Autor Thema: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA  (Gelesen 3643 mal)

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Offline Bluecaspar

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Welche Unterschiede fallen euch zwischen den 20ern und den 30ern in den USA ein?

Soweit ein paar Annahmen von mir:

Die Prohibition ist vorbei, dafür leidet man nun unter der großen Weltwirtschaftskrise.

Die Automobile und Flugzeuge sind inzwischen ausgereifter und wohl auch weiter verbreitet.

Haushalte ohne Elektrizität sind inzwischen eine Ausnahme und das Angebot für elektrische Geräte ist auch größer.

Radios werden immer erschwinglicher und sind mehr und mehr verbreitet.

Stummfilme sind aus der Mode gekommen und es gibt fast nur noch vertonte Filme in den Kinos.

Die Mode hat sich ein wenig geändert und ich schätze mal Flappers sind wohl in den 30ern nicht mehr ganz so in wie in den 20ern.




Online nobody@home

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #1 am: 22.04.2018 | 14:32 »
1930 entdeckt Clyde Tombaugh Pluto. Wenn das nicht mythosrelevant ist, weiß ich auch nicht. ;)

Ansonsten bin ich selber nicht der große Experte, was diese Periode angeht, aber Wikipedia beispielsweise bietet ja gerne reihenweise Artikel zu allen möglichen Themen. Ein Startpunkt wäre vielleicht https://en.wikipedia.org/wiki/Timeline_of_the_20th_century...

Offline Skyrock

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #2 am: 22.04.2018 | 15:28 »
Die Nazis kommen an die Macht, und Nazis = Expeditionen nach okkulten Schätzen wie der Bundeslade oder dem Gehemnis von Atlantis. Wer daraus nicht aus dem Stegreif ein Dutzend pulpige Mythosabenteuer bauen könnte, sollte seine SL-Lizenz abgeben.
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Offline Gilgamesch

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #3 am: 22.04.2018 | 15:50 »
Ab 1933 ist FDR Präsident. Er war nicht nur einer der populärsten und einflussreichsten Präsidenten der amerikanischen Geschichte, sondern auch ein Freimaurer, was für Cthulhu interessant sein könnte! ;)

Offline Bluecaspar

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #4 am: 22.04.2018 | 16:35 »
Die Nazis kommen an die Macht, und Nazis = Expeditionen nach okkulten Schätzen wie der Bundeslade oder dem Gehemnis von Atlantis. Wer daraus nicht aus dem Stegreif ein Dutzend pulpige Mythosabenteuer bauen könnte, sollte seine SL-Lizenz abgeben.
Bitte das Thema nicht aus den Augen verlieren. Es geht nicht darum sich Abenteuer auzudenken. Auch möchte ich den Fokus auf die USA nicht verlieren.

Online Kurna

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #5 am: 22.04.2018 | 17:03 »
Die Syndikate/Mafia-Familien haben sich u.a. dank der Prohibition etabliert. Die Zahl der Bandenkriege untereinander nimmt ab, da die Reviere klarer abgesteckt sind. Dafür gibt es verstärkt verzweifelte Verbrecher a la Bonnie & Clyde, die während der Depression in Armut abgerutscht sind und darüber zu (Gewalt-)verbrechern werden.

Unter die Einwanderer mischen sich verstärkt politische Flüchtlinge, insbesondere aus Europa, aber auch aus Ostasien.
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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #6 am: 22.04.2018 | 18:09 »
Bitte das Thema nicht aus den Augen verlieren. Es geht nicht darum sich Abenteuer auzudenken. Auch möchte ich den Fokus auf die USA nicht verlieren.

Nun...es ist nicht so, als ob es in den USA der 30er nicht auch einen Anteil an Nazi-Sympathisanten gegeben hätte. Immerhin reden wir hier von einer Vorkriegszeit, in der das spätere "Nazis sind akzeptable Ziele"-Pulpklischee so noch nicht großartig existierte, weil das Regime die meisten seiner späteren Greuel noch gar nicht begangen hatte. Dafür hat dann wohl der Ku-Klux-Klan, der in den frühen zwanziger Jahren einen Höhepunkt an Popularität erreicht hatte, schon wieder stark abgebaut...

