Autor Thema: [Mythras] "Küsten von Korantia" und "Das Taskanische Imperium"  (Gelesen 1432 mal)

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trendyhanky

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Ich habe die jetzt durchgeackert geschmökert und da es noch keinen echten Thread zu den beiden deutschen Versionen gibt hier mal gesammelt der Eindruck

Vorweg: Ich kenne "Age of Treason" nicht sondern nur die dt. Bücher

Küsten von Korantia ist eine Mischung aus Weltbeschreibung (Thennla), Regionalbeschreibung (Korantia), Ortsbeschreibung (Kleinstadt und Insel), Crunch, Abenteuern und weiteren Infos

Alles was es zum Setting Thennla allgemein in diesem Buch gibt, kann man auch im Heft "Thennla - Eine Kampagnenwelt für Mythras" nachlesen

Zu Thennla kann man sich in den anderen Threads mal umschauen, aber was ich positiv hervorheben will ist die Designentscheidung, nur einen der Kontinente mit 2/3 der Weltbevölkerung zu bebauen. Dadurch wird die Settingbeschreibung einerseits gerafft und auf einen Punkt konzentriert und andererseits sind dann fast der Rest der Welt unbekannte Zone bzw kann mit eigenen Settings bebaut werden

Überraschenderweise ist die Regionalbeschreibung von Korantia selbst relativ gering im Seitenumfang. Zu den einzelnen Stadtstaaten finden sich nur wenige Infos. Mehr Wert wird auf einen generellen Einblick in die Struktur der Staaten gelegt. Wie Rumpel in einem anderen Thread schon richtig notierte, liefert das einerseits eine solide Basis andererseits viel Freiraum zum Selberbasteln

Korantia ist vom grundlegenden Konzept her nicht so bahnbrechend (man stelle sich patriarchalisch organisierte antike Stadtstaaten vor), aber die Besonderheiten liegen im Detail

z.B. die prekäre Situation des entmachteten Kaisers mit seinem Kult aus Sonnengott-Paladinen, der hier für eine Hauskampagne eine besondere Rolle spielen könnte

Zu erwähnen ist noch, dass Elfen in Thennla gibt. Das sind aber keine klassischen RPG-Elfen sondern Ätherwesen, sprich: Feen.

Wer mit dem Baukasten in MYTHRAS überfordert ist, dem wird mit diesem Buch alles abgenommen. Er bekommt Erschaffungsregeln für diverse Völker in Thennla, Kultbeschreibungen und zusätzliche Regeln für Zauberei und Animismus

Selbst wenn man Thennla nicht verwenden will, kann man anhand der Vorgaben sein eigenes Settings basteln und muss nicht völlig bei 0 beginnen sondern kann twisten and tweaken

Das Kapitel "Reisen in Korantia" liefert gleich mal alles, was in MYTHRAS bzgl. Wildnis/Überland fehlte. Zusätzlich noch Seefahrtsregeln und andere Nützlichkeiten
Im "Begegnungen"-Kapitel wird man mit altertümlichen Zufallstabellen konfrontiert, doch der Clou ist, dass diese Begegnungen (Land/Meer) kaum Kämpfe beinhalten sondern vor allem soziale Interaktionen unterstützen und Ausgangspunkte für Szenarien und Abenteuer darstellen

Wem Ideen für Kulte fehlen der kann hier auf einen ganzen Batzen davon zurückgreifen, wobei ich die Stadtgöttinnen noch am faszinierensten finde: Jede Stadt bildet eine Gottheit aus, die ein Splitter der Himmelskönigin darstellt. Und die Bürger der Stadt sind mit dieser Gottheit spirituell vernetzt

Mit "Thyrta" folgt nun eine ganze Stadtbeschreibung, wobei man auch hier klugerweise nicht einen der etablierten Stadtstaaten genommen hat, sondern eine Kolonialstadt im Aufbau. Besonders viel Wert wurde auf die sozialen Dynamiken der NSC gelegt, sodass man hier sandboxen kann

Zusätzlich wird noch "Tempigone", eine Insel beschrieben, wobei auch hier der Schwerpunkt auf interessanten, miteinander verknüpften NSC liegt

