In vielen Rollenspielsettings, vor allem den älteren, traditionelleren, findet man häufig Spielwelten, die (trotz dem Vorhandensein von Elfen, Orks, etc.) hauptsächlich von einer weißen, menschlichen Bevölkerung dominiert werden. Darüberhinaus tauchen sehr häufig klischeehafte Rollenbilder von Mann (stark, Führungsperson, kämpferisch, etc.) und Frau (emotional, sexy, diplomatisch, etc.) auf. Auf Vertreter anderer Hautfarben trifft man meist nur in vordefinierten Rollen: Die wilden „Waldmenschen“ bei DSA, asiatisch aussehende Ninjas, diverse fahrende „Zigeuner“-Pendants, etc.
Weil das genauso typischerwiese auch entsprechende kulturelle und Ausschnitte aus Referenzen sind, wo die Umstände in den geschichtlichen wie medialen Vorlagen so waren. Die entsprechenden anderen Werke mit anderem Fokus "Pseudoasien", "Pseudosüdamerika", "Pseudoafrika" sieht es entsprechend anders aus.
Ähnlich verhält es sich meiner Wahrnehmung nach mit dem Thema Homosexualität/LGBT. Tauchen diese Themen auf, stehen sie im Vordergrund: Der tuntige schwule Mann, die männliche und wenig weibliche lesbische Frau.
Weil es für die üblichen Szenarien völlig egal ist, was eine Figur da für Vorlieben hat. Es fällt erst auf, wenn ein paar Egos damit speziell auf die Kacke hauen - und würde vermutlich auch den entsprechenden normalen Homosexuellen nerven, was dier/die/das Betreffende da für einen Zirkus macht.
Meiner Ansicht nach eignet sich Rollenspiel ganz besonders gut, um die Wahrnehmung von Diversität zu fördern: Wir können ohne großen Aufwand Welten erschaffen, im denen sich Gesellschaften jenseits tradierter Rollenbilder entwickelt haben. Diskriminierung aufgrund von körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe oder aufgrund von Herkunft oder Sexualität sind das Erbe UNSERER (postkolonialen) Gesellschaft. In einer selbst erfundenen Welt ist man nicht daran gebunden.
Diese Diversität erfolgt exakt über die Diversität der Welten bzw. Hintergründe. Alles zwanghaft in eine Pampe zu zwingen ist da kein Vorteil sondern wirkt erst recht gezwungen und stärend, ist also im "Gänsestopfmodus" alles andere als verständnisbildend. Entsprechend unförderlich ist es im übrigen da einfach nur einen politischen Wünschdirwas-Modus drüber zu legen, der dann nicht entsprechend untermauert ist und erst recht WTF Momente erzeugt.
Deshalb mein Aufruf: Fördert mehr Unterschiedlichkeit in euren Spielwelten! Man könnte jetzt argumentieren, dass eure Gruppe ja schon sehr liberal und offen mit diesen Themen umgeht. Aber: Jeder von uns hat seine eigenen Klischees und Vorurteile im Kopf (ist ja sozusagen eine Grundfunktionen unseres Denkens).
Wieso?
Ziel des Spiels ist entsprechend Unterhaltung. Wir haben keinen generellen (politischen) Bildungsauftrag. Der kann da mit einhergehen, aber das ist dann den Leuten selbst zu überlassen, was sie da erkunden wollen. Und das sage ich als jemand, den solche Effekte GUT GEMACHT durchaus interessieren.
Ein kleines Experiment dazu:
Denkt euch spontan und ohne explizit Klischees zu vermeiden drei NSCs aus. Wie sieht sie/er aus? Welchen Beruf hat sie/er? Was sind ihre/seine Vorlieben? Wie könnte sie/er in einer Spielsitzung eingesetzt werden? Einzige Vorgaben sind:
- NSC1 ist eine junge Frau
- NSC2 ist ein Schwarzen Mann
- NSC3 ist eine lesbische Frau
Es gibt jede Menge junge Frauen im Setting. Wenn da keine bestimmte Rolle für benötigt wird, dann ist das natürlich nahe am Clichee sein, weil Clichee eben auch nur eine vereinfacht oder leicht übertriebene Zusammenfassung von erwarteten weil statistisch häufigen Standardeigenschaften/mustern ist.