Offline Skyrock

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #7 am: 22.04.2018 | 18:56 »
Nun...es ist nicht so, als ob es in den USA der 30er nicht auch einen Anteil an Nazi-Sympathisanten gegeben hätte. Immerhin reden wir hier von einer Vorkriegszeit, in der das spätere "Nazis sind akzeptable Ziele"-Pulpklischee so noch nicht großartig existierte, weil das Regime die meisten seiner späteren Greuel noch gar nicht begangen hatte. Dafür hat dann wohl der Ku-Klux-Klan, der in den frühen zwanziger Jahren einen Höhepunkt an Popularität erreicht hatte, schon wieder stark abgebaut...
Tatsächlich ging der schwächelnde Ku-Klux-Klan teilweise in den neuen faschistischen Organisationen auf. Die Black Legion war zum Beispiel eine Abspaltung des KKK, die eine gewalttätige faschistische Revolution in den USA nach dem Vorbild von Mussolinis Marsch auf Rom wollte.
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Offline Der Läuterer

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #8 am: 22.04.2018 | 19:17 »
Die Bezeichnung BLACK LEGION war für eine politische Gruppierung weisser Rassisten m.M.n. extrem unpassend gewählt.
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Offline Kardohan

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Online General Kong

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #10 am: 22.04.2018 | 20:57 »
Wichtig ist vor allem  für das Spielgefühl die Depression, die nach dem Börsenkrach das Land bis zum Eintritt in den 2. Weltkrieg in ihren Fängen hielt: Man kann zwar ab 1933 wieder einen trinken gehen, aber wer hat dazu noch Geld. Gleichzeitig hat man auch durch FDR ein gwerekschaftsfreundlicheres Klima - so kommt es 1936 zur Gründung der C.I.O. und etlichen großen Streiks, vor allem in der Autobranche.

Insgesamt würd eich aus Spielsicht sagen: Wo die 20er Jahre ein Gefühl verbreiten, dass es mit dem Amerikanischen Traum immer weiter voran geht und man sich zum ersten Mal ein Auto und ein Radio leisten kann (und einen Eisschrank/ Kühlschrank), sagen die 30er Jahre eher: "Hier ist dein Fusel, da ist die Schlange bei der Suppenküche - und morgen wird's nicht besser!"

Die Szene mi dem Obdachlosenzeltlager im Central park in der Neuverfilmung von King Kong fängt das gut ein.
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Offline aingeasil

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #11 am: 22.04.2018 | 22:38 »
Vielleicht ganz interessant:
Clara's Great Depression Cooking Channel auf Youtube

Ihr Enkel hat sie gefilmt, wie sie alte Rezepte aus dieser Zeit kocht und aus Ihrem leben zu jener Zeit erzählt.

Offline Scimi

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #12 am: 23.04.2018 | 17:36 »
Beginnend mit dem Börsencrash 1929 und endend mit dem 2. Weltkrieg 1939 sind die 1930er in den USA tatsächlich eine mehr oder weniger abgeschlossene Dekade.

Die Wirtschaftskrise ist *das* beherrschende Element in den 30ern und stellt praktisch die Rahmenbedingung für alles andere. Sie trifft alle amerikanischen Gebiete, Gesellschaftsschichten und Wirtschaftszweige. Weil es keinerlei Sicherungssystem gegen so ein Ereignis gibt, weil die Krise nach dem irren Wirtschaftsboom in den "Roaring '20s" ganz unvermutet zuschlägt und weil es in den USA eine verbreitete Überzeugung gibt, dass Kapitalismus wie ein Naturgesetz für alle von selbst funktioniert, sind die Folgen härter und wirken länger nach, als es hätte sein müssen. Das Trauma, das System zusammenbrechen zu sehen, auf das man praktisch das ganze Land gewettet hatte, mit dem man dem alten Europa de facto die Weltführung abgerungen hat und das von vielen als Zukunft der Menschheit angesehen wurde, führte auch zu einer psychologischen und moralischen Krise.

