vergewaltigen und Leichen schänden? Du tust doch nur so, als ginge es dir um ganz wichtige Behandlung - eigentlich findest du´s doch geil, gibs zu. Du kranke Sau.
Verdammt, ich bin ertappt. Eigentlich stehe ich nur unglaublich auf Speiseröhrenvergewaltigung. Mann, macht mich das scharf!! ;D :gasmaskerly:
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Falcon am 2.04.2008 | 23:40
Hendrik schrieb:
Zitat
Ist es. Nur ist das "im Gegensatz zu Euch" nur in deiner Interpretation vorhanden. Laß den Passus weg, und es heißt "ich spiele mit Elementen, die man aus der Weltliteratur kennt". In meiner Interpretation füge ich den Passus "und wieso ist es im Rollenspiel plötzlich verdammenswert" hinzu.

Jetzt kann man natürlich streiten, wer näher an dem ist, was Fredi sagen wollte. Ich sage: Ich Grin
Daher meine Rede. Fredi ist Schuld wenn er sich nicht klar ausdrückt  ;D. Es zählt immer nur das was ankommt. Für jeden Einzelnen ;)

Wenn er sagen wollte, "ich spiele mit Emotionselementen, die man aus dem Rollenspiel kennt", dann soll Fredi das bitte tun. Und so kann man sicher auch nachvollziehen wieso ich die ganze Sache ziemlich leer finde.
Er hat aber etwas ausserhalb von RPG gewählt. Da frag ich mich automatisch natürlich, wieso?

Ich kann aber auch gut nachvollziehen das du "wieso verdammenswert?" daraus gelesen hast.

aber das Thema dreht sich ja ohnehin wieder nur um "Wie weit darf ich gehen?". Das ist wieder die alte Leier. Emotionen im klassischen RPG zu fördern fände ich interressanter.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Skyrock am 2.04.2008 | 23:47
Also: ich bin doch so gut wie Shakespeare. Und ihr Abenteuerrollenspieler kommt gerade mal an Tolkien ran, ihr Looser. ;D
Tolkien ist doch voll der Stimmungsspieler.
Wenn schon phantastische Trivialliteratur, dann ARS = R.E. Howard. (Der übrigens auch viel Blut und willige Weibchen in seine Prosa einstreut ;D)

Kurz: Wir leben in einer sehr freiheitlichen Gesellschaft. Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo er andere (evtl. auch sich selber) verletzt. Tut er das nicht, ist alles in Ordnung. Und das hängt (im Rollenspiel) sehr stark am "Wie" und sehr wenig am "Warum".
Ich stimme insofern zu dass es toleriert werden muss - es darf eben kein Grund sein die Fackel-und-Heugabel-Saison zu eröffnen.
Aber akzeptiert werden muss es nicht - man darf sich sehr wohl dagegen äußern und seine Abscheu zum Ausdruck bringen. Genauso wie ich etwa Flachpfeifen wie Günther Oettinger oder Oskar Lafontaine toleriere, aber dennoch menschlich und politisch zum Kotzen finde und das auch öffentlich sage.

Das gilt umso mehr wenn jemand aus dem stillen Kämmerchen kommt und es an einem Ort vorstellt wo diskutiert werden kann. "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß."


Ansonsten stimme ich deinem Post zu.
Erstaunlich für den spießigen, engstirnigen und bestimmt jeden Sonntag seinen Schrebergarten pflegenden Aufhänger des Threads, huh? ;)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.04.2008 | 23:53
Fall 1: Er will sich damit künstlerisch/ästhetisch auseinandersetzen und daran persönlich wachsen. Alles gut, oder? (denke ich zumindest)

Da Fall 2 interessanter ist, will ich hier nur kurz widersprechen: das Einnehmen einer ästhetischen Haltung zeugt möglicherweise von einer eingeschränkten moralischen Sensibilität, vielleicht auch von moralischer Indifferenz. (@ Hendrik: das ist ja unter anderem die Kritik an Jünger - die Schrecken des Krieges nicht als solche präsent zu halten, sondern bloß ästhetisch einzufangen könnte moralisch unangemessen sein)

Fall 2: Er findet das einfach geil. Ihm geht richtig einer ab. Tja, was soll ich sagen... So what? Ich sehe keinen Grund für eine moralische Verurteilung.

Du verurteilst dann also nur Handlungen. Da kann man sicher Gründe für vorbringen. Ich finde allerdings, dass es durchaus legitim ist, den Charakter von Menschen zu kritisieren. Dr. Boomslang hatte, wenn ich ihn recht verstanden habe, bereits in diese Richtung gewiesen. Und so abstrus ist der Gedanke ja auch gar nicht: wenn mir jemand erzählt, dass er gerne kleine Kinder ficken oder Juden vergasen möchte, davon aber aufgrund der bestehenden Gesetzeslage absieht, dann sage ich nicht einfach "So what? - Solange er das nicht tut, ist er doch ein echt dufter Typ."
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 00:06
Jetzt muss ich noch einen nachlegen, den ich eben vergessen habe:

Wenn jemand im Rollenspiel foltert, weil er es gerne in der Realität tun würde, dann heißt dies, dass diese Person gerne in der Realität foltern würde. Und jemand, der gerne foltern würde, hat einen schlechten Charakter - altmodisch gesprochen: er ist böse. Und das ist nicht gut  ;)
Dem stimme ich absolut zu. Nur dass man in der Realität an die Information nie rankommen wird. Wie willst du jemals erfahren, ob er im Rollenspiel foltert, weil er das gerne in der Realität machen würde? Wann kann ich das aus seinem Verhalten ableiten? Wenn er foltern ausspielt? Nein. Wenn er Spaß daran hat, foltern auszuspielen? Nein. Tja, schwierig. Es geht eigentlich nur, wenn ich ihn direkt frage, ob er das gerne mal in echt machen würde (ok, oder wenn er es wirklich in der Realität macht. Aber dann ist die Handlung wohl das Problem, oder? ;) ) und er dann ja sagt. Wenn dir also jemand erzählt, dass er gerne kleine Kinder ficken oder Juden vergasen möchte, dann kriegst du die Information und dann ist er ein Schwein. Aufgrund eines Spiels oder eines Spielberichts wird das nie gehen.

Zum Punkt "Gedanken bewerten":
Man könnte tatsächlich diskutieren, ob wir andere Menschen für ihr Denken und Fühlen schätzen, bewundern, verachten, tadeln etc. sollten. De facto tun wir das ständig - und ich finde, wir tun dies mit gutem Grund.
Richtig. Und der gute Grund ist: weil Denken und Fühlen oft ein guter Prädiktor für späteres Verhalten ist. Ich verachte jemanden für gewalttätige Gedanken, weil ich glaube, dass es mit gewalttätigen Taten einhergeht. Für mich ist die einzige Legitimation, jemanden für seine Gedanken zu verurteilen, wenn ich mir ziemlich sicher sein kann, dass sie zu verurteilenswerten Taten (oder dem ernsthaften Versuch solcher Taten) führen werden.

Das Problem entsteht dann: Ich verurteile jemanden für Gedanken, die höchstwahrscheinlich nicht zu den entsprechenden Taten führen werden. Dann verurteile ich zu Unrecht und bin dafür (sofern es zu Taten führt, wie z.B. denjenigen schlecht zu behandeln oder im Internet Scheiß über ihn zu posten) selber zu verurteilen. Beispiel: jeder kennt den Gedanken, mal einer ungeliebten Person eine reinzuhauen. Jemanden mal richtig zu vermöbeln. Vielleicht auch jemanden zu töten, den man hasst. Viele Mütter haben den Gedanken, ihr Kind zu verletzen, nur damit es endlich mit dem Schreien aufhört. Sind wir deswegen alle schreckliche Menschen? Nein, natürlich nicht, denn in 99,99% (oder mehr) aller Fälle sind solche Gedanken völlig ohne Folgen und ganz normal. Probleme gibt es eher, wenn man die Gedanken zu ernst nimmt. Denn das gibt dann eine feine Zwangsstörung und daran kann man viel Spaß haben...


EDIT:
das Einnehmen einer ästhetischen Haltung zeugt möglicherweise von einer eingeschränkten moralischen Sensibilität, vielleicht auch von moralischer Indifferenz.
Ist ja interessant, aus was du alles Schlüsse über den "Charakter" einer Person ziehst. Hast du denn da eine empirische Grundlage für? Oder wollen wir beide das nicht lieber psychologischen Diagnostikern überlassen? ;)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 00:08
Das finde ich schon extrem seltsam. Warum machst du ausgerechnet da eine Unterscheidung zwischen Rollenspiel und nicht-Rollenspiel? Und wenn sich jemand gerne Filme ansieht, oder Bücher schreibt in denen reale unmoralische Ansichten vertreten werden ist das eventuell verdammenswert, aber im Rollenspiel nicht, oder wie??
Nein, natürlich nicht, ich habe mich schlecht ausgedrückt.
Es ist mir allgemein bei Phantasiehandlungen egal warum jemand das macht. Die Begründung wird erst dann relevant, wenn etwas einen anderen verletzt hat oder das vor hat.
Wenn ein man seine Frau schlägt weil sie ihn Betrogen hat, ist das was anderes (für mich) als wenn er das tut, weil das Essen kalt war. Beides ist Scheiße, aber sind verschiedene Qualitäten von Scheiße.
Wenn jemand jemanden Einsperrt weil er ihn leiden sehen will, ist das was anderes als wenn jeman jemanden einsperrt, weil der eingesperrte ein Verbrecher ist und verurteilt wurde.
Wenn das alles in Büchern oder Filmen oder im einvernehmlichen Rollensiel passiert ist das Warum völlig unerheblich (vieleicht nicht für einen Psychologen, aber das bin ich nicht und deshalb ist es für mich nciht wichtig).
Aber Fredi hat das viel besser erklärt....
(Ich spüre auch schon so ein leichtes frösteln ;) )

Ich will mich natürlich nicht davon freisprechen, das ich, wenn ich das wahre "warum" erfahre eine Bewertung vornehme, dagegen kann sich wohl kaum jemand wehren. Aber die bewertung des Rollenspiels ändert sich dadurch nicht.
Ich werde auch nie verstehen warum Leute z.B. Bücher wie "Battlefield Earth" nur aus dem Grund ablehnen, weil sie nicht mit der Ideologie von Ron Hubbard übereinstimmen. Wenn man begründet, das man diesen Mann nicht Finanziell unterstützen wollte ist das eine Sache, aber wenn man sagt ich lese dieses Buch nur aus dem Grund nicht, weil der der es geschrieben hat böse ist, dann kann ich das nicht verstehen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Ein am 3.04.2008 | 00:08
Zitat
Und auch das stimmt. Aber auch hier ist ein Sclüsselwort gefallen: "Fragen". Bevor ich jemanden als abartig tituliere, versuche ich doch zuerst mal rauszufinden, was seine Intention war.
Ich finde nicht, dass es da jetzt einen großen Unterschied macht, ob man da nun ein echtes Problem hat, seine Machtfantasien ausspielen möchte oder fühlen möchte, wie es sich anfühlt. Zumindest in der Außenwahrnehmung. Der eigentlich interessante Punkt dabei ist doch anscheinend, dass es gewissen Leuten eben nicht ausreicht, solche Dinge im stillen Kämmerlein zu spielen, sondern sich damit auch noch Inszenieren müssen.

Und stimmt, da muss man sich fragen, "warum"? Aber das betrifft nicht nur Indie-SnuffPorn-Spieler, sondern ist ein allgemeines Problem unseres Hobbies.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Gaukelmeister am 3.04.2008 | 00:20
@ Fredi
Entschuldige bitte, wenn ich jetzt nur noch einen Einwand vorbringe, mich aber ansonsten nicht mit deinen Argumenten auseinander setze (vielleicht finde ich ja nach einer guten Nachtruhe die Kraft dazu).

Du weist darauf hin, dass wir alle manchmal abgründige Impulse haben. Daraus schließt du, dass wir konsequenter Weise so ziemlich jeden - uns selbst eingeschlossen - verurteilen müssten. (EDIT: ...verurteilen müssten, wenn ich denn Recht hätte, was ich ja deiner Meinung nach nicht habe ... - Stimmt nicht  :)

Erstens muss man Impulse mMn von stabilen, lange Zeiträume überdauernden Wünschen unterscheiden.

Wichtig ist zweitens, wie jemand die entsprechenden Handlungen bewertet. Eine Mutter, die es richtig findet, ihr Kind an die Wand zu klatschen, dies dann aber nicht tut, weil sie keine Lust hat, die Blutflecken von der Wand zu wischen, muss von einer Mutter unterschieden werden, die das An-die-Wand-Klatschen des eigenen Kindes für moralisch nicht akzeptabel hält.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 00:36
Erstens muss man Impulse mMn von stabilen, lange Zeiträume überdauernden Wünschen unterscheiden.

