Autor Thema: Was ist der Reiz an bösen SC?  (Gelesen 11670 mal)

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Offline AlucartDante

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #50 am: 29.07.2019 | 20:08 »
oh ja danke Maarzan, zumindest in meiner Jugend waren die von dir genannten Punkte viel häufiger anzutreffen, als jene dich geschrieben habe...

Offline Grey

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #51 am: 29.07.2019 | 20:14 »
Was reizt euch als Spieler, eine böse Person zu verkörpern?
Wie ich experimentell feststellen durfte: gar nichts.

Ich habe mich in mehreren Runden am Typus des abgebrühten Söldners, des gewissenlosen Diebes, des skrupellosen Intriganten und des machtgeilen Schwarzmagiers versucht. Dabei habe ich jedes Mal festgestellt, dass mir der Versuch, gewisse Grenzen zu überschreiten, einfach nur Ekel verursacht.

Interessanterweise kann ich als SL sogar großen Spaß daran haben, "das Böse"[TM] zu verkörpern. >;D Bis heute erfreue ich mich an einer Kampagne zu Uni-Zeiten, in deren Verlauf ich einem Spieler die Versuchung in Gestalt eines Dämons mit einem Pakt vorbeigeschickt hatte. Nicht nur der Spieler selbst ist voll reingerasselt, er hätte beinahe noch seine ganze Gruppe mit hineingezogen. Dieses innere Ringen mit den Spielern auszufechten, war spannender als jede offene Kampfszene.

Außerdem mag ich es, das Böse in Formen auftauchen zu lassen, in denen man sie nicht erwartet: der tyrannische Herrscher, der seine Willkür sparsam dosiert auf ein paar Minderheiten als Sündenböcke entlädt, während der größte Teil seines Volkes prosperiert und ihn als guten und gerechten Herrscher preist; der simple Bauer, der Frau, Familie, Mägde und Knechte rücksichtslos als sein Privateigentum behandelt; der kühle, nüchterne Schwarzmagier, der seinem Wissensdurst alles unterordnet (einschließlich ethischer Bedenken) ... solche Rollen verkörpere ich liebend gern als SL. Aber nicht als Spieler.
« Letzte Änderung: 29.07.2019 | 20:25 von Grey (away) »
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Offline Moonmoth

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #52 am: 29.07.2019 | 20:40 »
Die meisten "rein bösen" Charaktere sind schlicht sehr einfach gestrickt - immer nur das eigene Wohl und das Streben nach Macht auszuspielen hat für mich als Spieler wenig Reiz - eben weil es da eben keinen moralischen/ethischen Konflikt gibt, ganz im Gegensatz zu Helden, egal wie viele Fehler diese machen. Sie funktionieren in vielen Genres ziemlich gut, einfach weil die Helden im Konflikt mit ihnen erst zeigen können, was wirklich in ihnen steckt: Gutes, in ihrem Kern. So richtig schöne Edelschurken sind wirklich so nützlich!

Ich kann mir allerdings vorstellen, für eine kurze One/Manyshot Sache auch verschiedene echte Schurken zusammen zu bringen, am besten gezwungenermaßen in ihren Zielen vereint - gern auch mit ein wenig Spieler-gegen-Spieler Intrigenspiel. Am Ende ist es aber für mich ist nicht besonders glaubwürdig, dass wirklich böse Charaktere dauerhaft in einer Gruppe agieren, ohne dass sie ihren eigenen Reiz - nämlich ihre absolute Finsternis - verlieren und plötzlich ehrliche Kompromisse angehen. Am Ende kommt vielleicht durch, dass der "geisteskranke Killer" tatsächlich vor allem… tatsächlich krank ist und vor allem Hilfe braucht - und so ganz aus Versehen ein paar zusätzliche Dimensionen bekommt. Bah! >;D

Sobald wir in das Gebiet komplexerer Schurkenfiguren kommen - z.B. Magneto bei den X-Men - die durchaus auf ihre eigene Weise Gutes im Sinn haben und definitiv auch Helden sein könnten, aber durch die Wahl ihrer Mittel in Konflikt mit den Moralvorstellungen der Helden kommen - sind das wirklich böse Figuren? Das wollen wir hier ja explizit nicht diskutieren. Ich allerdings würde sagen: Als Spielercharaktere sind sie das nicht und irgendwann haben meine Gruppen aus ihren erzbösen Charakteren immer komplexere Figuren entwickelt, allein schon damit sie glaubwürdig mit den anderen zusammenarbeiten konnten. Das - oder die bösen Charaktere wurden irgendwann langweilig. Helden sind interessant, weil sie eben durchaus falsche Entscheidungen treffen, mit sich hadern und trotz alledem über sich hinauswachsen, wenn alles gut geht.