Vor allem im Süden der USA kommen Anfang der 1930er zu der Wirtschaftskrise noch verschiedene ungünstige Wetterphänomene wie Dürren und Staubstürme hinzu, die weite Agrarflächen praktisch vernichten. Ein Großteil der Bevölkerung in diesen Gebieten lebt von der Landwirtschaft und wird durch die Umstände gezwungen, Farmen aufzugeben, die teils seit Generationen im Familienbesitz sind, Kinder, Großeltern und Hausrat auf Motor- oder Pferdewagen zu verstauen und praktisch mittellos weit aus der "Dust Bowl" hinauszuziehen, auf der Suche nach Essen, Arbeit und einer Zukunft. Vor allem Kalifornien, das von der Dürre wenig betroffen ist und eine gutgehende Ölproduktion besitzt, bekommt einen großen Teil dieser Migranten ab, die sich überall, wo es Arbeit gibt, in Slums zusammenfinden.

Viele Bauern im Süden, die von diesen Ereignissen mehr oder weniger betroffen sind, sind einfache, tief religiöse Menschen. Als alles zum Teufel geht, sehen das viele als Strafe für das "sündhafte" Leben in den 20ern mit der ganzen Party- und Glitterwelt der großen Städte und Bibelverkäufer und extreme Prediger profitieren immens von den Umständen. Das ist das richtige Setting, um irre oder zumindest verzweifelte Weltuntergangskulte anzusiedeln.

Staat und Obrigkeit fehlt in der Zeit vor allem Geld, um etwas gegen die Umstände tun zu können. Außerdem werden viele politische Führer wie z.B. Präsident Hoover für die Krise verantwortlich gemacht oder zumindest damit in Verbindung gebracht. Viele Leute misstrauen der Regierung und den Behörden und in der Tat grassiert in den 30ern überall die Korruption. In den großen Städten gehört das organisierte Verbrechen praktisch zum Establishment, seien es die "Five Families" bzw. dem "National Crime Syndicate" die die Gebiete an der Ostküste unter sich aufgeteilt haben oder Leuten wie Guy McAfee in Los Angeles, der eigentlich als Polizeiermittler mit Drogen, Prostitution und Glücksspiel Schluss machen sollte, aber stattdessen einfach die Geschäfte übernommen hat, seine Verbrechens- und Polizeikontakte gleichermaßen in der Tasche hatte und effektiv die Stadt regierte, bis er nach Las Vegas umzog und in den 40ern und 50ern maßgeblich dafür verantwortlich war, dass das Spielerparadies so ist, wie es ist. Namen wie Ben "Bugsy" Siegel, Meyer Lansky, "Lucky" Luciano, Mickey Cohen und Two-Gun Davis sind noch heute aus der Zeit bekannt. Gleichzeitig berichten die Zeitungen damals auch über Bankräuber und ihre Banden wie John Dillinger, "Machine Gun" Kelly, "Babyface" Nelson und Bonnie und Clyde, die im Zeitalter des Automobils einen gewaltigen Vorteil gegenüber örtlichen Behörden haben, deren Zuständigkeit teilweise an der Stadtgrenze aufhört. Die Sympathien der Bevölkerung liegen teilweise mehr bei den Verbrechern als bei den oft als korrupt und unfähig wahrgenommenen Polizisten. Allerdings sind es auch diese bundeststaatsübergreifenden Fälle, die mit dazu beitragen, dass J. Edgar Hoover in den 30ern die skandalgeplagte Polizeibehörde des "Bureau of Investigation" zu der Organisation schmieden kann, die wir inzwischen als "FBI" kennen. Neben den bekannten Beispielen passen in die 30er aber auch viele kleine Fälle, wo die Obrigkeit nicht so funktioniert wie sie soll, sei es bei Lynchmobs auf dem Land oder Sheriffs in kleinen Käffern, die in ihrem Gebiet buchstäblich das Gesetz sind und mehr oder weniger tun und lassen können, was sie wollen. Vetternwirtschaft und Pöstchenschieberei ist auch verbreitet und es kann schonmal vorkommen, dass alle politisch und wirtschaftlich bedeutenden Personen in einer Stadt denselben Nachnamen tragen…