Wichtig ist zweitens, wie jemand die entsprechenden Handlungen bewertet.
Das ist vollkommen richtig. Aber warum sind die beiden Faktoren wichtig? Nur, weil sie auf unterschiedliche Handlungsrelevanz der Gedanken hindeuten.

Kurze Impulse werden vermutlich seltener in Taten umgesetzt als direkte, auf die Realität bezogene Wünsche. "Mensch, die würde ich jetzt gerne ficken" ist was anderes als langandauerndes "Ich werde sie vergewaltigen. Ich habe sogar schon einen Plan. Ich warte nur auf den Moment...". Ersteres ist sehr handlungsfern, zweiteres bedenklich nah an der Ausführung.

Bewertung ist auch wichtig. Jemand, der die Tat in Ordnung findet und nur vor den Konsequenzen (Strafe, Blut wegwischen) zurückschreckt, wird die Tat eher ausführen (nämlich, wenn er keine Konsequenzen befürchtet) als jemand der die Tat selber als verwerflich betrachtet.

Kurz: es kommt ausschließlich auf die Handlungsrelevanz der Gedanken an. Ich kann jemanden verurteilen, wenn seine Gedanken derart sind, dass ich mit hinreichender Sicherheit eine verwerfliche Tat nicht mehr ausschließen kann. Ist das nicht der Fall, ist eine Verurteilung auf Grund der Gedanken selbst verwerflich (wenn entsprechende Handlungen folgen).

Um wieder zum Rollenspielen zu kommen: Allein auf Grund von Phantasien in Spielsitzungen oder Spielberichten werden wir nie mit ausreichender Sicherheit verwerfliche Handlungen vorhersagen können. Dazu reicht die Information einfach nicht aus. Also ist eine Verurteilung aufgrund dieser Gedanken im Besten Fall irrelevant und vorschnell, im Schlechtesten Fall schädlich.

Und was Vorhersage von Verhalten auf Grund von Dingen außerhalb des Rollenspiels angeht... Das würde ich doch lieber den Psychologen überlassen. ;)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.04.2008 | 00:55
Na, ich denke, wir sind verdächtig nah an allgemeinem Konsens.

Was das von der Schrebergarten-Fraktion geforderte Anprangern von öffentlich kundgetanen Geschmacklosigkeiten angeht, so sehe ich die Notwendigkeit nicht, aber wer’s braucht, dem bleibt’s meinethalben unbenommen, solange Beleidigung und Verleumdung aus dem Spiel bleibt, denn genau das sind die Grenzen der freien Meinungsäußerung. Voraussetzung ist aber zunächst ein korrektes Erfassen der Situation, ohne voreilige Schlüsse, Unterstellungen und Verallgemeinerungen. Das war doch bei der unseligen Poison’d-Debatte das wirkliche Problem.

Ich persönlich finde es total überflüssig, sich über den schlechten Geschmack andere Runden aufzuregen (ich wüsste da schon ein paar…) Bei Filmen und Büchern tu ich das auch, sogar vehement, aber da bin ich ja auch Teil des Publikums: Als Zuschauer bzw. Leser. Bei einer fremden Rollenspielrunde bin ich aber nicht Teil des Publikums (das sind nämlich nur die Mitspieler), ich bin bloß ein interessierter Außenstehender, der gerade rapide das Interesse verliert. Kein Grund, unhöflich zu werden.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.04.2008 | 01:44
Und was Vorhersage von Verhalten auf Grund von Dingen außerhalb des Rollenspiels angeht... Das würde ich doch lieber den Psychologen überlassen. ;)
Also ich würde das nur unter Protest einem Psychologen überlassen ;D
Da bin ich wieder ganz bei Gaukelmeister wenn er sagt, dass wir doch im wesentlichen andere Menschen ganz gut einschätzen können. Entscheident für die Beziehung zu einem Menschen ist ja auch was man selber über seine Haltung denkt und nicht nur was er dann tatsächlich im Stande ist zu tun.
Richtig ist dass wir im (Ver-)Urteilen oft vorschnell sind, was aber eben nicht heißt das man es gar nicht machen sollte.

Wir sind uns auch was die moralische Praxis angeht sicher alle recht einig. Natürlich kommt es auf die Handlungen und bei Gedanken und Geisteshaltungen auf die Nähe zu Handlungen an. In der Praxis einer Rollenspielrunde ist das "Wie" des Ausspielens von Themen auch in den überwiegend meisten Fällen der entscheidende. So weit so gut.

Trotzdem hält mich das nicht davon ab mich für das "warum" zu interessieren und dem auch eine Bedeutung beizumessen, und ich finde das sollte man auch.
Dabei muss man natürlich das beachten was Vermi die ganze Zeit schon sagte: Man muss differenziert genug vorgehen. Warum hat keine einfache Antwort und wenn man diese Frage wirklich beantworten möchte muss man so lange nachsehen bis man eine ausreichende Antwort hat.
Wenn sich jemand für eine Vergewaltigung interessiert weil es was mit Sex und Gewalt zu tun hat, dann mag das etwas plump sein, oder ein einfacher Impuls, das wäre aber für mich nicht im geringsten verwerflich, sondern völlig nachvollziehbar. Wenn jemandem bei Filmen ala Hostel oder Spielen wie Manhunt im ersten Moment nichts weiter als nur "geil" einfällt, wäre das schon ein Grund für mich diese Person komisch zu finden.

Auf das Warum kann es viele sehr verschiedene Antworten geben. Bei bestimmten Motiven muss man vielleicht sagen: "Du passt als Person nicht in die Runde" oder "Du solltest mal zur Therapie gehen" oder aber "Wir sind zwar Freunde aber ich glaub wir müssen dich einweisen" oder einfach nur "Bis zur nächsten Speiseröhrenvergewaltigung". All das ist möglich.
Was ich aus meiner Sicht nicht wirklich möglich finde ist das Warum auszublenden, weil wir damit auf die Ebene des "jeder für sich" und "alles ist erlaubt" zurück gehen und das wäre mir bei mir nahe stehenden Leuten (mit denen ich z.B. solche Themen bespiele) zu wenig.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Caralywhynn am 3.04.2008 | 01:47
*Sich durch die Posts gekämpft hat und trotzdem noch ihren Senf dazu abgegen muss... :D *

Also was mir bei den meisten Beiträgen (so ab Seite 2 in etwa) ein bisschen fehlt ist die konkrete Ansage, warum ihr persönlich es befürwortet oder ablehnt . Es wird irgendwie fast immer in der dritten Peron von "man" "jemand" "er/sie" geredet. Aber was ist mit euch persönlich?
Schafft ihr durch diese Formulierungen eine gewisse Distanz zu Fredis Thematik - und wenn ja, warum?



Ich bin Erzählspieler. Ich möchte interessante Geschichten erzählen. Aber mehr noch, ich möchte alle Facetten des Menschseins beleuchten. Und dabei möchte ich nicht bei "Abenteuern" Schluss machen. Die sind eine mögliche Art von Geschichten, aber eben nicht alles.
Ja.

Ich kann durch das Ausloten von moralischen / menschlichen Abgründen mehr über mich lernen.

Rollenspiel an sich betreiben kleine Kinder bereits ab ca. dem dritten Lebensjahr, was ein ganz normaler und wichtiger Entwicklungs- und Sozialisierungsprozess ist und dazu dient, in gespielten oder erzählten Situationen "kontrolliert" Beziehungen und Grenzen auszuloten, zu überschreiten und Alternativreaktionen zu konventionellen Reaktionen auf die Situationsstimulanz auszutesten.

Bei den von Fredi angesprochenen Abgründen im Rollenspiel passiert genau das - nur halt nicht auf der mental entwickelten Ebene von (Klein)Kindern, sondern auf einer Ebene, die meinem Erfahrungensschatz und Wissensstand, sowie auf meiner weiterentwickelten Sozialisierung aufbaut.
Warum sollte ich mir also diese jahrelang eingeübte praktische Möglichkeit nehmen, Grenzen auszuloten, Erfahrungen mental kontrollierbar sozusagen zu simmulieren?
Der einzige Grund für mich ist der, dass ich mich  auf diese ganz bestimmte Thematik gerade nicht einlassen kann ->aber dann lass ich es für mich persönlich.
Wie kann ich gewisse Denk-/Handlungsprozesse auch nur annähernd verstehen, wenn ich mich nicht in Gedanken damit auseinandersetze. Macht sicherlich jeder hier.
Und Rollenspiel ist da EINE praktikable Möglichkeit, dies auch in einer Gruppe Gleichgesinnter tun zu können.
Es ist halt ein Spiel mit Rollen.
Ein System bietet den äußeren Rahmen/die äußeren Grenzen, der GruppenKonsens bietet die Möglichkeit inhaltlicher/thematischer Grenzen.  UNd diese Grenzen bieten mir persönlich die Sicherheit der Distanz (die ja schon mehrfach angesprochen wurde) und lassen mir dadurch überhaupt erst den Freiraum diese Abgründe zu simmulieren.

Ich selber weiß oft nicht einmal, wo genau/konkret meine Grenzen sind, aber durch (überspitzt gesagt) das Simmulieren von Abgründen im Rollenspiel kann ich für mich eine Menge über meine Grenzen lernen. - Einfach dadurch, wie ich für mich zu einer Entscheidungsfindung gelange, was das Agieren meines Chars, also meiner Rolle angeht...

Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen Angst davor haben, überhaupt in irgendeiner Form an ihre Grenzen zu stoßen. Das ist nicht böse oder abwertend gemeint, es ist halt nur ein Eindruck. Denn die Frage die sich mir stellt, wenn ich ebenjene Grenze erreicht habe, ist diejenige nach dem "Was ist dahinter"? Und das kann beängstigend oder aufregend sein - je nachdem, aus welchem Blickwinkel ich es betrachte.

...


Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 01:48
Man könnte tatsächlich diskutieren, ob wir andere Menschen für ihr Denken und Fühlen schätzen, bewundern, verachten, tadeln etc. sollten. De facto tun wir das ständig - und ich finde, wir tun dies mit gutem Grund. Du siehst das anders?
Ich sehe es so:
Man muss die Gefühlswelt in mehrere Komponenten aufspalten:
1) Die Emotionen: Was macht mir Spaß, was macht mir keinen Spaß?
2) Die Moral/Ethik/Gewissen: Was empfinde ich als richtig? Was empfinde ich als falsch?
3) Die Selbstbeherrschung: Wenn Emotionen und Gewissen im Widerspruch stehen, wie entscheide ich mich? Wenn eine langfristige Emotion (ich will ein gutes Abitur) mit einer kurzfristigen Emotion (ich will heute Abend feiern und mich besaufen gehen, obwohl morgen eine Klausur ist) stattfindet, wie entscheide ich mich?

Diese drei Bereiche der Gefühlswelt sollte man unterscheiden.
Und da bin ich folgender Meinung:
Was jemand für Emotionen hat oder nicht ist weder gut noch schlecht. Ich kann sagen, dass einige Emotionen hilfreich sind und ich ihn darum beneide. Oder andere Emotionen sind weniger hilfreich und behindern ihn bloß. (Was man in medizinischer Hinsicht auch als krank bezeichnet. Jedoch ist das medizinische Wort "krank" auf keinen Fall mit dem umgangssprachlichen Wort "krank" zu verwechseln.)

Zum Bereich Moral: Da kann ich sagen: "Ich habe die gleiche Ethik wie er oder ich habe eine andere Ethik." Und ich kann sagen: "Er hat übers eine Ethik reflektiert." bzw. "Er hat nicht darüber reflektiert."

Und zum Bereich Selbstbeherrschung: Ein Mensch, der Lust auf Vergewaltigungen hat, diesen Trieb aber unterdrückt, hat imho mehr Respekt verdient als ein Kerl, der auf willige Frauen steht und diesen Drang hemmungslos auslebt.
Denn die erste Person zeigt Selbstbeherrschung (die er auch dringend benötigt), während der zweite Mensch keine Selbstbeherrschung zeigt (die er in diesem Zusammenhang ja auch nicht benötigt. Vielleicht besitzt er Selbstbeherrschung, vielleicht auch nicht. Das weiß man nicht.)

