Autor Thema: Abgründe des Menschseins  (Gelesen 30378 mal)

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Offline Skyrock

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #25 am: 2.04.2008 | 15:01 »
Es ist weniger eine Frage der Themen, es ist mehr eine Frage der Behandlung dieser Themen.
Ich bin ja mehr der spießige, krachlederne und katholisch erzogene Abenteuerrollenspieler, der auf dem Schützenfest mit anderen Schnurrbartträgern über den Sittenverfall der langhaarigen Bombenleger lästert (wenn er nicht in einem anderen Webforum unter der alten Karte Preußens neben "Wir woll'n unser'n Kaiser Willi wieder ham!"- Anflehungen ähnliches tut)[1], aber als jemand der SR und CP2020 gespielt hat mangelt es mir nicht an rollenspielerischer Erfahrung mit den Abgründen.
Beispiele:
- Drogensucht (auch auf SC-Seite)
- gegen ihren Willen auf Sexsucht verchippte Frauen (auch auf SC-Seite)
- dto., aber auch gegen ihren Willen nach dem Wunschbild des Besitzers umoperiert (auch auf SC-Seite)
- Terroranschläge mit Kollateralschaden (ja, mit der für den Mafiaboss bestimmten Bombe ebenfalls hochgejagte Kinder, natürlich von SC-Seite)
- häusliche Gewalt
- Bandengewalt
- Freisetzen von Designerseuchen, für die das schweineteure Heilmittel schon fertig entwickelt im Schrank lag
- Folter von Geiseln, um Informationen zu gewinnen, und ihre anschließende Ermordung ("Wir wollen keine Zeugen")

Natürlich kamen diese Elemente nicht rein wegen "dem künstlerischen Anspruch" oder "weil es eine rollenspielerische Herausforderung wäre sich damit auseinanderzusetzen" (ich würde mir selbst in die Tasche lügen wenn ich das behaupten würde), ich möcht mich jetzt auch nicht darin aalen wie "erwachsen", "künstlerisch wertvoll" oder "dark" alles gewesen wäre, aber eine Sache ist da doch die mich davon abhält mich selbst aus dem Hobby zu Kicken: Das alles war immer nur Mittel zum Zweck. Beispielsweise als Abenteueraufhänger, oder einfach als Konsequenz aus Spielerhandlungen ("Lasse ich die unschuldige Geisel unbeschadet gehen und riskiere dafür auf einem Steckbrief zu landen, oder pfeife ich auf alle Moral und foltere sie tot?")
Nie wurde es ins Spotlight gehoben, nie wurde ins pornographische Detail gegangen, und ich habe mich auf SL-Seite immer bemüht herauszustellen dass das was passiert eine gräßliche Sache ist. (Ich würde lügen wenn ich sagen würde dass es keine Metaebenen-Witze zu den Themen gab - meine Runden sind immer eher locker und zurückgelehnt, und wir nehmen nichts allzu ernst - aber es war definitiv kein infantiles Aalen in der Makaberheit dabei.)


Bei Lumpley-Poison'd mag das ähnlich gewesen sein (was die Stellung der Abgründe anging, nicht den Anspruch).
Bei RPGnet-Poison'd würde ich mir hingegen besser alle Apologetik verkneifen, denn da klingt richtig das "hihihi, und dann, hihihi, nehme ich die rotglühende Zange und, hihihi, kastriere ihn" durch.

Was die Ponyrunde angeht: Da weiß ich zu wenig darüber und kann darum nicht sagen welche Stellung der Verkauf der kleinen Schwester hatte. Da müsste ich aufgeklärt werden.


[1] Fehlt noch ein Klischee?
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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #26 am: 2.04.2008 | 15:22 »
Fredi, du hast natürlich Recht, aber das Traurige ist eben, dass man sich im öffentlichen Bereich des Internets nicht vor Heuchelei, Ignoranz, Infantilität und Missverständnissen schützen kann. Davor sollte man gewarnt sein, ehe man sich öffentlich zu seinen abgründigen Spielinhalten bekennt. Das Dilemma ist ja, dass wir unsere Art zu spielen bewerben und verbreiten wollen, und das geht nur öffentlich. Andererseits habe ich es aber auch satt, nachts wachzuliegen, weil irgendwas das irgendein trauriger Wichser online über mich oder meine Freunde geschrieben hat mich wieder mal so wütend macht, dass ich nicht schlafen kann und ich mich dann mit einer hitzköpfigen Erwiderung nachts um drei um Kopf und Kragen rede. Mal davon abgesehen, dass man manchmal durch Offenheit genau das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #27 am: 2.04.2008 | 15:29 »
Du tust doch nur so, als ginge es dir um ganz wichtige Behandlung - eigentlich findest du´s doch geil, gibs zu. Du kranke Sau.
Dieses wunderbare Zitat bringt es doch auf den Punkt. ;)
Die Befürchtung ist einfach da, dass man eben nicht nur in den Abgrund hinein Blicken will, wie oliof es sagte, sondern sich irgendwie hineinbegeben möchte. Also eben nicht eine Frage der Themen, sondern der Behandlung. Klar wenn man ganz genau hinsieht ist das wieder schwer zu unterscheiden und wenn man nur oberflächlich hinsieht mindestens genauso schwer.

