Autor Thema: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel  (Gelesen 11016 mal)

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Offline YY

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Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« am: 20.11.2018 | 22:48 »
(Nachdem das Ganze in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt ist - auch weil sich die Leute auf ihre jeweiligen Lager verteilt haben -, muss ich das doch noch mal ein bisschen in der Hand drehen und betrachten. Vielleicht hat da auch der eine oder andere relativ neue User was von.)


Oft lese ich bei Spielergesuchen im Zusammenhang mit völlig konventionellen Systemen "wir spielen cinematisch" und jedes Mal denke ich mir irgendwas zwischen "Nein, tut ihr nicht" und "Was wollen mir diese Worte sagen?"

Ganz vorne angefangen: "Cinematisch" soll wohl heißen "wie im Film".
Jetzt ist Film aber ein ganzes Medium und ich kann mir hoffentlich die ausufernde Beispielliste sparen, mit der ich die volle Bandbreite dieses Mediums aufzeige und darstelle, dass das so wörtlich genommen nur eine absolute Nullaussage sein kann.
Man kann ja schlecht ein gesamtes Medium zum Vorbild nehmen oder sogar nachstellen. 
Die zwingende Folgefrage ist also "Wie in welchem Film?" oder vielmehr - man hat es sich wohl schon gedacht - "Wie in welchem Genre?"

Immerhin muss man nicht lange überlegen, um auf die Antwort zu kommen: Wie im Actionkino.
Jetzt ist das leider immer noch ein unüberschaubarer, breit gefächerter und mit den richtigen Beispielen sogar widersprüchlicher Sektor, also arbeiten wir uns mal von oben nach unten durch.

Actionkino schert sich grundsätzlich nicht um Kleinigkeiten. Die Protagonisten sind überlebensgroß und schnetzeln sich nicht nur unbeeindruckt durch niederes Kroppzeug, sie tun auch grundsätzlich Dinge, die im echten Leben fast oder gar garantiert unmöglich sind.

Und genau das ist der Knackpunkt: Wenn einem Actionheld überhaupt irgendwas wirklich gefährlich wird, dann der "Endgegner". Weil der Film nicht mittendrin endet. Weil ein Scheitern an Mooks oder sonstigen Hindernissen zwingend antiklimaktisch ist.
Es wird in diesem angeblich cinematischen Rollenspiel unheimlich oft verkannt, dass ein Film nur deswegen rund läuft, weil alles vorgeplant ist und der Held sich quasi darauf verlassen kann, dass ihm nichts passiert - jedenfalls nichts Endgültiges. Das funktioniert am Tisch nur, indem entweder der Plot vorgezeichnet ist oder man zumindest nichts wirklich falsch machen kann. Diese Art von Spiel klammert also einmal den Charaktertod aus und viel wichtiger: es fordert dem Spieler keine guten Entscheidungen ab. 


(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)


Das ist also ein dermaßen fundamentaler Widerspruch zu herausforderungsorientiertem Spiel, dass man sich die ganze zugehörige Spielmechanik nicht nur sparen kann, sondern sparen muss, weil sie einfach keine relevante Funktion mehr hat und ständig übergangen werden muss. 

Wer in diesem Sinne cinematisches Spiel fordert, der braucht Spotlight- und Pacing-Mechanismen, aber bestimmt keine taktischen Ressourcen - sonst spielt er die ganze Zeit gegen sein Regelwerk an.

Man merkt doch selbst, ob z.B. typische Rollenspielkämpfe eigentlich nur noch lästige Pflichtübung sind, weil sie der dramatischen Perspektive nach gar nicht anders enden können als mit einem Sieg der SCs oder ziemlich positiv ausgerichtetem fail forward. Das kann man sich zumindest so weit sparen, dass man den Schwerpunkt auf die Form legt und nicht auf den Inhalt. Und selbst dann sind konventionelle Regelwerke noch im Weg.


Eine Stufe weiter unten geht es "nur" um cinematische Kämpfe, die aber trotzdem fordernd und ergebnisoffen sein sollen (aber nicht sind).
Besonders interessant und relevant ist hier das Thema Stunts - man will ja irgendwie "coole" Stunts und eindrucksvolle Aktionen.
Dabei wird aber mit schönster Regelmäßigkeit übergangen, dass eine unbedingte spielmechanische Förderung solcher Sachen sie alltäglich und beliebig macht, sie damit also gerade nicht mehr besonders und eindrucksvoll sind.
Selig jene, die sich hier allein an die Form statt an den Inhalt halten und diesen Bruch ignorieren können. Mir geht das meistens im Film aus dem gleichen Grund schon gegen den Strich - da muss es wirklich handwerklich gut gemacht sein, um mir zu gefallen, aber diese handwerkliche Ebene fällt im Rollenspiel ja gerade weg.
Ein guter Stunt im Rollenspiel ist ein gut beschriebener Stunt, nicht einer, der schwer auszuführen ist. Aber gut beschreiben kann ich auch andere Sachen und habe dann daran meinen Spaß...anders als an Gedankengängen und Vorgaben aus anderen Medien, die Entscheidungen und Verhalten in ziemlich enge Trichter zwingen.

Wie auch immer - hier gilt im Kleinen wie im Großen: Wer im Kampf zuverlässig glänzen will, der fordert wieder einmal mindestens scheibchenweise Plot Armor und eine Abkehr vom herausforderungsorientierten Spiel, egal, was er sich einredet.
Wie sollte ein (Zwischen-)Kampf voller cooler, sprich erfolgreicher Stunts aussehen, an dessen Ende ein ernsthaftes und nachhaltiges, ein echtes Scheitern steht bzw. stehen kann?


Ganz unten angekommen ist jenseits dieser Überlegungen mit "cinematischem" Spiel nur noch die Abgrenzung von bitterster Spieler-Kleinhalte-Hartwurst gemeint.
Sprich: Man kümmert sich nicht um jedes Seil und jeden Pfeil, man leitet nicht blödestes "Hast du aber nicht gesagt", man bremst nicht jede Idee mit Gegenspielern aus, die mysteriöserweise genau wissen, was die SCs vorhatten usw. usf.
Das ist zwar alles schön und gut, hat aber mit Cinematik grad mal nichts zu tun.
Aber wer schreibt schon an ein Spielergesuch: "Komm zu uns, unser SL ist kein kompletter Arsch"? Nein, da macht Cinematik doch mehr her :P ;D


So ein bisschen was kann immerhin aus dem Großthema Kino/Film/Serie mitnehmen oder wenigstens mit Begriffen von dort deutlich machen.
Dazu gehören Kamerafahrten bei Beschreibungen (also nicht alles durch die SC-Brille sehen), Schurkenszenen aus Zuschauerperspektive, ein Einstieg in medias res, zusammenfassende Montagen, "das letzte Mal bei..."-Szenen und vor Allem sinnvoll gesetzte Schnitte. Aber das ist alles erst mal nur Nutzen von Erzähltechniken, die (auch) im Film verwendet werden, nicht das Spielen nach den gleichen dramaturgischen Gesichtspunkten wie im Actionkino. 


Wenn man tatsächlich "wie im Film" spielen will, dann sollte man auch ein Regelwerk nutzen, mit dem man die zugehörigen Erzählstrukturen umsetzen kann und nicht umgekehrt an allen Ecken und Enden gegen die Regeln anspielt und aus dem Handwedeln und Regeln ignorieren nicht mehr raus kommt.
Dann steht man immer noch vor dem Bruch, dass Genre-Tropes blind akzeptiert werden müssen, weil sie sonst in der Fiktion ständig Fragen und Widersprüche aufwerfen (wer ihn nicht kennt, schaue Last Action Hero. Oder als Minimallösung das hier).