So, nun zu meiner Einschätzung von Personen:
Ich verachte Leute, mit wenig Selbstbeherrschung oder Leute, die nicht über ihre Moral reflektieren. Gleichzeitig finde ich Leute mit einer mir entgegengesetzten Moral (z.B. Nazis oder Terroristen) unsympathisch und würde diese Leute in die Kategorie "böse" stecken. (Jetzt mal ganz platt ausgedrückt.)
Aber wenn es um die Frage geht, was für Vorlieben jemand hat, dann würde ich ihn nicht dafür verurteilen. Eher würde ich manche Menschen bemitleiden, weil sie eine Vorliebe haben, diese aber nicht in der Realität ausleben können, da sie dadurch anderen Leuten Schaden würden. (Aber dies würde bei mir wiegesagt keine Antipathie auslösen. Eher eine Mischung aus Mitleid, weil diese Leute ihre Emotionen nicht ausleben können, und eine Spur von Bewunderung, weil sie ihre Emotionen unter Kontrolle haben und diese nicht wild ausleben.)

Eine Mutter, die es richtig findet, ihr Kind an die Wand zu klatschen, dies dann aber nicht tut, weil sie keine Lust hat, die Blutflecken von der Wand zu wischen, muss von einer Mutter unterschieden werden, die das An-die-Wand-Klatschen des eigenen Kindes für moralisch nicht akzeptabel hält.
Und diese beiden müssen wiederum von der Mutter unterschieden werden, die mal so richtig Lust hätte, ihr Kind an die Wand zu klatschen, dies aber nicht tut, weil sie ihr Kind liebt und es für unmoralisch hält. (Es in ihren Phantasien, wo niemand zu Schaden kommt, aber dennoch gerne tut.)

Ebenso gibt es ja auch mehrere Arten von Menschen:
a) Menschen, die keine Lust haben, echte Menschen umzubringen. (Und wahrscheinlich auch Hack'n'Slay im RPG langweilig finden.)
b) Leute, die Lust hätten, andere Menschen umzubringen, dies aber aus moralischer Gründen nicht tun.
c) Leute, die Lust hätten, andere Menschen umzubringen, dies aber nicht tun, weil sie keine Lust auf Gefängnis haben.
d) Leute die Lust haben, andere Menschen umzubringen und dies dann auch tun. (z.B. Amoklauf)

Und auch hier halte ich a) und b) für moralisch gleich "gut".
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: killedcat am 3.04.2008 | 08:46
Ebenso gibt es ja auch mehrere Arten von Menschen:
a) Menschen, die keine Lust haben, echte Menschen umzubringen. (Und wahrscheinlich auch Hack'n'Slay im RPG langweilig finden.)
b) Leute, die Lust hätten, andere Menschen umzubringen, dies aber aus moralischer Gründen nicht tun.
c) Leute, die Lust hätten, andere Menschen umzubringen, dies aber nicht tun, weil sie keine Lust auf Gefängnis haben.
d) Leute die Lust haben, andere Menschen umzubringen und dies dann auch tun. (z.B. Amoklauf)

Und auch hier halte ich a) und b) für moralisch gleich "gut".
Mhm. Wie unterscheidest du aber b) und c)?

Klar ist: jeder hat seine Dämonen in sich. Seine Abgründe. Wichtig sind nicht die Dämonen, sondern wie der Mensch mit ihnen umgeht. Sie zu unterdrücken ist eine Lösung. Auslöser zu meiden eine weitere. Das Rollenspiel zu gebrauchen um sie auszuleben eine andere.

Für mich ist das Ausleben im Rollenspiel als Ersatz für echte Unmoralität per se kein künstlerischer Akt. Bestenfalls ein Hilferuf. Insofern mache ich tatsächlich einen Unterschied im "Warum". Wer das Rollenspiel zur Befriedigung seiner Unmoralität betreibt, und dabei Vergnügen empfindet, der widert mich tatsächlich an. Wer dies tut um die Grenzen seiner Moralität auszuloten oder um ein künstlerisch anspruchsvolles Gesamtwerk zu schaffen, der tut das gleiche, aber aus anderen Beweggründen, mit denen ich weniger Probleme habe. Tatsächlich sind es eben die Beweggründe, die die Moralität oder den Mangel derselben ausmachen.

Hier ist die Krux von det janze: ich kenne die tatsächlichen Beweggründe aber nicht. Da ich aber nicht in die Köpfe von Menschen hineinsehen kann werde ich mich hüten diese Personen zu verurteilen. Wenn ich den Eindruck habe, dass hier nur Ersatzbefriedigung geschaffen wird, dann wird mir das ganze unangenehm und ich werde sicher nicht mitspielen.

Wie oben geschrieben bin ich als Rollenspieler aber nicht nur Konsument, sondern in irgendeiner Form Mittäter. Das heißt, diese Grenzen zu überwinden erfordert ein Motiv von jedem Einzelnen Spieler, dies zu tun. Sind wir einmal ehrlich: wie viele Spieler haben denn den künstlerischen Anspruch das Gefühl z.B. eines Kindesmissbrauchs zu erleben? Wenn der Spielleiter das Thema Kindesmissbrauch angehen möchte, und die Spieler eben solche spielen sollte, dann gibt es nicht viele Gründe dies zu tun. Und manche davon sind imho unmoralisch.

Es mag Runden geben, die Tabus übertreten, um eine künstlerisch wertvolle Geschichte zu erzählen. Manche suchen aber vielleicht nur ihre Abgründe auf, weil sie feststellen, dass sie Spaß daran haben. Der Vorteil ist: da diese Geschichten selten erzählt werden, sind sie meist unverbrauchter als das Xte "Rette die Prinzessin / Welt". Es ist sicher ein neues und spannendes Erlebnis: Tabubruch, neues Erlebnis, eigene Dämonen und Grenzen ausloten, etc. Gewürzt mit dem Verruchten und dem Büchse-der-Pandora-Thrill. Funktioniert schon ganz billig in Kino, TV und sogar Buch: sympathisiere ich jetzt etwa mit Hannibal Lecter? Tatsächlich ist der Gang zu den Extremen der Menschlichen Seele aber per se nur ein ganz billiges Stilmittel, imho.

Wer's braucht, soll's tun. Aber aus den o.g. Gründen hat er in den meisten Fällen weder mein Verständnis noch meine gute Meinung, wenn es nur um das Prinzip Unmoralität geht. Soll er lieber eine spannende Geschichte erfinden und erzählen und dabei so viel Unmoralität einbauen, wie die Geschichte braucht. Und nicht Unmoralität als Prinzip wählen, und eine Geschichte darum herum bauen. Davon halte ich eben einfach nichts.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.04.2008 | 09:54
@ Eulenspiegel:

Zitat
Gleichzeitig finde ich Leute mit einer mir entgegengesetzten Moral (z.B. Nazis oder Terroristen) unsympathisch und würde diese Leute in die Kategorie "böse" stecken. (Jetzt mal ganz platt ausgedrückt.)

Wenn Immanuel Kant das so platt ausdrücken darf, darfst du das auch. ;)

Im übrigen Zustimmung.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 10:13
Ich persönlich finde es total überflüssig, sich über den schlechten Geschmack andere Runden aufzuregen (ich wüsste da schon ein paar…) Bei Filmen und Büchern tu ich das auch, sogar vehement, aber da bin ich ja auch Teil des Publikums: Als Zuschauer bzw. Leser. Bei einer fremden Rollenspielrunde bin ich aber nicht Teil des Publikums (das sind nämlich nur die Mitspieler), ich bin bloß ein interessierter Außenstehender, der gerade rapide das Interesse verliert. Kein Grund, unhöflich zu werden.
Also das sehe ich anders. Sobald die Runde mit ihrer Spielweise an die Öffentlichkeit geht ist die Öffentlichkeit Teilnehmer.
Ich unterstelle Menschen die mit solchen Themen an die Öffentlichkeit geht auch eine gewisse Exhibitionistische Intention.
Und da sage ich wer den Ruhm will, der muss auch den Spott ertragen.
Also Speiseröhren dehnen, aber rumheulen wenn einer sich drüber mokiert, passt für mich nicht zusammen.

Also was mir bei den meisten Beiträgen (so ab Seite 2 in etwa) ein bisschen fehlt ist die konkrete Ansage, warum ihr persönlich es befürwortet oder ablehnt .
Also ich mache das im Rollenspiel garnicht, weil mir dafür die richtigen Mitspieler fehlen.
Ich beschäftige mich aber auch nicht mit menschlichen Abgründen, um meine eigenen Grenzen auszutesten. Die kenne ich sehr genau. Da bin ich eher Lusche, ich verabscheue reale Gewalt und Unterdrückung schon in seinen Ansätzen.
Ich beschäftige mich damit weil ich tatsächlich die Situation nachempfinden will.
Da interessiere ich mich auch wenig für den ganzen Sexkram. Da kann man in jedem 08/15 Porno mehr "erleben" als man in einem Rollenspiel nachstellen kann. Ne Vergewaltigung ist mir da einfach zu primitiv, obeflächlich und Pupertär.
Mich interessieren da eher echte Menschliche Abgründe und die ergeben sich nicht aus einzelnen Provakanten Handlungen sondern aus einem ganzen Lebensstil.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.04.2008 | 10:35
Ach lasst uns doch mal weg von diesem dämlichen Speiseröhrenbeispiel, das sowieso die wenigsten hier selbst gelesen haben. Das Problem bei der Speiseröhre war nicht, dass die Leute die Speiseröhre eklig fanden (finde ich ja auch), sondern dass die Reaktion in etwa wie folgt ausfiel:

„Ihr seid ja total krank, solche ekelhaften Leute wie ihr haben in unserem Hobby nichts zu suchen, und dieses Spiel was ihr gespielt habt ist auch total krank, das ist ja ein Snuff-Pädo-Porno-Generator, und der Autor ist ein krankes Arschloch das sich an so was aufgeilt.“

(Wobei die vorhandenen Informationen in Wirklichkeit keinerlei Rückschluss auf das Spiel oder den Autor zuließen und auch nicht darauf, wie während des Spiels die Reaktion der Beteiligten auf die Speiseröhre ausfiel.)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 10:36
Mhm. Wie unterscheidest du aber b) und c)?
Die einen bringen niemanden um, weil es unmoralisch ist. Sie haben eine Moral, die mit meiner konform geht.
Die anderen bringen aus egoistischen Gründen niemanden um. Ihre Moral geht mit meiner nicht konform.

Zitat
Wer das Rollenspiel zur Befriedigung seiner Unmoralität betreibt, und dabei Vergnügen empfindet, der widert mich tatsächlich an. Wer dies tut um die Grenzen seiner Moralität auszuloten oder um ein künstlerisch anspruchsvolles Gesamtwerk zu schaffen, der tut das gleiche, aber aus anderen Beweggründen, mit denen ich weniger Probleme habe.
Was verstehst du unter unmoralisch? Ist Bondage-SM jetzt unmoralisch, weil man bei SM ja theoretisch jemanden Schaden zufügt?

Ansonsten ist Ekel natürlich auch eine Emotion. Und genau so wenig, wie ich die eine Person wegen ihrer sexuellen Vorlieben verurteile, so verurteile ich dich wegen deiner Ekel-Gefühle dieser Person gegenüber.
Man sollte halt bloß darauf achten, dass man diese Gefühle zur Not unter Kontrolle hat.

Und man sollte nicht den Fehler machen und den Trugschluss folgen: Nur weil etwas eklig ist, ist es unmoralisch.
Solange man eine Handlung für eklig befindet (zum Beispiel Lustbefriedigung durch Rollenspiel), ist das eine Emotion und vollkommen zu tolerieren.
Sobald man aber eine Handlung als unmoralisch abstempelt, ist das ein Ausdruck der eigenen Ethik. Und hier würde ich dann eine Person kritisieren, da es nicht mit meiner Ethik übereinstimmt, wenn man anderen Menschen vorschreiben will, was für Emotionen sie haben sollen.

Zitat
Wenn ich den Eindruck habe, dass hier nur Ersatzbefriedigung geschaffen wird, dann wird mir das ganze unangenehm und ich werde sicher nicht mitspielen.
Das ist ja vollkommen nachvollziehbar. Wenn ich zum Beispiel in einer Gruppe bin, in der nur Hack'n'Slay betrieben wird, dann würde mir das auch unangenehm werden und ich würde nicht mehr mitspielen. (Ein bisschen Gemetzel ist ja noch in Ordnung. Aber bitte nicht den gesamten Spielabend über.)

Wichtig ist hierbei aber, dass man sich selber klarmacht, dass man nicht mitspielt, weil die Person unsympathisch ist und nicht, weil die Person schlecht ist.
Aber zu sagen: "Du bist mir als Mensch unsympathisch und ich spiele nur mit Leuten, die mir sympathisch sind." ist natürlich völlig legitim. (Solange man der Person nicht vorwirft, schlecht zu sein, nur weil man sie unsympathisch findet.)