Der Sandboxcharakter ist weiterhin versteckt in den folgenden drei Abenteuern. Diese hängen alle mit Thyrta und Tempigone zusammen und sind untereinander vernetzt. Anspruchsvolle SL können also die Abenteuer einfach aufdröseln und gänzlich zur Sandbox umgestalten. Witzigerweise lässt sich damit eine ganze Kampagne spielen ohne dass man in der Hauptregion von Korantia selbst aktiv is ^^
Alternativ bietet es sich auch an, Abenteuer 3 als Hauptrahmen zu nehmen und die beiden anderen Abenteuer als Zwischenepisoden auszuspielen ODER nur Abenteuer 3 als Sandbox zu leiten

Wer gerne Karten von Gebäuden haben möchte, findet in diesem Buch vom Wirtshaus bis zum Stadthaus brauchbares Zeug

Für die Simulationisten und Leute, die wirklich bis ins Detail ihre Charaktere in der Gesellschaft spielen wollen, die können im Kapitel "Wirtschaft" auf ihre Kosten kommen, da wird sogar der Lebensunterhalt nach Tag, Woche, Monat, Jahr und Mindesteinkommen entsprechend der Familienstruktur aufgeschlüsselt

Abschließend bietet der Band also einen Haufen Material für MYTHRAS, selbst wenn man mit Korantia so gar nichts anfangen könnte

Das Taskanische Imperium ist mehr als 100 Seiten dünner als das andere Buch. Das liegt daran, dass hier einerseits Abenteuer fehlen und andererseits keine ausführlichen Ortsbeschreibungen drinstehen

Das Taskanische Imperium hat es in sich. Ein Mensch, der zum Halbgott wurde und unsterblich ist, verbarrikadiert sich in seiner imperialen Zitadelle und agiert stattdessen durch das Eiserne Simulakrum, einen eisernen Riesengolem.

In Thennla ist dieses Imperium der mächtigste Staat, der auch viele Nachbarländer unterworfen hat. Rumpel schreibt von "Zwangsmodernisierung", und das trifft es ganz gut. In diesem Reich gibt es keine Sklaven, sofern man sich dem Imperator unterwirft

Achja, und es gibt Feuerwaffen (als zauberalchemistische Erfindung für die Soldaten)  8)

Das Setting ist sehr viel dynamischer und bietet für eine Kampagne viel Potenzial.
Da das Imperium noch keinen Zugang zum Ozean mit seinen Handelsoptionen hat steht ein Konflikt mit den Küstenstaaten von Korantia bevor.
Wird der Imperator es schaffen zum Gott zu werden und in den Himmel aufzufahren? Welche Rolle werden die verschiedenen NSC in seinem Rat spielen, die alle unterschiedliche Agendas haben?
Sogar das Eiserne Simulakrum hat Pläne, denn es will menschlich werden (Konflikt ähnlich Androide vs. Menschlichkeit) und verfolgt langsam eigene Ziele. Aus Angst, sobald sein Herr zum Gott wird, unnütz geworden zu sein.

Weiterhin staffiert der Band das Thennla-Setting aus mit Regionalbeschreibungen zu den unterworfenen Kulturen, und auch hier hat man Kapitel zu Wirtschaft und Überlandreisen, die sich teilweise drastisch von denen im "Korantia"-Band unterscheiden

Auch Kulte hat man hier detailliert zu lesen. Besonders spannend ist die persönliche Bindung an die Götter, sodass SC in dieser Region mehr zu Pilgern werden um ihre Zauberkräfte weiterzuentwickeln. Das lässt sich sehr gut mit einer Kampagne verknüpfen

Ausführliche Regeln zu Charakten der Region, neue Zaubermöglichkeiten et cetera runden das Buch ab

Auch dieses Buch liefert viel Material für MYTHRAS generell, aber das Setting selbst ist ein ausgezeichneter Startpunkt für eine epische Thennla-Kampagne.
Während sich "Korantia" mehr als Ausgangszenario für Überseereisen und Kolonialabenteuer sowie Intrigen/Stadtabenteuer eignet, bietet "Taskanisches Imperium" Stoff für eine Militärkampagne

Wer Interesse an Settings hat, die nicht Fäntelalter sind und die mehr Interesse an Urban Storygame haben, werden hier bedient
Und zum Monsterschlachten gibt es auch so einiges, hehe. Selbst High Fantasy-Elemente fehlen nicht. Erwähnenswert als Beispiel der Zauberer im Sardwald, der in Drachengestalt herrscht

Für einen SL bieten die beiden Bänden genug Material, um sich eine persönliche langfristige Kampagne zu stricken
« Letzte Änderung: 10.12.2017 | 23:46 von hanky-panky »

Offline D. Athair

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Schöne Zusammenfassung, die ich im Wesentlichen so teilen würde.