Aber trotzdem es gibt diesen Unterschied und der bedeutet etwas. Bei pubertierenden Jungs als Spielern meinen wir die Gründe zu kennen warum Sex und Gewalt in deren Spielen vorkommen und wollen uns davon distanzieren. Ist das krank und pervers was die machen? In den meisten Fällen wahrscheinlich nicht, aber es ist eben nicht "erwachsen".

Wenn ich ein Spiel wie GTA spiele, dann freu ich mich, dass es eine Firma wie Rockstar gibt die Spiele für erwachsene macht in denen Kettensägen und Nutten vorkommen (eventueller Zusammenhang rein zufällig ;D ).
Trotzdem macht diese Firma auch ein Spiel wie Manhunt bei dem ich mich dann frage: HÄ?! "Snuff the Game" Gesellschaftskritik oder Wichsvorlage für Schulhof-Poser? Nebenbei ist das Spiel einfach schlecht.

Gewagte Themen verlangen also nach eine gewissen Qualität und einem gewissen Umgang. Da ist es eben wieder, der Anspruch und das "serious game", aber ohne den, oder zumindest die Distanzierung durch Pulp-Klischees, wird es einfach schwierig solche Themen "richtig" zu behandeln.

Charles Ward III

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #28 am: 2.04.2008 | 15:38 »
Ich kann mich diesem Thema so nicht anschließen.

Für mich sind Rollenspiele in erster Linie ein Spiel. Das heißt ganz klar, dass ich mit Bier, Bretzel und Freunden Spaß haben möchte und mich nicht mit der dunklen Seite der Menschheit beschäftigen will, dafür brauche ich nur Zeitung lesen und Nachrichten schauen.
Ich sehe ehrlich gesagt auch keinen Mehrwert darin mich mit solchen Sachen zu beschäftigen, da diese Art von Spiel den Menschen selbst nicht wirklich weiterbringt. Es ist nicht die Realität, ergo gibt es da auch nichts nachzuempfinden. Man sitzt nun einmal nicht im KZ und ist Häftling, sondern man sitzt an einen Tisch.
Deshalb empfinde ich solche Spiele höchstens als pseudointerlektuelle Sensationsgeilheit.

Offline Falcon

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #29 am: 2.04.2008 | 15:39 »
uuuh, das wird er eigene Geschmack gleich auf Shakespearniveau gehoben. ungeschickt. Da werden sich die dummen Abenteuerspieler sicher bedanken.

davon ab gehören für mich aber alle genannten Stichpunkte zu einem spannenden Abenteuer (es müssen ja nicht immer alle gleichzeitig sein). Viele denken bei Abenteuer leider immer an Questen abklappern und XP einheimsen.
Und alle Punkte kommen ohne den Bodensatz des Menschseins aus, wobei ich kein Problem sehe dies auch einzubauen. Das geht auch mit Orks und Elfen. Müssen nicht immer Nazis und KZs sein. Bösewichter die einfach nur böse sind z.b. haben mir noch nie ausgereicht. Einfache Abenteuer spielen heisst nicht automatisch stumpfsinnig sein.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #30 am: 2.04.2008 | 15:40 »
Wie ich schon mal an anderer Stelle schrieb: Für den einen ist Death Metal Krach, für den anderen Musik. Für den einen sind Pornos ekelhaft, für den anderen sind sie ein normaler, nicht wegzudenkender Bestandteil seiner Sexualität. Für den einen ist Saw ein Meilenstein der Filmgeschichte, für den anderen der Niedergang der abendländischen Kultur. Für den einen ist Helge Schneider ein Genie, ...

Letztendlich geht es dabei, wie so oft, darum, andere Menschen zu respektieren. Schließlich reden wir hier nur darüber, was jemand unterhaltsam findet, und mehr eben auch nicht. Um es mit den Worten von Rosenstolz zu sagen:

„Wenn Ihr etwas nicht versteht, dann muss es doch nicht auch gleich falsch sein.“
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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #31 am: 2.04.2008 | 15:43 »
hab mir die Posts der anderen jetzt nicht durchgelesen.
Falsch ist es sicher nicht was Fredi möchte. Was mich persönlich stört ist der Muff sich von den anderen abzuheben, der aus dem Post steigt. 

für mich ists ein ganz ordinärer Wunsch auch etwas tiefere Abgründe zu erspielen.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #32 am: 2.04.2008 | 15:45 »
Eigentlich stellt es eher eine (späte) Reaktion auf Verunglimpfung andernorts dar...
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Preacher

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #33 am: 2.04.2008 | 15:50 »
Für mich sind Rollenspiele in erster Linie ein Spiel. Das heißt ganz klar, dass ich mit Bier, Bretzel und Freunden Spaß haben möchte und mich nicht mit der dunklen Seite der Menschheit beschäftigen will, dafür brauche ich nur Zeitung lesen und Nachrichten schauen.
Das ist doch völlig in Ordnung.

