Autor Thema: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen  (Gelesen 3733 mal)

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Offline Koruun

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Zitat
Einen Flow kann man auch alleine erleben.
Ich würde ihn mit "Selbstvergessenheit" beschreiben. Man geht "vollkommen in einer Sache auf."
Klar, der eigentliche Begriff steht auch sicher in den meisten Fällen für Tätigkeiten, die alleine getan werden.
Ich editiere dann mal meinen Post, damit das präziser ist.
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Offline Issi

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Klar, der eigentliche Begriff steht auch sicher in den meisten Fällen für Tätigkeiten, die alleine getan werden.
Ich editiere dann mal meinen Post, damit das präziser ist.

Im Rollenspiel würde man dann wahrscheinlich von einem "Gemeinschafts Flow" sprechen.
Was glaube ich nur dann funktioniert, wenn alle SPL von der Situation genügend "gefesselt" sind.

Offline Boba Fett

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Flow beutet für mich: wenn beim Rollenspiel die Realität (man sitzt am Tisch und spielt ein Spiel) in den Hintergrund rückt und man durch die eigene Vorstellung die Bilder im Kopf sehr eindrücklich erlebt und dabei in der Lage ist spontan und intuitiv seine Rolle "in character" zu erleben und in ihr zu agieren.

Passiert mir Flow? Ja, hatte ich. In den letzten 35 Jahren entsprechend oft und auch jetzt immer noch mal.
In unterschiedlichsten Systemen, auch regelschweren. Deswegen fokussiere ich jetzt weniger auf ein System, sondern mehr auf Faktoren:

Flow hängt bei mir ganz oft von folgenden Faktoren ab:

1. möglichst wenig Metagaming. Je weniger Ressourcen (Gummipunkte, Lebenspunkte, Astralkonto, ....) ich verwalten muss, desto besser. Ganz schlimm: Ressourcen, die man sich gegenseitig zuschustern kann.
Wenn ich drüber nachdenken muss, ob ich den erspielten (erwürfelten) Vorteil einem Mitspieler (und wem) zu teilen kann/darf/muss, bin ich "raus". Battlemap, Miniaturen und taktische Überlegungen aus der "Vogelperspektive" sind oft auch eher hinderlich. Bewegungsweite und Reichweite sind ja auch Metagaming-Ressourcen in Verbindung mit der Battlemap.
(klingt so als würde ich das verteufeln. Nee, ist nicht der Fall. Ich habe auch viel Spaß mit Battlemap und Taktieren. Aber das ist dann eben eine andere Art von Rollenspiel... ich finde Gefallen an beidem)
2. der richtige Charakter (ich muss mich in meiner Rolle "wohlfühlen". Je mehr "ich" in der Rolle, desto besser. Je fremder mir die Rolle erscheint, desto weniger kann ich sie intuitiv führen/spielen.
3. der richtige Spielleiter. kurz gesagt: der muss es einfach drauf haben, muss seine Regeln beherrschen, muss für möglichst wenig Ablenkung ("ich schlage die Regel eben noch mal nach", "wie hiess der NSC noch gleich") sorgen. Je flüssiger das Spiel läuft, desto besser.
4. ich muss die Spielregeln gut beherrschen und eigentlich nicht über die Abwicklung von Proben oder so nachdenken. Und vermutlich genau da plädieren dann viele Leute für regelarme Systeme. Halte ich nicht für notwendig. Man kann auch mit regelschweren Systemen Flow erleben. Man muss nur auch da eben die Regel gut beherrschen, was eben mehr Investition erfordert.
5. die richtige Stimmung. ich mein jetzt nicht schummrige Beleuchtung und Musik (auch wenn das manchmal (!) hilft, ebenso oft stört), sondern die Gruppe, ich selbst, die Abenteuersituation, etc. muss passen
6. die richtige eigene Verfassung. Nicht zu müde, aber auch nicht zu aufgekratzt (Koffeein und Zuckerschock), nicht zu albern, nicht zu gestresst...
7. Wenn die Spielsituation spannend, bedrückend, ... intensiv wird, klappt es bei mir mit dem Flow besonders gut und oft.

