Autor Thema: Darf (lies: sollte) man politisch unkorrekte Settings noch spielen?  (Gelesen 40492 mal)

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Offline Shihan

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #25 am: 21.11.2019 | 18:32 »
Rollenspiel funktioniert doch grundsätzlich auf der Basis von auszuspielenden Konflikten. Gäbe es keine Konflikte, würde es auch nichts zu tun geben.
Und gerade die gemeinhin als "politisch inkorrekt" angesehenen Sachverhalte basieren doch komplett auf Konflikten. Also ja, natürlich sollte sowas in einer Spielwelt Teil sein.
Sexismus, Rassismus, Glaubenskriege. All dies sind Dinge, die leider zum menschlichen Miteinander gehören. Rollenspiel kann (muss natürlich nicht) an dieser Stelle sogar einen karthatischen Anteil haben. Indem ich diesen Themen hier in einer (hoffentlich) kontrollierten Situation begegne, kann ich mich mit ihnen auseinandersetzen, ohne tatsächlich jemandem zu schaden (Trigger aufgrund von Erlebnissen sind natürlich wichtig zu beachten).

Mein Anspruch wäre nur jederzeit, dass alle Beteiligten sich dessen bewusst sind und eine gewisse Reife mitbringen. Dann kann das einen erkenntnisreichen Effekt haben.

Offline Jens

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #26 am: 21.11.2019 | 18:35 »
Ich glaube, wenn du bewusst so ein Setting spielst, dann möchtest du diese Ungleichbehandlungen im Spiel dargestellt wissen. Die Frage ist, wie groß der Anteil dieser Thematik im Spiel dann sein soll. Und in welcher Form? Das viktorianische England hat zwar seine Gentleman, aber gleichzeitig wäre es für eine Frau auch völlig undenkbar, Armeekommandantin oder ähnliches zu sein. Jetzt ist die Frage, willst du zum wohlfühlen nur die positiven Aspekte darstellen? Möchtest du für ordentliche Konflikte vor allem die negativen Seiten darstellen? Meistens wird es ja ein Mix zwischen beiden sein, der in die eine oder andere Richtung gewichtet ist.

Aber egal, in welche Richtung das nun gewichtet ist: ich finde diese Settings nicht nur legitim, sondern auch sehr sinnvoll! Schließlich führen sie dazu, dass wir uns mit unseren jetzt noch alltäglichen Sexismus und Rassismus Problemen aus einer gewissen, spielerischen Distanz auseinandersetzen.

Offline Derjayger

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #27 am: 21.11.2019 | 18:42 »
Ich versteh' die Frage nicht. Wie jemand schrieb, hat das mit "dürfen" wenig zu tun, weil das Reden über Kettenhemdbikinis nicht unter Strafe steht.
Geht es also um "sollte man"? Ok, hab ich (jemand aus dem Internet) jetzt die Macht, euch zu überzeugen (oder gar vorzuschreiben), was ihr tun solltet? Und mich aufzuregen, wenn ihr euch weigert? -> Warum habe ich dann damit angefangen?
Man kann Argumente austauschen. Das hat aber erstmal gar nichts präskriptives. Und es klingt für mich nach etwas völlig anderem als der Thread-Überschrift.

Ich seh' das eher pragmatisch:

a) Du fährst 40min zu einer neuen RPG-Runde, die sich als dermaßen politisch unkorrekt aufführt, dass du keinen Bock hast, weiter mitzuspielen. -> Pech gehabt.

b) Du leitest eine Gruppe, ein neuer Mitspieler kommt dazu und benimmt sich daneben -> du wirfst ihn raus.

c) Du leitest einige Zeit und wirst warm mit der Gruppe, so dass du anfängst, politisch unkorrekte Sprüche zu klopfen. -> einer bis alle steigen aus. Oder labern spaßig mit. Wirst du sehen!

d) Du haust in einer unbekannten Runde nen Spruch raus, jemand rückt dich zurecht -> du verkneifst dir die Sprüche.

e) Dein Con-Abenteuer basiert auf Möpsen und Nutten. Dafür kriegst du Ärger -> was hast du erwartet?

f) Dein Con-Abenteuer basiert auf Gentlemen, die Frauen die Tür aufhalten. Jemand am Tisch rastet deswegen aus -> ruf die Männer in den weißen Kitteln.