Ich sehe ehrlich gesagt auch keinen Mehrwert darin mich mit solchen Sachen zu beschäftigen, da diese Art von Spiel den Menschen selbst nicht wirklich weiterbringt. Es ist nicht die Realität, ergo gibt es da auch nichts nachzuempfinden. Man sitzt nun einmal nicht im KZ und ist Häftling, sondern man sitzt an einen Tisch.
Deshalb empfinde ich solche Spiele höchstens als pseudointerlektuelle Sensationsgeilheit.
Was ist denn mit Filmen, die sich mit besagten Abgründen beschäftigen, wie 8mm? Ist das auch pseudointellektuelle Sensationsgeilheit?

Das ist doch einfach eine Frage der Art von Geschichten, die man mit dem RSP erleben will. Wenn Du lieber Geschichten erleben willst, die, sagen wir mal "leichter verdaulich" (ohne Wertung, nur im Sinne von "nicht an die Abgründe gehend") sind, dann ist das doch völlig in Ordnung und nicht mehr und nicht weniger wert als die andere Art.

Die Wertung die Du anbringst ist, völlig daneben und unangebracht und geht darüber hinaus noch voll an der Intention vorbei. Setzen, sechs.


uuuh, das wird er eigene Geschmack gleich auf Shakespearniveau gehoben.
Es ging darum, daß man sich auch in den großen Dramen mit diesen Themen beschäftigt hat, nicht, daß die literarische Qualität des Spiels mit Shakespeare vergleichbar ist.

Aber mich hat es schon gewundert, wieso es so lange dauert, bis jemand diesen falschen Zusammenhang herstellt.

Offline Falcon

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #34 am: 2.04.2008 | 15:53 »
@Vermi: ja, wie Georgies schon sagte.
Da ist zum einen die engstirnige moralische Entrüstung der Kritiker, die sofort an Torture Porn denken und die Vorstellung eben jener Abgrundrollenspieler, die meinen sie würden "tieferes" Rollenspiel betreiben.

Dabei sehe ich keine besondere Form des Rollenspiels wenn ich mir den Post angucke. Das kann doch so vielfältig sein und muss nicht immer gleich so werden, was im Allgemeinen als Geschmacklos oder zu hart gesehen wird. Das gehört für mich einfach ins Abenteuer. Belanglose Erwähnung.

Es sei denn Fredi besteht auf sein Torture-Porn ;)
Dann sag ich ganz klar, ist nicht mein Metier, würd ich nicht spielen aber können die Leute ja gerne machen.


OT:
Hendrik schrieb:
Zitat
Aber mich hat es schon gewundert, wieso es so lange dauert, bis jemand diesen falschen Zusammenhang herstellt.
Na, wenn du sagst, daß das falsch ist wird das wohl stimmen.
Was zählt ist eben was ankommt, nicht was gesagt wird. Ich lass das lieber für sich sprechen:
Zitat
Und wer das "krank" und "geschmacklos" findet, und mich "in seinem Hobby" nicht haben will, der sollte mal bei Shakespeare anfangen und sich langsam durch die Weltliteratur arbeiten.
Weltliteratur, ne ist klar. Bah. Ich hab schon versucht klar zu machen, daß auch Orks und Elfenspieler Elemente dieses EmoSpiels haben. Kein Grund tief in die Niveaukiste zu greifen und sich abzugrenzen.
Anders gesagt: Das muss nicht mehr Drama sein als übliche Rollenspielstile, man kann die Nähe also ruhig bei ihnen suchen. Merke, nicht nur Shakespear und Dramaspieler  beschäftigen sich damit. Jetzt verstanden?
« Letzte Änderung: 2.04.2008 | 16:04 von Falcon »
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #35 am: 2.04.2008 | 15:54 »
„Wenn Ihr etwas nicht versteht, dann muss es doch nicht auch gleich falsch sein.“
Muss nicht falsch sein kann aber. Das ist das Problem mit einem zu starken Relativismus. Und das kann man eben als zumindest grundsätzlich an Moral (im allgemeinen philosophischen Sinn) Glaubender nicht völlig außen vor lassen.
Klar, in Sachen Rollenspiel reden wir immer nur von Vorstellungen und Kommunikation in kleinen Gruppen. Dabei kann es zumindest in meinen Augen nahezu niemals etwas moralisch gesehen falsches geben, sondern höchstens ein Problem für den einzelnen selbst. Aber trotzdem kann man ja über andere urteilen. Darf man das nicht? Das Thema ist schwierig.

Es gibt ja auch noch Trennlinien zwischen tolerieren, nachvollziehen, verstehen, und befürworten.

Charles Ward III

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #36 am: 2.04.2008 | 15:59 »
Lieber Hendrik,

ich glaube wir müssen hier ganz klar zwischen dem Medium Film und dem Medium Rollenspiel unterscheiden und was man damit erreichen möchte. Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel. Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.

Ich werte diesen Spielstil nicht ab, ich halte ihn für Zeitverschwendung, da man das gleiche Ergebnis auch mit einmal Saw anschauen abhandeln kann, nur das man sich ja fürs Saw schauen schämen müsste, während hier das intellektuelle Rollenspiel, welches in meinen Augen ein Klischee ist, gerade chic ist.