Weltanschaulich galt nach dem 1. Weltkrieg als erwiesen, dass Adel und Monarchie überholt sind und der Demokratie die Zukunft gehört. Bisher gab es die in den Geschmacksrichtungen Kapitalismus und Kommunismus. Amerika ist zwar Vorreiter des kapitalistischen Systems, aber nach der Wirtschaftskrise schielen gerade bei den Arbeitslosen und Migranten viele auf die Alternative. Viele sehen den Faschismus als vielversprechenden dritten Weg an, allerdings existiert der bisher vor allem als Theorie und viele schauen gespannt auf die Länder, die sich gerade anschicken, die Theorie in die Tat umzusetzen. Rassismus und Sozialdarwinismus waren übrigens in allen Systemen verbreitet, dazu musste man den Faschismus nicht gut finden. Aber gerade in Zeiten wo die Zukunftsfähigkeit von "sich selbst lenkenden", "chaotischen" Systemen wie Kapitalismus und Kommunismus in Frage stand, übte die straffe Hierarchie und Organisation des Faschismus, die nicht durch Tradition, sondern durch "moderne" Kriterien bestimmt sein sollten, eine starke Faszination aus. Lovecraft z.B., der als Autor von Gruselgeschichten von der Hand in den Mund lebte, fand den amerikanischen Kapitalismus ziemlich abträglich für alles, was mit Kunst und Kultur zu tun hat und versprach sich von einem faschistischen System eine effizientere und rationalere Verteilung von Aufgaben und Ressourcen nach "wissenschaftlichen" Gesichtspunkten. Diskussionen darüber, welches System wohl das Rennen machen würde, waren jedenfalls an der Tagesordnung.

In technischer Hinsicht können die 1930er in Amerika meist von dem Wirtschaftsboom in den 20ern profitieren, die im Prinzip für eine flächendeckende Versorgung des Landes mit Strom, Automobilen, Radio- und Kühltechnik gesorgt hatte. Die eigentliche Wirtschaftskrise traf zwar einzelne Leute und Unternehmen hart, aber hat die laufenden technische Entwicklung nicht wirklich ausgebremst, wie man z.B. an den jährlich neuen Automodellen sehen kann. Überhaupt ist das Auto *die* Technologie dieser Zeit, vor allem, weil es inzwischen einen riesigen Gebrauchtmarkt gibt. Leute haben keine Arbeit, aber ein Auto, kein Geld, aber ein Auto und Benzin ist spottbillig. Viele noch heute übliche private Gebrauchsgegenstände wie Föhn, Kühlschrank und Elektroherd sind zunehmend verbreitet, wobei  ländlichere Gegenden immer etwas den Städten hinterherhinken und Gemischtwarenläden, Hotels und Tankstellen oft die ersten sind, die solche technischen Neuerungen anschaffen. Radioempfänger, Telefone und Münzfernsprecher, Tonfilm, handliche Fotokameras und elektrische Ventilatoren gehören in den 30ern in Amerika zur Alltagstechnik, die jeder im Prinzip kennt.

Erfindungen der 1930er sind z.B. Sprühsahne, Reflektoren (für Fahrbahnmarkierung etc.), Fotokopiergerät, Elektrogitarre, Kugelschreiber, Helikopter, Elektrorasierer, Tampons und elektrische Flipperautomaten.

Während ich den Eindruck habe, dass in den 20ern noch ziemlich viele Dinge aus Holz und Metall bestehen, sind Beton und Kunststoff in den 30ern zunehmend präsent. Hochhäuser, Fundamente, Straßen, Sporthallen und -plätze und Kaufhäuser, Konzertgebäude, alles mögliche wird aus Beton gebaut. Kunststoffe sind vor allem Kunstharze wie Bakelit, aus dem man Verkleidungen für Telefone, Radios, Rasierer, Kameras und Lampen macht, auch Verzierungen an Gebäuden, Autos und Möbeln, Spielzeug, einfache Gebrauchsgegenstände wie Brieföffner und Dosen und andere Dinge aus dem Kunststoff lassen sich überall finden. Mit der Entdeckung von Nylon werden Zahnbürsten schnell durch Kunststoffexemplare ersetzt und die Damenstrumpfhose aus Kunststoff wird allgegenwärtig. Moderner Farbfilm aus Kunststoff ist wenig sichtbar, hat aber einen großen Einfluss auf die Medienwelt der Zeit, die sehr viel weniger "schwarz-weiß" ist, als in den 20ern. Ansonsten ist das die große Zeit des Wellblechs, mit dem man leichter Schuppen, Scheunen und Dächer bauen und flicken kann als mit Holz und was sich dementsprechend schnell durchsetzt. Wegwerfverpackungen sind üblicherweise aus Papier.