Jeder ist ja bekanntlich der Held seiner eigenen Geschichte… auch wenn ihn das vielleicht zum Schurken in den Augen anderer Leute macht.
« Letzte Änderung: 29.07.2019 | 20:51 von Moonmoth »
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Offline Jeordam

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #53 am: 29.07.2019 | 20:44 »
- Das Überschreiten der eigenen Grenzen
- Das Hineindenken in ein anders gelagertes Moralsystem (kommt viel öfter vor als man denkt, oder haben eure SCs noch nie Selbstjustiz geübt oder Straftaten mit Personenschaden begangen?)
- Das Aufbauen von Antagonisten mit Tiefgang. Vermutlich der krankeste Scheiss, den ich jemals gespielt habe, war die kannibalistisch/sadistisch/masochistisch/kriegstreibend/streitverursachend/komplett wahnsinnige Priesterin des Bösen Obergottes in einem Antagonisten-Intermezzo, in dem wir die Endgegner unserer regulären Kampagne erschaffen bzw. an die Macht gebracht haben. Wohlgemerkt: Die Gruppe bestand seit 8 Jahren, wir kannten uns alle sehr gut, alles war abgesprochen, Crossgender war bewusst gewählt um emotionalen Abstand zu schaffen und es war hart an der Grenze. Dafür gehört das Kampagnenfinale zu meinen Top3 ever.

Offline Grey

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #54 am: 29.07.2019 | 20:58 »
- Das Aufbauen von Antagonisten mit Tiefgang. Vermutlich der krankeste Scheiss, den ich jemals gespielt habe, war die kannibalistisch/sadistisch/masochistisch/kriegstreibend/streitverursachend/komplett wahnsinnige Priesterin des Bösen Obergottes in einem Antagonisten-Intermezzo, in dem wir die Endgegner unserer regulären Kampagne erschaffen bzw. an die Macht gebracht haben. Wohlgemerkt: Die Gruppe bestand seit 8 Jahren, wir kannten uns alle sehr gut, alles war abgesprochen, Crossgender war bewusst gewählt um emotionalen Abstand zu schaffen und es war hart an der Grenze. Dafür gehört das Kampagnenfinale zu meinen Top3 ever.
:o :d Das klingt doch mal richtig cool! Gibt's von dieser Kampagne ein Diary?
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Offline D. Athair

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #55 am: 29.07.2019 | 21:10 »
Wenn ich weiter drüber nachdenke:

Es könnte schon auch mal reizvoll sein die vier (durchaus jeweils für sich stehenden) Lebensziele (nach R. Walsh und R. de Ropp): Geld, Macht, Sex und Status, mit einem Charakter zu verfolgen, der sie opportunistisch und in moralischem Sinn "böse" zu erreichen sucht. Er wird sich trotzdem selbst für gut halten (weil ein positives Selbstbild für alle Menschen lebenswichtig ist).

Andererseits: Im "Murder-Hobo"-Spiel ist viel davon im Rahmen des "American Dream" (minus die harte Arbeit) schon miteingebaut.

... wenn man "dem Bösen" menschliche Lebensziele, Verhaltensmechanismen, psychologische Motive, ... zu Grunde legt, dann bleibt von dem Reiz des Bösen gar nicht mal mehr so viel. Das wird ziemlich schnell normal und banal. Bekommt plötzlich mehr Realitätsbezug als man sich vielleicht wünscht.
Ob man das unter zu Hilfenahme von Mythen noch retten kann ... Vielleicht ein Stück weit. Aber der Nimbus des Bösen - ist sobald man eine offene, verstehende Perspektive mal eingenommen hat - plötzlich weg. Und daraus wird: Die Häßlichkeit der Welt. (Aber zumindet den Glitzer der enthemmten Bedürfnisbefriedigung oder Wunscherfüllung - vgl. Wall-Street-Broker im Geldrausch, Präsidenten im Machtrausch, ... kann man noch mitnehmen. Und dem kann man durchaus exstatische Qualitäten abringen ...)

 :think:

... Extreme ausloten geht natürlich auch noch. Sog. "Perversionen", Machtspielchen, ... und all die abgefahrenen Spielzüge, die im Rahmen der 4 objektbezogenen Lebensziele lustvoll erlebt werden können.

