Autor Thema: Fate Worlds of Adventure (et al) fördern oberflächliches Rollenspiel  (Gelesen 19700 mal)

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eldaen

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Mal eine provokante Hypothese:

Durch die Art und Weise wie mit Fate und den Fate Worlds of Adventure massenweise Mini-Settings gebaut werden, wird eine Setting ADHS gefördert und gleichzeitig eine lediglich oberflächliche Beschäftigung mit fantastischen Welten gefördert.

Ein Satz zur Erklärung: Man muss halt schlicht keinen Aufwand mehr betreiben, eine im Detail stimmige Welt zu erschaffen, oder sich einzulesen. Der Charakter steht so sehr im Fokus, dass die Welt letztlich zweitrangig ist, und nur der Unterstützung der Charaktermerkmale dient. Tatsächlichen Aufwand muss man nicht mehr betreiben, um sich in so ein Setting einzulesen, keine Mühe mehr geben, kaum noch was reinstecken, um etwas herauszubekommen. Es geht nur noch um den Charakter und wie cool er ist. Und da es so wenig Aufwand bedeutet, sind das auch eher "Wegwerfsettings" - beliebig, austauschbar, nächste-Woche-mach-ich-halt-was-neues...

Eure Meinungen?

Offline Caranthir

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Man kann ja selbst entscheiden, wie lange man sich mit diesen Settings beschäftigen will. Spiele ich da länger, werden sie auch detaillierter. Auf der einen Seite gebe ich dir da recht, man muss sich nicht so tief einarbeiten wie in andere Settings. Auf der anderen Seite: Wo ist das Problem. Als Erwachsener habe ich dazu vielleicht gar keine Lust mehr? Wie oft lese ich hier im Tanelorn, dass sich SLs monatelang in ein Setting einarbeiten, nur um dann vom realen Leben eingeholt zu werden, Gruppen gehen nach ein paar Spielsitzungen ein ...

Die Wegwerfsettings hat man im Bereich Fantasy übrigens auch bei den Großen  ;). Wie viele 300+-Seiten Fantasysettings gibt's nochmal? Und wie viele davon werden wirklich exzessiv gespielt? Ich behaupte mal, vieles davon steht bei den Leuten einfach nur im Schrank rum.

Dann doch lieber kurzweilige Settings, die den Fokus auf die Spielfiguren richten. Ich muss mich nicht lange einarbeiten, kann sofort loslegen. Und wenn man wirklich intensiver spielen will, unterstützt Fate einen da im Weltenbau. So kann ich ohne großen Aufwand viele Settings mal antesten, wenn mir eines gefällt, bleibe ich dabei.

In der Praxis habe ich mit "The One Ring" mein Hauptsetting mit viel Hintergrund, da kann ich mich austoben. Ich habe aber auch Lust andere Sachen zu lesen/zu spielen. Dafür bräuchte ich jetzt nicht noch drei große Systeme, da greife ich dann lieber zu Fate-Leichtgewichten.
« Letzte Änderung: 26.09.2017 | 10:27 von Caranthir »
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Offline Der Nârr

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It's not a bug, it's a feature?

Ich dachte ehrlich das sei der Sinn des ganzen. Diese Tendenz gibt es ja nicht nur bei Fate, sondern z.B. auch bei Cortex+ oder PbtA. Sogar in Savage Worlds erkenne ich diese Tendenz, die Settings der PPK's sind teils wirklich nur rudimentär beschrieben und in Details klaffen dann die Lücken, weil eben nur so viel Material geliefert wird, wie die PPK benötigt.

Aber ich weiß nicht, ob da Setting-ADHS wirklich gefördert wird. Wer sich für detaillierte, tiefgehende Settings interessiert, wird das auch weiterhin tun. Die lassen sich mit Fate & Co ja genauso bespielen. Oder man ignoriert Fate wegen dieser Settings.

Der riesige Vorteil der knapp beschriebenen Settings ist ja, sich mit Ideen auszutoben. Und manchmal sind das ja auch Sachen, die so richtig detailliert und tiefgehend vielleicht auch gar nicht so der Bringer wären :).
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Offline bobibob bobsen

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Von welcher Warte aus gesehen:

Spieler
Spielleitung
Beide

Wenn ich nicht viel Aufwand betreiben muss um los zu spielen empfinde ich das als positiv. Wenn das Setting beliebig ist nehme ich das gern in kauf.