Zitat
Wenn der Spielleiter das Thema Kindesmissbrauch angehen möchte, und die Spieler eben solche spielen sollte, dann gibt es nicht viele Gründe dies zu tun. Und manche davon sind imho unmoralisch.
Warum ist es unmoralisch etwas spielen zu wollen?
Das ist weder nach Kant noch im Utilitarismus unmoralisch. (Höchstens in deontologischen Ethiken gelten unzüchtige Gedanken bereits als unmoralisch.)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 10:42
@Vermi
Ich kann ja nur Bsp. anbringen, die ich gelesen habe.
Aber selbst wenn es nur um eine "normale" Vergewaltigung ginge, ist es für mich das selbe Ergebnis. Wer sich in der Öffentlichkeit aus dem Gesellschaftlichen Kontext der Moral herausbegibt, der macht das, eine Gewisse Soziale Kompetenz vorrausgesetzt, mit der völligen Absicht zu provozieren. Sollen wir jetzt bei der Bekämpfung von Vorverurteilungen gerade bei sowas Anfangen wo sich das vermeindliche Opfer völlig ohne Not in die "Gefahr" der Öffentlichkeit begibt? Ich finde nicht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 10:58
Sollen wir jetzt bei der Bekämpfung von Vorverurteilungen gerade bei sowas Anfangen wo sich das vermeindliche Opfer völlig ohne Not in die "Gefahr" der Öffentlichkeit begibt?
Der Kampf gegen Vorurteile über Homosexualität wurde ja auch geführt, indem sich die vermeintlichen Opfer (die Schwulen&Lesben) völlig ohne Not in die "Gefahr" der Öffentlichkeit begeben hatten.

Manchmal ist es halt notwendig, sich in die Öffentlichkeit zu begeben, um gegen Vorurteile anzukämpfen. Wenn man sich immer hinter einer Mauser aus Schweigen versteckt, verfestigt das eher die Vorurteile.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 11:05
Ziehe bitte nicht solche Vergleiche.
Homosexuelle sind nciht Homosexuell, um die Gesellschaft zu provozieren, jedenfalls die Mehrheit nicht.
Grenzwertige Themen bei Rollenspielen anspielen löst sich selbst auf wenn die Grenzwertigkeit verleugnet wird.
Wie gesagt, ich unterstelle den Spielern die damit an die Öffentlichkeit gehen eine entsprechende Provozierende absicht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Vash the stampede am 3.04.2008 | 11:07
Ziehe bitte nicht solche Vergleiche.
Homosexuelle sind nciht Homosexuell, um die Gesellschaft zu provozieren, jedenfalls die Mehrheit nicht.
...

Das gilt für Pädophile aber auch. So unangenehm es auch sein mag.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 11:13
Ok, Jungs: BLAH!! Wir machen mal eine kurze Abkühl-Pause. ::)


Etwas abgekühlt? Ich hoffe es. So, Pause vorbei. :)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 11:40
Da bin ich wieder ganz bei Gaukelmeister wenn er sagt, dass wir doch im wesentlichen andere Menschen ganz gut einschätzen können.
Das ist mir aber neu. Woher hast du das denn? Es widerspricht nämlich jeder psychologischen Forschung...
Menschen können andere Menschen nur dann gut einschätzen, wenn:
- sich die beiden Menschen ähnlich sind
- einem die Situation, in der eingeschätzt wird, vertraut ist
- das vorherzusagende Verhalten und die dazu passenden Situationen "normal" und bekannt sind
- und noch ein Stapel anderer Sachen...

Sonst läuft das eher schlecht bis katastrophal. Typisches Beispiel: Menschen lehnen alles ab, was neu, unbekannt anders als man selber ist. Davor fürchten sie sich, das lehnen sie ab, dagegen werden sie aggressiv. So überschätzen Menschen die Gefahr, die von anders wirkenden Menschen ausgeht üblicherweise stark. Gerade gegenüber Neuem ist die Gefahr, vorschnell negativ zu urteilen, viel größer, als zu wenig zu urteilen.

Aber genug mit den Allgemeinheiten. Das war spannend, aber so allgemein kommen wir, denke ich, nicht weiter. Und jetzt wieder zurück zum Rollenspielen. Ich möchte alle Teilnehmer im Thread auch bitten, sich wieder auf das eigentliche Thema zu beziehen: Einen Menschen als moralisch verwerflich zu beurteilen, nur weil er im Rollenspiel bestimmte Phantasien hat. Kann man das oder nicht?

Und jetzt nochmal meine Meinung: Ihr moralischen Urteiler führt euch auf wie das neuen Sonderkommando von BADD. Nur mit merkwürdiger Doppelmoral.

Erklärung: Wenn jemand kommt, Rollenspiel für Schmutz hält und Rollenspieler für abnorme, unmoralische Geisteskranke, weil sie sich einen Kick daraus holen, dass sie 20 Orks dahinmetzeln und Dämonen beschwören, dann werdet ihr zu Recht folgendes sagen: "Das ist ein Spiel. Phantasie! Und wir Rollenspieler können Phantasie und Realität sehr gut auseinanderhalten. Keiner von uns würde das in der Realität je tun, auch wenn uns das in der Phantasie Spaß macht."
Komischerweise klappt das nicht mehr, wenn jemand eine Vergewaltigung ausspielt (immer vorausgesetzt die Gruppe hat kein Problem damit). Auf die Idee, dass auch diese Spieler durchaus in der Lage sind, Phantasie und Realität zu trennen, scheint keiner zu kommen.

Und da zeigt sich eben, dass wir Menschen ganz schlecht einschätzen können. Sobald jemand so ist, wie man selber, geht es gut. Wir alle haben schon Orks im Spiel gemetzelt und wissen, dass wir trotzdem normale, nette, moralisch unbedenkliche Menschen sind. Kaum macht einer aber was anderes und unterscheidet sich von uns, kommt der Reflex hoch, ihn für gefährlich, abartig, moralisch verwerflich zu halten. Man kann die Perspektive schlecht übernehmen, den anderen nicht gut einschätzen und verurteilt ihn vorschnell. Ein klassisches Vorurteil. 

Und damit mein Fazit zum Thema: Wenn jemand Vergewaltigungsphantasien im Rollenspiel auslebt, dann kann ich das eklig finden. Ich muss nicht mit ihm spielen wollen. Ich kann ihn auch unsympatisch finden. Whatever. Aber moralisch verurteilen darf ich ihn nicht. Denn damit macht man sich derselben Scheuklappenmentalität schuldig wie die BADD-Leute.

So. Und bitte, bitte, versucht wirklich beim Thema "Rollenspiel" zu bleiben und nicht wieder so sehr abzudriften. Danke! :)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.04.2008 | 11:49
Ich finde eigentlich, dass das sogar ein gutes Schlusswort ist. :)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 12:05
Mal als Gegenfrage, was bleibt dann noch für die Moral? Der ganze Rest ist ja schon Gesetzlich geregelt, ist Moral also außer als Legitimation für Gesetze Sinnlos?
Ich denke nicht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Arkam am 3.04.2008 | 12:09
Hallo zusammen,

ich denke nicht das es ein gutes Schlußwort ist.

Denn ich sehe einen wesentlichen Unterschied darin das Mangels Orks oder Magie diese Fraktionen nie in die Verlegenheit kommen werden der Situation real zu begegnen.

Wenn ich aber menschliche Abgründe ins Rollenspiel einbringe bringe ich eben auch etwas ins Spiel ein das mehr oder weniger real ist. Wenn ich es dazu noch mit der Absicht tue Reaktionen meiner Mitspieler zu bekommen dann sollte ich mir auch Gedanken darüber machen wie meine Reaktionen ausfallen könnten und wie ich in den Augen meiner Mitspieler dastehe.

Zudem ist ja nicht nur beim Rollenspiel sondern generell wenn Medien grenzwertige Themen aufgreifen die Empörung schnell groß weil man ein Ausweiten dieser Grenzen befürchtet. Je nach eigenem Standpunkt ist das jetzt spießig / notwendig / hätte schon vor Jahren passieren sollen.
Gerade eine Gruppe die schon Mal als Randgruppe wahrgenommen wird und jetzt ihre Grenzen austestet muß da mit Sperrfeuer rechnen wenn das in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Für das rollenspieltechnische Handwerkzeug für grenzwertiges Rollenspiel mache ich Mal lieber einen eigenen Thread auf.

Gruß Jochen
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Caralywhynn am 3.04.2008 | 12:17


Eine Frage hätte ich aber noch!  ;D

Der Sexuelle Missbrauch (egal in welcher Form) scheint hier ja DAS ganz große, eigentlich alleinige Abgrundthema zu sein.

Und ich habe den Eindruck, dass bei jedem, der hier von Abgründen spricht, ausschließlich Sexueller Missbrauch als Möglichkeit des Abgrundes impliziert wird.

So schlimm sich dass anhört, aber sexueller Missbrauch ist meiner Meinung nach weder der einzige noch der schlimmste Abgrund, in den eine menschliche "Seele" stürzen kann.

Ich finde, der Abrgund des Sexuellen Missbrauchs und eure Meinungen dazu sind mehr als bekannt.
Und diejenigen, die laut rumlamentieren, dass man mit dem Ausloten von Abgründen nur miesen Voyeurismus betreibe, sollten sich mal an ihre eigene Nase fassen - oder warum ziehen sie sich hier immer wieder an irgendwelchen Kleinigkeiten hoch und lenken vom eigentlichen Thema ab?




PS: Sexueller Missbrauch - ist für mich keine Thematik für den Spieltisch.
Sex/Erotik an sich kommt in unseren Runden schon nur ganz selten "ausgeprägt" vor,
und sich in diesem speziellen Zusammenhang (im Rollenspiel als Missbrauch) damit auseinander zu setzen, ist einfach nicht meins. Aber da greift ja gottlob der "Gruppenvertrag" ;), bzw. zwingt mich niemand.

So!  O0
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 12:17
Mal als Gegenfrage, was bleibt dann noch für die Moral? Der ganze Rest ist ja schon Gesetzlich geregelt, ist Moral also außer als Legitimation für Gesetze Sinnlos?
Ich denke nicht.
Mir doch egal, was du dazu denkst. Solche Allgemeinheiten haben auf jeden Fall nichts mit den Thema "Rollenspiel" zu tun und dementsprechend in diesem Thread nichts verloren. (aaaahhh, ich fühle wieder eine wohlige Wärme in der Hölle. Guuuuuut!! ;D)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Haukrinn am 3.04.2008 | 12:24
Ich halte den Aspekt der Doppelmoral, den Fredi so schön heraus gestellt hat, für außerordentlich wichtig. Ich wüßte jetzt mal zu gerne, was da noch für Argumente der "Gegenseite" (zu der ich mich ganz klar nicht zähle) kommen, die durch diesen Aspekt nicht entkräftet werden. Mal sehen...

Mache ich das Töten von Gegnern zum rollenspielerischen Erlebnis, dann kann es, streng moralisch, wenn man den Spielern unterstellt, dass diese ihre Phantasieerlebnisse auf die Realität projezieren, keine Entschuldigung dafür geben. So etwas wäre absolut verwerflich. Wenn jemand diese Einstellung hat, dann spielt er mit Sicherheit weder Rollenspiele noch Ego-Shooter, noch wird er Actionfilme schauen oder Thriller lesen. All das trifft wohl kaum auf das hiesige Publikum und die Diskussionsteilnehmer zu, also können wir diese Ausprägung schon einmal ausschließen.

Die nächste Alternative wäre es, den Spielern sehr wohl zuzutrauen, dass sie Phantasie und Realität vollständig trennen können. Das wird dann aber auch in allen Aspekten möglich sein, wie Fredi schon gesagt hat. Wenn ich im Rollenspiel Folter thematisiere, dann heisst das nicht, dass ich im realen Leben schon immer gern kleinen fluffigen Tieren den Hals umgedreht habe (Hab ich tatsächlich nicht. Ich hab als Kind noch nicht mal Ameisen per Brennglas oder Klebstoff angezündet. Und mich meine gesamte Schulzeit über nicht einmal geprügelt. Bin halt ein richtig lieber Mensch. Trotzdem halte ich es nicht für verkehrt, Folter im Rollenspiel zu thematisieren. :) ).