Offline Joerg.D

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #37 am: 2.04.2008 | 16:07 »
Aber mich hat es schon gewundert, wieso es so lange dauert, bis jemand diesen falschen Zusammenhang herstellt.

Weil Fredi sich dieses mal echt Mühe gegeben hat konstruktiv zu posten, ohne zu sticheln oder zu provozieren, wie er es sonst ganz gerne mal macht? Ich meine wer das falsch verstehen will, muss dazu schon echten Hirnschmalz aufbringen um solche Aussagen zu verbiegen. Oder einfach nicht dazu in der Lage sein zu lesen und zu verstehen wie mein Kumpel H aus Z in der S sagen würde.

Zitat
Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel. Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.

Richtig, die wollen Menschen in die Kinos locken um Gewinne zu machen. Das ganze Geschwafel von Politik ist doch Dumfug, da geht es um Profit. Und kitische Distanz? Ein Film der dich in einer Kritischen Distanz berührt ist fürn Arsch.
Wenn ich am Ende von Bravehard Rotz und Wasser heule, weil der Held des Filmes gefoltert wird, dann ist der Film gut.

Wenn er meine Emotionen anspricht, nicht weil er kritische Distanz bewahrt.
« Letzte Änderung: 2.04.2008 | 16:24 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Offline Grimnir

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #38 am: 2.04.2008 | 16:12 »
Mag ich das Abgründige? Ja, deshalb lese ich "A Song of Ice and Fire" so gerne. Gehört es bei mir ins Rollenspiel? Kommt darauf an...

... nämlich neben meiner momentanen Laune v.a. auf die Leute mit denen ich spiele. Es gibt Freunde, mit denen ich unheimlich gerne in diese Tiefen hinabsteigen würde, und ich habe ebenso gute Freunde, bei denen ich mir das nicht vorstellen kann.

Das Zauberwort ist hier "Sensibilität". Ich würde nicht unbedingt davon ausgehen, dass sich diejenigen, denen es nicht passen würde, direkt zu Wort meldeten, wenn ich als SL die Gruppe auf derartiges Terrain bewegen würde. Aus Schüchternheit schweigen manche lieber, als zu sagen: "Hey, stop, das ist mir unangenehm. Bis hierhin und nicht weiter!" Da ich im Regelfall ohnehin nur mit guten Freunden spiele, die ich seit Jahren kenne, glaube ich zu wissen, wie weit ich gehen darf. Bei ganz derben Sachen - bisher noch nicht vorgekommen - würde ich davor mit den Spielern (möglichst einzeln) sprechen.

Es grüßt
Grimnir

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Offline Lord Verminaard

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #39 am: 2.04.2008 | 16:21 »
@ Boomslang:

Ich glaube an Moral. Ich glaube an Recht und Unrecht als Absolute Begriffe und daran, dass es richtig ist, Recht nötigenfalls mit Gewalt gegen Unrecht durchzusetzen. Was das angeht, bin ich kein Relativist.

Worunter die scheinheiligen Debatten und Möchtegern-Aufreger leiden, ist ein Mangel an Differenzierung. Moralphilosophie ist nicht leicht. Manche sagen, es sei die Königsdisziplin aller Wissenschaften. Mit Stammtisch-Niveau kommt man da eben nicht weit. Wenn man dann noch die hohe Emotionalität dazu nimmt, zu der Vergewaltigungen, Nazis & Co. einladen, dann steht man eben mit Vernunft und sauberer Argumentation auf verlorenem Posten.

Der Punkt ist, dass es hier um Fiktion geht. Eine Phantasie ist niemals unrecht, solange der Mensch, der diese Phantasie hat, sich von ihr nicht verleiten lässt, die moralischen Maßstäbe seines realen Handelns zu verschieben. Die Gedanken sind frei.

Das Darstellen und Rezipieren solcher Phantasien, die als solche niemals Unrecht sein können, kann nach meinem moralischen Verständnis seierseits nur Unrecht sein, wenn andere Menschen dadurch in einem schützenswerten Gut beeinträchtigt werden. Das ist nun wiederum im Einzelfall äußerst differenziert zu betrachten.

Ich persönlich neige in diesem Bereich dazu, dem Wohl des Individuums einen überragenden Stellenwert einzuräumen und dem Anstandsempfinden der Gesellschaft einen nichtigen. Wenn also ein Mitspieler an einer bestimmten Darstellung im Rollenspiel Anstoß nimmt, sich von ihr abgestoßen fühlt oder sogar echten psychischen Schaden davonträgt, dann ist das für mich Unrecht. Wenn Außenstehende, die die Situation in ihrer Gesamtdynamik noch dazu überhaupt nicht einschätzen können, daran Anstoß nehmen, dann ist das für mich allenfalls in Extremfällen beachtlich.

Eine andere Frage ist freilich, ob das Unverständnis der Öffentlichkeit bei manchen Inhalten vorhersehbar und es daher fahrlässig ist, sich über diese ganz unbefangen öffentlich zu äußern. Es sei denn man wollte bewusst Tabus brechen, um so den Kampf um Akzeptanz einzuleiten. So was macht man ja manchmal, wenn man diskriminiert wird.