Am Besten nimmt man gleich Regelwerke wie Hong Kong Action Theatre oder New Hong Kong Story, wo man nicht spielt "wie im Film", sondern wo man einen Film spielt. Mit Schauspielern. Dann muss man nämlich nicht ständig das Hirn ausschalten und sich stumpf an abgelutschten Genre-Tropes lang hangeln, die in der Fiktion genau so wenig Sinn ergeben wie schon im Kino, sondern hat umgekehrt die Metaebene zur Verfügung, die dem Ganzen Sinn, Ziel und Richtung gibt. Obendrauf hat man in NHKS eine risk-(Meta-)reward-(fail forward-)Mechanik für Stunts und keine stumpf hingeworfenen Boni, damit es auch ja garantiert klappt.

Mit solchen Systemen im Rücken sieht das Thema schon ganz anders aus.
Aber um Himmels Willen nimmt man kein traditionelles Regelwerk und erzählt dann irgendwas von cinematischem Spiel. Das wird nämlich nichts.

Kurz:
"Traditionelles" Rollenspiel mit seiner leicht verzettelten Ausrichtung (positiv: Vielseitigkeit ;)) hat zu große herausforderungsorientierte Spielanteile, um für cinematisches Spiel geeignet zu sein. Dafür braucht man konsequent darauf ausgerichtete Systeme.
Herausforderungsorientiertes Rollenspiel ist (s)ein eigenes Medium, das eine eigene Art von Geschichten und Erlebnis produziert - und wenn man so ein System spielt, sollte man genau das auch zulassen und nich dran rum dengeln, um das Ganze in eine Richtung zu verbiegen, die nicht mit dem Regelwerk zusammen geht.


Danke, dass ihr bis hier hin durchgehalten habt, auch wenn ihr das alles schon wusstet  ;D
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Crimson King

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #1 am: 20.11.2018 | 23:08 »
Ich sehe Helden in Actionfilmen oft genug scheitern. Meistens ist das nicht final, aber das ändert nichts daran, dass auch die Herausforderung zwischendurch erst mal überwunden werden will. Und da stellt sich beim Übertrag aufs Rollenspiel immer die Frage, wie das nun geschieht und welche Konsequenzen ein Scheitern hätte (Stichwort: fail forward). Klar, der vorzeitige und dramaturgisch unpassende Charaktertod wird verhindert, und das Abfeiern des Quellmaterials bzw. die Genreemulation steht immer vor der Bedeutung der Herausforderungen. Das heißt nicht, dass man ohne letztere spielen und sich einfach gegenseitig was Cooles erzählen sollte. Man kann Herausforderungen eher als kreative Beschränkungen ansehen, die den Einsatz der eigenen Resourcen inklusive Phantasie und erzählerischer Begabung erfordern, um mittels ihrer die Story und die Actionszenen zu gestalten.

Die üblicherweise sehr hohen Freiheitsgrade, die die Spieler in Sachen Beschreibung von Aktionen sowie Hinzufügen von Fakten bei cinematischem Spiel üblicherweise haben, stehen klassisch herausforderungsorientiertem Spiel allerdings noch mal dick im Weg. Davon mit DnD, Rolemaster und Konsorten cinematisch spielen zu wollen, halte ich auch nichts.
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Offline Eadee

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #2 am: 21.11.2018 | 08:28 »
Gruppe sucht Spieler: unser SL ist kein kompletter Arsch!

Es gibt genau eine Spielrunde die ich als cineastisch propagiert habe, dabei habe ich aber auch immer klar definiert was ich meinte.

Es war eine V:tM Kampagne (eigentlich ein WoD Crossover, aber die Spieler haben alle Vampire gespielt) welche in LA spielte und da dort offensichtlich die Regeln von Hollywood gelten (Konsens formt die Realität,  siehe M:tA) war dies eine Spielrunde in der nicht nur Autos explodierten wenn man auf den Tank schießt sondern auch Druckwellen Personen deutlich weiter wegschleudern, sie aber dafür weniger verletzen als es realistisch wäre.

Abseits dieser Kampagne betitele ich unseren Spielstil eigentlich nie als cineastisch. Die Regel "du stirbst nur wenn du dummes tust UND schlecht würfelst" verwende ich auch, allerdings mache ich auch ganz schnell klar, dass es "etwas dummes" ist aus einem Kampf nicht zu fliehen den man nicht offensichtlich locker gewinnt. Ergo schicke ich meinen Spielern nicht unprovoziert Assasinen auf den Hals, werfe nicht mit schweren Musikinstrumenten von hohen Gebäuden und lasse sie nicht von einem einzigen Crit eines einsamen Goblins verrecken (wenn sie sich mit einer Übermacht an Goblins anlegen ist das etwas anderes).

Insofern ja. "Unser Meister ist kein kompletter Arsch" wäre der ideale Werbespruch für meine Runde, würde ich nicht das Motto von John Wick (der Game Designer, nicht die Actionfilm-Rolle) leiten: "Be a gm your players love to hate."

Offline Issi

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #3 am: 21.11.2018 | 08:47 »
Actionfilm wäre bei uns z. B.  viel zu kurz gegriffen.
Ich bevorzuge das Genre Fantasy.
Das besteht aus: Drama, Historien, Action und Abenteuer gleichzeitig.
Vielleicht auch deshalb weil die Mädelsquote bei 50 % liegt, da wäre nur Action einfach zu langweilig.
(Mich langweilen im Kino auch Actionfilme, die zwar jede Menge Special Effects haben aber keine interessante Geschichte und zu flach gezeichnete Charaktere )

Ich finde Rollenspiel deshalb sogar besser als Kino,  weil.... man nicht im Vorfeld weiß wie es ausgeht. Weil man selbst der Held ist... d. H.  man sieht ihm oder ihr nicht bloß zu, sondern steckt in der Haut der Figur. Sieht durch ihre Augen.
Trifft Entscheidungen für die Figur, die dann wiederum den Verlauf der Geschichte beeinflussen.

Edit.
Das Ding bei Kinofilmen ist auch.... wegen Action.... der menschliche Körper kann Adrenalin nicht ewig aufrecht erhalten.Wenn also eine Actionszene die andere jagt, baut sich das Adrenalin irgendwann ab, und man erlebt statt Spannung stattdessen eine Art Abstumpfungsgefühl.
Na dem Motto: Schon wieder in Lebensgefahr?  Geht auch vorbei (hoffentlich schnell)

Genauso würde mir das auch im Rollenspiel gehen.
Deshalb lieber weniger Kämpfe,(gerne Hoch-tödlich mit interessanten Gegnern) und dafür mehr Geschichte (die sich entwickelt )und Charakterentwicklung.

Oder mal blöd gesagt: Wenn einmal am Abend ein wirklich cooler Kampf war, können auch zwei sein, dann reicht das eigentlich. Nonstop Kampf und Action auf Kosten von Figuren und Geschichte, fände ich tatsächlich nur langweilig und ermüdend.
Es macht auch mehr Spass Gegenspieler zu haben, die man kennt, oder die man fürchtet. Als diese Einweg XP Lieferanten.

Die Filme 300, Königreich der Himmel, Tiger and Dragon sind mMn. deshalb gute Action, weil sie auch Geschichte haben. Nicht zu vergessen GoT.
Gibts zwar alles nur im Heimkino, aber immerhin....  :D
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 09:40 von Issi »

Offline Seraph

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #4 am: 21.11.2018 | 08:50 »
Aber cineastisch bezieht sich doch nicht nur auf Actionfilme - oder?
So wie ich cineastisches Spielen verstehe (und umsetze), geht es nicht darum, coole Action zu fabrizieren und halbgöttergleich Sachen in die Luft zu jagen, sondern eher eine Reihe von Punkten umzusetzen, die mir persönlich beim Spielen wichtig sind:

- möglichst viel in-character reden
- schönen Ideen Vorrang vor Regeln geben
- Dialoge nicht aus der Meta-Ebene betrachten ("Ich frage den Polizisten, ob er etwas zu den verschwundenen Kindern weiß"), sondern möglichst ausspielen
- als SL (in Maßen) auch filmische Stilmittel zur Beschreibung nutzen ("Während ihr zum Tatort fahrt, zoomt die Kamera heraus. Euer Auto wird kleiner und kleiner und verliert sich irgendwann auf dem brodelnden Freeway der modern Großstadt")
-filmische Stilmittel zum Ausspielen von Szenen nutzen (Flashbacks, Parallelhandlungen, das klassische "unbekanntes Opfer stirbt am Anfang eines Films, um die Macht des Monsters/des Antagonisten zu demonstrieren" usw.)