Was bleibt da noch? Vielleicht der folgende Gedanke: "Gewalt im Rollenspiel ist nicht schlimm, weil ich sie ja üblicherweise über Spielmechaniken stark abstrahiere". Aber auch das erscheint mir kein valides Argument zu sein. Denn mechanisch abstrahieren kann ich auch andere, moralisch fragwürdige Inhalte: "Mach mal einen Wurf auf Raping" - "Gut, du bekommst zwei Verwerflichkeitspunkte dazu". Andererseits stehen Mechaniken niemals alleine da. Jeder Mitspieler wird die mechanisch repräsentierten Geschehnisse trotzdem vor seinem inneren Auge mittels seiner Vorstellungskraft wieder visualisieren. Das geschieht mit Sicherheit bei Folter und Mißhandlung, aber das geschieht genauso, wenn Aragorn sich durch die Orkhorden mäht und seine Kumpanen in der Schlacht den Tod finden. Vollständige Abstraktion gibt es, so scheint mir, in beiden Fällen nicht.

Nur so ein paar Gedanken zum Thema.  :)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 12:25
Mir doch egal, was du dazu denkst. Solche Allgemeinheiten haben auf jeden Fall nichts mit den Thema "Rollenspiel" zu tun und dementsprechend in diesem Thread nichts verloren.
Was ein Quatsch, aber es freut mich, das du dich wiedergefunden hast.  ::)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: killedcat am 3.04.2008 | 12:29
Einen Menschen als moralisch verwerflich zu beurteilen, nur weil er im Rollenspiel bestimmte Phantasien hat. Kann man das oder nicht?
Niemand kann etwas dafür, was er ist. Seine Phantasien und Handlungen können aber unmoralisch sein (z.B. Kindesmisshandlung, Mord, etc.). Verurteilen kann ich den Menschen durchaus für seine unmoralischen Phantasien. Das ist sogar ganz leicht. Es ist das gleiche, wie ihn für unmoralische Handlungen zu verurteilen. Ich muss nur die Grenze, die ich für seine Handlungen setze, auch für seine Phantasien anwenden. Wenn ich eine Handlung für unmoralisch erkläre, dann ist sie das sowohl in der Phantasie, als auch in der Realität. In der Phantasie schadet diese unmoralische Handlung nur niemandem. Das macht die Handlung faktisch harmloser, moralisch aber nicht besser.

Zitat
Und jetzt nochmal meine Meinung: Ihr moralischen Urteiler führt euch auf wie das neuen Sonderkommando von BADD. Nur mit merkwürdiger Doppelmoral.
Ich halte es viel mehr für eine Doppelmoral, nicht zu seinen Vorverurteilungen, Vorurteilen, moralischen (projezierten) Grenzen zu stehen, als zu sagen "ja, ich verurteile andere Menschen dafür, dass sie Handlungen ausleben, die ich für moralisch verwerflich halte. In Phantasie, noch mehr natürlich in Realität".

Zitat
Erklärung: Wenn jemand kommt, Rollenspiel für Schmutz hält und Rollenspieler für abnorme, unmoralische Geisteskranke, weil sie sich einen Kick daraus holen, dass sie 20 Orks dahinmetzeln und Dämonen beschwören, dann werdet ihr zu Recht folgendes sagen: "Das ist ein Spiel. Phantasie! Und wir Rollenspieler können Phantasie und Realität sehr gut auseinanderhalten. Keiner von uns würde das in der Realität je tun, auch wenn uns das in der Phantasie Spaß macht."
Erstens: vielleicht würden das manche tun. Zweitens: Ein Spiel rechtfertigt nicht alles. Wenn ich tatsächlich beobachte (alles schon erlebt), wie Menschen im Rollenspiel den Bodenkontakt verlieren und übelste Misshandlungen mit Lust beschreiben, dann halte ich das für ein Spiel (im Sinne von konkretem Spielerlebnis), das moralisch verwerflich ist. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Die Spieler würde ich natürlich, da ich zu Meinungsbildung neige, für gestört halten. Das halte ich für eine ganz normale Reaktion meinerseits.

Zitat
Komischerweise klappt das nicht mehr, wenn jemand eine Vergewaltigung ausspielt (immer vorausgesetzt die Gruppe hat kein Problem damit). Auf die Idee, dass auch diese Spieler
durchaus in der Lage sind, Phantasie und Realität zu trennen, scheint keiner zu kommen.
Oh doch, komme ich schon. Ändert das was? Es geht nicht darum, dass Extreme gespielt werden. Wie ich oben schrieb geht es mir (kann ja nur aus meiner Warte berichten) um die Beweggründe. Wie kommt eine Gruppe von Menschen darauf so etwas detalliert ausspielen zu wollen? Da muss ich mir schon Gedanken machen. Weil es eine extreme Situation ist? Das hat man in Filmen schon elegant durch Wegblenden besser hinbekommen als durch draufhalten mit der Kamera. Nein, da besteht zumindest die Möglichkeit, dass da die Lust am Ganzen im Spiel ist. Muss nicht der Fall sein. Muss nicht bei jedem der Fall sein. Aber die Möglichkeit besteht. Und da diese besteht müssen Menschen, die so etwas so extrem spielen möchten auch damit rechnen, dass von außerhalb diese Möglichkeit in Betracht gezogen wird. Hony soit qui mal y pense? Sicher. So sind halt die Menschen.

Zitat
Und damit mein Fazit zum Thema: Wenn jemand Vergewaltigungsphantasien im Rollenspiel auslebt, dann kann ich das eklig finden. Ich muss nicht mit ihm spielen wollen. Ich kann ihn auch unsympatisch finden. Whatever. Aber moralisch verurteilen darf ich ihn nicht. Denn damit macht man sich derselben Scheuklappenmentalität schuldig wie die BADD-Leute.
Natürlich. Vielleicht hat der Mörder auch aus edlen Motiven gehandelt. Vorverurteilung ist normal. Wir reflektieren unsere Lebenserfahrung auf andere. Ich persönlich kann - ums Verrecken - nicht begreifen, warum jemand sowas widerliches spielen sollte. Menschen, die sowas spielen wollen, sind, nach meiner Lebenserfahrung, gestört. Wenn ich diese Lebenserfahrung auf andere projeziere - das ist ein Vorurteil. Klar. Aber keiner ist frei von sowas. Ich weiß zumindest, dass ich vorverurteile.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 12:35
Ich halte es viel mehr für eine Doppelmoral, nicht zu seinen Vorverurteilungen, Vorurteilen, moralischen (projezierten) Grenzen zu stehen, als zu sagen "ja, ich verurteile andere Menschen dafür, dass sie Handlungen ausleben, die ich für moralisch verwerflich halte. In Phantasie, noch mehr natürlich in Realität".
Ah, ein Post von der Gedankenpolizei! Wie schön. Doppelplusgut! Weitermachen, Bürger. Und blos nichts falsches denken, wir wollen dich ja nicht umerziehen müssen, nicht wahr. ::)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: oliof am 3.04.2008 | 12:38
Hallo Kirilow,
ich habe Grey Ranks nicht angetestet, ich besitze es nicht, und ich will es auch nicht haben oder spielen. Zumindest zur Zeit.

Spielberichte gibts auf der Forge: Hier beginnt einer (http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=25488.0), weiter gehts an dieser Stelle (http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=25538.0). Der zweite Spielbericht trägt den Namen 'The joy of soul crushing defeat'… und ein Ende findet der Bericht hier (http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=25585.0).
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: killedcat am 3.04.2008 | 12:39
Ah, ein Post von der Gedankenpolizei! Wie schön. Doppelplusgut! Weitermachen, Bürger. Und blos nichts falsches denken, wir wollen dich ja nicht umerziehen müssen, nicht wahr. ::)
Es tut mir leid, dass ich auf deine Frage geantwortet habe. Zynismus - den ich übrigens sehr schätze - mangelt nur einer gewissen argumentativen Kraft. Tatsächlich habe ich in dem von dir zitierten Teil ja das Gegenteil von Gedankenpolizei geschildert: die Gedanken sind frei. Sowohl die, zu extremen Abgründen, als auch die, zu verurteilen.

Aber wenn mir der Zyniker dies gestattet, gnädiger Weise, werde ich meine Gedanken weiterdenken. Doppelplusungut, lieber Fredi.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 12:41
Ah, ein Post von der Gedankenpolizei! Wie schön. Doppelplusgut! Weitermachen, Bürger. Und blos nichts falsches denken, wir wollen dich ja nicht umerziehen müssen, nicht wahr. ::)
Über was genau willst du eigentlich Diskutieren Fredi?
Du willst also hören: Die bösen Spießer die dich verurteilen sind alle doof und du bist der Held der Grenzüberschreitung.
Sorry, aber Grenzüberschreiter heulen nicht wenn sie sich am Stacheldraht picksen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 3.04.2008 | 13:03
Also Fredi, meines Erachtens solltest du entweder nicht so vorschnell urteilen oder aber deine Urteile besser begründen.

Vergewaltigungen toll zu finden kann ich durchaus für moralisch verwerflich halten, auch wenn die Person dieser Neigung nicht nachgibt, was ich dann wiederum für moralisch toll halten kann. Das hat nichts mit Gedankenpolizei zu tun. Die Frage, die sich stellt, ist, ob man seine Gedanken als Akt des freien Willens interpretiert oder nicht.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Funktionalist am 3.04.2008 | 13:09
das ist doch gar nicht das THema hier...

das Nähkästchen:
Ich habe Vampire: Sabbat Runden gespielt die moralisch verwerflichsten Inhal hatte, aber sehr viel Spaß gemacht haben.
Dieser entstand aus der grotesquen Überzeichnung und der Surrealität des Ganzen.

An anderer Stelle gab es Charaktere die religiöse Fanatiker waren und dementsprechend handelten, mordeten und Hetzjagden aussprachen. Wenn man das jetzt nun als Paladine in Fantasy settings macht, oder als Fanatiker heutzutage macht mMn keinen, gar keinen Unterschied.

und zum von Killedcat vorgeschlagenen Thema:
ich wollte mich mal selbst zitieren, bin mal so faul:
Ernsthaft:
Wenn Leute in Rollenspielen mit Gleichgesinnten ihre Phantasien ausleben, ist das von mir aus in Ordnung.

Das machen wir Alle beim Zocken.

Nehmen wir mal an diese Phantasien seien außergewöhnlich bis bizarr.(Vampire, deren Biss Ekstase verursacht)
Die meisten sind damit einverstanden, dass solange niemand  leidet es zumindest nicht verboten sein sollte.

und nun gehen wir einen Schritt weiter:
Diese Phantasien verletzen die Gefühle vieler Menschen, würde man sie öffentlich ansprechen. Aber eine Truppe hat sie und möchte sie bedienen.
dann sollte sie das auch dürfen, zumindest auf diese Art, da sie anscheinend Niemandem schaden oder auch nur das Wohlbefinden durch dies Handlung(!!!) einschränken.
Meist ist nämlich das Wissen über die Existenz der Neigungen das, was sauer aufstößt, wenn man den Bericht liest, aber nicht die Tatsache, dass sie gespielt wurden.
Und die Aussage ist mehr ein "solche Fantasien dürfen nicht gedacht werden" ,als ein "sie wurden im Rollenspiel thematisiert".
Die Diskussion läuft sofort auf einer anderen Ebene, denn die Menschen, die sich verletzt fühlen wären ja auch nicht glücklicher, wenn die anderen nicht mehr Rollenspielen würden. Sie wären beruhigt, wenn die anderen sich änderten und eine ähnliche Position wie sie selbst einnähmen.
Jede Äußerung, die die Umstrittene Phantasie ausführt verletzt ja.

Probleme sehe ich dann, wenn sich die Truppe selbst beeinflusst und sich die Mitglieder in eine Richtung verändern, die sie selbst in Schwierigkeiten bringt/nicht mehr gesellschaftsfähig sind (hiermit meine ich z.B. das berühmte Abstumpfen oder vergegenständlichen von Menschen oder Missachtung der Menschenwürde etc.. )
Aber das steht auf einem anderen Blatt.

sers,
Alex
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 13:13
Vergewaltigungen toll zu finden kann ich durchaus für moralisch verwerflich halten, auch wenn die Person dieser Neigung nicht nachgibt, was ich dann wiederum für moralisch toll halten kann.
Weil es einige immer noch nicht verstanden haben...  ::)

Es geht nicht darum Vergewaltigung toll zu finden. Es geht darum, die Phantasie von Vergewaltigung in einer sicheren Umgebung, ohne jemandem weh zu tun, ohne das jemals auf die Realität übertragen zu wollen, immer genau wissend, dass das in der Realität schrecklich ist und keiner, man selbst eingeschlossen, das toll fände... diese Phantasie toll zu finden, darum geht es. Und wer das moralisch verwerflich findet, hat ungefähr die moralische Entwicklungsstufe eines Achtjährigen.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.04.2008 | 13:15
Einen Menschen als moralisch verwerflich zu beurteilen, nur weil er im Rollenspiel bestimmte Phantasien hat. Kann man das oder nicht?
Kommt auf das "nur" an. "Nur" Phantasien die in einem Rollenspiel vorkommen sind vielleicht etwas wenig Information. Wenn ich allerdings ein Spieler bin der dabei war, dann habe ich mehr Information und auch wahrscheinlich recht schnell ein Urteil darüber, weil ich dann eine Einschätzung der Person am Tisch habe. Das mag ein Vorurteil sein, das mag auch falsch sein, dessen bin ich mir meist bewusst. Es ist mir aber auch klar dass es ein Urteil geben kann und darf, und das dies auch mehr oder weniger richtig sein kann und im Extremfall auch moralisch von Bedeutung sein kann. Eventuell brauche ich dazu mehr Informationen, eventuell interessiert es mich aber auch nicht mehr, oder ist zu unwichtig angesichts des Themas um das es ging, das wird in den meisten Fällen so sein.