Den letzten wirklich intensiven Flow hatte ich (kurz vor Corona) in einem SciFi Homebrew in dem die Charaktergruppe eine "Pitch Black" Horror Situation über 80 Tage Spielzeit überstehen musste (das ging entsprechend auch mehrere Sitzungen lang). Die Monster wurden von Energiequellen angezogen und kamen "aus dem Nichts" und waren auch nur mit wenig zu verletzen. Mit abgedunkeltem Spielraum, sehr unterschwelliger Musik und wirklich sehr tollen Szenen und Ereignissen, war das einer meiner intensivsten Situationen seit langem. Als dann die Sonne wieder "erschien" und wir mit dem Raumschiff abflogen und der Spielleiter die Beleuchtung wieder "hochdimmte" war das ein wirklich erhellendes und erleichterndes Gefühl.
Flow ist mir in dem Rollenspiel und mit diesem Spielleiter bisher ziemlich leicht gefallen. Und das Regelwerk ist kein Leichtgewicht.

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« Letzte Änderung: 7.08.2022 | 12:27 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Online Yney

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Ein wundervolles Thema!

Flow, wie hier bezeichnet sind für mich die Momente, die ich als „Das Spiel spielt sich selbst“ beschreibe. Wenn man nach einer Begebenheit im Spiel einander am Spieltisch anschaut und keiner so richtig erklären kann warum und wie es nun dazu kam. Für mich persönlich sind das die besten Momente. Wenn wir alle miteinander wirklich in der Welt versinken.

Wichtig scheint mir dabei zu differenzieren (was ja weiter oben bzgl. Alkohol schon angedeutet wurde): Man hat sehr wohl noch die Kontrolle. D.h. es ist kein suchtähnlicher oder deliriumartiger Zustand, sondern einer, in dem man sich mit den anderen treiben lassen kann, aus dem man aber bei Bedarf auftauchen kann. Insofern stimme ich auch obigen Anmerkungen zu: Ohne Vertrauen kann das nur schwerlich klappen.

Zu meinem großen Glück passieren mir mit meinen Spielern solche Momente immer wieder mal (mehr oder weniger intensiv – mal länger mal kürzer, aber nie eine ganze Sitzung lang). Viele dieser Momente sind zutiefst persönlich auf ihre ganz eigene Art und daher kein Stoff, den ich hier erzählen möchte, aber eine Situation kann ich herausgreifen, die uns alle berührt hat, aber nicht so privat ist:

Einmal standen meine Spieler einem Werwolf gegenüber, damals einem solchen Wesen haushoch unterlegen. Die Kreatur holte sie im Mondschein auf einem Feld ein und die Frage war eigentlich - wie kommt man mit einer geschickten Flucht doch noch aus der Sache heraus. Der Zwerg in der Gruppe war schwer durch den Werwolf verletzt – die Möglichkeiten damit begrenzt. Auf einmal stellt sich sein halbelfischer Freund dem Biest entgegen und liest ihm die Leviten, die Hände in die Hüften gestemmt. Und der Werwolf … zieht Leine.
In dieser Welt* ist das Werwolfdasein ein Fluch und selbst in Werwolfgestalt ist die Persönlichkeit des Menschen im Tier nicht vollkommen abgeschaltet. Diese Kreatur hatte eine Hintergrundgeschichte und einen Grund für ihren Zorn, der sich eben in Wolfsgestalt manifestierte.
Irgendwie traf jener Halbelf den genau richtigen Ton und das Monstrum reagierte „wie von selbst“, trollte sich und beging nach einigen weiteren Ereignissen Selbstmord.