 :think:
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Offline Grey

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #56 am: 29.07.2019 | 21:35 »
... wenn man "dem Bösen" menschliche Lebensziele, Verhaltensmechanismen, psychologische Motive, ... zu Grunde legt, dann bleibt von dem Reiz des Bösen gar nicht mal mehr so viel. Das wird ziemlich schnell normal und banal. Bekommt plötzlich mehr Realitätsbezug als man sich vielleicht wünscht.
Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass man in der Fantasy "das Böse" von "böse handelnden Personen" trennen kann. Soll heißen: Keine Person ist ganz böse oder ganz gut; aber eine einzelne Leidenschaft, von der ein Mensch bei bestimmten Taten beherrscht wird, kann abgrundtief düster sein. Personifiziere eine solche Leidenschaft in einem Dämon und du hast eine "böse" Wesenheit, ohne den sterblichen Bewohnern der Spielwelt die Ambivalenz abzusprechen, die den Realitätsbezug herstellt.
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Offline Krestion

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #57 am: 29.07.2019 | 21:51 »
Ich habe bisher ein wenig Erfahrung mit bösen Charakteren gehabt:
1. Absolut hinterhältiges, nicht gruppenförderliches Egoistenspiel zum Zwecke der Selbsterhaltung: Paranoia.
2. Menschenverachtendes, machtgieriges Verhalten zum Erhalt der eigenen Freiheit: Vampire the Maskerade.

Beide Charaktere (bzw. alle Klone) hatten sehr gute Gründe für ihr Verhalten. Auch wenn Paranoia eher ein One-Shot (genauer: two and a halve shots) war, waren die Charaktere durchaus auch auf Überleben und weiter gespielt werden ausgelegt. Es hat allerdings immer dann aufgehört, Spaß zu machen, Dinge einfach zu tun, weil man sie tun kann bzw. weil einen niemand daran hindern kann (=meine persönliche Definition von BÖSE), wenn die Charaktere sich selbst keine gute Begründung für ihr Verhalten mehr vorlügen konnten (wie z.B: "Andere würden das in meiner Situation auch machen, wenn sie es könnten"). Ab dem Moment hat es mir als Spieler dann keinen Spaß mehr gemacht, also habe ich den Charakter bzw. das Spiel nicht mehr weiter gespielt.

Edit: Der Reiz an den Charakteren war natürlich zu Beginn, wie weit es der Charakter unter den gegebenen, zugegebener Maßen nicht sehr wohlwollenden Verhältnissen bringen würde.
« Letzte Änderung: 29.07.2019 | 21:54 von Krestion »

Just_Flo

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #58 am: 29.07.2019 | 22:00 »
Es gibt eine Sonderform, des bösen Chars, die glaube ich deutlich beliebter ist als der plakativ Böse:

Den Char, der aus unserer Warte böse ist, aber aus seiner Warte okay ist. Der durchgeknallte religiöse Fanatiker, der ideologisch gefestigte Mittäter im System, der Mitläufer,  der Fehlgeleitete, das ganz normale Mitglied einer Kultur/ Gesellschaft, die für uns heutige Menschen böse ist.

Bei denen macht es mir Spaß in ein ganz anderes Mindset zuschlüpfen und zuschauen, wie diejenigen die Welt sehen.

Offline Moonmoth

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #59 am: 29.07.2019 | 22:41 »
Wir sollten hier klar unterscheiden zwischen der Rolle einer Figur in der Geschichte als "Schurke" und ihrer bösen Gesinnung (bitte hier Definition einfügen!). 

Beispiel: Für einen Fünfjährigen, der seine Lieblingsserie sehen will, aber von seinen Eltern dazu gezwungen wird, erst mal sein Zimmer aufzuräumen, sind die Eltern ganz sicher die Schurken dieses Abends, die einfach nichts richtig verstehen und ihren Willen durchsetzen, einfach weil sie es können  8)
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Offline Lord Verminaard

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #60 am: 29.07.2019 | 22:42 »
Man kann ja zum Einen den Bösen als Antagonisten spielen, auch als Spieler, dann macht man eigentlich nichts anderes, als als SL. In manchen One-Shot-Runden ist es ein lohnenswertes Set-Up, dass ein Spieler den Antagonisten übernimmt. Dabei erteilt man dann stillschweigend seine Einwilligung, dass der eigene SC durch die anderen SCs bekämpft und getötet werden darf und soll. Ist mal eine ganz andere Dynamik am Tisch und dadurch reizvoll. Sowohl darstellerisch als auch in meiner Autorenrolle als Spieler kann ich Freude daran haben, den Mitspielern einen erinnerungswürdigen Bösewicht zu servieren, den sie so richtig schön hassen (aber auch ein kleines bisschen bewundern), eben wie die besten Antagonisten in Film und Buch.