Ihr moralischen Urteiler führt euch auf wie das neuen Sonderkommando von BADD. Nur mit merkwürdiger Doppelmoral.

Erklärung: Wenn jemand kommt, Rollenspiel für Schmutz hält und Rollenspieler für abnorme, unmoralische Geisteskranke, weil sie sich einen Kick daraus holen, dass sie 20 Orks dahinmetzeln und Dämonen beschwören, dann werdet ihr zu Recht folgendes sagen: "Das ist ein Spiel. Phantasie! Und wir Rollenspieler können Phantasie und Realität sehr gut auseinanderhalten. Keiner von uns würde das in der Realität je tun, auch wenn uns das in der Phantasie Spaß macht."
Komischerweise klappt das nicht mehr, wenn jemand eine Vergewaltigung ausspielt (immer vorausgesetzt die Gruppe hat kein Problem damit). Auf die Idee, dass auch diese Spieler durchaus in der Lage sind, Phantasie und Realität zu trennen, scheint keiner zu kommen.
Dieses Argument kann ich auf mich nicht beziehen. Doppelmoral hieße letztlich mit unterschiedlichen Maßen zu werten für mich und andere, das tue ich nicht. Bei dem Vergleich "Orks schlachten - Vergewaltigen" könnte man auch noch dogmatische Vorstellungen und Tabus vorwerfen und auch die habe ich nicht. Ich wäre dazu bereit über jedes Thema nachzudenken und zu differenzieren.

Ein plakatives Beispiel das sogar ein bisschen was mit Rollenspiel zu tun, wenn auch nicht so wie wir es meinen, aber ich versuche die Kurve zu kriegen.
Ich habe irgendwann mal was über diesen Typen gesehen der jemanden gegessen hat, er sagt mit dessen Einverständnis. Wenn das wirklich so ist dann hat er aus unserer Moral gesehen ja nichts so wirklich falsches gemacht, zumindest nichts was mit Mord vergleichbar ist. (Bitte nicht diesen Fall aufrollen!)
Wenn man so sieht was dieser Mann so sagt und was er über sein Leben und sein Denken und seine Vorgeschichte erzählt, dann beginnt man Teile davon zu verstehen und für normal zu halten, wo vorher eventuell Kannibalenklischees in der Vorstellung gewütet haben, das ist ganz normal. Ich weiß aber dass ich nie verstehen oder sagen wir mal voll nachempfinden werde warum er es jetzt tatsächlich geil findet Leute zu essen. Es hat sich ohnehin das meiste in seiner Phantasie abgespielt, die hat er lange Zeit vorher in sexuellen Rollenspielen ausgelebt, wofür es auch genug Interessierte gab.
Ich kann nun sogar der Ansicht sein, dass man diesen Typen einsperren sollte, obwohl er gar nichts so schlimmes gemacht hat und er vielleicht sonst ein ganz normaler Kerl ist.


Der Punkt ist, die Phantasien und die Gedankenwelt dieser Person hatte einen extrem bedeutenden Einfluss auf die Handlungen. Konnte man das nicht sehen? Hätte man das gar nicht sehen können? Wäre es ok gewesen mit dem Kannibalen ein Rollenspiel zu spielen in dem man Menschen isst? Erstmal schon. Könnte man dann sehen dass er verrückt ist und ihn daraufhin in irgend einer Weise Be- und eventuell sogar Ver-Urteilen? Ich glaube ja. Ob das im Einzelfall und im juristischen Sinne nicht doch besser ein Experte machen sollte oder ob der das besser kann, lasse ich mal dahin gestellt.

Ich stimme zu man sollte mit Verurteilung so lange abwarten wie man kann. Aber man kann ein Urteil fällen und man kann dabei auch richtig liegen. Wenn man weiß dass man in den meisten Fällen sich gar nicht traut genau nachzuforschen oder es gar nicht wissen will, oder es allein nicht beurteilen kann dann ist man schon vernünftig genug. Es kommt auf den konkreten Fall an. Ich möchte aber diese Warum Frage nicht grundsätzlich ausgeschlossen wissen.
Urteile und Moral oder die Psyche von Menschen mögen schwierige Themen sein die man aber deshalb nicht völlig Experten überlassen kann.

Und so kommt man dann wieder zur Sache mit der "allgemeinen Meinung" und den "normalen" Leuten, die mich sonst gar nicht interessieren. Die Möglichkeit eines Urteils lässt die meisten natürlich bei pikanten Themen aufhorchen. Warum Mord nicht mehr so ein Thema ist, Vergewaltigung oder Kannibalismus aber schon ist eine andere Frage. Man muss auch prinzipiell auf sowas nicht antworten. Man ist auch nicht "selber Schuld" wenn man sich gegen die Mehrheitsansichten oder Vorurteile stellt. Aber man muss wissen dass andere urteilen werden und dies eventuell auch können und dürfen.

Wenn ich mit bestimmten Themen konfrontiert werden z.B. im Spiel selber oder in einem Bereicht. Dann erwarte ich bei bestimmten Themen eventuell mehr Information. Wenn ich in keiner besonderen Beziehung zu dem Spieler stehe dann will er mir das vielleicht nicht verraten, aber dann soll er sowas auch nicht öffentlich machen. Er würde sonst ein Vorurteil provozieren. Dass jeder intelligente Mensch weiß dass es ein Vorurteil ist ändert nichts an der Dummheit sowas zu tun und es ändert auch nichts daran dass man es wirklich richtig bewerten könnte wenn man mehr Information hätte.

Wenn es allerdings nur um den Fall geht in dem man bereits weiß oder voraussetzt, dass ein Mensch völlig ok ist, dann darf er natürlich denken was er will, das ist trivial.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Funktionalist am 3.04.2008 | 13:17
@Fredi
das steckt die gleiche Motivation hinter Tarantino-Filme zu mögen, oder?

@Boomslang

jetzt kommt das Schily-Argument....
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 13:18
Auch wenn es OT wird. Aber dazu wollte ich noch etwas sagen.
Mal als Gegenfrage, was bleibt dann noch für die Moral? Der ganze Rest ist ja schon Gesetzlich geregelt, ist Moral also außer als Legitimation für Gesetze Sinnlos?
a) Moral ist das schlechte Gewissen, das einen plagt, wenn man etwas bestimmtes tut. (Wann einem das schlechte Gewissen plagt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.)

b) Moral/Ethik hat zwei "Aufgabengebiete":
1) Anhand der Ethik sollte man entscheiden, welche Gesetze erlassen werden und was nicht. Die Ethik sollte bestimmen, was erlaubt und was verboten ist.
2) Die Ethik sorgt auch dafür, dass sich die (meisten) Bürger an die Gesetze halten, auch ohne einen Überwachungsstaat.

Darüberhinaus sorgt Ethik auch für ungeschrieben Regel, wie z.B. Hilfsbereitschaft.

Tja, das war's dann auch schon.

Niemand kann etwas dafür, was er ist. Seine Phantasien und Handlungen können aber unmoralisch sein (z.B. Kindesmisshandlung, Mord, etc.).
Wieso ist es unmoralisch, wenn ich mir in meiner Phantasie ausmale, wie mein Shadowrunner in eine Bank einbricht und diese ausraubt?
Wieso ist es unmoralisch, wenn ich mir in Gedanken ausmale, wie mein Runner die Wachen niederschießt ohne großartig darüber nachzudenken?

Handlungen können unmoralisch sein. In deinigen religiösen deontologischen Ethiken (http://de.wikipedia.org/wiki/Deontologische_Ethik) können auch Gedanken unmoralisch sein. Aber sowohl im Kantismus (http://www.mindpicnic.de/note/immanuel-kant-ethik/) als auch im Utilitarismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Utilitarismus) sind nur Handlungen unmoralisch. Wieso sollte man jemanden auch wegen seiner Gedanken verurteilen?

Zitat
Verurteilen kann ich den Menschen durchaus für seine unmoralischen Phantasien. Das ist sogar ganz leicht.
Klar ist es leicht, jemanden zu verurteilen, weil er Spaß daran hat, Wachen und Orks niederzumetzeln.
Die Frage ist aber nicht, ob das leicht ist, sondern ob das legitim ist.

Zitat
Wenn ich eine Handlung für unmoralisch erkläre, dann ist sie das sowohl in der Phantasie, als auch in der Realität.
Warum?

Zitat
In der Phantasie schadet diese unmoralische Handlung nur niemandem. Das macht die Handlung faktisch harmloser, moralisch aber nicht besser.
Au contraire: Gerade dadurch, dass sie niemanden schadet, macht sie das sogar tausendmal besser.

Zitat
Ich halte es viel mehr für eine Doppelmoral, nicht zu seinen Vorverurteilungen, Vorurteilen, moralischen (projezierten) Grenzen zu stehen, als zu sagen "ja, ich verurteile andere Menschen dafür, dass sie Handlungen ausleben, die ich für moralisch verwerflich halte. In Phantasie, noch mehr natürlich in Realität".
Und ich verurteile Menschen, die anderen Menschen vorschreiben wollen, was ihnen Spaß zu machen hat.

Moral und Emotion sind zwei verschiedene Prinzipien. Mir schmeckt zum Beispiel Fleisch. ich finde Fleisch lecker. Trotzdem esse ich kein Fleisch aus nicht artgerechter Tierhaltung. (Oder gar von Tieren unter Artenschutz.) Das finde ich unmoralisch. Nichtsdestotrotz ist es aber nicht unmoralisch, sich vorzustellen, wie ein leckerer Fleischbraten wohl schmeckt.

Ich halte Mord für falsch. Trotzdem spiele ich Charaktere, die andere Leute ermorden.

Zitat
Zweitens: Ein Spiel rechtfertigt nicht alles. Wenn ich tatsächlich beobachte (alles schon erlebt), wie Menschen im Rollenspiel den Bodenkontakt verlieren und übelste Misshandlungen mit Lust beschreiben, dann halte ich das für ein Spiel (im Sinne von konkretem Spielerlebnis), das moralisch verwerflich ist.
Warum?
Wenn die anderen Mitspieler dadurch angestoßen werden, ist es moralisch verwerflich. (Aber dann ist nicht das eigentlich Spiel, sondern die Tatsache, dass man nicht auf seine Mitspieler Rücksicht nimmt, moralisch verwerflich.)

Aber wieso sollte es moralisch verwerflich sein, wenn es jeden Anwesenden Spaß macht. Wieso rechtfertigt ein Spiel (wenn alle damit einverstanden sind) nicht alles?

Zitat
Wie kommt eine Gruppe von Menschen darauf so etwas detalliert ausspielen zu wollen?
Vielleicht, weil es ihnen Spaß macht? Weil sie in der Realität dadurch Leute schaden würden. Also leben sie ihre Lust auf eine Art und Weise aus, die niemanden schadet.
Was ist daran verwerflich?
Sollen sie ihre Emotionen lieber unterdrücken oder gar leugnen? Wäre das "moralischer" aus deiner Sicht?

Zitat
Ich persönlich kann - ums Verrecken - nicht begreifen, warum jemand sowas widerliches spielen sollte.
Wieso stehen manche Menschen auf Männer und andere stehen auf Frauen?
Wieso stehen manche Menschen auf Homo Sapiens und andere auf Tiere?
Wieso stehen manche Menschen auf Kinder und andere auf Erwachsene?
Wieso stehen manche Menschen auf Blümchensex und andere auf harten SM?

Das Leben ist nunmal ein Rätsel. Und solange man die Gene noch nicht vollständig entschlüsselt hat und Fortschritte in der Neurobiologie gemacht hat, wird man dieses Rätsel wohl nie lüften können.