Ist doch simpel?
« Letzte Änderung: 21.11.2019 | 18:49 von Derjayger »
D&D 5E Quick-Combat (Mechanik, um Kämpfe erzählerisch und schnell als Group-Check abzuhandeln) -> wieder online

D&D 5E Buying Magic Items (Wie man 1. Inventar von Magiegeschäften generieren und 2. mit der Suche nach spezifischen magischen Gegenständen umgehen kann)

Offline Issi

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #28 am: 21.11.2019 | 18:47 »
Rollenspiel funktioniert doch grundsätzlich auf der Basis von auszuspielenden Konflikten. Gäbe es keine Konflikte, würde es auch nichts zu tun geben.
Und gerade die gemeinhin als "politisch inkorrekt" angesehenen Sachverhalte basieren doch komplett auf Konflikten. Also ja, natürlich sollte sowas in einer Spielwelt Teil sein.
Sexismus, Rassismus, Glaubenskriege. All dies sind Dinge, die leider zum menschlichen Miteinander gehören. Rollenspiel kann (muss natürlich nicht) an dieser Stelle sogar einen karthatischen Anteil haben. Indem ich diesen Themen hier in einer (hoffentlich) kontrollierten Situation begegne, kann ich mich mit ihnen auseinandersetzen, ohne tatsächlich jemandem zu schaden (Trigger aufgrund von Erlebnissen sind natürlich wichtig zu beachten).

Mein Anspruch wäre nur jederzeit, dass alle Beteiligten sich dessen bewusst sind und eine gewisse Reife mitbringen. Dann kann das einen erkenntnisreichen Effekt haben.
Yepp

Rollenspiel findet in einer Phantasiewelt statt.
Die ist, wenn sie denn historisch ist, natürlich bestenfalls pseudohistorisch, da ja meist kein lebender Spieler  zu dieser Zeit schon gelebt hat.
(Dorian Greys, Elfen und Vampire ausgenommen   :D)
Da wird halt eine Zeit samt ihren Werten und Normen- versucht zu simulieren.
Und wenn man das halbwegs - "echt" machen will, dann unterscheiden die sich natürlich teilweise  auch von den heutigen.

Bewusstsein ist wichtig, und Empathie für die Beteiligten.
Es soll sich jeder Wohlfühlen.
Sowas  zu thematisieren ist natürlich auch kein Zwang.
Es ist nur ein Spiel.

Edit. Mit schwierigen Themen umgehen zu lernen, ist mMn. besser als den Umgang von vornerein zu verbieten.
Oder konkreter: Etwas zu tabuisieren.
Tabus machen das, was tabuisiert wird, nur stärker.
« Letzte Änderung: 21.11.2019 | 19:22 von Issi »

Offline Kardinal

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #29 am: 21.11.2019 | 18:54 »
Settings - natürlich.
Systeme - bitte nicht (siehe z.B. FATAL).
The Future: Transhumanism is what all the rich people are doing - and Cyberpunk is what they are doing to the rest of society.

Democracy is a device that ensures we shall be governed no better than we deserve. - G. B. Shaw

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Offline D. Athair

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #30 am: 21.11.2019 | 18:55 »
Aber darf man solche Settings heute überhaupt noch spielen? Ich meine, ich spiele Rennspiele, ohne ein Verkehrsrowdy zu werden, würde (wenn sie mir Spaß machten) Shooter spielen, ohne dadurch Amok zu laufen. Trotzdem bleibt da manchmal ein Beigeschmack.
Ja. Warum denn nicht.
Wichtig ist dabei, dass man halt auch die Wirklichkeitsdifferenz wahrnimmt. Oder: Shooter können schon ne Amoktäter-Entwicklung stützen. Voraussetzung ist aber, dass das Spiel als Realitätssimulation gespielt wird. Wenn man die Differenz zwischen Fiktion und Realität gut auf dem Schirm hat, ist alles gut. Zumal in den eigenen vier Wänden.