Vermutlich kommt da noch mehr dazu, aber ad hoc fällt mir gerade nur das ein. Natürlich funktioniert das in regelarmen Settings deutlich simpler als in regellastigen Settings. Und man muss vermutlich auch ein Faible dafür haben, Regelsystem grundlegend zu simplifizieren.
I had a dream, which was not all a dream.
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Tegres

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #5 am: 21.11.2018 | 09:18 »
Vorweg: Für mich ist der Begriff "cinematisches Rollenspiel" recht inhaltsleer. Tatsächlich habe ich bis zum Post oben noch nicht mal einen Versuch der Begriffsdefintion gelesen (bin aber auch noch nicht so lange dabei, als dass ich irgendwelche Forendiskussionen von vor zwei Jahren kennen würde).

Ich sehe Helden in Actionfilmen oft genug scheitern. Meistens ist das nicht final, aber das ändert nichts daran, dass auch die Herausforderung zwischendurch erst mal überwunden werden will.
Diesem Punkt möchte ich beipflichten. Bei einem guten Actionfilm hat der Zuschauer den Eindruck, der Held könnte scheitern. In guten Actionfilmen scheitert er sogar häufig, nur um sich dann wieder zurück zu kämpfen (siehe "Mad Max: Fury Road", "Stirb langsam" etc.). Ich empfehle dazu dieses Video von David Hain, der sich im Allgemeinen mit Filmhelden und im Speziellen mit dieser Verwundbarkeit von (Action-)Helden beschäftigt.

Außerdem kann man argumentieren, dass der Held einer Geschichte nicht überlebt, weil er der Held ist (also das schon "vorherbestimmt" ist), sondern er der Held ist, weil er überlebt. Diese Sichtweise/Herangehensweise verträgt sich wiederum ganz wunderbar mit herausforderungsorientem Rollenspiel.

Offline Issi

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #6 am: 21.11.2018 | 10:13 »
Im Kino funktioniert Spannung mMn. so :
1.Identifikation mit dem Helden. (Der Zuschauer sollte sich dafür interessieren wer der Held ist, und wie es mit ihm weitergeht -Geschichte)
2. Aufgabe. (Der Held bekommt eine Aufgabe, egal welche - es kann auch nur -Überleben-sein)
3.Hindernisse.(Der Held wird mit Gegnern und Hindernisse konfrontiert, ob er die Aufgabe erfüllen kann, wird in Frage gestellt)
4.Auflösung.
(Die Geschichte des Helden kommt zu einem Ende. Entweder es gelingt oder misslingt ihm, oder eine Mischung aus Beidem. Vielleicht hat sich seine Aufgabe auch zwischenzeitlich geändert, bei einem Plot twist z. B. )

In manchen Rollenspiel Runden scheitert es meistens schon an
1. Der Identifikation
Durch...
Helden, denen zu wenig Interesse geschenkt wird.
(Wer ist der Held? Was macht ihn interessant?
Hat der Spieler auch Lust den SC zu spielen?
Interessiert sich auch der SL dafür wie es mit den einzelnen SC weitergeht? )

Dann geht es weiter mit
2. die Aufgabe wird uU. etwas lieblos draufgeklatscht.
- Ist das Abenteuer für die Figuren da?() oder sind dem SL die Figuren egal, solange sie nur sein Abenteuer mitspielen?
3.
Bei den Hindernissen -dann nur austauschbare Gegner, RR. etc. Vielleicht keine Spannung weil die Helden sicher überleben müssen, damit sie im Finale noch dabei sind.
4.
Ein Ende nach SL-Plan.

Das ganze nochmal in pro Cinema:
1.Der Spieler kann sich mit seiner Figur identifizieren.
Er und seine Mitspieler (inklusive SL) wollen wissen wie es mit ihr weitergeht.
2.Die Aufgaben sind für die Figuren (Spieler)da und nicht umgekehrt. Die Motivation für SC eine Aufgabe zu übernehmen ist irgendwo für die Spieler nachvollziehbar.
3.die Gegenspieler und Hindernisse tragen auch zu einer Charakterentwicklung einzelner SC bei. Und passen zu ihrer Geschichte.
4. Scheitern ist möglich.Der  Erfolg ist nicht garantiert. So bleibt es für alle spannend.
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 10:41 von Issi »

Offline KhornedBeef

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #7 am: 21.11.2018 | 10:41 »
Ja, der Held  ist der Held, weil er überlebt. Aber wenn du den Film machst, gehst du genau rückwärts vor. Und hier im Thread ging es ja auch nicht darum, dass mal jemand im Nachhinein etwas cinematisch findet, sondern dass es generell angestrebt wird.

Ich finde übrigens, warum "viel in-character reden" gerade cinematisch sein soll, bedarf einer Erklärung.
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Offline Issi

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #8 am: 21.11.2018 | 10:49 »
Ja, der Held  ist der Held, weil er überlebt. Aber wenn du den Film machst, gehst du genau rückwärts vor. Und hier im Thread ging es ja auch nicht darum, dass mal jemand im Nachhinein etwas cinematisch findet, sondern dass es generell angestrebt wird.
Es gibt auch den  Helden....
...der sich am Ende selbst opfert, damit andere überleben können.
(Für Sparta! ~;D)
Es gibt den tragischen Helden etc.

Nicht das Überleben macht den Held zum Helden, sondern sein Mut bzw. seine Entschlossenheit. Oder seine Bereitschaft Ungewöhnliches zu tun.
Oder auch besondere Umstände, die ihn in die Heldenrolle zwingen.
Es gibt auch den Antihelden. Der mit sämtlichen Klischees bricht, und trotzdem noch ein Held ist.
"Deadpool" z. B.

Edit. Nicht wenige Mary Sues und Gary Stus finden am Schluss ein tragisches Ende.

Das Verständnis -ein Held ist nur Held, wenn er sicher überlebt- ist mir unbekannt. Woher kommt das denn?
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 10:57 von Issi »

Offline Crimson King

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #9 am: 21.11.2018 | 10:59 »
Aber cineastisch bezieht sich doch nicht nur auf Actionfilme - oder?

Im Rollenspiel wird cinematisch im Allgemeinen mit Actionkino gleich gesetzt. Eine allgemeine Anwendung ergäbe auch nur bedingt Sinn, weil das Medium Film zu vielseitig ist.
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Offline Althalus

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #10 am: 21.11.2018 | 11:38 »
Zitat
Im Rollenspiel wird cinematisch im Allgemeinen mit Actionkino gleich gesetzt. Eine allgemeine Anwendung ergäbe auch nur bedingt Sinn, weil das Medium Film zu vielseitig ist.
Nicht ganz, IMHO. "Cinematisch" gibt's eigentlich im Deutschen gar nicht - es ist eine Eindeutschung des englischen "cinematic".
Nun verstehen die Angelsachsen unter dem Begriff aber wiederum nicht "Action" (aber natürlich auch), sondern vor allem den Unterschied in den Stilmitteln im Storytelling zwischen Buch und Film.

Das "klassische" RPG hat ein kontinuierliches Storytelling, ähnlich der Erzählung in einem Buch. Da werden z.B. die Einkäufe beim Händler und das Übernachten im Gasthaus zumindest erwähnt. Außerdem sind Abenteuer mehr oder weniger linear aufgebaut - eben Anfang, Plottwists, Spannungsbogen, Endkampf.