Ergänzenswert finde ich bloß, dass gerade das taskanische Imperium sehr anspielungsreich ist. Gerade die Bezüge zu aktuellen Konflikten (Geschlechterkampf, Staat und Individuum, ...) sind recht kreativ gelöst, indem zum Beispiel die Realisiserung personaler Freiheiten durch die Unterwerfung unter die Herrschaft des Kaisers erreicht wird oder werden kann. Dahingehend ist es ein interessanter zeitgeschichtlicher Kommentar, der zeigt, dass die realen Konfliktlinien nicht die einzig möglichen sind. In Kombination mit Sword-&-Sorcery- sowie biblischen und etlichen anderen Motiven bekommt man da eine recht kreative Mischung an Setting angeboten, die mir so noch nicht untergekommen ist. Andere Themen hat hanky-panky von beschrieben.
Vorteil: Damit ist das Eintauchen in eine eigene Settinglogik, die nicht unserem Zeitgeist und Weltbildern verhaftet ist, einfacher.
Nachteil: Man muss diesen Schritt mehr als bei Vanilla-Fantasy auch tatsächlich wagen.

... dass die Abstraktion von eigenen Weltvorstellungen eine erhebliche Hürde sein kann, erleben wir gerade leider in der Diskussion um Götter-Pantheons. Auch 20 Jahre plus Rollenspielerfahrung haben in Bezug auf diese Schwierigkeit nichts zu bedeuten.
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

trendyhanky

  • Gast
 :d stimme ich zu

Es gibt ja auch noch mehr zu den Settingbänden zu sagen, ich hatte mich aber irgendwann dann auch kurz gefasst ^^

z.B. ist das ganze Thema der Thennalt erwähnenswert, also den barbarischen "Ureinwohnern" des Kontinents

Hier bieten die Bücher differenzierte Möglichkeiten, also Thennalt-Regionen, die unterworfen sind, welche die völlig in den Herrscherkulturen aufgehen wollen, Rückbesinnungen auf eigene Traditionen, klare Feindschaft gegen den Besatzer, die (noch) freien Gebiete...

Wer Bock hat, kann das also in der Hauskampagne ziemlich detalliert und mit gesellschaftskritischem Ansatz zocken. So Richtung Ethno-Play

Wobei ich zugeben muss dass ich für meine eigene Runde, wenn wir dann mal Mythras ausprobieren (lechz!), die Komplexität von Thennla runterdrosseln werde, weil ich mehr Lust auf abgefahrenes Sword&Sorcery-Adventure habe als dass ich wirklich so tief ins Gesellschafts/Sozial-Spiel eintauchen mag

Aber stimmt schon: Thennla bietet da viele Optionen für anspruchsvolles RPG

Offline Magister Ludi

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Ich kann Rumpels (liegt schon etwas zurück) und hanky-pankys aktueller Beschreibung der Thennla-Bände nur zustimmen. Ein Aspekt, der noch nicht erwähnt wurde, ist die Verknüpfung kultischer und stadtpolitischer Funktionen in den korantischen Stadtstaaten durch das jährlich gewählte Amt der Akolythen. Das bietet jede Menge Stoff für Intrigen.

Zu den Thennalt: Offenbar haben hier die Kelten als Vorbild gedient, deren Haltung zu den Römern (Taskanern) auch von der Assimilation in Südgallien bis zur völligen Ablehnung bei den niemals bezwungenen Pikten reichte. Die Thennaler eignen sich gut als Hintergrund für Kampganen im "kultivierten" Barbaren-Milieu (im Gegensatz zu den archetypischen, halbnackten Nordland-Barbaren), wobei die Korantier und Taskaner im Hintergrund bleiben. Das in den nächsten Tagen erscheinende Abenteuer "Der Tribut der Arakuliner" ist da ein Beispiel.

hanky-pankys Hinweis, dass man im Taskanischen Imperium (auch) militärische Kampagnen spielen kann, wird durch eine Kampagne im Band "Age of Treason" bestätigt, der bekanntlich ein Vorläufer des "Taskanischen Imperium" im Legend-System (=RuneQuest 5) war. Dort beginnen die Charaktere als junge Wehrpflichtige, werden in eine Garnison an der unruhigen Südgrenze zur Korasuhn geschickt und müssen mit einem Aufstand der Wüstenbewohner fertig werden. Die Kampagne soll angeblich für Mythras überarbeitet werden, aber ich habe lange nichts mehr davon gehört. Sie lässt sich aber auch, so wie sie ist, problemlos nutzen (wenn man genug Englisch kann).