Der Beigeschmack ... kommt mMn (zu Recht) da her, weil man oft gar nicht zu genau weiß, wo man selbst bzgl. gruppenbezogener Ressentiments (z.B. beim Thema Misogynie oder Transmisogynie) steht. Entspreched laden Spiele wie HEX dazu ein, unangemessene Klischees und Vorurteile weiter zu nutzen. Da sehe ich schon erhebliche Fallen.

Und ganz persönlich glaube ich, der nächste Schritt, nämlich hier und da kleine oder größere Brüche einzubringen, die 'herrschende Ordnung' in Frage zu stellen oder anderweitig das Spiel etwas 'besser' zu machen, kommt dann irgendwann ganz von selbst (und wenn es nur ist, weil sich die Klischees abnutzen).
Das sehe ich ganz genauso. Man kann sich informieren. Man kann hinter gesellschaftliche Tabus und Stereotype schauen und Repräsentation verbessern oder Fakten einbauen (z.B. kann die Person, die von sexueller Gewalt bedroht ist im Pulp Abenteuer auch gut männlich sein und die bedrohende Person weiblich. Das kommt in der Realität erheblich viel häufiger vor, als allgemein geglaubt - sh. Arbeiten von Prof. Lara Stemple) 

Was kann man tun? Sich interessieren ... Sich von Betroffenen raten lassen.

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Offline Huhn

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #31 am: 21.11.2019 | 19:10 »
Ihr tut fast so, als würde euch was weggenommen ("verboten"). Dabei können Spiele und Spielwelten auch viel gewinnen, wenn wir uns von festgefahrenen Vorstellungen, wie Welten oder Gesellschaften (angeblich) funktionieren oder wie "es damals halt war" (gerade Letzteres löst bei mir sowieso geschichtsstudiumsbedingte Würgreflexe aus) lösen.
Muss ja auch nicht das ganze Spiel auf einmal umgekrempelt werden, aber sich darüber Gedanken zu machen, wie eir ubs selbst unsere eigene Realität konstruieren, mit welchen Grundannahmen wir durchs Leben gehen und wie wir sie (unbewusst) ins Spiel einbinden, kann zu spannenden neuen Ideen führen.
Davon ab festigt Wiederholung eingefahrene Muster im Hirn. Und diskriminierendes Denken immer zu wiederholen, und sei es im Spiel, kann leider sehr reale Strukturen und Denkweisen festigen.
Kann euch die Lektüre von Roll Inclusive wirklich ans Herz legen. Eine Menge hier genannter Argumente werden darin aufgegriffen und vor allem wird, jenseits einer vermeintlichen Verbotspolitik, geschaut, was wir Cooles im Spiel gewinnen können, wenn wir unsere Welten, Charaktere und Systeme diverser und offener gestalten. Wir enthalten uns nämlich selbst auch jede Menge toller Sachen vor, wenn wir auf Zwang an Allem festhalten, was wir halt kennengelernt und liebgewonnen haben.
 

Offline klendathu

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #32 am: 21.11.2019 | 19:18 »
...
Muss ja auch nicht das ganze Spiel auf einmal umgekrempelt werden, aber sich darüber Gedanken zu machen, wie eir ubs selbst unsere eigene Realität konstruieren, mit welchen Grundannahmen wir durchs Leben gehen und wie wir sie (unbewusst) ins Spiel einbinden, kann zu spannenden neuen Ideen führen.
Davon ab festigt Wiederholung eingefahrene Muster im Hirn. Und diskriminierendes Denken immer zu wiederholen, und sei es im Spiel, kann leider sehr reale Strukturen und Denkweisen festigen.
...

Word. Gerade das Thema strukturelle Diskriminierungen und deren (Re-) Produktionen sollte mitgedacht werden.
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Achamanian

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #33 am: 21.11.2019 | 19:25 »

Als Beispiel: Ich habe auf der letzten HeinzCon Space1889 ganz klassisch viktorianisch spielen wollen und endete mit einer Runde Mittvierziger und zwei 13-14 jährigen Mädels, die das erste Mal Rollenspiele gespielt haben. Da habe ich das viktorianische Frauenbild eben thematisiert, mich zwar distanziert, aber auch erklärt, dass es in diesem speziellen Setting eben dazu gehören kann (!), dass Frauen das Taschentuch aufgehoben wird, und sie eben ganz im Sinne britischer Gentlemen beschützt und eben auch manchmal nicht ganz für voll genommen werden. Natürlich - so betonte ich - durften sie mit diesen Vorurteilen im Spiel aufräumen! Die Herren unter den Spielen waren super sensibel und die Mädels hatten glaube ich auch echt Spaß. Trotzdem habe ich echt geschluckt, als ich sah, dass auch noch bei einer öffentlichen Veranstaltung minderjährige Määdels bei einem viktorianischen Setting mitspielen wollten.