Offline Sir Markfest

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Generell ist da was Wahres dran. Aber diese "oberflächlichen" Sttings haben schon ihre Berechtigung, nicht jeder will sich ja in eine so detaillierte Welt a la Mittelerde einlesen.

@Caranthir: exzessiv wird das große Setting Aventurien oft gespielt, auch die Forgotten Realms haben glaube ich noch eine große Spielerschar, und Mittelerde und die 1920er Jahre sind mit den verschiedenen Systemen auch sicher ganz groß vertreten.

Ich glaube ja, viele haben eben ein großes Setting wo sie sich auskennen als SL oder Spieler, aber nebenbei ein so kleines Wegwerfsetting mal spielen bringt gern gespielte Abwechslung.

Offline Keuner

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Die Welt wird nur als Bühne verstanden. Wenn man zu genau hinsieht, erkennt man, dass alles nur Pappmaché mit Farbe ist. Also lieber auf die SCs zoomen.

Ist das Oberflächlich? Kommt darauf an, was im Fokus ist. Wenn die Welt der Fokus ist, wahrscheinlich ja. Wenn die SCs der Fokus sind, dann nicht.

Man muss persönlich entscheiden, wie relevant Spielwelt im Vergleich zu den Spielcharakteren ist.

Wenn man tiefe Settings haben möchte, um glaubhafte Figuren in dieser Szenerie zu spielen, dann führt das sicherlich zu oberflächlichem Rollenspiel.

Stehen die Spielercharaktere im Mittelpunkt, ist eine ausgearbeitete Spielwelt vielleicht eher hinderlich ("Meine Zwerge sollen aber magische Roboter sein!").
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Offline Caranthir

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@Caranthir: exzessiv wird das große Setting Aventurien oft gespielt, auch die Forgotten Realms haben glaube ich noch eine große Spielerschar, und Mittelerde und die 1920er Jahre sind mit den verschiedenen Systemen auch sicher ganz groß vertreten.

Exakt, da sind ein paar dabei, die viel bespielt werden, der Rest steht im Schrank. Ich rolle halt langsam schon mit den Augen, wenn wieder ein 300-Seiten-Fantasysystem rauskommt und das als "die große Weltneuheit" verkauft wird. Ist es für mich nicht, wird von mir nicht mehr gekauft. Sachen zum Ausprobieren sind weniger umfangreich und da greife ich gerne zu Fate.
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eldaen

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Interessanterweise ist das PEndel bei mir sogar schon wieder in die andere Richtung geschwungen - noch eine neue WOrld of Adventure brauch ich nicht. Und finde auch nciht so recht die Spieler, die dauernd so was spielen wollen...

Offline Suro

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Ich würde ähnlich auch wie Keuner sagen, das "oberflächlich" simpliciter zunächst einmal daneben geht; ein Kammerspiel bei dem das Setting neben der persönlichen Geschichte der Charaktere gar keine Rolle spielt, kann sich sehr tiefgehend mit eben diesen beschäftigen. Das würde ich dann nicht als oberflächlich bezeichnen.

Dennoch kann es natürlich sein, dass man eben nur oberflächlich das Setting bespielt. Aber auch das ist mit einer oberflächlichen Settingbeschreibung in offiziellem Material nicht notwendigerweise so; manche Spiele sind dazu gedacht, dass das Setting während der Runde von der Runde in Kooperation ausgebreitet wird. Da geht es dann nur nicht um die tiefgehende Erkundung eines zuvor bestehenden Settings.

Persönlich hatte ich früher durchaus einen Hang zu ausufernden Settings (Exalted ist für mich so ein Ding wo ich sehr viel Material besitze); aufgrund den Rundenkonstellationen, in denen ich mich bewegt habe (viele Leute hatten keine Lust sich unabhängig von der Runde in Sachen einzulesen), den eher kurzen Runden (lange Kampagnen waren auch eher nicht drin) bevorzuge ich aber Material-leichte Settings, da man da garnicht erst in Versuchung kommt, das den Spielern irgendwie zugänglich machen zu wollen.
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Achamanian

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Ich würde auch sagen: Feature, not Bug.