Edit: P.S.: Natürlich nehme auch ich mir heraus, Sachen geschmacklos zu finden. Aber "geschmacklos" ist was ganz anderes als "falsch".
« Letzte Änderung: 2.04.2008 | 16:31 von Lord Verminaard »
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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #40 am: 2.04.2008 | 16:22 »
Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel.

Welche hat das eine Medium, welche das andere? Und woran machst Du das fest?

Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.

Wenn ich mein Rollenspiel nicht im Actor Stance, sondern im Director Stance durchziehe, bin ich auch ziemlich distanziert. Wenn mich ein Film richtig fesselt, habe ich keine kritische Distanz mehr zur Thematik. Deine Ausführung erscheint mir doch arg konstruiert und nicht gerade allgemeingültig.

Ich werte diesen Spielstil nicht ab, ich halte ihn für Zeitverschwendung, da man das gleiche Ergebnis auch mit einmal Saw anschauen abhandeln kann, nur das man sich ja fürs Saw schauen schämen müsste, während hier das intellektuelle Rollenspiel, welches in meinen Augen ein Klischee ist, gerade chic ist.

Aha, jetzt sage ich: Bier und Bretzel RPG ist Zeitverschwendung, weil ich mir stattdessen ja auch 'ne Folge Cobra 11 reinziehen kann. Ist genau so großer Quatsch, nur halt auf's andere Extrem bezogen...  ;)

Ach so, wie war das Thema? Ahh, ja, ich mag Abgründe im Rollenspiel. Ich will Abgründe im Rollenspiel, zumindest dann, wenn ich nicht gerade Bier und Bretzel mässig spiele.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #41 am: 2.04.2008 | 16:28 »
Es geht ihm doch eigentlich darum, da sollten wir schon ehrlich sein, das Abgründige zum akzeptablen Inhalt des Spiels zu erheben. Ist das richtig?

Ja, das ist richtig. Ich dachte mir schon, dass das Wort "unterhaltsam" missverständlich sein könnte, aber ich wollte meinen Satz nicht zu sehr verkomplizieren. Was ich genau meine, steht in meinem vorigen Post.

@ Charles: Dein Verständnis, was Rollenspiel ist und nicht ist, ist offenbar ein anderes als meines und Fredis und hier nicht der Maßstab. Und dein Kommentar zu Saw drückt genau die Ignoranz bzw. das "nicht Verstehen" aus, das ich meine, insofern danke dafür.
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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #42 am: 2.04.2008 | 16:52 »
Der Punkt ist, dass es hier um Fiktion geht. Eine Phantasie ist niemals unrecht, solange der Mensch, der diese Phantasie hat, sich von ihr nicht verleiten lässt, die moralischen Maßstäbe seines realen Handelns zu verschieben. Die Gedanken sind frei.
Das ist zwar auch ganz meine Ansicht, und ich sehe das ganze im Wesentlichen wie du. Aber es gibt da noch ein Problem: Was wenn man nicht nur die Verschiebung moralischen Maßstäbe des Handelns betrachtet, sondern einen Schritt vorher stehen bleibt und einfach nur die Verschiebung der realen moralischen Maßstäbe eines Spielers, die sich gar nicht auf das Handeln direkt auswirken? Was wenn der Spieler "es wirklich geil findet", wie es in Jaspers Satire so schön heißt. Finden wir das "nur" geschmacklos oder ist es nicht schon wirklich falsch? Eventuell nicht in einem wirklich moralischen Sinn falsch, und schon gar nicht in einem juristisch bestrafenswerten Sinn. Aber kann es nicht trotzdem einfach falsch sein? Wenn ich ein Freund desjenigen wäre, müsste ich ihm dann sagen dass das nicht in Ordnung ist?

Nehmen wir mal den berüchtigten Stein des Anstoßes (den ich gar nicht wirklich kenne, ich habe nur die Debatte damals verfolgt, insofern will ich da gar keine eigene Meinung zu ausdrücken):
Gewaltexzesse und Speiseröhrenvergewaltigungen. Dürfen die im Spiel vorkommen? Klar. Ist das Geschmacklos? Vielleicht, spielt aber für die Gruppe kaum eine Rolle, so lange es für alle in Ordnung ist. Für Außenstehende ist das nur insofern wichtig als das sie es selber Geschmacklos finden können oder auch nicht. Handlungsbedarf oder Intervention irgend einer Art ist nicht wirklich angesagt.
Wenn nun aber völlig klar wäre, dass ein Spieler "es wirklich geil fand", ohne jede weitere Distanz, er fand es richtig, er selbst als Spieler? Er würde es zwar selber nie machen weil er sich vor Strafe fürchtet oder es sich einfach nicht zutraut, aber dafür hat er ja das Rollenspiel. Wäre das "richtig"? Wenn man das verneint, dann kann man noch einen Schritt weiter gehen: Was wenn der Spieler es zwar nicht aus vollen Herzen richtig findet, aber doch nicht mehr in der Lage ist eine "angemessene Distanz" dazu aufzubauen und die von Skyrocks umschriebene "hihihi"-Einstellung, oder eben die viel beschworene pubertäre Unreife zeigt? Muss man ihm dann was verbieten? Muss man es zumindest ablehnen, oder öffentlich verdammen?