Und du musst ja auch nicht verstehen, warum jemand die Vorliebe x hat, während du die Vorliebe y hast. Er wird wahrscheinlich auch nicht verstehen, warum die die Vorliebe y hast.
Aber das verlangt auch keiner von euch beiden. Ihr sollt euch nur gegenseitig tolerieren.

Zitat
Menschen, die sowas spielen wollen, sind, nach meiner Lebenserfahrung, gestört.
Was verstehst du unter gestört?
Sie sind gehandicapt, weil sie das Pech haben, ihre Emotionen nicht öffentlich ausleben zu können.
Wenn du das unter "Störung" verstehst, dann stimme ich dir zu.

Zitat
Die Spieler würde ich natürlich, da ich zu Meinungsbildung neige, für gestört halten. Das halte ich für eine ganz normale Reaktion meinerseits.
1) Ja, das ist leider nur eine allzu normale Reaktion.
2) Natürlich will dir keiner das Recht auf freie Meinungsäußerung nehmen. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu sagen. Aber man sollte dieses Recht bitte nicht missbrauchen und seine Meinung erstmal reflektieren, bevor man jemand anderen damit vor den Kopf stößt.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 13:21
Die Diskussion läuft sofort auf einer anderen Ebene, denn die Menschen, die sich verletzt fühlen wären ja auch nicht glücklicher, wenn die anderen nicht mehr Rollenspielen würden. Sie wären beruhigt, wenn die anderen sich änderten und eine ähnliche Position wie sie selbst einnähmen.
Nein, sie wären beruhigt, wenn die anderen aufhören sowas in der Öffentlichkeit zu Diskutieren, denn wie Du schon richtig bemerktest stört die Leute nur das sie mit sowas konfrontiert werden, und weniger das es irgendwo in einem stillen Kämmerlein passiert.
Um das auszuweiten müsste man über Moralempfinden reden, aber Fredi hat ja Entschieden, das es jetzt plötzlich garnicht mehr darum geht, weil es seine Argumentation ja stören würde....


@Eulenspiegel
ich halte deine Definition von Moral für Falsch....
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 3.04.2008 | 13:23
Weil es einige immer noch nicht verstanden haben...  ::)

Es geht nicht darum Vergewaltigung toll zu finden. Es geht darum, die Phantasie von Vergewaltigung in einer sicheren Umgebung, ohne jemandem weh zu tun, ohne das jemals auf die Realität übertragen zu wollen, immer genau wissend, dass das in der Realität schrecklich ist und keiner, man selbst eingeschlossen, das toll fände... diese Phantasie toll zu finden, darum geht es. Und wer das moralisch verwerflich findet, hat ungefähr die moralische Entwicklungsstufe eines Achtjährigen.

Offensichtlich hast du es nicht verstanden.

Erst einmal ist dein letzter Satz an Arroganz nur schwer zu überbieten. Zweitens kann ich als erwachsener Mensch mit überdurchschnittlichem IQ genau das gut finden der Phantasie als moralisch verwerflich ansehen, und zwar, wenn ich sage, dass dies im Verantwortungsbereich des Phantasten liegt. Wenn du Verwantwortung für deine Gedanken übernimmst, ist auch das positive Denken einer moralisch verwerflichen Handlung moralisch verwerflich. Der Unterschied dazwischen, eine fiktive Vergewaltigung gut zu finden oder eine reale, liegt lediglich darin, dass man sich kein schlechtes Gewissen machen muss, weil es kein reales Opfer gibt. Aber auch ein fiktives Opfer hat eine Menschenwürde, die durch die Vergewaltigung verletzt wird. Die Frage ist, wie hoch ich diese gewichte. In dem Moment, in dem aber ein realer Mensch Empathie mit dem fiktiven Opfer empfindet oder empfinden würde, bist du nicht mehr nur auf der fiktiven Ebene.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Funktionalist am 3.04.2008 | 13:27
@Thalamus
die Kopf-in-den-Sand-Herangehensweise wollte ich hier niemanden unterstellen.
Auch halte ich (ethische)Entscheidungen, die unter vollst. Information nicht gelten würden für ungültig. Das ist eine Prinzipienfrage.

Dass Du damit Recht hast, dass die Leute nicht heiß macht, was sie nicht sehen, bestreite ich nicht.

zu Fredis Argumentation:
ich vermute, er möchte sagen, dass es keinen Unterschied zwischen "Splatterfilm/hartes Drama... sehen" und "selbhiges spielen" gibt.

@Eulenspiegels Moral:
stöber mal in ein paar Seiten zum Utilitarismus. Wird schwer den zu widerlegen. (es ist leicht ihn als unpraktikabel darzustellen, weil er den Menschen überfordert und eine Menge EMpathie voraussetzt. Allerdings dazu auch wieder Pläne, wie man ein bisschen utilitaristisch sein kann und trotzdem mit sich zufrieden...)

@crimson King
ein fiktives Opfer hat nur in der Fiktion Menschenwürde! keine echte!
Ich erniedrige Walter!
so jetzt habe ich unmoralisch gehandelt?

Auch wenn Empathie im Spiel ist, bleibt man auf der fiktionalen Ebene, was Menschenwürde angeht.
Das Leiden stammt aus einer anderen quelle und zwar der Gefühlswelt des Mitleidenden. Das hängt aber nur indirekt mit der MEnschenwürde zusammen. Die ist nämlich nicht durch Empathie, sondern durch Interpersonalität und einem Konsens über die Bedürfnisse der Menschen hergeleitet.

Das macht das Verletzen der Würde in der Fiktion und dem Kränken einer Person zu einer persönlichen Angelegenheit zwischen den zwei Menschen und nicht zu einer unmoralischen Handlung.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 13:34
Wenn du Verwantwortung für deine Gedanken übernimmst, ist auch das positive Denken einer moralisch verwerflichen Handlung moralisch verwerflich.
Könntest du das vielleicht näher ausführen.

Zitat
Der Unterschied dazwischen, eine fiktive Vergewaltigung gut zu finden oder eine reale, liegt lediglich darin, dass man sich kein schlechtes Gewissen machen muss, weil es kein reales Opfer gibt.
Genau. Ich muss mir kein schlechtes Gewissen machen. Das bedeutet also, dass es nicht unmoralisch war. (Denn wenn es unmoralisch wäre, hätte ich anschließend ein schlechtes Gewissen.)

Wie du richtig erkannt hast, ist das ein Unterschied. Aber du solltest diesen Unterschied nicht mal so schnell zur Seite scheuchen. Schließlich ist das der Unterschied, der zwischen einer moralischen und einer unmoralischen Handlung liegt.
Eine Handlung ist moralisch, wenn es keine Opfer gibt.
Ein Handlung ist unmoralisch, wenn es Opfer gibt.

Bei einer realen Vergewaltigung gibt es Opfer, also ist sie unmoralisch.
Bei einer imaginären Vergewaltigung gibt es keine Opfer, also ist sie moralisch.

(Oder was unterscheidet in deinen Augen eine moralische Handlung von einer unmoralischen? Woran machst du fest, ob eine Handlung moralisch oder unmoralisch ist, wenn nicht an der Existenz von Opfern?)

Zitat
Aber auch ein fiktives Opfer hat eine Menschenwürde, die durch die Vergewaltigung verletzt wird.
Nein. Fiktive Personen haben keine Menschenwürde.
Fiktive Personen haben auch keine Menschenrechte.

Zitat
In dem Moment, in dem aber ein realer Mensch Empathie mit dem fiktiven Opfer empfindet oder empfinden würde, bist du nicht mehr nur auf der fiktiven Ebene.
Ja. Aber dann dürftest du in Shadowrun zum Beispiel auch keine Wachen mehr erschießen, weil du ja Gefahr läufst, dass irgendeiner Empathie mit der erschossenen Wache empfindet.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 13:34
Es ist mir aber auch klar dass es ein Urteil geben kann und darf, und das dies auch mehr oder weniger richtig sein kann und im Extremfall auch moralisch von Bedeutung sein kann.
[...]
Ich stimme zu man sollte mit Verurteilung so lange abwarten wie man kann. Aber man kann ein Urteil fällen und man kann dabei auch richtig liegen.
Da sind wir völlig einer Meinung. Man kann moralische Urteile fällen, auch nur auf Grund von Gedanken ("Charakter") und kann damit sogar richtig liegen.

Ich gebe nur zu Bedenken:
1. Man kann auch einfach mal nicht urteilen. Wird ja keiner gezwungen, oder? Einfach mal denken "Hm, das ist ja merkwürdig", ohne gleich ein Urteil zu fällen. Ist gar nicht so schwer.
2. Man kann auch falsch liegen. Und gerade, wenn man wenig Informationen hat, wird man vermutlich sogar falsch liegen. Das sollte man wissen und dann nicht urteilen.
3. Gerade, wenn etwas neu und unbekannt ist, neigt man zu vorschnellen, falschen und negative Urteilen. Auch das sollte man berücksichtigen.
4. Man braucht mehr Informationen als man denkt, um ein Urteil auf der Basis von vermutlich in der Zukunft stattfindendem Verhalten zu fällen. Sehr viel mehr.
5. Nein, nein, ich meine wirklich sehr viel mehr Information! Im Normalfall, wenn man denkt, man hätte jetzt genug Information, braucht man noch mehr.
6. Der Fall, von dem wir hier reden ist eine Verurteilung aufgrund eines Spielberichts im Internet! Egal was man sonst denken mag, aber das ist auf keinen Fall genug Information für eine Verurteilung.

Ich hoffe, damit haben wir diese Abschweifung wieder zum Thema zurückführen können und gleichzeitig auch beendet. :)
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 3.04.2008 | 13:35
@crimson King
ein fiktives Opfer hat nur in der Fiktion Menschenwürde! keine echte!
Ich erniedrige Walter!
so jetzt habe ich unmoralisch gehandelt?

Nö. Aber über Opferempathie (die in deinem vollkommen abstrakten Beispiel, das schwerlich als Fiktion durchgeht, natürlich nicht aufkommt) greifst du auch die Würde realer Menschen an.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.04.2008 | 13:35
Und ich habe den Eindruck, dass bei jedem, der hier von Abgründen spricht, ausschließlich Sexueller Missbrauch als Möglichkeit des Abgrundes impliziert wird.

So schlimm sich dass anhört, aber sexueller Missbrauch ist meiner Meinung nach weder der einzige noch der schlimmste Abgrund, in den eine menschliche "Seele" stürzen kann.
Das finde ich jetzt interessant.

Es geht hier nicht um sexuellen Missbrauch, aber das ist eben ein Reizthema und es geht "ums Prinzip" deswegen muss es auch für die (wahrgenommenen) Extreme gelten. Aber wenn du ein anderes abgründiges Thema hast, dann sag mal welches das ist, dann können wir damit vielleicht was besser illustrieren.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Funktionalist am 3.04.2008 | 13:40
@Crimson King
Nö. Aber über Opferempathie (die in deinem vollkommen abstrakten Beispiel, das schwerlich als Fiktion durchgeht, natürlich nicht aufkommt) greifst du auch die Würde realer Menschen an.
Das macht mich neugierig. Wie kann ich über EMpathie die Menschenwürde berühren? notfalls als PM, wenn es zu lang wird.


EDIT:
übrigens kommt nach deinem Zitat in meinem Post noch was, wozu mich deine Meinung auch interessieren würde.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 13:45
Nö. Aber über Opferempathie (die in deinem vollkommen abstrakten Beispiel, das schwerlich als Fiktion durchgeht, natürlich nicht aufkommt) greifst du auch die Würde realer Menschen an.
1) Dein Nö kontere ich mal mit einem 'Nö':
Um Menschenwürde zu besitzen, braucht man Intelligenz und ein Bewusstsein. Beides fehlt einer fiktiven Person.

2) Selbst wenn ich über Opferempathie eine Person zum heulen oder 'schlecht fühlen' bringe, verletzt das nicht ihre Würde.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.04.2008 | 13:48
1. Man kann auch einfach mal nicht urteilen. Wird ja keiner gezwungen, oder? Einfach mal denken "Hm, das ist ja merkwürdig", ohne gleich ein Urteil zu fällen. Ist gar nicht so schwer.
Stimmt. Aber da bin ich eher bei killedcat. Man sollte eher dazu stehen Vorurteile nicht vermeiden zu können. Das ist differenzierter. Wenn ich grundsätzlich sage ich beurteile meine Gedanken und die anderer nicht, dann finde ich das problematisch. Man darf natürlich wieder nicht VER-urteilen: "Denk bloß nicht an Vergewaltigungen! - Oh mein Gott ich hab dran gedacht, ich hab dran gedacht!" Das ist natürlich völliger Quatsch. Trotzdem darf man Urteile fällen über das was man mal gedacht hat oder eben das was andere gedacht haben, insbesondere wenn man daran beteiligt war, wie im Rollenspiel.