Die Leute hören viel Musik, Jazz, Swing und Musicals sind ziemlich angesagt, Glenn Miller und Judy Garland rocken die Charts. Fröhliche, lustige Musik wird bevorzugt. Schallplatten sind für viele Leute die bevorzugte Art, ihre Lieder zu hören. Im Radio wird Musik gespielt, aber im Rahmen kompletter Programme mit Reportagen, Hörspielen, Bildungsbeiträgen, Nachrichten, Werbung und anderen Inhalten, dass irgendwo einfach nur Musik heruntergespielt wird, kommt eigentlich nicht vor. Zeitungen gibt es für verschiedene politische Orientierungen und Bildungsschichten. Daneben sind Comics vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt. Magazine behandeln alle Themen und Interessen, egal ob Filmstars, Mechanik, Mode und Handarbeit, Tierzucht, Romantik- oder Abenteuergeschichten (z.B. Science Fiction-Knaller wie "The Whisperer in Darkness" von H.P.Lovecraft, aber auch R.E.Howard, Raymond Chandler und Robert Bloch schreiben in der Zeit). Kino ist praktisch ein Volkssport und Hollywood spuckt weiterhin regelmäßig Filmunterhaltung für alle und jeden aus. Neben klassischen Filmtheatern finden in ländlichen Gegenden inzwischen Autokinos Verbreitung.

Essen wird weiterhin üblicherweise selbst gekocht, Lunchpakete sind üblich. Bedingt durch die Krise muss man teilweise etwas erfinderischer werden, was Zutaten angeht. Für Pendler, Alleinstehende und Städter gibt es allerdings immer mehr Angebote für Fast- und Fingerfood, typische Diners, wo man Kaffee, Sandwiches und Kuchen bekommt, sind verbreitet, in Kalifornien gibt es sogar Drive-In-Restaurants, wo die Bedienung einem die Bestellung an den Wagen bringt.

Männer dominieren viele Berufe, die Bedienung im Restaurant, die Putzkraft, die Person, die einem Brötchen verkauft oder im Laden an der Kasse sitzt ist oft ein Mann. Durch die Arbeitslosigkeit hat sich die Verteilung noch einmal verschärft (eine freie Stelle kriegt eher ein arbeitsloser Mann, der vielleicht eine Familie versorgen muss als eine Frau, die einfach ein Einkommen heiraten könnte), in den Kriegszeiten der 40er wird sich das dann wieder umkehren, wenn die Männer an die Front müssen und Frauen vor allem in der Industrie dann viele freie Stellen füllen werden. Andererseits ist die Zeit völlig vernarrt in außergewöhnliche heldenhafte Frauen wie die Flugpionierin Amelia Earhart, die auch häufig Charaktere in Geschichten und Comics sind. Für weibliche Cthulhu-Charaktere ist es daher in den 30ern in Amerika immer möglich, die *eine* rasende Reporterin oder Rennfahrerin oder Physik-Professorin zu sein, die für ihr Geschlecht die Ausnahme darstellt, ohne dass Leute das absolut undenkbar fänden.

Offline Hotzenplot

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #13 am: 23.04.2018 | 18:01 »
Tolle Übersicht, Scimi!
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Mein größenwahnsinniges Projekt - Eine DSA-Großkampagne mit einem Haufen alter Abenteuer bis zur Borbaradkampagne:
http://www.tanelorn.net/index.php?topic=91369.msg1896523#msg1896523

Ich habe die G7 in 10 Stunden geleitet! Ich habe Zeugen dafür!

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Offline mattenwilly

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #14 am: 23.04.2018 | 18:08 »
Wobei man sagen muss das einige Dinge (etwa "überall Strom") ein Ergebnis vom "New Deal" (und dem ganzen Rattenschwanz der dran hängt) sind. Das macht einen Teil der 30er Jahre aus und ist oft der Contrapunkt zu dem Obdachlosen-Camp aus "King Kong".