Trotzdem muss ich auch zugeben, dass mich persönlich die Worlds of Adventure gar nicht reizen. Habe nur Masters of Umdaar und festgestellt, dass ich an so was eigentlich keinen Bedarf habe, denn was mir da an Ideen geboten wird, habe ich mit einer gut gelaunten Runde innerhalb von 30 Minuten auch selbst zusammengeklatscht.
Ich kaufe inzwischen lieber Abenteuer, die mir eine Situation und eine kleinteilige Ausarbeitung eines sehr überschaubaren Rahmens liefern (gerne auf 30-50 Seiten) - denn gerade der Kleinkram ist es, den ich brauche und nur mit viel Mühe selbst erstellen kann. Dann sogar lieber der 300-Seiten-Wälzer.

Offline nobody@home

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Gegenfrage: Was soll am "tiefen" Rollenspiel (oder wie immer man den Gegensatz zum "oberflächlichen" nun nennen möchte) denn eigentlich so toll sein? Ist das nur wieder so ein -- ich möchte fast schon sagen: typisch deutsches -- "wenn's keinen Anspruch hat, ist es auch nix wert"-Syndrom, oder steckt da tatsächlich mehr dahinter? ;)

Persönlich ist mir eine Auswahl von bei Bedarf schnell mal eben so bespielbaren Settings tatsächlich lieber als bis zur x-ten Dezimalstelle ausgearbeitete und mit Kanondetails zugewucherte amtlich beglaubigte "Spielwelten". Wenn mir und der Gruppe nach so ein Setting nach dem ersten Anspielen hinreichend gefällt, daß wir dabei länger bleiben wollen...gut, weiter vertiefen können wir's dann auch von uns aus, ist ja ohnehin unsere Kampagne und nicht die von irgendwelchen "offiziellen" Spielautoren, die gar nicht mit am Tisch sitzen.

Offline Gilgamesch

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Ich stimme deiner Hypothese vollständig zu, bin nur nicht mit den ganzen negativ konnotierten Begriffen einverstanden, die du verwendest. Für mich ist das nämlich alles gut und richtig so!

Warum ist es eine Verhaltensstörung, wenn ich gerne viele, unterschiedliche Settings und Genres bespielen möchte? Ich schaue mir auch nicht jahrelang nur Science-Fiction-Filme an, das wäre mir viel zu langweilig. Das, was du "Setting-ADHS" nennst, ist für mich vielseitiges Interesse und Abwechslung!

Und was ist daran schlecht, sich mit fantastischen Welten nur oberflächlich zu befassen? Worin besteht der Wert, sich tiefgehend mit etwas zu befassen, das nicht real ist? Das, was du als Wert verstehst, ist für andere womöglich Zeitverschwendung und Realitätsflucht.

Und warum ist es ein Wert, Aufwand für etwas betreiben zu müssen? Ist das nicht ein Makel? Wenn etwas zugänglich ist, finde ich das gut. Wenn ich die Zeit, die ich in mein Hobby investiere, vor allem mit Spielen verbringen kann, ist das für mich etwas sehr wertvolles. Ich mache kein Rollenspiel, um Regelwerke und Hintergrundwelten zu studieren. Ich mache Rollenspiel, weil ich Geschichten erzählen und Rollen spielen will!

Dass die Charaktere im Fokus stehen und nicht die Welt ist für mich etwas Tolles. Denn mich fesseln Geschichten über Personen, nicht über Dinge!

Ich finde all das, was du beschreibst, super toll!

eldaen

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hab ja gar nicht gesagt, dass das eine toller als das andere ist. :) Negative Konnotationen sind nicht beabsichtigt, wollte es nur verkürzen. Soll ein jeder nach seiner Fasson selich werden und so.

Aber man baut meiner Empfindung nach nicht mehr so eine Bindung zu dem Setting auf, wenn man

a) einfach dazu erfinden kann was man will (übermäßig vereinfacht, aber ich denke, ihr wisst was ich meine) und
b) jederzeit schnell ein neues Setting aus dem (bösen) Hut zaubern kann.

Ist so ein bisschen wie ein 5 Gänge Menü im Vergleich zu convenience food.
« Letzte Änderung: 26.09.2017 | 11:39 von HEXer »

Offline Gilgamesch

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Ist so ein bisschen wie ein 5 Gänge Menü im Vergleich zu convenience food.