Zum Anderen kann man aber auch als ganze Gruppe - sogar als Kampagne - die Faszination des Bösen erkunden. Ich habe dazu nicht oft den Drang verspürt, aber insbesondere eine kurze, aber intensive Vampire-Sabbath-Runde ist mir sehr bleibend in Erinnerung. Was mich daran reizt:

* Die Herausforderung, in Gedankenwelten einzutauchen, die einem selbst fremd sind, und diese plausibel zu gestalten. Hier hat mich beim Sabbath-Hintergrund vor allem die Ideologie des Bösen fasziniert, zumal der Sabbath eine offensichtliche Parabel für terroristische Organisationen der realen Welt ist.
* In den eigenen Abgrund blicken, die eigene dunkle Seite, die (hoffentlich) durch ein mehr oder minder intaktes Gewissen im Zaum gehalten wird, einmal im "sicheren Modus" von der Leine lassen.
* Abwechslung: Ein böser Protagonist is einfach mal etwas anderes als sonst, und für Charakterdarsteller und -entwickler, meinetwegen Method Actors, gibt es dort eine ganze Menge zu entdecken. Nehmt z.B. House of Cards: Frances Underwood ist ein durch und durch böser Charakter, und doch ist er der Protagonist, er weckt einfach ungeheuer das Interesse des Zuschauers. Gerade wenn der böse Protagonist sich in äußerster Bedrängnis durch Einfallsreichtum, Entschlossenheit und Können behauptet, wenn er auch seine "Redeeming Qualities" hat, die ihn noch menschlich, vielleicht sogar noch nicht jenseits jeder Rettung erscheinen lassen, ermöglicht dies die für das Interesse an der Geschichte nötige Identifikation.
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Offline Shin Chan

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #61 am: 29.07.2019 | 22:43 »
Als Spieler reizt mich das eher weniger, die moralische Freiheit macht alles ein bisschen einfacher bzw. langweiliger (keine Gewissensbisse, kein innerer Zweikampf etc.).

Als Spielleiter machen ich meine Spieler gern mal zu den “unbewusst/unabsichtlich“ Bösen und schaue wie sie damit umgehen.

Da hatte ich z.B. mal ein Dorf, dessen Kinder von Mutanten in ein nahe gelegenes Schloss verschleppt wurden, in welchem ein verrückt gewordener Magier angeblich Experimente an Ihnen durchführte.

Die ”Helden” metzelten sich frohen Mutes durch die zahlreichen Mutanten zum Magier, welcher Ihnen bei seinem Ableben eröffnete, dass er die Kinder in Mutanten verwandelt hatte...

Edit: Rechtschreibung...
« Letzte Änderung: 29.07.2019 | 22:45 von Shin Chan »
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Offline Ruinenbaumeister

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #62 am: 29.07.2019 | 22:45 »
Böses ist kein Selbstzweck und auch übersteigerter Egoismus ist meistens einfach nur platt. Ganz anders ist es, wenn das Böse aus einer fremden Perspektive plötzlich zweckmäßig und geboten erscheint.

Eine meiner Lieblingsrollen, die ich allerdings als SL ausspielte, war die eines grausamen Herrschers. Der Mann trug die schwere Pflicht, in einer Grafschaft am Ende der Zivilisation die gottgewollte Weltordnung aufrecht zu erhalten. Bei der Wahl seiner Mittel war er nicht zimperlich. Als eine Hexe in seine Stadt kam und dort Schadzauberei wirke, wollte er sie nach kurzem Prozess auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. Doch sie war besessen und es bestand die Chance, sie mit einem Exorzismus zu retten. Dem Stand der Graf ablehnend gegenüber. Es bedurfte einiger Überredungskunst, um ihn umzustimmen.