Grapes of Wrath / Früchte des Zorns ist immer noch eine gut lesbare Quelle aus Sicht des "kleinen Mannes"
Manchmal kommt bei Foren der Punkt wo man einem "Diskussionsteilnehmer" mental mit einem freundliches "Ja, Ja" den Kopf tätscheln und ihn dann ganz leise auf die Ignore-Liste setzen sollte. Die gewonnene Zeit kann man dan mit interessanten Sachen verschwenden. Etwa Staubmäusen beim wachsen zu sehen

Offline Scimi

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #15 am: 23.04.2018 | 23:12 »
Tolle Übersicht, Scimi!

"Mein" Cthulhu ist halt ToC, das spielt in den 30ern, daher habe ich seit Jahren dazu immer wieder recherchieren müssen.  ;)

Man muss auch sagen, dass die moralischen Folgen der Wirtschaftskrise bis zum Weltkrieg nachhallen, aber die tatsächliche Wirtschaft sich schon nach ein paar Jahren wieder erholt und die USA pünktlich zum Kriegsbeginn in der Lage sind, praktisch ganz allein England auf Pump mit Schiffen und Waffen zu versorgen. Später gibt es dann Panzer und Flugzeuge für die Alliierten (inklusive Sowietrussland) und als die USA schließlich selbst mit Truppen eingreifen, versorgen sie schon seit Jahren ihre Verbündeten mit Material. Das ist die Industriemacht, die z.B. monatlich deutlich mehr Schiffstonnage produziert, als Deutschland und Japan im Seekrieg überhaupt versenken können (es gab z.B. einen Presse-Stunt, wo ein Dock ein komplettes Kriegsschiff von null auf Stapellauf in 24 Stunden zusammengenietet hat) und das geschieht nicht über Nacht, diese Maschinerie steht am Ende der 30er bereits parat…

Offline Bluecaspar

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #16 am: 26.04.2018 | 22:20 »
Nun...es ist nicht so, als ob es in den USA der 30er nicht auch einen Anteil an Nazi-Sympathisanten gegeben hätte. Immerhin reden wir hier von einer Vorkriegszeit, in der das spätere "Nazis sind akzeptable Ziele"-Pulpklischee so noch nicht großartig existierte, weil das Regime die meisten seiner späteren Greuel noch gar nicht begangen hatte. Dafür hat dann wohl der Ku-Klux-Klan, der in den frühen zwanziger Jahren einen Höhepunkt an Popularität erreicht hatte, schon wieder stark abgebaut...
In der ersten Hälfte des Jahrzehntes hat man als gewöhnlicher Bürger in den USA, wenn überhaupt, wohl eher nur was in der Zeitung über die Nazis gelesen. Gegen Ende des Jahrzehntes schon mehr, klar. Fürs Spiel selber hat das aber nur wenig Bedeutung. Wenn ich in den USA spiele, interessiert mich der Einfluss der Nazis nicht sonderlich.

Offline Scimi

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #17 am: 26.04.2018 | 23:18 »
Nazis im Sinne von deutschen Nationalsozialisten werden in Amerika Anfang der 30er eher eine untergeordnete Rolle spielen. Als Hitler 1933 die Macht ergreift, haben die meisten Amerikaner andere Sorgen, als sich für Weltpolitik zu interessieren. Das sieht 1936 schon wieder anders aus, wo Hitlerdeutschland die Olympischen Spiele ausrichtet und sich als moderner, weltgewandter Gastgeber gibt. Ich denke, das Sportereignis hat viele Amis interessiert, das Land war auf dem Weg aus dem Tief heraus und die besorgten Stimmen noch nicht so laut.

Eine andere Nummer ist der Faschismus. Italien hatte den seit 1922, in Deutschland bahnte der sich schon vor '33 an und in Rumänien, Ungarn, Frankreich, Griechenland, Süd- und Mittelamerika und überhaupt weltweit röhrte der in den 1930ern ganz schön herum. Und in Amerika wurde zumindest drüber geredet.

Das hatte nix mit dem ollen Schnurrbart und Hakenkreuzen zu tun, das war für viele eine Diskussion, wie die Zukunft aussehen würde. Man muss das kapieren, der Kapitalismus war den Amis gerade übel um die Ohren geflogen und ihre Überzeugung, dass das das beste und modernste System für eine Gesellschaft ist, war zutiefst erschüttert. Gleichzeitig lief der ganze Kommunismus komplett gegen das amerikanische Weltbild: Der amerikanische Traum, der self-made Man, vom Tellerwäscher zum Millionär, Wohlstand als Lohn für Leistung. Und dann war da plötzlich diese dritte Alternative, der neue heiße Scheiß und jede Menge Leute, die auf den Zug aufsprangen.