Dahingegen muss "cinematic" kein kontinuierliches Storytelling haben. Wie im Film gibt es Off-Screen Szenen, die weder ausgespielt werden, noch besondere Erwähnung finden. Es muss nicht einmal genau definiert werden, woher die SCs sich z.B. kennen - wenn die Gruppe in der Eröffnungsszene schon zusammen ist, ist das eben so.
Es ist auch der szenische Aufbau, der wesentlich ist. FFG macht das in StarWars z.B. sehr stark, indem jedes Abenteuer aus Encounters zusammengesetzt ist. Das sind Szenen, in denen "sich etwas tut", also alles, was man auf der Leinwand zeigen würde.
Ebenso ist im Kampf die "gezeigte" Action relativ zielorientiert. Während beim klassischen Abenteuer das Besiegen von Gegnern bereits ein Ziel ist, sind im "cinematic" RP Kämpfe immer Mittel zum Zweck (oder sollten es sein). Das "Wie" ist dabei meistens wichtiger als das "Ob".

Und natürlich hängt daran auch die Charakterorientierung. Während die Amis z.B. sehr stark in D&D-Schranken denken, und ihre Chars entsprechend vor allem über Werte definieren, wird beim "cinematic" RP gerade der Charakter als Person herausgestellt. Sei das jetzt über Motivationen, irgendwelche Mechaniken für Antriebe (Schuld, Pflicht, Moral, etc.) oder durch Belohnungen für "Charakterspiel" (Style Points, etc.).

Natürlich wird jede Gruppe Elemente aus beiden Bereichen verwenden, ganz klar. Es ist ja auch nicht jeder Film gleich aufgebaut.

Ich finde diese Definition, so man das so nennen will, etwas schlüssiger in Bezug auf die Systeme, die sich das Mäntelchen umhängen.
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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #11 am: 21.11.2018 | 12:14 »
"Cinematic" kenne ich als Begriff eigentlich nur von GURPS, wo ja normalerweise der große Möchtegernrealitätssimulationismus herrscht (es leben die deutschen Bandwurm-Wortkonstruktionen! ;)) und der Term entsprechend an "unrealistische, aber unterstützte" Zusatzregeln, -fähigkeiten und dergleichen drangeklatscht wird. Außerhalb dieses Zusammenhangs ist er mir trotz Jahren auf rpg.net persönlich praktisch nie untergekommen. Schon ein bißchen eigenartig... 8]

Und es lohnt sich mMn auch gar nicht, sich zu sehr speziell an Vergleichen zum Medium Film im Allgemeinen und Actionfilm im Besonderen aufzuhängen -- dafür haben Geschichten, seit die Menschheit angefangen hat, sie sich zu erzählen, bei allen offensichtlichen Unterschieden zwischen den Erzählmethoden (Filme, Bücher, Fernsehserien, Comics, Puppentheater, Vortrag des Märchenerzählers auf dem Basar...) einfach zuviele Gemeinsamkeiten. Ein einfaches Beispiel, da der Faden ja schon Bezug darauf genommen hat: der "Held" der Geschichte mag nun überleben oder im passenden dramatischen Finale ums Leben kommen, das ist beides mit seiner Heldenrolle durchaus vereinbar...aber daß er (vielleicht auf Grund von Würfelpech?) beispielsweise schon in den ersten drei Minuten abnippelt und die Geschichte dann noch zwei Stunden weitergeht, ohne sich nennenswert weiter mit ihm zu beschäftigen, das geht auf alle Fälle gar nicht. Da schaltet unser Leser/Zuhörer/wasauchimmer ganz automatisch auf "also, das kann schon mal nicht unser Held gewesen sein, ist ja schon weg vom Fenster".

Offline Grimtooth's Little Sister

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #12 am: 21.11.2018 | 12:15 »
 Ich hab lieber realistischeres Kino, weswegen ich meine Runden wenn überhaupt als Serie oder Fernsehfilm beschreibe  ;)
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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #13 am: 21.11.2018 | 12:37 »
Ich kann hier bis jetzt echt mit keiner Definition von cinematisch komplett etwas anfangen. Zu wenig Bezug zum Kino/Film, zu viel Überschneidungen. Ist irgendwie alles nicht griffig genug, um eine Diskussion zu beginnen. Oder?
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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #14 am: 21.11.2018 | 12:47 »
Nicht ganz, IMHO. "Cinematisch" gibt's eigentlich im Deutschen gar nicht - es ist eine Eindeutschung des englischen "cinematic".
Nun verstehen die Angelsachsen unter dem Begriff aber wiederum nicht "Action" (aber natürlich auch), sondern vor allem den Unterschied in den Stilmitteln im Storytelling zwischen Buch und Film.

Meinst du mit Angelsachen ängelsächsische Cineasten und Filmwissenschaftler oder angelsächsiche Rollenspieler, die für sich proklamieren, cinematisches Rollenspiel zu betrieben?

Mir ist in meinen 30 Jahren Rollenspielerfahrung der Begriff cinematisches Rollenspiel oder cinematic roleplaying ausschließlich im Kontext der Emulation actionlastiger Genres untergekommen, beispielsweise Hongkong Action Kino, Swashbuckling, Star Wars RPG oder Wuxia.

Davon abgesehen verwendet der Threadersteller den Begriff in diesem Sinn und es ist nicht zielführend, diese Diskussionsgrundlage in Frage zu stellen. Wenn man eine andere Definition für cinematisches Rollenspiel bevorzugt, kann man das ja gerne diskutieren, sollte dafür aber einen anderen Faden aufmachen.
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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #15 am: 21.11.2018 | 13:52 »
Ein einfaches Beispiel, da der Faden ja schon Bezug darauf genommen hat: der "Held" der Geschichte mag nun überleben oder im passenden dramatischen Finale ums Leben kommen, das ist beides mit seiner Heldenrolle durchaus vereinbar...aber daß er (vielleicht auf Grund von Würfelpech?) beispielsweise schon in den ersten drei Minuten abnippelt und die Geschichte dann noch zwei Stunden weitergeht, ohne sich nennenswert weiter mit ihm zu beschäftigen, das geht auf alle Fälle gar nicht. Da schaltet unser Leser/Zuhörer/wasauchimmer ganz automatisch auf "also, das kann schon mal nicht unser Held gewesen sein, ist ja schon weg vom Fenster".
Naja, es handelt sich im Rollenspiel ja um eine ganze  Heldengruppe.
Könnte auch sein wie bei "Alien" z.B. .
Man hat am Anfang ein Crew, die sich dann stückchenweise verkleinert.
Am Schluss bleiben nur noch wenige übrig. Oder halt keiner.

Selbst bei den Avengers springen ja inzwischen ab und an ein paar über die Klinge. Vermutlich, weil sonst keine Spannung mehr da wäre.

Wenn man das also im Rollenspiel so hinbiegen will, dass wirklich jeder in der Grupe ein unentbehrlicher Held ist, der sicher bis zum Ende überlebt, wäre das mMn. wenig spannend.
Und eigentlich auch nicht wie in gutem Kino.
>;D

Edit. Bei einem einzigen Helden, gebe ich dir natürlich Recht.
Wenn der früh stirbt, ist der Film vorbei.  :)

Wobei es in Kinofilmen in so einer Gruppe meist A, B und C Helden gibt.
Und die sterben dann meistens in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge.
(Also entbehrliche und weniger entbehrliche Charaktere.)
Im Rollenspiel wollen Spieler idR. alle den A Helden spielen. Und das ist eigentlich nicht Kino-Like.
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 14:20 von Issi »

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #16 am: 21.11.2018 | 14:29 »
Naja, es handelt sich im Rollenspiel ja um eine ganze  Heldengruppe.
Könnte auch sein wie bei "Alien" z.B. .
Man hat am Anfang ein Crew, die sich dann stückchenweise verkleinert.
Am Schluss bleben nur noch wenige übrig. Oder halt keiner.