Das sind die Dinge die Skyrock meint, soweit ich ihn verstanden habe, und das wäre für mich ein echtes Thema.

Offline Dirk

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #43 am: 2.04.2008 | 16:58 »
Jemand der das wirklich geil findet kann durchaus ein pathologisches Problem haben. Allerdings muss er es ja nicht ausführen. Handlungsbedarf besteht nur im Fall des Leidensdrucks oder des tatsächlichen Handelns. Ganz einfach!

Schwieriger ist da schon der Fall des noch nicht ganz so reifen Spielers. Ist er Volljährig gibt es kein Problem, höchstens ein paar beschämte Blicke von anderen. Ist er nicht volljährig scheint es ihn zu überfordern und es bestünde im Zweifelsfall Klärungsbedarf oder, als letzte Konsequenz, der Rausschmiss aus der Gruppe, wenn das Verhalten gegen das Spiel ist.

Eigentlich doch ganz einfach!

MfG
Dirk
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

Aber Koks ist einfach nicht meine Droge.

Offline Skyrock

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #44 am: 2.04.2008 | 17:14 »
Nehmen wir mal den berüchtigten Stein des Anstoßes (den ich gar nicht wirklich kenne, ich habe nur die Debatte damals verfolgt, insofern will ich da gar keine eigene Meinung zu ausdrücken):
Man muss dazu betonen dass es in Sachen Poison'd _zwei_ Steine des Anstoßes gab (Lumpley auf The Forge, jemand unwichtiges auf RPGnet), und dass die beiden Spielberichte recht unterschiedlich sind (wenn IMHO auch beide geschmacklos).

Das Hihihi-Argument gilt explizit nur für die RPGnet-Sache, bei der Lumpley-Sache kann ich es nicht sicher sagen.

(Nur falls wieder jemand die moralische Fackel der mangelnden Differenzierung meinerseits auspackt.)
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Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #45 am: 2.04.2008 | 17:27 »
@Vermi: full ack.

Wenn ich mein Rollenspiel nicht im Actor Stance, sondern im Director Stance durchziehe, bin ich auch ziemlich distanziert. Wenn mich ein Film richtig fesselt, habe ich keine kritische Distanz mehr zur Thematik.
So ist es. Ich empfinde es im Rollenspiel weit einfacher, Distanz zu einem Thema zu halten, als bei einem Film oder bei einem Buch. Speziell der Film bietet durch seine Möglichkeit optisch und akustisch auf den Zuschauer einzuwirken, einfach viel mehr "Impact", als ein Rollenspiel (wenn man es nicht gerade mit hammermäßigen Mitspielern zu tun hat, die genau auf der gleichne Wellenlinie liegen, wie man selbst). Eine Spielrunde hat mich aufgrund seiner Thematik noch nie zu Tränen gerührt, ein Film oder ein Buch mehrfach.
Ich schätze immersives Rollenspiel, aber bei anspruchsvollen und grenzwertigen Themen bleibt ein Teil von mir immer und ganz gezielt auf der Metaebene. Diese Distanz ist wichtig und notwendig: wenn ich meine Spielfigur moralisch fragwürdig handeln lasse, heißt das nicht, dass ich in der gleichen Situation so handeln würde, noch, dass ich die Handlungsweise meiner Spielfigur billige. Dennoch ist es für das durch die Spielgruppe einvernehmlich festgesetzte Ziel des Abends [die menschlichen Untiefen der Charaktere auszuleuchten] zwingend erforderlich, dass die Spielfigur so und nicht anders agiert.
Mich interessiert nicht das Verbrechen, so abscheulich es sein mag, sondern das Warum, Wie kam es dazu, Welche Konsequenzen gibt es, Wie verändert sich der Charakter/die Geschichte.
Dieses Erforschen menschlichen Handelns hat für mich höchsten Unterhaltungswert, ja. Aber bedeutet das, dass ich mit den Handlungen der Spielfigur sympathisiere? Nein.
Wie Vermi schon sagte, es ist ein großer Unterschied zwischen "Abgründe" und "Geschmacklosigkeit". Die Distanz ist hier der schmale Grad, auf dem man wandert: hält man sie, setzt man sich mit dem Thema auseinander, hält man sie nicht wird's ekelhaft.

Offline Lord Verminaard

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #46 am: 2.04.2008 | 17:42 »
@ Boomslang:

Die Schwelle ist für mich der Wirklichkeitsbezug. Wenn jemand etwas, das (moralisch) falsch ist, wirklich richtig findet und es nur nicht macht, weil er Strafe fürchtet oder dazu nicht fähig ist, dann trete ich dieser von mir moralisch abgelehnten Geisteshaltung entgegen. Wenn einer also wirklich Sex mit Kindern haben will, oder wirklich Selbstjustiz üben, oder weiß ich was, dann sollte man das nicht relativieren. Je nach sozialem Kontext kann man dann auf die abweichende eigene Meinung hinweisen und um des lieben Friedens willen auf einen Streit verzichten, oder man kann streiten.