Warum es dazu kam? Wie der Halbelf das hinbekommen hat?
Ich habe das Biest gespielt, ja, aber ich habe nicht die geringste Ahnung – es ist einfach passiert.

Harte Regeln können diesem Flow im Weg stehen, denke ich. Das ist einer der Gründe, warum für die Art Rollenspiel die ich gerne betreibe die Regeln Leitplanke und Orientierung sein sollen und nicht in Beton gegossene Wände. Die Möglichkeit für Momente wie diese erklären vielleicht, warum ich mit solchen Mechaniken wie Prüfwürfen auf Überreden o.ä. nichts anfangen kann (keine Kritik, sondern persönliche Präferenz).

*Bei Interesse:
Das geschah in einer älteren Version von Feenlicht - nach der großen Überarbeitung zu dem, was es heute ist, wären Werwölfe undenkbar. Aber damals war Feenlicht noch ein (sehr entfernter) Verwandter von D&D und Midgard.

Online Zed

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Flow, wie hier bezeichnet sind für mich die Momente, die ich als „Das Spiel spielt sich selbst“ beschreibe.
Genau, und auch Koruuns Beschreibung deckt sich mit dem, was ich "Flow" nennen würde. Immersion ist etwas, dass jede/r Spieler/in für sich haben kann, auch unabhängig von anderen aus der Gruppe, aber Flow im Rollenspiel geht nur mit anderen Menschen gemeinsam. Über die Voraussetzung "Vertrauen" habe ich bislang nicht nachgedacht, aber stimmt, Flow mit Fremden oder Arschlöchern ist eher unwahrscheinlich.

Yney, ja, aufgrund hervorragender Plädoyers Gegenspiel-Figuren zu bekehren, die ich als SL für so-gut-wie-unbelehrbar gehalten habe - das ist meiner Gruppe und mir auch schon passiert  :) - unvergessliche Momente.

Boba, Deine Punkte würde ich als sehr hilfreich für Flow sehen, aber nicht alle als notwendige Voraussetzung.

Regelleicht und regelschwer: Als DnD-3.5 Spielleiter erlebe ich Flowmomente mit der Gruppe eigentlich nur in Nicht-Kampfsituationen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in regelleichteren Systemen die Chance größer ist, Flow auch in Kampfsituationen zu erleben.

Offline Issi

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Dann beschreibt die Definition der Psychologie( Flow -höchster Zustand der Konzentration und Versunkenheit in eine Tätigkeit) vermutlich nicht ausreichend genug, was in diesem Strang gemeint ist.

Ich würde es wahrscheinlich eher "Verbindung" nennen. Vielleicht sogar "Auflösung."
(Wahrscheinlich beides gleichzeitig)

Man lässt sich quasi spielen.
Ist mehr oder weniger Zuschauer seiner eigenen Figur, und wird selbst überrascht, von dem was sie macht?

Kenne ich auch von anderen kreativen Tätigkeiten.
(Klappt auch mit Problemspielern  ~;D)
« Letzte Änderung: 7.08.2022 | 14:12 von Issi »

Offline Olibino

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Erlebt ihr Rollenspiel-"Flow" nur am Spieltisch, also in persona, oder auch bei Onlinerunden?

Diesen "Zustand" beobachte ich nämlich, wenn, dann nur offline. Würde mich interessieren, ob ich da der einzige bin.
Ich habe den Flow-Zustand auch schon ein paar mal erlebt, und das waren auch bei mir fast immer Onlinerunden.

Ich denke da gibt es 2 Gründe:
a) Es gibt objektiv weniger Ablenkungen. Keine Kindergeräusche aus dem Nachbarzimmer. Keine Chipstüten auf dem Tisch. Man hört durch die Kopfhörer und schaut auf den Monitor und kann alles andere leichter ausblenden

b) Es müssen viele Dinge zusammenkommen (Boba hat ja eine schöne Liste erstellt). Insbesondere denke ich die richtigen Leute. Und direkt am Spieltisch ist die Anzahl in Frage kommender Menschen sehr begrenzt, da geht man dann Kompromisse ein. Dann hat man vielleicht jemanden in der Runde der gerne über Regeln diskutiert. Und schon gibt es keinen Flow. Online dagegen hat man alleine schon über das Spielsystem (Stichwort Regelleicht) die Möglichkeit Leute zu finden wo es einfach gut paßt.