Er wollte sie jedoch nicht aus Sadismus brennen sehen, sondern weil er die Bedrohung auf möglichst sichere Weise beenden wollte. Sein Verständnis von der Justiz, für die er als absolutistischer Herrscher nun einmal zuständig war, war vor allem vom Gedanken der General- und der nachhaltigen Individualprävention geprägt. Sie musste also potenzielle Verbrecher abschrecken und bei überführten Tätern eine Wiederholung der Tat unmöglich machen. Der Graf befürchtete auch, als zu midle zu gelten, falls die Hexe überlebt und rehabilitiert wird. Glücklicherweise wurden kurz nach dem Exorzismus ein paar Wegelagerer gefasst, die öffentlichkeitswirksam gehängt werden konnten. So konnte die gottgegebene Weltordnung wieder gefestigt werden.

Habe ich schon erwähnt, dass der Graf eine hervorragend ausgestattete Folterkammer sein eigen nannte? Die Streckbank bestand aus echter Steineiche, die von weit her importiert werden musste.

Diese Rolle hat mir Spaß gemacht, weil sie mein Verständnis von Gut und Böse herausgefordert hat. Der Graf handelte zweckmäßig, weitblickend und verantwortungsvoll, zugleich aber auch grausam. War er böse? Freilich. Wäre es besser für sein Land gewesen, wenn er gut gewesen wäre? Fraglich.
« Letzte Änderung: 29.07.2019 | 22:50 von Ruinenbaumeister »
Und wenn ich mich im Zusammenhang
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Offline Moonmoth

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #63 am: 29.07.2019 | 23:08 »
Böses ist kein Selbstzweck und auch übersteigerter Egoismus ist meistens einfach nur platt. Ganz anders ist es, wenn das Böse aus einer fremden Perspektive plötzlich zweckmäßig und geboten erscheint.
Oh, der Joker will einfach nur die Welt brennen sehen, wie Alfred das so treffend in "The Dark Knight" sagte. Funktioniert super. Aber als Spielercharakter, anstelle als Gegenspieler? Hmmmm. Schwierig. Die Figur würde viel verlieren, wenn sie entmystifiziert und in ihrem Handeln komplett nachvollziehbar wird.

Eine meiner Lieblingsrollen, die ich allerdings als SL ausspielte, war die eines grausamen Herrschers. Der Mann trug die schwere Pflicht, in einer Grafschaft am Ende der Zivilisation die gottgewollte Weltordnung aufrecht zu erhalten. Bei der Wahl seiner Mittel war er nicht zimperlich. Als eine Hexe in seine Stadt kam und dort Schadzauberei wirke, wollte er sie nach kurzem Prozess auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. Doch sie war besessen und es bestand die Chance, sie mit einem Exorzismus zu retten. Dem Stand der Graf ablehnend gegenüber. Es bedurfte einiger Überredungskunst, um ihn umzustimmen.

Er wollte sie jedoch nicht aus Sadismus brennen sehen, sondern weil er die Bedrohung auf möglichst sichere Weise beenden wollte. Sein Verständnis von der Justiz, für die er als absolutistischer Herrscher nun einmal zuständig war, war vor allem vom Gedanken der General- und der nachhaltigen Individualprävention geprägt. Sie musste also potenzielle Verbrecher abschrecken und bei überführten Tätern eine Wiederholung der Tat unmöglich machen. Der Graf befürchtete auch, als zu midle zu gelten, falls die Hexe überlebt und rehabilitiert wird. Glücklicherweise wurden kurz nach dem Exorzismus ein paar Wegelagerer gefasst, die öffentlichkeitswirksam gehängt werden konnten. So konnte die gottgegebene Weltordnung wieder gefestigt werden.

Habe ich schon erwähnt, dass der Graf eine hervorragend ausgestattete Folterkammer sein eigen nannte? Die Streckbank bestand aus echter Steineiche, die von weit her importiert werden musste.
[/quote]
Der Graf handelte zweckmäßig, weitblickend und verantwortungsvoll, zugleich aber auch grausam. War er böse? Freilich. Wäre es besser für sein Land gewesen, wenn er gut gewesen wäre? Fraglich.
Fraglich vielleicht, aber er hat es ja auch gar nicht (mehr?) versucht - das Graf hat sich dagegen entschieden. Guter Schurke. Aber wäre das ein guter Spielercharakter, um zur Frage an Anfang zurück zu kommen?
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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #64 am: 29.07.2019 | 23:20 »
Fraglich vielleicht, aber er hat es ja auch gar nicht (mehr?) versucht - das Graf hat sich dagegen entschieden. Guter Schurke. Aber wäre das ein guter Spielercharakter, um zur Frage an Anfang zurück zu kommen?