Und je länger sie überleben, um so "heldenhafter" oder zumindest um so mehr "Hauptperson", richtig? ;)

Nun ist natürlich mit der Unterschied zwischen erzählter Geschichte und real miterlebter Entwicklung der, daß in der einen der "Heldenstatus" schon von vornherein zementiert ist, auch wenn's das Publikum beim ersten Mal vielleicht noch nicht weiß, während bei der zweiten im Vorfeld niemand weiß, wer am Ende das Rennen macht und in die Geschichtsbücher eingeht. (Das schlägt sich nebenbei auch in Geschichten aus der Geschichte nieder -- weil die zum Zeitpunkt der Erzählung schon feste Vergangenheit ist und man's hinterher immer besser weiß, kann man sich seine Helden dann auch zuverlässig passend aussuchen.) Und speziell "herausforderungsorientiertes" Rollenspiel am Tisch ist nun mal -- für Leute, die sich eher von klassischen Abenteuer- und Heldengeschichten inspiriert fühlen, oft dummerweise -- gerade eher das Modell "real miterlebte Entwicklung"...ob da also am Ende tatsächlich eine so tolle "Geschichte" im klassischen Sinn herauskommt oder eben nicht, ist dann zum großen Teil einfach eine Frage des Zufalls, und damit meine ich nicht mal nur die Würfel. Will ich also umgekehrt eher "geschichtenorientiert" spielen, dann muß ich entweder ein System verwenden, das mir passende Hilfsmittel von vornherein auch bietet...na ja, oder in Ermangelung eines solchen ein mehr klassisch "simulativ-herausforderungsorientiertes" soweit mit Hausregeln und SL-Fiat und dergleichen in Brezelform bringen, daß es dieselbe Funktion zumindest notdürftig und unter Protest auch mal erfüllt. Ich denke, aus der Wortwahl heraus ergibt sich schon so ungefähr, welchen Ansatz ich da für sinnvoller halte. :)

Offline Issi

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #17 am: 21.11.2018 | 14:35 »
Und je länger sie überleben, um so "heldenhafter" oder zumindest um so mehr "Hauptperson", richtig? ;)

Nun ist natürlich mit der Unterschied zwischen erzählter Geschichte und real miterlebter Entwicklung der, daß in der einen der "Heldenstatus" schon von vornherein zementiert ist, auch wenn's das Publikum beim ersten Mal vielleicht noch nicht weiß, während bei der zweiten im Vorfeld niemand weiß, wer am Ende das Rennen macht und in die Geschichtsbücher eingeht.
Ganz ehrlich: Doch das weiß man idR.
Man kann eigentlich ganz gut einschätzen, wer die wichtigen Hauptfiguren sind.
Genau deshalb gab es z.B. in GoT von den Fans auch am Tod von Jon Snow soviele Zweifel.  Mehr als bei allen anderen Toten.
A la :"Der kann doch nicht tot sein, das geht nicht. Der ist doch die Hauptfigur!"
Und ja das war richtig.
Deshalb wird er, genau wie Dani auch bis zur letzten Staffel dabei sein.
Und man wusste es mMn. auch von Anfang an.

Und Figuren die sterben können, steht das idR. auch leider oft auf die Stirn geschrieben.
Oft gibt es in Filmen nämlich nur eine männliche und eine weibliche Hauptfigur. Der Rest sind eher Nebenplots.
Bzw. Tarnung um die eigentlichen Hauptcharaktere.

 
Zitat
Und speziell "herausforderungsorientiertes" Rollenspiel am Tisch ist nun mal -- für Leute, die sich eher von klassischen Abenteuer- und Heldengeschichten inspiriert fühlen, oft dummerweise -- gerade eher das Modell "real miterlebte Entwicklung"...ob da also am Ende tatsächlich eine so tolle "Geschichte" im klassischen Sinn herauskommt oder eben nicht, ist dann zum großen Teil einfach eine Frage des Zufalls, und damit meine ich nicht mal nur die Würfel. Will ich also umgekehrt eher "geschichtenorientiert" spielen, dann muß ich entweder ein System verwenden, das mir passende Hilfsmittel von vornherein auch bietet...na ja, oder in Ermangelung eines solchen ein mehr klassisch "simulativ-herausforderungsorientiertes" soweit mit Hausregeln und SL-Fiat und dergleichen in Brezelform bringen, daß es dieselbe Funktion zumindest notdürftig und unter Protest auch mal erfüllt. Ich denke, aus der Wortwahl heraus ergibt sich schon so ungefähr, welchen Ansatz ich da für sinnvoller halte. :)
Ich sehe da ehrlich gesagt nicht soviel Widerspruch.
Denn die Gefahr zu sterben, steigt in einem Plot normalerweise stückchenweise an. Will sagen- die Gefahr am Anfang eines Abenteuers zu sterben ist ohnehin wesentlich kleiner als am Ende. Weil man muss sich ja idR. erst mal mit jmd. Gefährlichem anlegen, oder sich Feinde machen, bevor man in den Genuss einer lebensgefährlichen Auseinandersetzung kommt.
Und der Spannungsaufbau in Plots sorgt da idR. auch dafür, dass es einen zeitlichen Ablauf gibt- wann welche Gegner auf den Plan treten.
Die Gefahr frühzeitig durch Würfelpech und falsche Entscheidungen zu sterben mag es zwar geben, aber sie ist mEn. in den meisten Fällen nicht sehr groß.

Kann man mEn. ganz gut über den Plot regeln. Relativ unabhängig vom System.
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 15:07 von Issi »

Offline Lord Verminaard

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #18 am: 21.11.2018 | 18:01 »
Schöner Post, ich denke, du deckst die wesentlichen Ausprägungen ab, auch wenn ich das zwischen den Zeilen die ganze Zeit mitschwingende Augenrollen eher nicht teile. :P ;) An einer Stelle muss ich aber widersprechen, und zwar hier:

Zitat
Es wird in diesem angeblich cinematischen Rollenspiel unheimlich oft verkannt, dass ein Film nur deswegen rund läuft, weil alles vorgeplant ist und der Held sich quasi darauf verlassen kann, dass ihm nichts passiert - jedenfalls nichts Endgültiges. Das funktioniert am Tisch nur, indem entweder der Plot vorgezeichnet ist oder man zumindest nichts wirklich falsch machen kann. Diese Art von Spiel klammert also einmal den Charaktertod aus und viel wichtiger: es fordert dem Spieler keine guten Entscheidungen ab.

Dazu möchte ich zwei Punkte anbringen, einen bezogen auf Filme und einen bezogen auf jegliche Form erzählerischen Rollenspiels.

1) Ein Film ist zwar vorgeplant, aber das weiß ja der Protagonist nicht, und ein guter Actionfilm ist auch und gerade deshalb spannend. Vergleiche statt aller Stirb Langsam, Teil eins. John McClane denkt sich nicht „ach, alles Zwischengegner“, John McClane denkt sich „ach du Kacke ach du Kacke ACH DU KACKE“, Darstellung und Regie nehmen den Zuschauer dabei emotional voll mit, und das macht den Film so gut. Richtig ist, dass im modernen Actionkino (auch späteren Teilen derselben Reihe) dieser Aspekt teilweise vernachlässigt wird, solche Filme werden aber nie so sauspannend sein, wie der Original Stirb Langsam.

2) Aufs Rollenspiel bezogen, haben immer wieder Leute die These vertreten, dass diese Art von Spannung durch ein tödliches Kampfsystem erzeugt werden kann. Meine Erfahrung besagt aber eher, dass mit einem tödlichen Kampfsystem eine solche Handlung gar nicht zustande kommt, weil Charaktere dann so gar nicht agieren, sondern viel vorsichtiger, viel taktischer vorgehen, um sich möglichst nicht dieser Gefahr auszusetzen. Oder du brauchst einen doppelten Boden wie Wiederbelegung in D&D.

Wenn man also Action „wie im Film“ spielen will, dann kriegt man diesen „ACH DU KACKE“ Faktor in der Tat nicht 1:1 abgebildet, weil man regeltechnisch schon irgendwo überblickt, dass der Charaktertod eine recht weit entfernte Möglichkeit ist. Gute Entscheidungen brauchst du aber trotzdem für gutes Spiel. Du bist dann halt im Erzählspiel-Territorium, hier kann es zum Einen, wie du richtig sagst, um die Form gehen, um coole Schauplätze, coole Moves, coole Sprüche, es kann aber Spannung durchaus auch entstehen, wenn etwas auf dem Spiel steht, was dem Spieler und dem Charakter wichtig ist. Mal ein Beispiel aus eine Runde, die ich vor ein paar Monaten geleitet habe:

Die Runde war im Potterverse angesiedelt, System war The Pool. Die Charaktere befanden sich in Uagadou, der Zaubererschule im Bergland von Uganda. Es fand ein Quidditch-Freundschaftsspiel statt, wobei das Stadion ein natürlicher, zu einer Seite offener Talkessel mit steilen Felshängen war, unten Nebel, an einer Seite ein Wasserfall, die Quidditch-Ringe an langen Seilen darüber gespannt, zwei gigantische Gorillastatuen in die Flanken des Berges gemeißelt. Cooler Schauplatz: Check.