Online Yney

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Nachtrag (nach deinen Worten, Olibino):
Bei mir geschah das immer am Spieltisch (schlicht weil ich nie wirklich effektiv online gespielt habe) und hat dort meiner Ansicht nach genau deswegen funktioniert.
Das ist aber nun kein Widerspruch, denn wir haben fast immer sehr "konzentriert" (das Wort passt bei einem Freizeitvergnügen nicht ganz) gespielt und Ablenkung hielt sich in Grenzen. Und ich denke die Tatsache, dass meine Gruppen immer klein waren (2-4 Spieler) war dem sicherlich zuträglich. Und die unisono hier genannte Eigenschaft war immer gegeben: Es waren immer gute Freunde, mit denen so etwas geklappt hat.

Und dein b), Olibino weckt bei mir den Gedanken an eine stark anwachsende Kurve. Je mehr Personen, um so mehr Interaktionskanäle und damit um so mehr Chancen für Ablenkung. Dass bei sechs Spielern plus Spielleitung der Flow aufkommt ist denke ich recht unwahrscheinlich.
Dazu erweiternd fällt mir auch gerade rückblickend auf: Es waren in all diesen Momenten Spieler, die einander problemlos diese Momente gegönnt haben (Spotlight trifft es nicht wirklich), wenn sie evtl. gerade mal nicht direkt beteiligt waren. Da war dann jemand auch vollkommen zufrieden damit, den anderen beiden oder dreien zuzusehen, wie sie miteinander unbewusst eine Geschichte weben. Wenn in so einem Moment jemand auch nur ungeduldig auf seinem Stuhl hin und herwackelt, platzt die Seifenbalse ganz schnell.

Online Zed

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Ich würde gerne hier noch einmal einhaken:

Die Definition von Yney für Flow ist kurz und knapp und stimmt auch für mich:
Zitat
Flow, wie hier bezeichnet sind für mich die Momente, die ich als „Das Spiel spielt sich selbst“ beschreibe.

Ausführlicher würde ich sagen, dass ich als Spielleitung in den Flow-Momenten das Gefühl habe, als würde ich "nur" beschreiben, wie die Akteure der Spielwelt handeln, als kämen sie "ganz alleine" auf ihre Ideen, Argumente, Strategien. Und das Ganze findet im Spiel natürlich nur im Austausch mit der Gruppe statt.

Ich möchte nicht über das verwandte Thema "Immersion" sprechen, sondern die Beziehung zur "Improvisation"  ausloten: Inwieweit ist sie Voraussetzung des Flows? Ist Flow immer auch Improvisation?

Ich kann mich nur an diplomatische Situationen erinnern, in denen ich Flow erlebt habe. Gibt es Flow auch in Kampf- oder anderen Situationen?

Online Yney

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #34 am: Gestern um 22:15 »
Deine zusätzliche Ausführung gefällt mir, Zed. In meiner Erfahrung war das ähnlich: ich habe nicht mehr bewusst agiert, sondern die Figuren haben sich verselbstständigt. Und ich denke den Spielern ging es ähnlich. Im Flow ist man wirklich in den Figuren drin und betrachtet nicht mehr von außen.