Natürlich nicht. Welcher echte Fäntelalter-SL läßt einen dahergelaufenen Spieler schon einen ausgewachsenen Grafen spielen? :korvin:

Ach so, von der moralischen Perspektive her? Da ist unser Herr Graf auch nicht wirklich böser als so'n durchschnittlicher Abenteurer-SC, der mordend und plündernd durch die Dungeons zieht und seine Gegner vorzugsweise alle sicher tot wissen will, damit sie garantiert(?) nicht noch mal wiederkommen und sich eventuell rächen können. Nennt sich halt auf neudeutsch "Pragmatismus", das ist auch schon alles. 8]

Offline Ruinenbaumeister

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #65 am: 29.07.2019 | 23:25 »
Heißt das, es ist nur dann böse, Menschen dahinzuschlachten, wenn sich damit kein Eigeninteresse verbindet? Andernfalls ist es Pragmatismus? >;D
Und wenn ich mich im Zusammenhang
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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #66 am: 29.07.2019 | 23:33 »
Heißt das, es ist nur dann böse, Menschen dahinzuschlachten, wenn sich damit kein Eigeninteresse verbindet? Andernfalls ist es Pragmatismus? >;D

Es heißt einfach, daß wir bei Licht betrachtet bereits in vielen "ganz normalen" Kampagnen, ganz ohne speziell etikettierten "nur für Böhse Junkz" Extra-Spielmodus oder dergleichen, auf die eine oder andere Weise schon längst "böse" SC spielen -- wir geben es nur vor uns selbst und anderen nicht zu. Aber das ist natürlich vollkommen in Ordnung, schließlich gehören ein bißchen Heuchelei und Selbstbetrug ja auch irgendwie zum "richtigen" Schurkendasein... ;)

Offline Moonmoth

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #67 am: 29.07.2019 | 23:34 »
Heißt das, es ist nur dann böse, Menschen dahinzuschlachten, wenn sich damit kein Eigeninteresse verbindet? Andernfalls ist es Pragmatismus? >;D
Puh, das ist was für den anderen Thread. Ich denke, der Gedanke ist: Wenn du anderen fühlenden, denkenden Wesen dieselben Rechte als Person absprichst die für dich selbst in Anspruch nimmst, dann ist das ziemlich eindeutig böse. Effizienz ändert daran nichts nichts - "gut sein" ist immer aufwändiger als einfach den "ganz logischen Pragmatismus" zu wählen, den klassische Bösewichte so gern für sich in Anspruch nehmen.

Wenn wir hier aber mit den Existenzrechten von "denkenden Wesen" anfangen, fallen uns große Teile unserer Lieblingsgenres auseinander  ~;D

 :btt:
« Letzte Änderung: 29.07.2019 | 23:40 von Moonmoth »
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Online schneeland

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #68 am: 30.07.2019 | 00:21 »
Wir (=ich und meine Stammspielgruppe aus Studienzeiten) haben uns einmal eine "böse" Kampagne gegönnt - böse deshalb in Anführungszeichen, weil die Charaktere zwar sämtlich hedonistisch und eigensinnig waren, aber in den größeren Kontext als "Einsatzteam" einer nur unscharf definierten bösen Organisation mit Welteroberungsplänen eingebettet waren und in den meisten Situationen eher pragmatisch und ggf. skrupellos gehandelt haben. Der Reiz an der Sache war, auch solche Dinge zu tun, die in einer typischen D&D-Kampagne eher nicht auftreten, sprich: Auftragsmorde an unliebsamen Herrschern; magische Manipulation des einfachen Volkes, um sie unseren Zwecken dienlich zu machen; verfüttern von nicht ausreichend loyalen Organisationsmitgliedern in der Arena, etc. Und natürlich wurde reichlich gelogen und betrogen, allerdings selten untereinander.
Gleichzeitig gab es noch den Aspekt persönlicher Bereicherung i.S.v.

Es könnte schon auch mal reizvoll sein die vier (durchaus jeweils für sich stehenden) Lebensziele (nach R. Walsh und R. de Ropp): Geld, Macht, Sex und Status, mit einem Charakter zu verfolgen, der sie opportunistisch und in moralischem Sinn "böse" zu erreichen sucht. Er wird sich trotzdem selbst für gut halten (weil ein positives Selbstbild für alle Menschen lebenswichtig ist).

sowie theoretisch auch die Verfolgung diverser persönlicher Abarten. Praktisch spielte das aber gar keine so große Rolle.
Effektiv könnte man sagen: der zentrale Reiz war, mal eine Gruppe jenseits des üblichen heldischen Moralcodex zu spielen. Etwas böse vielleicht auch behaupten, dass wir einfach Shadowrun mit D&D-Regeln gespielt haben :)
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Offline Feuersänger

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #69 am: 30.07.2019 | 00:46 »
Zitat
...nur unscharf definierten bösen Organisation mit Welteroberungsplänen...