Wie seht ihr das? Go oder no-go?

Ich finde, du hast bei dem Beispiel alles richtig gemacht, und es macht auch deutlich, dass es auf verschiedenen Ebenen unsinnig ist, irgendwelche Settings "verbieten" zu wollen.
Es lohnt sich, zu dem Thema in Rollenspielbücher wie "Harlem Unbound" reinzuschauen, die den Umstand, dass ein Setting stark durch z.B. rassistische Diskriminierung determiniert ist, problematisieren und Umgangsweisen vorschlagen. Da wird dann deutlich, dass es letztendlich vor allem darum geht, gemeinsam mit der Gruppe ein paar Regeln und Grenzen abzustecken - und dass kann und muss jede Gruppe unter sich abmachen. Wichtig ist eben nur: Wenn jemand keine Lust hat, im Rollenspiel Diskriminierungserfahrungen zu "spielen", dann hat das Vorrang z.B. vor dem Wunsch anderer Spieler, möglichst "historisch korrekt" zu spielen (was auch eh ein ziemlich fragwürdiger Maßstab ist, weil er ja bei den meisten auf einem stark auf Klischees verengten Blick auf bestimmte historische Epochen beruht).

Wenn Leute gerne in einem sexistischen Setting spielen wollen, um sich dagegen zur Wehr zu setzen (oder in der Rolle der Damsel in Distress aufzugehen) - alles klar. Wenn Leute gerne die Geschlechterverhältnisse einer historischen Epoche geflissentlich ignorieren wollen (wie z.B. im Yellow King RSP als Möglichkeit vorgeschlagen), dann ist das auch fein.

Im Endeffekt geht's nur um Sensibilität und Bewusstsein. Dass das dann die Art, wie man Settings bespielt (oder ob man sie bespielt) ändert, ist eigentlich klar, aber das kann ja auch ein Gewinn sein.

Offline Der Läuterer

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #34 am: 21.11.2019 | 19:28 »
Ich bin, wenn ich mich selbst reflektierend betrachte, ziemlich festgefahren.
Da geht es, bezogen aufs RPG, weniger um den Inhalt oder alte Vorstellungen und Meinungen, sondern allein schon ums Setting. Manche liegen mir einfach nicht. Und die spiele ich auch nicht. Da werde ich mich wohl auch nicht ändern.

Ein Barbar hat in meiner Vorstellung - klischeehaft - selbst im tiefsten Winter und im Schneesturm nur Stiefel, Lendenschurz und Bärenfell Umhang an. Da steht er dann stoisch mit verschränkten Armen und trotzt dem Wetter.
Das ist natürlich Blödsinn. So etwas machen Babaren nicht.

So laufen nur hippe junge Mädchen herum. Selbst im Winter mit Minirock und bauchfrei...
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Offline felixs

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #35 am: 21.11.2019 | 19:29 »
Davon ab festigt Wiederholung eingefahrene Muster im Hirn. Und diskriminierendes Denken immer zu wiederholen, und sei es im Spiel, kann leider sehr reale Strukturen und Denkweisen festigen.

Naja.
Wenn das unreflektiert passiert und wenn es die Wiederholung von Denkweisen ist, die man auch sonst pflegt, ist das natürlich schlecht. Liegt aber eher daran, was man sonst (außerhalb des Spiels) so treibt. Will sagen: Entweder hat man das Problem mit und ohne Rollenspiel, oder nicht.

Dass man im Spiel problematische Muster erlernt und die dann auf die Realität überträgt - das glaube ich eher nicht. Allenfalls würde mir eine Art Rückkopplungseffekt einleuchten: Man sucht sich aus seiner Realität heraus bestimmte Medien, welche Strukturen befördern, die man dann wieder auf seine Realität auswirken lässt. Auch dieses im negativen wie im positiven möglich.
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Offline Schlangengott

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #36 am: 21.11.2019 | 19:50 »
Ja, unbedingt.