2. Man kann auch falsch liegen. Und gerade, wenn man wenig Informationen hat, wird man vermutlich sogar falsch liegen. Das sollte man wissen und dann nicht urteilen.
3. Gerade, wenn etwas neu und unbekannt ist, neigt man zu vorschnellen, falschen und negative Urteilen. Auch das sollte man berücksichtigen.
4. Man braucht mehr Informationen als man denkt, um ein Urteil auf der Basis von vermutlich in der Zukunft stattfindendem Verhalten zu fällen. Sehr viel mehr.
5. Nein, nein, ich meine wirklich sehr viel mehr Information! Im Normalfall, wenn man denkt, man hätte jetzt genug Information, braucht man noch mehr.
6. Der Fall, von dem wir hier reden ist eine Verurteilung aufgrund eines Spielberichts im Internet! Egal was man sonst denken mag, aber das ist auf keinen Fall genug Information für eine Verurteilung.
Völlig klar. Und damit wäre das Thema dann zwischen uns wohl auch klar :)

Nicht dass das jetzt zu nachgiebig klingt ;D
Ich bin schon der Ansicht dass man auch Urteile fällen kann, die nicht gleich moralisch sind im Sinne von "Müssen wir unseren Mitspieler jetzt verhaften/erschießen/einweisen?". Es kann auch einfach sein dass man jemanden für einen unsympathischeren (also ethisch gesprochen nicht guten) Menschen hält.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 3.04.2008 | 13:55
Könntest du das vielleicht näher ausführen.

Der Satz ist nicht gut formuliert. Sagen wir: wer sich auf den Standpunkt stellt, dass eine Person, die ihre Vergewaltigungsphantasien toll findet, krank ist und das toll finden als zwanghaft ansieht, nimmt der Person damit die Eigenverantwortung. Wenn man der Person zugesteht, sich entscheiden zu können, ob die Vergewaltigungsphantasie toll ist oder nicht, trägt sie die Eigenverantwortung.


Genau. Ich muss mir kein schlechtes Gewissen machen. Das bedeutet also, dass es nicht unmoralisch war. (Denn wenn es unmoralisch wäre, hätte ich anschließend ein schlechtes Gewissen.)

Ich will gerade darauf hinaus, dass man sich das schlechte Gewissen unter Umständen eben doch machen muss.

Wie du richtig erkannt hast, ist das ein Unterschied. Aber du solltest diesen Unterschied nicht mal so schnell zur Seite scheuchen. Schließlich ist das der Unterschied, der zwischen einer moralischen und einer unmoralischen Handlung liegt.
Eine Handlung ist moralisch, wenn es keine Opfer gibt.
Ein Handlung ist unmoralisch, wenn es Opfer gibt.

Bei einer realen Vergewaltigung gibt es Opfer, also ist sie unmoralisch.
Bei einer imaginären Vergewaltigung gibt es keine Opfer, also ist sie moralisch.

(Oder was unterscheidet in deinen Augen eine moralische Handlung von einer unmoralischen? Woran machst du fest, ob eine Handlung moralisch oder unmoralisch ist, wenn nicht an der Existenz von Opfern?)

Ich halte die Definition schon für brauchbar. Ich will darauf hinaus, dass eine fiktive Handlung durchaus Opfer hat. Und das sie sogar reale Opfer haben kann.

Nein. Fiktive Personen haben keine Menschenwürde.

Fiktive Menschen haben mindestens eine fiktive Menschenwürde. Was die wert ist, darf dann jeder für sich entscheiden. Und genau da will der Elch eine Entscheidung für alle treffen.

Ja. Aber dann dürftest du in Shadowrun zum Beispiel auch keine Wachen mehr erschießen, weil du ja Gefahr läufst, dass irgendeiner Empathie mit der erschossenen Wache empfindet.

Ich darf es nicht geil finden.  Das beiläufige Umnieten neutraler Personen ist allerdings im Allgemeinen so abstrakt gehalten, dass Opferempathie so ziemlich ausgeschlossen werden kann. Ansonsten halte es ebenfalls für moralisch fragwürdig.

Des weiteren wird Opferempathie reduziert, wenn man die Szene in einen offensichtlich unernsten Kontext zieht (ernst nicht im Sinne von unkomisch, sondern im Sinne von wenig Realitätsbezug). Ansonsten würden bei Tarantino- und Rodriguez-Filmen 90% der Kinobesucher aus dem Flennen nicht mehr raus kommen. Dieses Prinzip funktioniert beim Rollenspiel ganz gut, solange du eindeutig reine Fiktion ohne Wirklichkeitsbezug betreibst. Wenn du aber Fredi-Style spielst, ist es aber gerade der Sinn der Sache, die Distanz zwischen dem Selbst und der Fiktion zu verringern, um die Erfahrungen für sich verwerten zu können.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Thalamus Grondak am 3.04.2008 | 13:56
6. Der Fall, von dem wir hier reden ist eine Verurteilung aufgrund eines Spielberichts im Internet! Egal was man sonst denken mag, aber das ist auf keinen Fall genug Information für eine Verurteilung.
Nein, es reicht vollkommen aus. Damit das Du Berichte über solche Sessions ins Internet stellst, verletzt Du die Gefühle derer die das lesen.
Klar, jeder kann selbst entscheiden was er liest, deshalb soll man es dir ja auch nicht verbieten, solange eine Jugendgefährdung ausgeschlossen ist, aber du tust es mit voller Absicht und deshalb kannst du auch dafür (moralisch)Verurteilt werden. Natürlich findet die Verurteilung dann nicht darüber statt, das die Veröffentlichung kritisiert wird, sondern darüber das die Spielweise kritisiert wird.
Aber da sind wir wieder beim "Grenzwertigen": Wenn dem nicht so wäre, dann wäre es nicht Grenzwertig.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Crimson King am 3.04.2008 | 13:58
@Crimson KingDas macht mich neugierig. Wie kann ich über EMpathie die Menschenwürde berühren? notfalls als PM, wenn es zu lang wird.

Um beim Vergewaltigungsbeispiel zu bleiben: wenn ich mit einer vergewaltigten Person mitfühle, fühle ich mich eben ein bisschen mit vergewaltigt.
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Eulenspiegel am 3.04.2008 | 14:03
Der Satz ist nicht gut formuliert. Sagen wir: wer sich auf den Standpunkt stellt, dass eine Person, die ihre Vergewaltigungsphantasien toll findet, krank ist und das toll finden als zwanghaft ansieht, nimmt der Person damit die Eigenverantwortung. Wenn man der Person zugesteht, sich entscheiden zu können, ob die Vergewaltigungsphantasie toll ist oder nicht, trägt sie die Eigenverantwortung.
Das Problem ist: Man kann sich nicht aussuchen, ob man Vergewaltigungsphantasien toll findet oder nicht.
Entweder du findest sie toll oder nicht. Aber du bist nicht in der Lage, daran etwas zu ändern.

Aber du kannst dich entscheiden, ob du die Sachen, die du toll findest auslebst oder nicht.
Wenn eine Person also Vergewaltigungsphantasien toll findet, ist die Person nicht dafür verantwortlich.
Wenn die Vergewaltigungsphantasien aber ausgelebt werden, ist die Person dafür verantwortlich.

Zitat
Fiktive Menschen haben mindestens eine fiktive Menschenwürde. Was die wert ist, darf dann jeder für sich entscheiden. Und genau da will der Elch eine Entscheidung für alle treffen.
Wieso sollte die fiktive Menschenwürde irgendetwas wert sein?
Fühlst du dich echt mies, weil du beim letzten Run 5 Wachleute erschossen hast oder in D&D mehrere Räuber abgeschlachtet hast?

Nein, es reicht vollkommen aus. Damit das Du Berichte über solche Sessions ins Internet stellst, verletzt Du die Gefühle derer die das lesen.
Also soll man demnächst: "Achtung, nichts für schwache Gemüter! Nur weiterlesen, wer einen starken Magen hat." vor den Text schreiben?

Würde das die Situation verbessern?
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Funktionalist am 3.04.2008 | 14:05
@Thalamus (mittlerweile schreibe ich dich sogar richtig ;D)
Das heißt, Du verurteilst hier nur dass diejenigen so pietätslos waren und absichtlich in Kauf genommen haben, dass einige sich gestört fühlen.
Ok,das ist legitim.
Zu sagen, dass die Veröffentlichung dann unmoralisch ist halte ich für falsch. (Stichworte: Ziel der Ethik ist ein Verhaltenskodex für das Funktionieren der GEsellschaft, pers. Nutzenfunktion, interpersonalität, Du glaubst nicht worüber sich manche Menschen aufregen)
und
@Crimson King
Wenn man durch sein Handeln GEfühle verletzt ist das kein hinreichendes Kriterium für ein Verletzen der MEnschenwürde
Titel: Re: Abgründe des Menschseins
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.04.2008 | 14:12
Ok, eben geht der Thread vollends Off Topic. Macht doch für allgemeinen Moralkrempel einen eigenen Thread auf. Und ich habe den Eindruck, wir drehen uns hier im Kreis. Also werde ich den Thread jetzt schließen. Und dummerweise habe ich das letzte Wort. Tja, Pech gehabt. ;D

Die Schrebergarten-Gedankenpolizei-BADD-Fraktion hat ihre Meinung deutlich kundtun können. Es gibt Gedanken, die sind böse. Bööööse! Und dann sollte ich als moralisch anständiger und aufrechter Streiter für das Gute dies auch anprangern und den Menschen, der solche Gedanken hat, moralisch verurteilen. Dies gilt auch, wenn es sich blos um Phantasien handelt und derjenige völlig klar im Kopf ist und sowas in der Realität nie machen würde. Egal, der böse Gedanke allein zählt, ob tatsächlich auf die Realität bezogene Intentionen dahinter stehen ist unwichtig. Denken allein kann böse sein. Bööööse! Nicht egal ist allerdings, welcher Art die Gedanken sind. Denn eins ist klar: alle Gedanken, die ich selber habe, sind in Ordnung, denn ich bin ja moralisch rein und ein guter Mensch. Gewaltphantasien, die sich auf Orks, ähnliche Untermenschen oder andere Lebewesen mit Bewußtsein beziehen sind also nicht schlimm. Aber andere Gedanken, fremde Gedanken, neuartige Gedanken? Bööööse!!


Ich wiederhole einfach mein Fazit:
Phantasie ist Phantasie. Und wenn die nichts mit der Realität zu tun hat (wie das beim Rollenspielen in mehr als 99,99% der Fälle gegeben ist), sind die Phantasien harmlos und schaden niemandem. Damit sind sie völlig in Ordnung, denn meine Ethik fußt darauf, dass nur das schlecht ist, was anderen schadet. Also, um es nochmal zu wiederholen:

Und damit mein Fazit zum Thema: Wenn jemand Vergewaltigungsphantasien im Rollenspiel auslebt, dann kann ich das eklig finden. Ich muss nicht mit ihm spielen wollen. Ich kann ihn auch unsympatisch finden. Whatever. Aber moralisch verurteilen darf ich ihn nicht. Denn damit macht man sich derselben Scheuklappenmentalität schuldig wie die BADD-Leute.

Und dann hänge ich noch ein schönes Medley von Vermi als Fazit dran (jaja, das hätten wir schon früher haben können...):

„Wenn Ihr etwas nicht versteht, dann muss es doch nicht auch gleich falsch sein.“

Der Punkt ist, dass es hier um Fiktion geht. Eine Phantasie ist niemals unrecht, solange der Mensch, der diese Phantasie hat, sich von ihr nicht verleiten lässt, die moralischen Maßstäbe seines realen Handelns zu verschieben. Die Gedanken sind frei.

Das Darstellen und Rezipieren solcher Phantasien, die als solche niemals Unrecht sein können, kann nach meinem moralischen Verständnis seierseits nur Unrecht sein, wenn andere Menschen dadurch in einem schützenswerten Gut beeinträchtigt werden. Das ist nun wiederum im Einzelfall äußerst differenziert zu betrachten.

Ich denke einfach, man sollte ehrlich urteilen, statt zu verurteilen, und man sollte sich hüten, am Maßstab einer willkürlich festgelegten Sittlichkeit zu messen, die letztlich Ausdruck einer verlogenen Doppelmoral ist, statt an echten, reflektierten Maßstäben von Anstand und Moral. Man sollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen und nichts unterstellen, sondern nachfragen. Man sollte nicht verallgemeinern und es sich nicht zu einfach machen, sondern differenziert betrachten - oder eben zugeben, dass man sich kein Urteil erlauben kann.

Danke an alle! :)