Das bringt mich darauf, was mein grundlegendes Problem mit "Böse" ist: "Wozu?"
Bisher haben wir uns noch weitgehend über ein "vernünftiges Böse" unterhalten. Also, ein Charakter ist Böse weil er z.B. die zitierten vier Lebensziele maximieren will, oder er verfolgt sogar Gute Ziele aber will sich nicht in der Wahl der Mittel einschränken lassen. Böse-sein ist hier also lediglich der leichteste, schnellste Weg um seine Ziele zu erreichen.
Soweit kann ich das noch alles nachvollziehen.

Wo es halt bei mir komplett aussetzt, ist "Böse um des Bösen Willen" nachzuvollziehen. Damit meine ich jetzt so Erzbösewichter, Paradebeispiel Sauron: er ist ganz und gar Böse, no redeeming qualities, er züchtet riesige Armeen aus chaotisch-bösen, künstlich erschaffenen Kreaturen die er nur durch seinen Willen kontrolliert, um damit alle "Freien Völker" mit Krieg zu überziehen und... ja, was und? Was würde er machen, wenn er gewinnen würde? Um die Vernichtung der Menschheit an sich kann es ihm nicht gehen, denn er ist auch mit mehreren Menschenvölkern verbündet. Will er wirklich nur Tribut, wie bei dieser Verhandlung am Schwarzen Tor behauptet wird? Das klingt jetzt nicht so unerhört Böse, dass man da nicht drüber reden könnte (war ja auch in der Weltgeschichte gang und gäbe). Und wozu würde er überhaupt Zahlungen haben wollen? Seine Orks bekommen ja keinen Sold, und als Maia dürfte er über monetären Reichtum erhaben sein. Einfach nur "Status": Sauron, Lord of the Earth? Na wenn das alles ist, lass das Baby seinen Schnuller nuckeln!

Also kurz: diese Art "Böse" verstehe ich einfach nicht. Wir haben iirc zweimal versucht, eine "Böse Kampagne" auf Mittelerde aufzuziehen, aber beide Male habe ich ziemlich schnell die Lust verloren, weil mir einfach keine nachvollziehbare Motivation für einen Charakter einfallen wollte, der wirklich settingkonform Böse war und nicht nur "sorta bad".
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

Offline Runenstahl

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #70 am: 30.07.2019 | 00:52 »
Was teizt ist, das man halt mal jemanden spielen kann der nicht das Wohl anderer im Sinn hat, sondern primär das eigene Vorankommen.

Das kann (mit der richtigen Gruppe) gut funktionieren. Am Besten hat man ein gemeinsames Ziel (Weltherrschaft) das man zu erreichen versucht. Einen Psychopathen in einer ansonsten guten Gruppe zu spielen führt ingegen entweder zu PVP oder zu miesem Rollenspiel.

PS: Feuersänger, "Viel Lärm um Nichts" (mein Favorit für den schnellen Genuß ist die Verfilmung von Brannagh) hat genau solch einen Charakter. Er hat einfach Spaß daran zuzusehen wie Dinge kaputt gehen. Es stört ihn wenn andere Glücklich sind. Das Unglück anderer ist für ihn Belohnung genug. Das könnte ein erkundungswürdiges Konzept sein, ist aber vermutlich unwahrscheinlich das ein derartiger Charakter es weit genug bringen wird um wirklich Schaden anzurichten. Wenn er jedoch in eine mächtige Position hineingeboren wird dürfte es interessant werden...
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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #71 am: 30.07.2019 | 00:55 »
Ja, typische Fantasy-Erzbösewichte sind da manchmal etwas schwach aufgestellt. Aber wenn wir mal irdische Beispiele heranziehen, dann hat eine Mischung aus Machtgier und Wunsch nach Verbreitung der eigenen Ideologie ja oft schon ausgereicht, um die Soldaten marschieren zu lassen. Und es gab sicher zu allen Zeiten auch genug fleißige Handlanger, die im aufstrebenden Herrscher X den sichersten Weg zur Mehrung des eigenen Gewinns sahen.
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Offline D. Athair

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #72 am: 30.07.2019 | 04:36 »
Wo es halt bei mir komplett aussetzt, ist "Böse um des Bösen Willen" nachzuvollziehen.
Da spielt eigentlich nur der Reiz des Verbotenen, des Anrüchigen, des Geheimnisvollen oder des Nichtverstehbaren eine Rolle. Deswegen sind ja auch Menschen von Serienmördern, Psycho-Clowns, ... so fasziniert.