Zur Improvisation: Ich würde vermuten, dass zum Flow wie oben beschrieben nur dann kommen kann, wenn man sich traut, die Zügel fahren zu lassen. Wenn man bewusst lenkt und steuert, dann kommt es nicht dazu. Also: Ja, ich denke Improvisation ist Voraussetzung.
Vielleicht ein wenig so, wie wenn man im Gespräch mit einem Freund, der Schwierigkeiten hat, nicht bewusst oder gezielt denkt, sondern ausspricht, was einem durchs Herz geht. Direkt und ohne jedes Wort abzuwägen. Insofern würde ich eine entscheidende zweite Zutat vermuten: Vertrauen.

In kritischen und spannenden Situationen habe ich Flow erlebt (siehe mein Beispiel oben) im Kampf oder Actionszenen nie. Aber ich spiele weniger kampflastig. Eine Abwesenheit eines Beweises ist kein Beweis der Abwesenheit.

Offline felixs

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #35 am: Gestern um 23:07 »
In kritischen und spannenden Situationen habe ich Flow erlebt (siehe mein Beispiel oben) im Kampf oder Actionszenen nie. Aber ich spiele weniger kampflastig. Eine Abwesenheit eines Beweises ist kein Beweis der Abwesenheit.

Könnte das mit den Regeln zusammenhängen?
These dazu: Flow bricht ab, wenn die Regeln zwischen Horizont und Spieler treten.
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Online Zed

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #36 am: Gestern um 23:39 »
Könnte das mit den Regeln zusammenhängen?
These dazu: Flow bricht ab, wenn die Regeln zwischen Horizont und Spieler treten.

Wir würfeln Diplomatie nicht aus, und ich erinnere mich nur dort an Flow-Momente. Kann also sein...

Online Haukrinn

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #37 am: Heute um 07:56 »
Ich versuche mich da mal zu verorten, bin damit aber denke ich tatsächlich eher an der psychologischen Definition dran. Flow ist für mich, wenn gemeinsame Schaffenskraft hoch ist ohne dass es jemanden direkt signifikant erschöpft, langweilt oder überfordert.

Ich würde sagen, dass ist bei mir äußerst selten der Fall, da wo es aber passiert, kommt es vorher zu einer sinnigen, inspirierenden Kette von Entscheidungen durch die Spielenden. Es ergibt sich quasi von selbst, was das nächste Element in der Kette ist, alles fügt sich.

An Regeln oder Online/Offline scheint das bei mir nicht gebunden zu sein.
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Online Zed

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #38 am: Heute um 08:10 »
Und wie ordnest Du Improvisation bei Deinen Flowerlebnissen ein, Haukrinn? Unterbricht das Würfeln den Flow bei Dir?

Online Haukrinn

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #39 am: Heute um 08:19 »
Flow und Improvisation gehen Hand in Hand bei mir. Wenn eh schon alles in die richtige Bahn fällt, dann ist improvisieren leicht.

Würfeln stört da auch überhaupt nicht, im Gegenteil. Das liefert zusätzliche Information für Entscheidungen. Ich finde auch sehr regellastige Spielanteile können Flow aufbauen, wie ein komplexer taktischer Kampf zum Beispiel, in dem Aktionen nahtlos ineinander greifen.

Ich geb auch nochmal dazu, dass Immersion wie es hier gerne definiert wird für mich absolut unwichtig ist. Ich denke das ist ein Faktor bei dieser Betrachtung. Ich betrachte fast alles was passiert immer aus einem externen "Stance", in-character zu sein fällt mir nicht nur schwer, es ist mir zuwider.
« Letzte Änderung: Heute um 09:04 von Haukrinn »
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Offline Namo

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #40 am: Heute um 09:00 »
Flow und Immersion gehören für mich zusammen. Beides sind allerdings Sachverhalte die nur in meinem Kopf stattfinden. Sobald Regeln bzw. würfeln in den Vordergrund rücken, sinken sie bei mir wieder.