Es griffen dann fiese Schwarzmagier eines afrikanischen Geheimkultes an, die einen der Spielercharaktere gefangen nehmen wollten (lange Geschichte). Es kam zum Kampf, der zwischen SL und Spielern im Dialog erspielt wurde, Aktion und Reaktion, gelegentlich wurde auch mal gewürfelt, es gab natürlich coole Moves (Schmierseife-Flüche auf dem Berghang, Ranholen von Besen mittels „Accio“-Zauber, Sturzflüge in den Nebel), unterarmlange Killerbienen waren auch dabei, Panik unter den Zuschauern usw. usf. So weit, so „Form“, aber das alleine hat schon mega viel Spaß gemacht und war voller Überraschungen und (für alle, auch den SL) unerwarteter Wendungen.

Und dann kam es zum Showdown mit dem Bösewicht, einem Todesser aus England, Verbündeter der afrikanischen Schwarzmagier, Drahtzieher des Mordes an den Eltern eines SC und zugleich der Vater einer anderen SC. Nun kam es erstens zum Dialog zwischen Vater und SC-Tochter, in dem die Tochter, die immer noch auf das Gute in ihrem Vater gehofft hatte, endgültig einsah, dass ihr Vater einfach nur ein fieses Arschloch war, und sich gegen ihn und auf die Seite ihres SC-Freundes stellte. Und zweitens kam es zum Kampf, der in The Pool natürlich ein einziger Würfelwurf (Konflikt) ist. Hier wäre ein Scheitern nicht tödlich gewesen, aber es hätte die Demütigung des SC und das Entkommen des Schurken bedeutet, während bei einem Erfolg der SC endlich seine langjährige Vendetta zum Abschluss gebracht und die Verantwortlichen für den Tod seiner Eltern alle dingfest gemacht hätte. Es stand hier also durchaus sehr viel auf dem Spiel, und dementsprechend befriedigend war auch der Erfolg.


Ja okay das war jetzt schon der große Showdown, auch wenn die Geschichte danach noch weiterging (übrigens hatte ich den Showdown ursprünglich anders geplant gehabt, das am Rande). Aber der Punkt ist, es kann durchaus sehr viel auf dem Spiel stehen und es kann durchaus sehr spannend sein, auch ohne dass die Möglichkeit des Charaktertodes regeltechnisch überhaupt im Raum steht. Du hast insofern Recht, als ein konventionelles Regelwerk dabei nur im Weg gewesen wäre. Aber dass hier von Spielern „keine guten Entscheidungen abgefordert wurden“, ist Unsinn, hier erliegst du einer Taktiker-Bias. Natürlich bestraft erzählerisches Rollenspiel schlechte Entscheidungen nicht auf genau die Weise, wie es taktisches Rollenspiel tut, d’uh. Aber dass irgendeiner der Mitspieler in der genannten Runde irgendwas anderes als sein absolut Bestes in dieser Szene gegeben hätte, ist ein völlig abwegiger Gedanke. Es galt der Geschichte, es galt den Charakteren gerecht zu werden, alles andere wäre völlig inakzeptabel gewesen.

Ich glaube, woran du denkst, ist diese bescheuerte „everybody is awesome“ Mentalität, von der man manchmal so liest, wo ein Spielleiter jede noch so dummer Aktion positiv aufnehmen und beklatschen soll. Das ist (oh jetzt mach ich mir wieder Feinde) einfach nur lahmes Spiel für lahme Spieler. Das hat mit gutem erzählerischem Rollenspiel absolut nichts zu tun.
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 18:10 von Lord Verminaard »
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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #19 am: 21.11.2018 | 18:39 »
[...] (oh jetzt mach ich mir wieder Feinde) [...]

Na, wenigstens siehst du's ein. ~;D

Wobei ich, wohlgemerkt, in der Sache anscheinend gerade voll auf deiner Seite bin -- daß aus einer geringen bis gar nicht vorhandenen Chance ausdrücklich auf Charaktertod noch lange nicht folgt, daß die Spieler und ihre Charaktere nicht trotzdem Bockmist bauen können (dürfen), predige ich ja seit einiger Zeit auch schon immer wieder mal, nur an meiner Ausdrucksweise muß ich eindeutig noch feilen. :d

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #20 am: 21.11.2018 | 18:48 »
Vermutlich kommt da noch mehr dazu, aber ad hoc fällt mir gerade nur das ein. Natürlich funktioniert das in regelarmen Settings deutlich simpler als in regellastigen Settings.

Da siehst du mal - ich würde nichts von deiner Liste unter Cinematik verorten. Und was funktioniert da warum genau nur mit regelarmen Systemen (nicht Settings)?
Das findet doch alles abseits der Spielmechanik statt (außer das Ignorieren von Regeln, aber dafür ist ja auch wieder egal, was ich ignoriere...).

Bei einem guten Actionfilm hat der Zuschauer den Eindruck, der Held könnte scheitern. In guten Actionfilmen scheitert er sogar häufig, nur um sich dann wieder zurück zu kämpfen (siehe "Mad Max: Fury Road", "Stirb langsam" etc.).

Ja, das ist eben alles das, was unter fail forward fällt - und fail forward ist ja weitgehend "Anscheins-Scheitern", d.h. eben geplante und erzählte, aber nicht erspielte Rückschläge. 
Filme bzw. generell Erzählungen haben keinen emergenten Verlauf, auch wenn sie auf diesen Anschein angewiesen sind.

Außerdem kann man argumentieren, dass der Held einer Geschichte nicht überlebt, weil er der Held ist (also das schon "vorherbestimmt" ist), sondern er der Held ist, weil er überlebt. Diese Sichtweise/Herangehensweise verträgt sich wiederum ganz wunderbar mit herausforderungsorientem Rollenspiel.

Das ist mMn ganz entschieden Illusion und Augenwischerei.
Damit dieser Gedanke Substanz beweisen kann, muss es ab und an zum Scheitern kommen und nicht immer nur die angenommene/behauptete Möglichkeit des Scheiterns bestehen.
Genau das ist schon die Abgrenzung von herausforderungsorientiertem Spiel zum "normalen" Rollenspiel, das in dieser Hinsicht so irgendwo zwischen den Stühlen sitzt und dann noch mal eine ganze Ecke deutlicher zum cinematischen Spiel.
"Es hätte ja sein können" zählt da mMn nicht, egal wie viel Geschick der SL beim Erzeugen dieser Illusion an den Tag legt. 

Das "klassische" RPG hat ein kontinuierliches Storytelling, ähnlich der Erzählung in einem Buch. Da werden z.B. die Einkäufe beim Händler und das Übernachten im Gasthaus zumindest erwähnt. Außerdem sind Abenteuer mehr oder weniger linear aufgebaut - eben Anfang, Plottwists, Spannungsbogen, Endkampf.

Dass "klassisches" Rollenspiel öfter mal unter ganz schlechtem Pacing und schlechten Schnitten leidet, da gehe ich mit.
Dass ein (gutes) Buch das genau so macht, ist aber schon deutlich nicht mehr so und umgekehrt folgen Filme (und Bücher) oft genug einem deutlich formelhafteren Spannungsbogen als das inhärent etwas verzettelte "klassische" Rollenspiel.

Und ein paar entlehnte Erzähltechniken (die auch nicht ursprünglich aus dem Film kommen, sondern dort nur sehr gut erkennbar sind) machen ein Spiel nicht cinematisch.
Was wäre, quasi als Gegenprobe, die andere Seite der Medaille? Landet man dann bei einem kohärenten Gegenstück oder nur beim erwähnten schlechten Pacing und verzetteltem Spiel?