Wenn hingegen jemand etwas als falsch erkennt, aber die fiktionale Darstellung trotzdem als „geil“ empfindet, dann halte ich es für anmaßend, das zu verurteilen. Zumal die Doppelmoral doch unverkennbar ist, wenn das mordlüsterne Wüten durchgeknallter Soziopathen in unzähligen Filmen gehyped wird (auf Mord steht in Deutschland lebenslänglich), aber Sex mit Leichen zu geißeln ist (auf Störung der Totenruhe steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe).

Wenn wir andererseits über pubertierende Jugendliche reden und darüber, inwiefern der Kontakt mit bestimmten, auch fiktionalen Inhalten ggf. die Entwicklung beeinträchtigt oder auch nicht, möchte ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Dazu verstehe ich von dem Thema zu wenig. Aber bei reifen, erwachsenen Menschen hat sich niemand anzumaßen, als „falsch“ (selbst im abgeschwächten Sinne) zu verurteilen, was jemand – als reine fiktionale Darstellung – geil findet oder nicht. Solange er seine Mitspieler damit nicht beeinträchtigt, natürlich.

[Bei der besagten Speiseröhrenvergewaltigung halte ich es für relativ ausgeschlossen, dass nicht zumindest irgendjemand am Tisch daran Anstoß genommen hat. Eine mögliche Erklärung, wie so etwas zustande kommt, könnte sein, dass die Mitspielerin, die das gebracht hat, durch Übertreibung eine emotionale Distanz um Spiel schaffen wollte. Eine andere könnte sein, dass sie ihre Mitspieler provozieren wollte. Dass sie es „geil“ fand, steht wohl eher weit unten auf der Liste der wahrscheinlichen Erklärungen.]
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #47 am: 2.04.2008 | 18:28 »
Zumal die Doppelmoral doch unverkennbar ist, wenn das mordlüsterne Wüten durchgeknallter Soziopathen in unzähligen Filmen gehyped wird (auf Mord steht in Deutschland lebenslänglich), aber Sex mit Leichen zu geißeln ist (auf Störung der Totenruhe steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe).
Nun, dass Recht und Gesetz auch kein moralischer Maßstab sein können dürfte klar sein. Aber sicher, die Doppelmoral ist schon offensichtlich und auch bei vielen im vorhanden.

Aber bei reifen, erwachsenen Menschen hat sich niemand anzumaßen, als „falsch“ (selbst im abgeschwächten Sinne) zu verurteilen, was jemand – als reine fiktionale Darstellung – geil findet oder nicht.
Es geht mir gar nicht um Jugendschutz. Ob jemand 17, 18, 20 oder 33 ist, ist eventuell von juristischem Belang. Aber wenn wir nicht übers juristische Reden, dann reden wir nur über normale Menschen die was richtig oder falsch finden und auch was richtig oder falsch machen können.
Auch bei Erwachsenen kommt es doch ständig vor dass sie sich unreif oder falsch verhalten, oder eben einfach nur etwas "falsches denken". Eventuell fällt das dem Betroffenen nachher selber auf oder auch nicht.

Für mich kommt es darauf an warum jemand etwas toll findet und da gibt es eine Grauzone. Als SL habe ich in meiner Gruppe früher gerne und häufig solche Themen reingebracht, einfach weil ich es konnte und weil es mich interessiert hat wie meine Spieler darauf reagieren. Ich hatte dann aber manchmal das Problem dass meine Spieler nicht so reagiert haben wie ich mir das vorgestellt hatte. Meine Spieler haben z.B. aus meiner Sicht unreif reagiert und dann musste ich mich darüber ärgern und habe mich teilweise sogar gefragt ob mit meinen Spielern was falsch ist (z.b. warum der die Vergewaltigungsszene toll fand).
Da muss man schon drüber nachdenken und das kann leicht über das Spiel hinaus gehen.

Offline Lord Verminaard

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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #48 am: 2.04.2008 | 19:00 »
Es erfordert viel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, um solche Situationen nüchtern und fair zu bewerten, statt in Hysterie zu verfallen. Jeder empfindet aus seiner eigenen Erfahrungswelt und Veranlagung heraus unterschiedliche Dinge alt traumatisch, als verletzend, als abstoßend, als eklig aber faszinierend, als komisch, als ästhetisch ansprechend oder sogar als sexuell erregend.

Gerade die Vergewaltigungsphantasie ist doch ein Klassiker. Das ist eine total gängige sexuelle Phantasie, besonders bei Frauen. Was natürlich überhaupt nicht bedeutet, dass diejenigen, die solche Phantasien haben, Vergewaltigungen wirklich gutheißen oder gar selbst erleben möchte. Genauso wenig, wie jemand, der einen Film wie Starship Troopers anguckt und dabei einen Endorphin-Flash bekommt, wirklich gerne an einem solchen Gemetzel teilnehmen würde oder sich auch nur wünscht, dass so etwas anderen Leuten tatsächlich passiert. Jeder hat da eben andere Trigger, und den eigenen Maßstab oder den Hollywoods zur Norm zu erheben, ist eben anmaßend.