Fakt ist aber: Diese Art des Bösen ist erklärbar. Sogar sehr gut. Die Maske des Nebulösen, Unverstehbaren ist auf der "Nachspielerseite" mMn immer verbunden mit "anything goes" und auf der Gegnerseite mit der Indvidualisierung und Irrationalisierung des Bösen, um familiäre und letztlich gesellschaftliche "Produktionskontexte" und Ursachen des Bösen nicht sehen zu müssen. (Wo kämen wir denn da hin, wenn faktisch auf den Tisch gelegt würde: Die USA erzeugen ihre Schießereien und Massaker schuldhaft selbst.)
[Mit anderen Worten: "Der Böse" ... das gilt auch gerade in politischen Diskussionen, ist immer ganz nah am "Sündenbock". Den Sündenbock oder "den Täter" braucht es, weil die betreffenden Gemeinschaften und Gesellschaften sich sonst ihrem eigenen Versagen stellen müssten. Dazu kommt dass dieses schuldhafte Versagen von verantwortungsunfähigen Gruppen nicht justiziabel ist.] Entschuldigt den politischen Einschub, aber der musste sein, um "das reine Böse" als Phänomen an sich und entsprechend seine Verwendung im Rollenspel verstehen zu können. Soll heißen: Die Entkontextualisierung des "Bösen um des Bösen willen" ... funktioniert nach dem Idividualprinzip. Das eine Böse ist darstellbar, die Produktionskontexte will man nicht thematisieren (das machen bestenfalls ein paar Indie-Spiele). Aber auch da: Bluebeard's Bride ist ein gutes Beispiel für die Individual-Sicht. Gäbe es ein Pendant dazu, das wegen mir Once ... Bluebeard had been killed. A tale about a mother. heißen könnte, dann hätte man das wieder mit im Boot und hätte das "absolute Böse" damit wieder verlassen.

Es gibt noch eine zweite Dimension, die schneeland schön benennt: Die Lust am Zerstören, zum Vergehen bringen, ...
Hab das jetzt nicht mehr genug drauf ... aber Freuds Theorie vom Todestrieb geht in die Richtung. (Wobei die Dynamik natürlich oben jeweils auch mit drin steckt.)
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

Offline Feuersänger

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #73 am: 30.07.2019 | 06:32 »
Ich fürchte, dein Beitrag geht an meiner Fragestellung vorbei. Du eeklärst, warum der Mensch das Narrativ von "Absolut Bösen" Wesen erfunden hat. Das ist ja auch sicher alles sachlich richtig. Aber es hilft uns nicht weiter bei der Frage, warum in einer Phantasiewelt ein bestimmtes, mit freiem Willen ausgestattetes Wesen(*), wirklich absolut Böse _ist_.

*) trifft zB nicht auf D&D Teufel und Dämonen zu -- die sind hartcodiert Böse ohne die Möglichkeit, davon abzuweichen.

--

Zu "...just want to watch the world burn" -- das ist imo schlicht Psychopathie. Also eine Geisteskrankheit. Das gibt mE nicht viel her.
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Zitat von: ErikErikson
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"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

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Re: Was ist der Reiz an bösen SC?
« Antwort #74 am: 30.07.2019 | 07:33 »
Zitat
das ist imo schlicht Psychopathie
Dem Psychopathen fehlt das Verständnis von Recht und Unrecht. Auch das hat nichts mit Gut/Böse zu tun - denn dann wäre jede empfundene Ungerechtigkeit automatisch "böse".
Der Psychopath hat keine Empathie, kein Gewissen. Seine Handlungen folgen der einfachen Logik von positiv/negativ für ihn selbst oder seinen Zielen. Er wertet eben nicht - und das kann der gesunde Mensch nicht verstehen, weil dieser immer eine Wertung vornimmt.
Er kann dabei höchst manipulativ sein, auch extrem charmant auftreten - eben WEIL es ihm völlig egal ist, ob jemand später auf ihn böse ist, oder ihn gar hasst.

Damit ist er natürlich auch völlig frei von gesellschaftlichen Zwängen und Normen.
Kann also durchaus interessant sein.
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