Im Flow bin ich meistens wenn ich entweder einen NSC intensiv ausspiele und wir im Kollektiv nur in dieser Szene sind. Dann wird der NSC lebendig. Ich merke das z.B. daran, dass ich als recht akribischer SL, der auch gerne Mal intensiv Stichworte zu Gesprächsthemen etc. vornotiert, plötzlich Dinge sage die ich so nie vorbereitet hatte, die aber perfekt in die Situation passen. Oder beim beschreiben einer Situation, einer Szene, auf die sich alle einlassen können. Ich glaube diese Momente spüren und in den Augen der Spieler sehen zu können, wenn es ihnen gelingt sich auch mal total auf eine Szene oder Ortschaft einlassen zu können. Also passiv ein Bild in unseren aller Köpfen entsteht. Manchmal beschreibt man ja vor sich als SL z.B. ein Gebäude vor sich hin mit drei vier Sätzen und hat ein Bild. Aber die Spieler nehmen die Fakten wahr, haben aber kein Bild. Wobei das dann schon eher in Richtung Immersion für mich geht. Flow in dem Zusammenhang wäre schon gemeinsam die Szene wahrnehmen und in ihr wandeln.

Tatsächlich bin ich der Meinung, dass alles was dann mit würfeln zu tun hat eher schädlich für den Flow ist. Man wandelt dann nicht mehr traumwandlerisch in der Szene bzw. dem Dialog mit dem NSC, sondern tätigt aktiv eine mechanische Handlung, die meistens auch noch zu Kopfrechnen führt (wir spielen rein offline ohne nennenswerte Hilfsmittel). Diese Handlung verdrängt dann doch das Bild.

So kann ich mich auch nicht wirklich an einen Kampfflow im Sinne von Immersion erinnern. Natürlich gab es da eine andere Form von Flow. Wenn die Gruppe gut zusammengearbeitet hat, gute Ideen für den Kampf hatte. Ich weiß aber nicht ob ich das für mich als Flow definieren würde wie ich es meine. Vom laufen her würde ich damit für mich persönlich immer eine "außerkörperliche" Erfahrung bezeichnen. Als wäre ich eher Beisitzer einer Szene und nicht selbst aktiver Spieler. Wobei sich Kämpfe und Rollenspiel innerhalb nahezu jeden Systems ohnehin immer wie zwei getrennte Teile angefühlt haben. Selten homogen. Da ist schon immer das Feeling: Jetzt wird gekämpft! Oder jetzt wird was anderes gemacht! Je nachdem wie ausufernd die Kämpferei ist, empfinde ich das auch mehr wie ein Brettspiel wie ein Rollenspiel im eigentlichen Sinne. Aber das ist jetzt nicht so ganz das Thema hier.
« Letzte Änderung: Heute um 12:47 von Namo »

Online chad vader

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #41 am: Heute um 09:27 »
Issis Beschreibung kann ich mich sehr gut anschließen.

Ansonsten hab ich ein Unterscheidungsproblem. Als ADS'ler nehme ich meinen eigenen "Flow" im Rollenspiel eigentlich mehr als eine Form meiner Hyperfokussierung wahr, die mir praktisch Überall im Alltag begegnen kann und bestimmendes Element im Spielen meiner Kindheit war. Rollenspiel ist tatsächlich aber eine der Aktivitäten, in welchen ich am leichtesten diesen Zustand erreiche.

Den Unterschied zum Flow anderer merke ich v.a. dann, wenn meine Mitspielenden Erschöpfung erfahren und mich mit ihren Bitten um Pausen erst wieder an die Existenz von Ermüdung (in der Realwelt) als Konzept erinnern. ;D
« Letzte Änderung: Heute um 10:21 von chad vader »

Offline felixs

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #42 am: Heute um 10:02 »
Tatsächlich bin ich der Meinung, dass alles was dann mit würfeln zu tun hat eher schädlich für den Flow ist. Man wandelt dann nicht mehr traumwandlerisch in der Szene bzw. dem Dialog mit dem NSC, sondern tätigt aktiv eine mechanische Handlung, die meistens auch noch zu Kopfrechnen führt (wir spielen rein offline ohne nennenswerte Hilfsmittel). Diese Handlung verdrängt dann doch das Bild.