Wird eine entsprechende Rolle benötigt, kommt der NSC nicht von der Stange und ist dafür auch nicht so "spontan" hingeworfen, sondern auf diese Rolle zugeschnitten!
Ebenso mit dem schwarzen Mann. Je nachdem, wo das spielt ist er erst einmal einfach einer aus der gesichtslosen Masse oder eben etwas besonderes.
Die lesbische junge Frau. Die lesbische Frau ist dann eben auch nur eine zufällig von geraten 6-7% aller Frauen im Setting. Und wenn da nicht aus irgendwelchen ungewöhnlichen Gründen ein ungewöhnlicher Fokus drauf gelegt wird, wird man es nie erfahren wer jetzt was für Präferenzen hat. Weil man das private Sexleben der Heteros im Üblichen auch nicht mitbekommt.
Ein paar Beispiele, wie ich als SL Diversität in meinen Runden umsetzen könnte:
- Eine Spielwelt, in der ein Königreich mit Schwarzen Menschen mal keine „animistisches Stammesgesellschaft“, sondern ein feudalistisches Königreich mit ausgeprägtem Rittertum ist
- Ein Wissenschaftler bei Shadowrun, der aufgrund seiner revolutionären Forschung zur Nanotech in der Presse ist, dessen Transsexualität aber schlicht unerwähnt bleibt
- Ein junger Bauerssohn, der die Hilfe der Helden benötigt, weil er beim Versuch, seinen Geliebten vor Monstern zu retten, verletzt wurde
- Spielt mal einen Charakter mit anderem Geschlecht, Hautfarbe oder Sexualität und bemüht euch, auf Klischees zu verzichten
Kannst du ja machen. Wenn du es interessant gestaltest wirst du vermutlich auch Mitspieler bekommen.
Stellt eure und die Erwartungen eurer Mitspieler auf den Kopf und versucht zu zeigen, dass Vorurteile und Zuschreibungen auch mal falsch sein können.
Das Lebens schreibt die Geschichten. Da ergibt sich so etwas eh von selbst - oder eben auch nicht.
Und an die Rollenspielverlage: Traut euch und verwendet auch Illustrationen, die Frauen in „klassisch männlichen“ Berufen oder Tätigkeiten gezeigt werden. Zeigt auch mal Menschen mit anderen Hautfarben als Weiß außerhalb von Rollen, die Vorurteile gegenüber diesen Menschen bestätigen. Brecht beim Worldbuilding mit Klischees. Lasst LGBT-NSCs in Abenteuern auftauchen und stellt nicht ihre sexuelle Orientierung in den Vordergrund.
Schau einfach mal über das was du sehen willst hinaus und du wirst genug davon erkennen.
Andererseits kann cih nachvollziehen, wenn sie kein Bock darauf haben. Recht machen können sie es vermutlich den Aktivisten eh nicht, also tun sie das, wovon sie leben: Produkte für die kaufende Masse.
Und wie gesagt:
"Lasst LGBT-NSCs in Abenteuern auftauchen und stellt nicht ihre sexuelle Orientierung in den Vordergrund" zeigt schon den inkohärenten Irrsinn. Wenn die Orientierung nicht in den Vordergrund gezerrt wird, dann ist sie einfach nicht erkennbar und unbekannt. Was Wachtmeister X jetzt im heimischen Schlafzimmer macht ist einfach egal und wird so oder so ignoriert, wenn er/sie/es nicht gerade offensiv darauf anlegt und damit den Eindruck von freakshow selbst eröffnet!
Was ist dadurch zu gewinnen: Respekt, Wertschätzung und Anerkennung für Menschen, die nicht den zahlenmäßig größten Bevölkerungsgruppen entsprechen. Langfristig vielleicht sogar ein Aufweichen von Vorurteilen und mehr Akzeptanz. Klar, man kann jetzt argumentieren, dass das alles ja „Randprobleme“ seien, die deshalb wenig Beachtung finden, weil es um eine „kleinen“ Kreis von Personen gehe. Aber welche Nachteile hätte es?
Was wird so krude primär erzeugt: Ablehnung wegen plumper Indoktrination und die Erkenntnis "ohne Magie aus dem Off und Railroading scheint Gleichberechtigung ja wohl doch nicht zu funktionieren".