Du meinst, weil Fate-Abenteuerwelten kleine, liebevoll gestaltete Häppchen sind, im Gegensatz zu den rauen Massen an höhepunktlosen Druckseiten konventioneller Rollenspielsysteme? Ein guter Vergleich! :D

Wenn du das gar nicht so wertend siehst, dann habe ich auch keinerlei Problem mit deiner Hypothese. Das klang mir im Eingangsbeitrag nur irgendwie sehr negativ, das war zumindest mein Empfinden! ;)

Offline Suro

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Aber man baut meiner Empfindung nach nicht mehr so eine Bindung zu dem Setting auf, wenn man

a) einfach dazu erfinden kann was man will (übermäßig vereinfacht, aber ich denke, ihr wisst was ich meine) und

Das würde ich nicht unbedingt unterschreiben wollen. Klar, baut man keine Bindung in dem Sinne auf, dass man sich, wenn man mit anderen Fans von Setting X trifft, darüber plauschen kann, wer denn nun Kaiser Hans 764 in seinem Schlafzimmer umgebracht hat, und wie die eigene Gruppe das gelöst hat. Klar kann man nicht ewig im neuesten Quellenbuch schmökern und sich dann im Spiel darüber freuen, wenn obskurer Ritterorden XY vorkommt. Eine ganz andere Art von Bindung kann aber daher kommen, dass die Gruppe gemeinsam das Setting geschaffen hat, und dass es eben das eigene Setting ist.
Suro janai, Katsuro da!

eldaen

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Ja, kann ich nachvollziehen, dass der Eingangspost den Eindruck erweckt. Sorry.

Sicher sind auch unter den WoA einige Amuse-Gueules dabei, aber Kernpunkt ist doch, dass es Instant-Food und leicht verdaulich ist. Und tendenziell eben auch wenig Nährwert hat... ;)

Ich bin alles andere als ein Befürworter von Tausende-Seiten-Settings, aber ein lapidares "machs dir doch selbst" ist mir bei vielen der Kurzsetings dann auch zu wenig.

Offline Selganor [n/a]

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Ein Satz zur Erklärung: Man muss halt schlicht keinen Aufwand mehr betreiben, eine im Detail stimmige Welt zu erschaffen, oder sich einzulesen. Der Charakter steht so sehr im Fokus, dass die Welt letztlich zweitrangig ist, und nur der Unterstützung der Charaktermerkmale dient.
Provokante Gegenfrage: Fuer Leute denen es im Prinzip (fast) egal ist in welcher Welt sie bestimmte Charaktere spielen, weil sie nicht "das Abenteuer" sondern "den Charakter" spielen wollen... ist das schlimm?

Muessen die sich erst mehrere hundert Seiten lang in einen Hintergrund einarbeiten von dem sie sowieso nur (wenn ueberhaupt) maximal 1-2 Seiten verwenden?

Klar... wer auf komplette "Settingsimulation" (mit Regeln fuer jedes Detail) steht und nicht selbst ueberlegen will wie z.B. die Hochzeitsriten des Nomandenstamms BLUBB ist sondern das lieber in einem "offiziellen" Buch stehen hat. Fuer den sind die Worlds of Adventure (und vermutlich auch Fate allgemein) nix. Aber Fate hat afaik nie behauptet DAS System fuer alle Spieler zu sein, oder? ;)
Abraham Maslow said in 1966: "It is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail."

Offline Caranthir

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Man könnte es doch auch so sehen: Die Fate Adventure-Worlds bieten mir für wenig Geld (als PDF ja pay-what-you-want, oder irre ich mich da?) die Möglichkeit, in verschiedene Settings reinzuschnuppern. Gefällt mir da etwas und ich möchte mehr, schaue ich mich nach einem ausgearbeiteten Setting um oder baue es selbst aus. Geht für mich alles Hand in Hand.
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Offline nobody@home

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Aber man baut meiner Empfindung nach nicht mehr so eine Bindung zu dem Setting auf [...]

Kann sein, aber: das Setting von seinem Megastar-Thron zu stoßen und das Scheinwerferlicht mehr auf die (Spieler-)Charaktere selbst zu richten, ist aus meiner Sicht gerade eins der Ziele von Fate. Einen austauschbaren 08/15-Spielwelttouristen, der gnädigerweise in das ach so selbstbeweihräucherte Setting von Großkotzistan eingelassen wird, um da so ausnahmsweise mal das eine oder andere Abenteuer erleben zu dürfen (natürlich, ohne dabei irgendwelche Metaplots groß über den Haufen zu werfen -- wo kämen wir denn da hin, wenn das jede dahergelaufene SC-Gruppe einfach so machen könnte?), kann ich auch mit D&D, DSA, oder der World of Insufficient Light spielen. :)

eldaen

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World of Insufficient Light
 


Ja, das hängt vielleicht auch mit den eigenen Erfharungen und den bespielten Settings zusammen. Ich selbst hab halt HârnWorld bespielt (was ja nun super detailliert ist, aber eben keinen vorgegebenen Plot hat) und Shadowrun (wo man alles reißen kann, aber ja per definitionem dabei unerkannt bleibt. Und gerade da war es schon einfach cool, sagen zu können, man habe den Renraku Shutdown mitgemacht...