Grundsätzlich verträgt sich das gut mit meiner Einschätzung. Auch für mich liegen Immersion und "Flow" nah beieinander und bedingen sich.

Allerdings finde ich es auch vorstellbar, dass jemand ein Flow-Erlebnis hat, wenn die Regeln richtig flutschen, alles an seinem richtigen Platz zu sein scheint, wenn Regeln und Spielwelt lückenlos verschmelzen.

Vermutlich hängt es vom Spielstil ab und vermutlich gibt es mehr als eine Art von Flow.
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Online chad vader

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #43 am: Heute um 10:03 »
Was spielt Ihr während des Flows?
Actionszenen - gerne auch solche, die völlig eskalieren und maximal Schief gehen. Oft geht viel zu Bruch und NSCs reagieren mit Überforderung XD.
  • Ich erinnere mich an eine Szene in Tomb of Annihilation, in welcher wir ein komplettes Dschungelfort mit lustiger Tattergreis-Verkleidung, vorgetäuschtem Dünnpfiff, Dinostall-Panik und ein paar clever plazierten Brandsätzen und Zaubersprüchen vollständig zerstörten. ;D
  • EDIT: Ich erinner mich an eine Eskalation im Badehaus, als der weltfremde Elfenmagier erst mit 2 Eimer Dreck im Zuber und dann mit Wand- und Nebelzaubern "verheimlichen" wollte, dass  die von der Gruppe eskortierte Person darin Tierfüße bekommt und die Gruppe dann sehr viel größeren Ärger schlichten mussten. ::)
Dialogszenen gab es auch schon einige, wo spannende und inspirierende Gedanken/Sichtweisen ausgetauscht wurden. Da ist dann aber meistens nur ein Teil der Gruppe aktiv beteiligt.

Eine etwas leisere Szene, die mir auch sehr in Erinnerung geblieben ist, war vorletztes Jahr eine Panikattacke meines Warforged. Nicht alle Spielenden kamen gleich rein, aber die liebevolle Art wie die Gruppe dann improvisierte und ausspielte, wie die sehr viel kleineren Gefährten diesen riesenhaften Koloss zur Ruhe brachten, trieb mir die Tränen in die Augen.

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« Letzte Änderung: Heute um 14:59 von chad vader »

Online Zed

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #44 am: Heute um 12:06 »
Das trifft meine Flow-Erfahrung auch sehr gut:

Im Flow bin ich meistens wenn ich entweder einen NSC intensiv ausspiele und wir im Kollektiv nur in dieser Szene sind.

Du hast anderswo geschrieben, dass Improvistion Dir nicht so leicht fällt, meine ich. Ist Flow nicht auch "leicht gewordene Improvistion", Namo?

@chad
Sehr schönes Beispiel. Ja, solche Momente kenne und meine ich.

Vermutlich hängt es vom Spielstil ab und vermutlich gibt es mehr als eine Art von Flow.

So wird es sein.

Online Yney

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Re: Flow-Erlebnisse beim Rollenspielen
« Antwort #45 am: Heute um 17:43 »
Bei der Frage, ob Regeln und/oder Würfeln den Flow unterbricht, würde ich persönlich klar mit „ja“ antworten. Das ist aber natürlich aus dem Bauch heraus und rein anekdotisch. Ähnliches gilt für mich bezüglich Immersion. Flow, diese Momente, wenn das Spiel sich selbst spielt, das sind zugleich Momente, in denen man die Rolle nicht nur spielt, sondern auch fühlt.

Insgesamt ist das aber sicherlich immer auch vom Spielstil abhängig, wie man an den anderen Ausführungen oben ja auch sieht. Und sicherlich ist Flow nicht gleich Flow (muss ja auch nicht sein).