Klingt ja auch teilweise gut mit der Hierarchie, der Organisation, dem Sozialdarwinismus. Das hat einerseits nichts mit dem amerikanischen Albtraum vom Kommunismus zu tun, wo die Tüchtigen die Faulen und Nutzlosen durchfüttern müssen. Andererseits klingt so ein System, in dem die Guten an die Spitze kommen und nur die persönliche Leistung zählt extrem gut für Leute, denen gerade unverschuldet eine Wetterlaune drei Generationen ehrliche Arbeit zunichte gemacht hat oder die auf der Straße um Arbeit betteln, während irgendwelche New Yorker Millionäre vielleicht gerade ihre Firma verloren haben, aber trotzdem das Geld, was der Großvater ergaunert hat, in Schampus versaufen. Dann kann man zumindest mal drüber reden, ob dieser Kapitalismus wirklich so geil ist und was es noch anderes gibt. Es weiß ja auch noch keiner, dass das mit Weltkrieg und Völkermord enden wird. Vielleicht ist das so ein bisschen die BitCoin-Welle der Zeit: Die wenigsten verstehen, worum es überhaupt geht, aber es ist Krise und viele Leute haben Angst, vom Fortschritt abgehängt zu werden und vielleicht das nächste große Ding zu verpassen und investieren da vielleicht in etwas, ohne später noch zu verstehen, was sie da geritten hat.

Natürlich gibt es auch immer ein paar Leute, die dann komplett mit an Bord sind, nationalsozialistische Vereinigungen gründen, Flugblätter drucken und alle zur Umkehr aufrufen wollen. Obwohl ich mir in einer Mythos-Welt auch gut vorstellen kann, dass der Verlust des Glaubens in das eigene Weltbild Leute nicht nur zum Faschismus, sondern auch zu Ghul-Kulten, Mi-Go-Kolaboration, Rückzug in die Traumlande oder sonstigem Mythos-Kultistentum treiben kann…

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #18 am: 29.04.2018 | 13:19 »
Zumal der von den Nazis propagierte Rassismus und die Herrenmenschenideologie sowohl im Süden als aber auch im Norden nicht unbedingt als befremdlich angesehen wurde:
Die US-Truppen waren noch bis zum Koreakrieg segregiert (also nix mit farbiger Soladt verteilt mit weißen Panzertruppenkameraden Kaugummis an deutsche Kinder, wie man das manchmal in deutschen Filmen sehen kann - z.B. "Rote Erde" - letzte Folge), als Jude, aber auch Asiat, Latino/Hispanic oder z.T. noch als Italo-Amerikaner oder jedem, der sich nicht in das WASP/ Nordeuropa-Konzept passte, hatte man nicht unbedingt überall gute Karten.
Und da sind wir noch nicht bei den verschiedenen christlichen Religionsgemeinschaften und ihren Konflikten ...

Ansonsten sollte man die Mitgliederzahlen des German-American Bund nicht unterschätzen. Vergleichbar in Ausmaß und Einfluss wie der KKK war er jedoch nicht.
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Offline Bluecaspar

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #19 am: 1.05.2018 | 09:19 »
Ich denke ich habe oft genug ausgedrückt, dass, wenn man sein herkömmliches Spiel in den USA von den 20ern einfach Mal in die 30er verschieben möchte, man nicht auch unbedingt Lust hat den Nazi-Konflikt auszuspielen. Es gab hier schon einige gute Beiträge mit einer Menge guter Infos zu den 30ern. Ich finde aber das diese ausufernde Diskussion über Nazis hier stört und nicht zum eigentlich gewünschten Thema passt. Ich schlage daher vor, wenn ihr euch so viel über Nazis und deren Einfluss auf die USA unterhalten wollt, dann eröffnet bitte einen eigenen Thread.
« Letzte Änderung: 1.05.2018 | 09:34 von Bluecaspar »

Offline Tante Petunia

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Re: Unterschiede zwischen den 20ern und 30ern in den USA
« Antwort #20 am: 1.05.2018 | 15:03 »
Spannend: Abo!  :d
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