Ich kann hier bis jetzt echt mit keiner Definition von cinematisch komplett etwas anfangen. Zu wenig Bezug zum Kino/Film, zu viel Überschneidungen. Ist irgendwie alles nicht griffig genug, um eine Diskussion zu beginnen. Oder?

Das war ja auch eine der Hauptrichtungen des Eingangsposts. Mir ging es ja gerade darum, aufzuzeigen, wie schwammig der Begriff ist und damit wie ungeeignet, um als Kurzdefinition für den Spielstil einer Gruppe herzuhalten.
Daher:
Davon abgesehen verwendet der Threadersteller den Begriff in diesem Sinn und es ist nicht zielführend, diese Diskussionsgrundlage in Frage zu stellen. Wenn man eine andere Definition für cinematisches Rollenspiel bevorzugt, kann man das ja gerne diskutieren, sollte dafür aber einen anderen Faden aufmachen.

Im Gegenteil. Je mehr hier inhaltliche bzw. definitorische Differenzen zutage treten, um so besser.
Es geht ja nicht um eine Tippsammlung für cinematisches Spiel und auch noch nicht mal um eine möglichst abschließende Definition, sondern gerade um die Schwammigkeit des Begriffs.
Da könnte man jetzt schon mit einem QED abschließen.


Schöner Post, ich denke, du deckst die wesentlichen Ausprägungen ab, auch wenn ich das zwischen den Zeilen die ganze Zeit mitschwingende Augenrollen eher nicht teile. :P ;)

Mein Augenrollen bezieht sich in erster Linie auf die beliebige, unbedachte Verwendung des Begriffs und als Nebenschauplatz auf Film-Tropes allgemein und Action-Tropes im Speziellen, von denen ich als erklärter Actionfilm-Liebhaber schon die Krätze bekomme und die ich dann erst recht nicht holprig in ein anderes Medium gezerrt sehen will - wenn man das macht, dann bitte richtig ;)

Aber dass hier von Spielern „keine guten Entscheidungen abgefordert wurden“, ist Unsinn, hier erliegst du einer Taktiker-Bias. Natürlich bestraft erzählerisches Rollenspiel schlechte Entscheidungen nicht auf genau die Weise, wie es taktisches Rollenspiel tut, d’uh. Aber dass irgendeiner der Mitspieler in der genannten Runde irgendwas anderes als sein absolut Bestes in dieser Szene gegeben hätte, ist ein völlig abwegiger Gedanke.

Ja, die "guten Entscheidungen" waren natürlich aus der Taktiker-Perspektive geschrieben. Ich störe mich da aber einzig und allein an der buckligen Mischform von herausforderungsorientiertem Spiel und cinematischen Einflüssen/Gesichtspunkten. 
Vielleicht hätte zum Einen meine Lobeshymne auf NHKS deutlicher ausfallen müssen (obwohl auch das marginale Herausforderungsorientierung hat, was aber in seiner Filmsparte wesentlich unproblematischer ist als im typischen westlichen Actionkino) und zum Anderen wollte ich damit sicher nicht behaupten, dass es in stringentem cinematischen Spiel keine guten und schlechten Spieler, Tagesformen und vor Allem Ergebnisse gäbe und das somit immer alles derselbe Einheitsbrei wäre.
 
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Issi

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #21 am: 21.11.2018 | 18:55 »
Zitat
2) Aufs Rollenspiel bezogen, haben immer wieder Leute die These vertreten, dass diese Art von Spannung durch ein tödliches Kampfsystem erzeugt werden kann. Meine Erfahrung besagt aber eher, dass mit einem tödlichen Kampfsystem eine solche Handlung gar nicht zustande kommt, weil Charaktere dann so gar nicht agieren, sondern viel vorsichtiger, viel taktischer vorgehen, um sich möglichst nicht dieser Gefahr auszusetzen. Oder du brauchst einen doppelten Boden wie
Lord V.
Ich gebe dir insofern Recht, dass es zu tödlich nicht sein darf.
Aber ich denke eben, dass es durchaus auch tödlich sein kann.
Es gibt ja sehr viel zwischen "SC können nicht sterben"- und "SC können mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben".

Mit einem "SC können mit geringer Wahrscheinlichkeit auch sterben" , ist mEn. schon gut Action möglich, zumindest wenn Spieler die Herausforderung und den Reiz dabei genießen können.
Wenn man Helden spielt, dann können die idR. ja auch genug (Superkräfte, Super Fähigkeiten), um sich nicht bei jeder Gefahr in die Hose zu machen.


Edit. Die Tödlichkeit bei Kämpfen muss in der Tat nicht hoch sein. Wenn sie aber da ist, und selbst wenn die Chance furchtbar gering ist, macht das mMn. einen großen Unterschied im Spielgefühl (bei Kämpfen)
als wenn sie gar nicht da ist.
« Letzte Änderung: 21.11.2018 | 19:52 von Issi »

Offline Deep One

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #22 am: 21.11.2018 | 19:47 »
Ich denke, bei "cinematischem Rollenspiel" handelt es sich mehr um ein SpielGEFÜHL als alles andere und dieses Spielgefühl definiert jede Gruppe für sich selbst*. Verschiedene Rolleenspiele versuchen, dieses Spielgefühl durch Regeln zu fördern - spontan fallen mir da das alte James Bond RPG ein, in dem Spieler möglicherweise erstmals offiziell Gummipunkte ausgeben konnten, um die Realität zu verändern (schrieb er und verließ sich auf Sekundärquellen) und das Buffy RPG (das erste offizielle "cineuni"-System, denke ich?), und die Richtung geht - oder könnte gehen - nach meinem Empfinden auch D&D4E mit seinen ganzen Superduper-Spezialangriffen, die nur 1x pro Kampf oder Tag gehen, ganz so wie die Stunts in Actionfilmen.

Zitat von: BTVS RPG
For the BtVS RPG, a cinematic, high-adventure
tone is crucial. Face it, folks in the
Buffyverse do things that “normal” types just
couldn’t imagine. The action is fast and furious,
and nobody needs or wants to sweat the details.
We are not even going to talk about the trajectory
of fire, or the scatter pattern of grenades. Not
that there’s anything wrong with that, if you are
into that stuff. We just want to get with the slaying
and staking around here, and not get bogged
down in that stuff.


Tatsächlich scheint sich die Definition von "cinematisch" bei BTVS ungefähr an Deiner im Eingangsbeitrag zu orientieren, YY, also "keine Hartwurst und irgendwie den Spielfluß flott halten", nur dass Du in Deinen Schlußfolgerungen entwas streng bist. Ich war mal Spieler in einem BTVS PbP und das fühlte sich genau an wie die Serie (ist bei einem PbP auch einfacher als am Spieltisch, weil das ganze Regeltechnische und Geplane und wat einfach im OOC-Thread verschwindet).

Wir können also festhalten: In der Praxis geht "cinematisch", auch wenn es zur Theorie nicht paßt.  :)


*(Was zugegebenermaßen ein etwas unglückliches Totschlagsargument ist, denn über Gefühle und Geschmack läßt sich nicht streiten.)

Offline Oberkampf

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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #23 am: 21.11.2018 | 20:03 »

Und genau das ist der Knackpunkt: Wenn einem Actionheld überhaupt irgendwas wirklich gefährlich wird, dann der "Endgegner". Weil der Film nicht mittendrin endet. Weil ein Scheitern an Mooks oder sonstigen Hindernissen zwingend antiklimaktisch ist.
Es wird in diesem angeblich cinematischen Rollenspiel unheimlich oft verkannt, dass ein Film nur deswegen rund läuft, weil alles vorgeplant ist und der Held sich quasi darauf verlassen kann, dass ihm nichts passiert - jedenfalls nichts Endgültiges. Das funktioniert am Tisch nur, indem entweder der Plot vorgezeichnet ist oder man zumindest nichts wirklich falsch machen kann. Diese Art von Spiel klammert also einmal den Charaktertod aus und viel wichtiger: es fordert dem Spieler keine guten Entscheidungen ab.

