Autor Thema: Wie es bei mir zum Weltenbauen kam [Blogartikel] - wie war es bei euch?  (Gelesen 1392 mal)

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El God

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Hi! Ich habe ein paar Blogartikel verfasst, in denen ich mal rekapituliert habe, wie es bei mir überhaupt zum Weltenbau [mit und ohne Rollenspielkontext] kam.

Artikel 1
Artikel 2
Artikel 3

Weil es mir nicht (nur ;-) ) darum geht, Clicks für meinen Blog zu generieren, wollte ich den folgenden Textteil zur Diskussion stellen:

Zitat
Was bedeutet es mir eigentlich, Weltenbauer zu sein?

Kurz: Alles. Der Weltenbau – und mittlerweile das Schreiben ebenso – ist eine Art Ventil in meinem Kopf, ohne das ich wohl platzen müsste. Phantasie ist für mich eine Macht, die ungeheure kreative Energien freisetzt und dabei ohne Rücksicht auf Verluste Dinge, Orte, Wesen und Geschichten erschafft, völlig unabhängig davon, ob in einem Gehirn eigentlich noch andere Dinge Platz finden sollten oder nicht. Und wie ich bereits beschrieben habe: Diese Macht verschafft sich Raum – ohne Rücksicht auf Verluste. Tagträume sind da noch das kleinste Problem, die hinterlassen in der Regel kaum Spuren. Aber gezeichnete Karten, erfundene Völker samt ihrer Helden, Leidensgeschichten oder seltsamen Eigenheiten, eine komplexe fremdartige Flora und Fauna, die ineinandergreifen wie ein Uhrwerk und letztlich dazu dienen, epische Geschichten aufzuspannen oder winzig kleinen Miniaturen und Kammerstücken im Alltag erfundener Personen zu erzählen – die sorgen dafür, dass man, wenn man sie ausgerechnet auf der Schulbank aufschreibt, zeichnet oder mit einer kleinen Armee von Stiften, Tintenpatronen und Zettelchen nachspielt, doch einiges an Unordnung produziert. Vor allem auf dem Zeugnis.

Ich bin getrieben – ich kann nicht anders. Daher das Bild des Ventils: In meinem Kopf entsteht einfach dieser ganze wirre Kram, der meine Synapsen sprengen würde, wenn ich ihn nicht in Bahnen lenkte, sortierte, den offensichtlichen Blödsinn verwarf, die besseren Ideen notierte und die wirklich guten Gedanken sorgfältig ausarbeitete. Es tut mir gut, meine Phantasie schweifen zu lassen und meinen inneren Erzählern zu lauschen. Es ist mir ein Bedürfnis, dem stummen Heer von Autoren, die hinter meiner Stirn arbeiten, wenigstens EINE Stimme zu verleihen, auch wenn ich den allergrößten Teil an Kreationen heutzutage gar nicht mehr verfolgen kann.

Was für mich bedeutet, Weltenbauer zu sein? Es heißt, Mensch zu sein. Ich liebe das folgende Zitat von Terry Pratchett:

“The anthropologists got it wrong when they named our species Homo sapiens (‚wise man‘). In any case it’s an arrogant and bigheaded thing to say, wisdom being one of our least evident features. In reality, we are Pan narrans, the storytelling chimpanzee.”

„Die Anthropologen lagen falsch als sie unsere Spezies Homo sapiens (wissender Mensch) genannt haben. Auf jeden Fall is es eine arrogane und großkotzige Aussage, wo doch Weisheit eine unserer am wenigstens prägenden Eigenschaften ist. In Wirklichkeit sind wir Pan narrans, der Geschichten erzählende Schimpanse.“ (meine, sinngemäße, Übersetzung)

Hierin steckt die Vorstellung, dass unsere Vorfahren die ersten Lebewesen waren, die zu den Sternen blickten und dort nicht nur Lichtpunkte sahen, sondern ferne Orte, Götter, die Seelen von Verstorbenen und dergleichen mehr. Viel zu viele Menschen haben diese innere Stimme im Laufe des Erwachsenwerdens zum Verstummen gebracht, Phantasie gilt außerhalb besonders kreativlastiger Branchen als kindisch, fehlgeleitete Energie, Verschwendung von Geisteskraft. Dabei ist sie die Macht, die unsere Zivilisation antreibt, uns zu fremden Ufern blicken und nach den Sternen greifen lässt.

Ich will mir natürlich nicht den Gedanken anmaßen, mit meinen Büchern und sonstigen Phantasieprodukten die Menschheit weiter zu bringen – aber darum geht es ja auch gar nicht. Eine Geschichte hat ihren Zweck bereits dann erfüllt, wenn sie den Geist eines Menschen kurz vom Alltag Erholung geboten, ihm Anlass zum Mitfiebern bei Abenteuern, Staunen über Schätze und Entdeckungen oder Trauern um einen gescheiterten Helden geschenkt hat. Vielleicht bin ich auch einfach jemand, dessen verträgliche Alltagsdosis besonders niedrig ist und der sich daher besonders oft in diese Traumwelten fliehen will.