Wenn man Gefangener des Settings ist, dann ist das sicher auch nicht gut. Aber ich finde das Selbst-Definieren von Charakterbeziehungen und Setting-Details auch nicht befriedigend. Da kommt mir das Setting dann wieder zu kurz und wird zu beliebig.

Ucalegon

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Wenn du das Gefühl hast, dass der beim ausführlichen Weltenbau oder Einlesen in ein umfangreiches Setting investierte Aufwand sich bei euch in nicht oberflächlichem (intensivem?) Rollenspiel niederschlägt, ist doch alles in Ordnung.

Für mich ist die Welt (in ihrem statischen Aufgeschriebensein) immer zweitrangig, weil ich zum Spielen da bin. Und ein intensives Spielerlebnis kann ich mit marginaler Vorbereitung wie in Remember Tomorrow, mit ein paar Seiten series pitch in Hillfolk, mit 10 Seiten historischem Hintergrund in Sagas of the Icelanders oder mit 40 Seiten Setting in Blades in the Dark haben. Zumal da üblicherweise alle Beteiligten auf demselben Stand sind, was für einen gemeinsamen Vorstellungsraum schonmal ein guter Anfang ist. Bei traditionellen, umfangreichen Rollenspielsettings, die ich als SL alleine gelesen habe, z.B. hunderte Seiten Eclipse Phase oder The One Ring, stellt sich dagegen die Frage, wie viel von diesem Aufwand im Spiel ankommt. Ich kann zwar meinen eigenen Vorstellungsraum mit dem Kram aufblasen, aber der Rest der Runde hat da nicht zwingend was davon. Zumal ich die Settings, für die ich das tatsächlich machen würde, an einer Hand abzählen kann. Ich bin in dieser Hinsicht ganz bei Eero Tuovinen:

Zitat
I'll repeat it, because it cannot be said enough times: the vast majority of rpg setting stuff is vile, useless and infantilizing of its audience. RPGs are at their most annoying when a lot of work is invested in utterly unremarkable or actively vapid setting fluff.

Offline Ludovico

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Das könnte der Fall sein bei einigen. Aber eventuell kann man das Pferd auch anders aufzäumen.

Bei Rollenspielen mit aufwändiger Settingbeschreibung ist der Einstieg nicht leicht, also hat man hier eine eher hohe Hürde.
Wenn man genug Erfahrung beim Spiel sammelt, kann es nun sein, dass diese Hürde einem immer niedriger vorkommt. So könnte ein Spieler genug von flachen Settings haben.
Als Ergebnis seiner Entwicklung wendet er sich den komplexeren Settings zu.

Es ist wie mit Wein oder Whisky. Bei beiden bevorzugen Leute anfangs meist die milden oder süßen Varianten. Erst später wenden sie sich den torfigen bzw. trockenen zu.

Was mich an FATE eher stört, ist das Risiko bei Settingerschaffung ungenießbarer Mist rauskommt - viele Köche verderben den Brei.
Und die Regelbeschreibungen finde ich undeutlich.