Man merkt doch selbst, ob z.B. typische Rollenspielkämpfe eigentlich nur noch lästige Pflichtübung sind, weil sie der dramatischen Perspektive nach gar nicht anders enden können als mit einem Sieg der SCs oder ziemlich positiv ausgerichtetem fail forward. Das kann man sich zumindest so weit sparen, dass man den Schwerpunkt auf die Form legt und nicht auf den Inhalt. Und selbst dann sind konventionelle Regelwerke noch im Weg.

[…]

Eine Stufe weiter unten geht es "nur" um cinematische Kämpfe, die aber trotzdem fordernd und ergebnisoffen sein sollen (aber nicht sind).
Besonders interessant und relevant ist hier das Thema Stunts - man will ja irgendwie "coole" Stunts und eindrucksvolle Aktionen.
Dabei wird aber mit schönster Regelmäßigkeit übergangen, dass eine unbedingte spielmechanische Förderung solcher Sachen sie alltäglich und beliebig macht, sie damit also gerade nicht mehr besonders und eindrucksvoll sind.
Selig jene, die sich hier allein an die Form statt an den Inhalt halten und diesen Bruch ignorieren können. Mir geht das meistens im Film aus dem gleichen Grund schon gegen den Strich - da muss es wirklich handwerklich gut gemacht sein, um mir zu gefallen, aber diese handwerkliche Ebene fällt im Rollenspiel ja gerade weg.
Ein guter Stunt im Rollenspiel ist ein gut beschriebener Stunt, nicht einer, der schwer auszuführen ist. Aber gut beschreiben kann ich auch andere Sachen und habe dann daran meinen Spaß...anders als an Gedankengängen und Vorgaben aus anderen Medien, die Entscheidungen und Verhalten in ziemlich enge Trichter zwingen.

Wie auch immer - hier gilt im Kleinen wie im Großen: Wer im Kampf zuverlässig glänzen will, der fordert wieder einmal mindestens scheibchenweise Plot Armor und eine Abkehr vom herausforderungsorientierten Spiel, egal, was er sich einredet.
Wie sollte ein (Zwischen-)Kampf voller cooler, sprich erfolgreicher Stunts aussehen, an dessen Ende ein ernsthaftes und nachhaltiges, ein echtes Scheitern steht bzw. stehen kann?





Die Unterscheidung zwischen speziell cinematischen auf der einen Seite und traditionellen Rollenspielen auf der anderen Seite leuchtet mir eigentlich ein. In der Praxis sind Systeme jedoch meistens eine Art von Mischform oder enthalten Elemente, die beide Spielweisen vereinigen wollen/sollen. Habe ich richtig verstanden, dass die Kritik darauf zielt?

Da im Eröffnungspost der Kampf im Abenteuer eine sehr wichtige Rolle spielt (pun not intended) und Kämpfe etwas sind, was mir am Rollenspiel gefällt, hier ein paar Überlegungen von mir:

Natürlich hat bei klassischem D&D-Dungeoncrawl ein Raum voller Goblins eine andere Funktion als ein Goblinüberfall bei einem cinematischen Fantasyrollenerzählspiel, sagen wir in einem Aysle-Abenteuer von TORG. (TORG, um mal meine erste persönliche Begegnung mit einem Rollenspiel zu erwähnen, das den Anspruch hatte, cinematisch zu sein.)

In einem niederstufigen D&D-Abenteuer (mit Ausnahme der 4. Edition) würden Spieler eher darüber nachdenken, wie sie den Kampf vermeiden oder - wahrscheinlicher - wie sie durch optimale Ausnutzung der Umstände, kluge Vorbereitung und gutes Ressourcenmanagement möglichst viele Kampfvorteile für sich herausschlagen, weil ein halbes Dutzend Goblins für eine niedrigstufige Gruppe zu einem Riesenproblem werden kann. (Die 5. Edition wäre da etwas gnädiger als AD&D.) In TORG wäre eine Konfrontation mit fünf oder sechs Goblins eine Standardszene und eine willkommene Ablenkung vom einhundertfuffzigsten Einkauf- oder Social Encounter.

Das bedeutet aber nicht, dass Kämpfe vor dem Endboss in cinematischen Rollenspielen völlig bedeutungslose Spielerbespaßung sind!

Zwar ist es wahr, dass bestimmte Risiken, wie z.B. der unvorhergesehene Charaktertod, in cinematischen Spielen ausgeklammert werden, das bedeutet aber nicht, dass Kämpfe deswegen komplett ohne Konsequenzen wären:

1) Auch in cinematischen Spielen können durch Kämpfe Ressourcen aufgebaut oder abgebaut werden, die sich auf den dramatischen Endkampf auswirken. Lebensernergie, Mana, Zauberslots, Ladungen magischer Gegenstände usw. können in Zwischenkämpfen verbraucht werden, was zwar nicht so gut ist wie die Illusion der Gefahr in einem Actionfilm, den Spielern aber doch deutlich vermittelt, dass die Situation sich zuspitzt. Umgekehrt können Kartenpools otimiert (TORG!), Gummipunkte gesammelt, magische Waffen erbeutet oder taktische Informationen (als z.B. Aspekte) erkämpft werden, die sich in der dramatischen Szene (TORG) des Endkampfes entscheidend auswirken. Dabei können auch kluge oder weniger kluge Entscheidungen getroffen werden.

2) Unterhalb der Lebensbedrohungsschwelle können in einem "Nebenkampf" abenteuer- oder spielweltrelevante Ziele erreicht oder verspielt werden. Der Goblinkampf in TORG dreht sich vielleicht nicht darum, ob ein SC stirbt, aber er kann den Tod eines Verbündeten NSCs oder die Raub eines mitgeführten Gegenstandes als Möglichkeit haben. Die Frage ist dann weniger, ob die Helden die Goblins besiegen, sondern in welcher Zeit ihnen das gelingt. Statt allein auf Plot-Armour zu schauen, kann man dabei auch den Plotstress (FATE) im Auge behalten.

Aus zumindest diesen beiden Gründen würde ich den Kämpfen in cinematischen Rollenspielen nicht vollständig eine eine taktische oder "herausforderungsorientierte" ebene absprechen. Zugegebenermaßen hat ein Kampf in einem cinematischen Rollenspiel andere Voraussetzungen (er muss z.B. von vorne herein sinnvoll in die Story eingebunden sein, während ein Kampf aus einer Zufallsbegegnung oder Raumerkundung eher hinterher in die Story eingefügt wird), aber er ist nicht nur eine lästige Pflichtübung, durch die der Storyteller durch muss, damit überhaupt noch jemand mit ihm spielt.


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Re: Aufgewärmt: Cinematisches Rollenspiel
« Antwort #24 am: 21.11.2018 | 20:20 »
Natürlich hat bei klassischem D&D-Dungeoncrawl ein Raum voller Goblins eine andere Funktion als ein Goblinüberfall bei einem cinematischen Fantasyrollenerzählspiel, sagen wir in einem Aysle-Abenteuer von TORG. (TORG, um mal meine erste persönliche Begegnung mit einem Rollenspiel zu erwähnen, das den Anspruch hatte, cinematisch zu sein.)

Stellt sich ebenso natürlich die Frage "Warum eigentlich?". Warum sind Kämpfe im Rollenspiel so viel häufiger und anscheinend für das Spiel auch wichtiger als selbst in ziemlich actionlastigen Werken aus anderen Medien (Michael-Bay-Filme vielleicht mal außen vor gelassen)? :think:

Und könnte es vielleicht rein zufällig irgendwie ganz vage und entfernt damit zusammenhängen, daß sie sich ursprünglich eben aus Kampfspielen entwickelt haben -- die nun meistens ihrerseits auf die sich im Kampf quasi mit abspielende "Geschichte" gar nicht großartig achten und außerdem meistens nach einem Gefecht schon wieder vorbei sind, wenn man nicht gerade eine dedizierte ganze Militärkampagne (hmmm...) durchzieht? 8]