Politische Uncorrectness gehört ins Rollenspiel und nicht ins Reallife  :headbang:

Also, wenn ich nicht mindestens einmal am Tag nicht die Gefühle, einer politischen Minderheit oder Mehrheit verletzt habe, kann ich nicht atmen... ~;D >;D 8)
« Letzte Änderung: 21.11.2019 | 19:55 von Schlangengott »
"Die Menschen sterben und sind nicht glücklich"

Albert Camus

"Auf jeden Fall ist dieser "Auteur" (Schlangengott) ein echtes Phänomen. Eine Art Rollenspielentwickler-Kaspar-Hauser-Kaiser-Caligula-Chimäre. Da DARF, nein da MUSS man gespannt sein."

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Offline Oberkampf

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #37 am: 21.11.2019 | 19:56 »
Das ganze ist eine Frage, die auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlich beantwortet werden kann.

Beispielsweise leite ich in der Regel in mehr oder weniger selbstgestrickten Fantasywelten, wo es jede Menge NSCs mit rassistischen, sexistischen, homophoben, und anderen diskriminierenden oder fanatischen Ansichten gibt. Meistens sind das die Bösen, aber auch manchmal Neutrale mit einer miesen Seite. Mit denen lässt sich auf unterschiedliche Arten interagieren.

Das nächste ist dann ein struktureller Ismus in der Spielwelt, der vor allem NSCs von bestimmten Rollen/sozialen Positionen ausschließt (z.B. Berufsverbote) oder sie auf nachteilige soziale Positionen festlegt (z.B. als Sklaven). Zu einem nicht unwesentlichen Teil ist das der Stoff, aus dem Abenteuer aufgebaut sind, also die sozialen Umstände, die der Paladin aus dem Weg räumen muss, um Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und Güte unter einen Hut zu bringen - und für den Rest der Gruppe gilt es, zumindest das geringste Übel zu erreichen.

Dafür vermeide ich in der Regel, in die Spielwelten einen strukturellen Rassismus/Sexismus oder sonstigen -ismus einzubauen, der SCs aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts usw. von bestimmten sozialen Positionen oder Charakterkonzepten ausschließt - es sei denn, das ist vorher abgesprochen und notwendiger Bestandteil der Spielwelt für die Kampagne. Beispielweise eine Kampagne, in der weibliche Charaktere grundsätzlich keine Kleriker sein können, weil in der Spielwelt Frauen Priesterämter/Kirchendienste verboten sind und sich die Kampagne vielleicht darum dreht, dass es eine neue Glaubensrichtung gibt, die das ändern möchte - aber nicht von vorne herein mit SC-Klerikerinnen.

Die letzte Sache sind natürlich die Spieler am Tisch, aber das ist eine real life Angelegenheit. Grundsätzlich nehme ich mal an, dass die meisten Personen sich von den meisten Ismen distanzieren, aber wann und wo welcher Ismus anfängt, ist ja nicht immer so eindeutig konsensuell geregelt und das Thema gleitet leicht in den Speakers Corner ab, darum nur so viel: Üblicherweise vermeide ich es, mit Leuten zu spielen, die nach meinem dafürhalten allzu seltsame Ansichten von sich geben.
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Offline YY

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #38 am: 21.11.2019 | 20:28 »
Und diskriminierendes Denken immer zu wiederholen, und sei es im Spiel, kann leider sehr reale Strukturen und Denkweisen festigen.

Genau diese steile Behauptung - analog zum Videospielsektor, wo es viel mehr Studien gibt und das Konzept bestenfalls umstritten, eher widerlegt ist - löst den Beißreflex gegen gefühlte Verbotsbestrebungen aus.
Denn wenn man diesen Gedanken erst mal akzeptiert hat, was läge dann näher, als die Spieler in recht direkter Weise dazu bringen zu wollen, anders zu handeln und zu denken?