 

Offline AndreJarosch

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Die Kampagne soll angeblich für Mythras überarbeitet werden, aber ich habe lange nichts mehr davon gehört. Sie lässt sich aber auch, so wie sie ist, problemlos nutzen (wenn man genug Englisch kann).

Wenn man sie noch bekommt.
Sowohl "Age of Treason" als auch das "Iron Companion" sind nicht mehr ohne weiteres erhältlich. Und bevor jetzt jemand für Sammlerpreise die Bücher über eBay und Co "schieest" lohnt es sich vielleicht doch auf die Neuerscheinungen zu warten.

Offline Rafael

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Ich habe beide Bände jetzt auch durch und habe mir ein paar Gedanken gemacht (auch auf die Gefahr hin, nur Sachen zu wiederholen):

Das taskanische Imperium:

Ich bin da etwas zwiegespalten. Einerseits ist das Imperium ein ziemlich ungewöhnliches Setting, andererseits bekomme ich selten ein richtiges Gefühl für die Welt. Natürlich gibt es coole Ideen, wie die Stadt der Glücksspieler und Rekruten, die erstmal den Menschen als Räuber auflauern, aber mir fehlen oft kleine Funken, die mir Ideen für Abenteuer und Konflikte geben.

Der Band hat aber zwei klasse Ideen:

1) Vampirkulte. Ich will eine Kampagne um einen bösen Vampirkult aufbauen, vor allem da die als Gegner so schön vielfältig einsetzbar sind.
2) Der Teil über das Militär. Hier glänzt Das taskanische Imperium wirklich und ich habe sofort Ideen für Feldzüge und Konflikte der Einheiten untereinander. Trotzdem habe ich meistens mehr Spaß mit dem kleinen Mann. Wie gesagt, für Militärkampagnen ist Das taskanische Imperium super geeignet.


Die Küsten von Korantia:

Super Buch. Vielen, lieben Dank, dass ihr es übersetzt habt, liebe Rune Quest - Gesellschaft :)!

Es stimmt schon, die fantastischen Elemente von Thennla werden etwas vage skizziert, aber über die Korantier und ihre Gesellschaft erfahre ich alles wichtige und ich bin einfach begeistert über diese riesige Sandbox, die der Band einen anbietet. Die Konflikte zwischen den Städten, der Liga und dem Kaiser geben mir Ideen für Abenteuer und das Götterpantheon (für mich immer ein wichtiger Faktor in Fantasysettings) ist schön in diese antike Welt integriert und ich mag auch wie die Magie in Form von Ritualen einfach Teil des Alltags ist. Das Beste: der Band vermittelt mir was ich spiele, nämlich normale Menschen die in dieser Welt zu überleben versuchen. Keine Angehörige mythischer Orden, die die Welt retten werden, sondern ein Abenteurer, Seemann oder Händler, der irgendwie seine eigene Existenz aufzubauen versucht. Es steht mir offen, wie ich mein eigenes Glück schmiede, aber ich sollte vorsichtig dabei sein.

Das spiegelt sich auch im dritten Beispiel-Abenteuer wieder, das eines der besten Szenarien ist, die ich je gelesen habe. Es ist schön frei gestaltet, es gibt verschiedene Konfliktparteien und die Insel selbst bietet immer noch genügend Möglichkeiten zum Erkunden und der Autor schlägt sogar weitere potentielle Handlungsstränge vor! Das ist genau die Art von Design, die ich in meinen Abenteuern suche und es zeigt, was für eine Art von Welt Thennla ist: eine Welt, in der alle versuchen irgendwie zu (über)leben und man einiges an Glück braucht, um am Ende ganz oben anzukommen. Aber es ist möglich.

So, jetzt muss nur noch mein Grundregelwerk ankommen, dann lese ich mir durch, was für schräge Kreaturen noch in Thennla leben. Und dann kriege ich hoffentlich genug Leute zusammen, um eine Sandbox zu leiten^^.
« Letzte Änderung: 1.02.2018 | 13:53 von Rafael »

Offline Magister Ludi

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Im "Iron Companion", einem Ergänzungsband zu "Age of Treason" gibt es neben der Stadtbeschreibung von Sorandib auch tatsächlich eine Vampir-Kampagne. Gerüchten zufolge wird dieser Teil, ebenso wie die Militär-Kampagne in der Wüste Korasuhn, für Mythras überarbeitet  und neu erscheinen.