Aber ich kann darin gewiss keine Schande erkennen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich gerade hier im Forum eine Menge Leute tummeln, denen es ähnlich geht. Dass man sich mit Rollenspielwelten und Weltenbau in den meisten Fällen nicht gerade eine goldene Nase verdient, ist bekannt. Oder seht ihr noch andere Motive? Eher praktische Überlegungen?

Offline Thot

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Ich baue für jede Kampagne eine eigene Welt, wenn ich nicht gerade was aus Funk und Fernsehen bekanntes benutze. Das liegt einfach daran, dass ich die Spieler gern an einen neuralgischen Punkt in der Geschichte der Welt setze, und dann zugucke, wie sie es verb damit umgehen. Und das funktioniert natürlich nur, wenn die Welt darauf zugeschnitten ist.

Derzeit leite ich meine zweite "Magie kommt plötzlich in die Welt"-Kampagne (Edit: Nein, eigentlich die dritte). Die erste war nur teilweise ein Weltenbau, weil sie im historischen Jahr 1299 (kurz vor Weihnachten) begann und mehr oder weniger ein klassisches "Magie kehrt zurück, jede Menge alter Scheiß erwacht, was genau ist eigentlich damals vor zweieinhalb Jahrtausenden passiert, dass die Magie weg ging" war. Die jetzige Kampagne ist: Es gab bis vor kurzem keine Magie in der (ansonsten Fäntelalter-)Spielwelt und ein atheistisches Weltreich mit Friede, Freude und Eierkuchen, wo sich Ork und Elb höflich gute Nacht sagen, und dann kommt Magie (komplett mit bis dato unbekannten Göttern), und alles gerät durcheinander. Und die Spieler natürlich an vorderster Front der neuen Erkenntnisse mit dabei.

Wenn der Zweck der Kampagne ist, dass die Spieler die Rätsel der Welt lösen, und die Kampagne irgendwann vorbei ist, dann brauche ich nun mal anschließend eine neue Welt, weil die Mysterien der alten ja aufgelöst wurden. Also bau' ich eine.

Offline Shihan

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Die von Dir, Dolge, fett markierten Aussagen kenne ich und kann sie gut nachvollziehen. Immer mal wieder nehme ich mir Seiten, in denen ich sozusagen eine Welt adaptiere (aus einem Spiel, was ich gespielt habe, einem Film, einem Roman, etc.) und weiterdenke und -baue. Denn oft gibt es da ja weiße Flecken, die aus dramaturgischen oder sonstigen Gründen nicht mit Inhalt gefüllt sind. Das ist ein Zustand, der meinem Kopf aus irgendeinem Grund nicht gefällt. Deshalb überlege ich, wie diese Flecken zu füllen wären. Manchmal kommt das was rum, das ich für die P&P-Runde verwenden kann. Manchmal nicht. Ist ja auch egal.
Deshalb finde ich insbesondere Deinen letzten Satz sehr gut!

Swafnir

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Ich bin bei Weltenbauer immer ein wenig abgeschreckt, nachdem mich mal so einer in einem Rollenspielladen zugetextet hat. Episches Zitat:

"Ich bau da auch so Säurewelten... Kumschd hi, bischd tot!"  >;D

El God

  • Gast
Ich bin bei Weltenbauer immer ein wenig abgeschreckt, nachdem mich mal so einer in einem Rollenspielladen zugetextet hat. Episches Zitat:

"Ich bau da auch so Säurewelten... Kumschd hi, bischd tot!"  >;D

Ist ja in der Weltenfabrik auch so. Wenn du in der Kloakenwelt von Pfuibäh landest und keine Klammer für die Nase hast, hast du ein Problem  ~;D

Swafnir

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Ist ja in der Weltenfabrik auch so. Wenn du in der Kloakenwelt von Pfuibäh landest und keine Klammer für die Nase hast, hast du ein Problem  ~;D

Das ist meine Anekdote wenn ich jemandem erkläre wie er nicht mit Neulingen umgehen soll  ;)

Offline WeepingElf

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Ich habe schon als Kind an fiktiven Welten gebastelt - sowohl Fantasy als auch Science Fiction - und bin durch den Weltenbau überhaupt erst zum Rollenspiel gekommen: das Rollenspiel war für mich nie was anderes als eine Möglichkeit, fiktive Welten zu erleben, insbesondere auch selbstgebaute. Warum ich irgendwann mit dem Weltenbauen anfing, weiß ich irgendwie nicht mehr so genau, ich begegnete einfach fiktiven Welten in LIteratur und Fernsehen, und dachte, "Cool, so was will ich auch mal machen!".

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El God

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Ich habe vom Rollenspiel damals gelernt, wie ich fiktive Welten aufbauen kann - dummerweise habe ich mit DSA angefangen und daher Welten gebaut, die kaum laufende Konflikte hatten, überdetailliert beschrieben und generell sehr statisch blieben. Aber auch für die Schreiberei ist es wesentlich günstiger, alles so zu konstruieren, als wäre es ein Kartenhaus, dem schon ein paar Karten fehlen, während der Tisch wackelt und die Katze das Ganze seeeehr neugierig beobachtet.