Als Außenstehenden geht mich das nichts an. Als Beteiligter in einer Rollenspielrunde sollte ich darauf achten, dass meine persönlichen Grenzen des guten Geschmacks nicht überschritten werden, weil ich ansonsten keinen Spaß habe. Aber ich sollte mich hüten, ohne weiteres aus der Begeisterung meiner Mitspieler für etwas, das ich persönlich geschacklos finde, zu schließen, dass bei ihnen was nicht stimmt.

Erst wenn die Vorliebe Ausdruck einer Geisteshaltung ist: Wenn ich merke, dass da wirlich ein kleiner Rassist, ein kleiner Sexist, ein kleiner Schwulen-Hasser am Tisch sitzt, dann ist ein moralisches Urteil angemessen. Aber das ist eben ganz und gar nicht immer, nicht einmal überwiegend der Fall.
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Re: Abgründe des Menschseins
« Antwort #49 am: 2.04.2008 | 19:22 »
Na, wenn du sagst, daß das falsch ist wird das wohl stimmen.
Nein, natürlich nicht. Selbstverständlich kann auch ich mich irren. Aber ich denke schon, daß meine Interpretation richtig ist.

Was zählt ist eben was ankommt, nicht was gesagt wird.
Völlig richtig.
Und der von dir zitierte Passus kommt eben bei mir genau so an: "In der Literatur werden diese Themen behandeltm und man findet es gut. Wieso ist es eklig, wenn ich sie im Rollenspiel aufgreife"
Also nicht "Mein Spiel ist so gut wie Shakespeare" sondern einfach der Hinweis auf die Präsenz des Themengebietes.

Alles imho selbstverständlich.

Merke, nicht nur Shakespear und Dramaspieler  beschäftigen sich damit. Jetzt verstanden?
Das ist doch klar - aber das hat doch auch niemand gesagt. Oder hab ich was überlesen?


ich glaube wir müssen hier ganz klar zwischen dem Medium Film und dem Medium Rollenspiel unterscheiden und was man damit erreichen möchte.
Natürlich. Film und Rollenspiel sind zwei untercshiedliche Medien mit unterschiedlichen Techniken. Ich versuche auch nicht, auf dieser Ebene das eine mit dem anderen zu vergleichen.

Aber man kann doch in beiden ähnliche Themen aufgreifen.

Filme über bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schindlers Liste, haben eine wesentlich andere Intention und Zielsetzung als ein Rollenspiel.
Entschuldige, aber die "Intention eines Rollenspiels" kann ja wohl von Runde zu Runde und sogar von Session zu Session unterschiedlich sein.
Was übrigens ist denn die Intention von Schindlers Liste? Und wieso kann man diese Intention nicht im Rollenspiel aufgreifen?

Und ist nicht eine Intention von Schindlers Liste, Emotionen beim Publikum hervorzurufen? Kann man das mittels Rollenspiel nicht tun?

Aber viel wichtiger ist, dass bei Filme im Gegensatz zum Rollenspiel eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Figur gegeben ist. Deshalb ist der Vergleich den du hier versuchst aufzuziehen doch recht konstruiert.
Du mißverstehst mich. Ich habe den Film (8mm übrigens, nicht Schindlers Liste) nur genannt, weil er eine - sagen wir mal "abgründige Thematik" aufgreift, nicht um die Medien zu vergleichen.
Daß beim Rollenspiel weniger Distanz als beim Film gegeben ist, ist übrigens auch so pauschal nicht zu sagen. Es gibt Leute, denen fällt es auch beim Anschauen eines Films schwer, besagte Distanz aufzubauen. Und es gibt Rollenspiele, in denen die Distanz zum Protagonisten höher ist.
PtA ist - vor allem wenn man es spielt wie Fredi - so ein Beispiel. Durch das Aushandeln von Szenen und Konfliktausgängen verbringt man sehr viel Zeit auf der Metaebene und hat dadurch mehr Distanz zur Fiktion. Sie ist immer noch vorhanden und spannend, aber es herrscht nicht so tiefe "Immersion".

Wenn man natürlich nach Method-Acting-Manier versucht, sich möglichst authentisch in solche Dinge hineinzuversetzen, dann könnte das problematisch werden. Da würde ich aber sagen: Falscher Spielstil zum falschen Thema.

Ich werte diesen Spielstil nicht ab, ich halte ihn für Zeitverschwendung, da man das gleiche Ergebnis auch mit einmal Saw anschauen abhandeln kann, nur das man sich ja fürs Saw schauen schämen müsste, während hier das intellektuelle Rollenspiel, welches in meinen Augen ein Klischee ist, gerade chic ist.
Ich merke: Du hast es nicht verstanden.
Und ich habe weder Zeit noch Lust, Dir das zu erklären - und die Ignoranz, die Du in deinem Post zeigst, trägt auch nicht gerade zu meiner Motivation bei. Vielleicht sind andere da geduldiger, ich bin's nicht.