Offline Der Nârr

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Gegenfrage: Was soll am "tiefen" Rollenspiel (oder wie immer man den Gegensatz zum "oberflächlichen" nun nennen möchte) denn eigentlich so toll sein? Ist das nur wieder so ein -- ich möchte fast schon sagen: typisch deutsches -- "wenn's keinen Anspruch hat, ist es auch nix wert"-Syndrom, oder steckt da tatsächlich mehr dahinter? ;)
Nein, mit Anspruchsgehabe hat das doch gar nichts zu tun, es geht um Details und Eintauchen in die Spielwelt. Ich bin sogar sehr dafür, dass auch detaillierte Settings möglichst nicht anspruchsvoll sind. Das hängt dann auch sehr damit zusammen, welche Informationen gegeben werden und in welcher Form das geschieht. Man kann es dem Leser ja schwer machen oder ihn mit überflüssigen Informationen zuknallen, das ist dann natürlich schwierig. Ein gutes detailliertes Setting macht mir das Spielleiten eigentlich einfacher, weil ich den Kram der im Setting fixiert ist nicht erst selber erstellen muss und mich auf andere Sachen konzentrieren kann, etwa interessante NPC erstellen oder zu überlegen, wie ich die Settingdetails nun im Spiel umsetze. Wo genau da der Sweet Spot liegt, ist sicher auch individuell verschieden. Und manchmal wird auch vorbei geschrieben. Earthdawn liefert schon super viele Details zur Immersion, aber gleichzeitig habe ich da immer viele harte Fakten vermisst. Eine gute Settingdichte bietet mir z.B. Arcane Codex, wo das Grundregelwerk und die Quellenbücher auch noch fast wie zugeschnitten auf meinen SL-Stil sind, mit einem Fokus auf Konflikten, Fraktionen, aktuellen politischen Veränderungen in dem Gebiet usw. Ein anderes für mich super gemachtes Setting ist Iron Kingdoms nach der alten D20-Ausgabe.

Ich muss dazu sagen, dass ich ein gutes Setting immer auch interessant finde und es mir daher nicht schwer fällt, so ein Setting zu lesen und ich es auch gerne mit Spaß dabei mache. Wenn ich das Gefühl habe, mich da durcharbeiten zu müssen, liegt das entweder am Stil (definitiv bei Shadows of Esteren der Fall, das ist quasi genau das Gegenteil von dem, wie ich ein Rollenspiel geschrieben haben möchte) oder das Setting macht mich einfach nicht neugierig genug (definitiv Splittermond).

Aber wie gesagt, ich kann auch den leichten Settings etwas abgewinnen, für mich ist das kein "entweder oder" und ich finde auch, dass manche Core Storys keine 10 Bände Fluff benötigen. Ich denke gerade über Cortex Prime Ghostbusters nach, da setze ich mich ja auch nicht ran und schreibe erstmal 1000 Seiten Settingmaterial, sondern gebe meinen Spielern so ungefähr die Prämisse "wir spielen Ghostbusters, ihr kennt ja die Filme".


Bei Rollenspielen mit aufwändiger Settingbeschreibung ist der Einstieg nicht leicht, also hat man hier eine eher hohe Hürde.
Wenn man genug Erfahrung beim Spiel sammelt, kann es nun sein, dass diese Hürde einem immer niedriger vorkommt.
Du nennst da einen wichtigen Punkt - je länger man spielt, desto geringer ist der Anteil der Einstiegshürde. Wenn ich damit rechne, ein Setting nur 6 Monate zu bespielen, ist es nicht sonderlich ökonomisch, dafür 500 Seiten Material zu lesen. Wenn ich damit rechne, dasselbe Setting 6 Jahre zu bespielen, ändert sich die Rechnung.
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Offline LordBorsti

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Eure Meinungen?

Ich denke es hängt stark davon ab, was die Gruppe draus macht. Fate geht ja davon aus, dass die Spieler aktiv die Spielwelt mitgestalten, indem sie während der Spielrunden aktiv neue Fakten etablieren. Von daher ist es aus meiner Sicht im Fall von Fate durchaus sinnvoll Settings nur grob vor Spielbeginn auszugestalten und Details und Tiefe dann im Laufe der Kampagne gemeinsam in der Gruppe zu entwickeln.

Das funktioniert natürlich nur, wenn die Spieler die Möglichkeiten des Systems auch nutzen und Sitzung für Sitzung weitere Fakten etablieren und auch darauf achten, dass die Welt konsistent bleibt. Bei Fate ist jeder Spieler auch ein bisschen Spielleiter.

Wenn die Spieler nur ihre Charaktere spielen und diese Möglichkeiten das Setting mitauszugestalten nicht nutzen, dann bleibt es beim "oberflächlichen Rollenspiel".
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Offline Ludovico

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@Der Narr
Was mir dabei auch auffällt:

Wenn eine Gruppe ein eher flaches Setting aus World of Adventure bespielt, so nimmt die Komplexität des Settings im Laufe der Zeit zu. Alleine durch das Beispielen entstehen Settinginformationen, die nicht immer schriftlich fixiert werden, aber dennoch gelten.

Daraus ergibt sich, dass es für neue Spieler schwieriger wird in eine solche bestehende FATE-Runde einzusteigen, je länger diese spielt.