Das ist eine deutlich andere Baustelle als etwa mit Darstellungen ungewohnter, fremdartiger bis hin zu aus unserer Perspektive bizarrer Denkmodelle, Gesellschaftsstrukturen usw. die Spieler dazu anzuregen, die eigenen Perspektiven zu hinterfragen - auch und gerade, indem man sie mal nicht frontal angeht, sondern leicht übersteigert...


Letztlich ist der oben zitierte Ansatz, ob nun subtil oder offensiv vorgetragen, gerade im Freizeitkontext ziemlich kontraproduktiv.
Da fokussiert man sich lieber abseits des Spiels auf die Themenbereiche, wo die Probleme offensichtlich sind und erklärt die zugrundeliegenden Mechanismen*, anstatt sich an historischen oder aktuellen Beispielen abzuarbeiten (was gerade bei Roll Inclusive mMn gründlich daneben gegangen ist).

Man geht diese Dinge viel besser vom Großen zum Kleinen an (wie es über Jahrzehnte bis - in manchen Kontexten - Jahrhunderte erfolgreich geschehen ist) statt vom Kleinen zum Großen (weil man dann beim Kleinkram personelle, gruppenbezogene und methodische Widerstände hervorruft (eben weil es Kleinkram ist), gegen die man die relevanten Sachen deutlich schlechter angehen kann).

Und da sollte man dann auch den richtigen Einstiegspunkt erwischen. Wenn ich einem normal sozialisierten Spieler erzähle, er möge doch bitte keine Ork- oder Alien-Massaker veranstalten, weil reale Genozide schlecht sind, schaut der mich zu Recht an, als wäre ich selbst ein Alien. Das weiß der nämlich schon.



Ab hier noch mehr OT als eh schon  :P
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Offline Megavolt

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Threadtitel ändern ist aber nicht so ganz die feine englische Art bei sowas. :)

HEXer

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Ich habe nur ergänzt und präzisiert, nichts weggenommen. :) Es gab ein oder zwei Posts die auf das "dürfen" mehr eingegangen sind als ich das eigentlich wollte. Ich meinte mit dem "dürfen" nicht, ob es ein verbot geben sollte (das es ja auch nicht geben kann), sondern tatsächlich, ob man es sollte. War nur überspitzt/ungenau formuliert.

Online Ruinenbaumeister

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Eine Rollenspielwelt steckt voller Konflikte, damit es Abenteuer geben kann. Dazu kann die Unterdrückung und Privilegierung einer Bevölkerungsgruppe gehören - es kommt allerdings darauf an, ob man diesen speziellen Konflikt ausspielen will und wie man darin Partei ergreift. Darüber sollte man besser vor dem Spiel sprechen.

Sklaverei: Was sind die Charaktere - Sklavenjäger, Sklavenbefreier, Sklavenhändler, Sklaven? In jeder dieser Situation können sich Abenteuer ergeben. Strahlende Helden werden die Sklaven befreien, sei es gewaltsam oder diplomatisch. Antihelden werden sich irgendwie durchschlagen. Neutrale Charaktere können vom Sklavenhandel profitieren und dadurch irgendwann in einen Gewissenskonflikt gestürzt werden. Bösewichter kennen keine Skrupel. Jede dieser Rollen kann gespielt werden.

Chauvinismus: Damit lassen sich sowohl sehr düstere Situationen als auch derber Humor (z.B. Andergast vs. Nostria bei DSA) gestalten. Ihr solltet absprechen, wie düster es werden darf. Grundsätzlich ergibt sich hier potential für  Charakterentwicklung, beispielsweise wenn ein Spielercharakter zu Beginn nur Vorurteile über das andere Volk im Kopf hat und diese dann durch Kontakt mit diesem bestätigt oder widerlegt werden.

Rassismus: In einer Fantasywelt gar nicht abwegig. Elfen sind nunmal keine Zwerge. Vorurteile können das Spiel abwechslungsreicher machen, denn mit Klischees lässt sich spielen. Du spielst einen trinkfreudigen Zwerg? Ok, aber etwas langweilig. Du spielst einen abstinenten Zwerg? Ok, du bekommst allein dadurch, dass dein SC nicht dem Klischee entspricht, gleich ein paar neue Konflikte in der Spielwelt. Allerdings kann sowohl ein übermäßig klischeehafter als auch ein völlig klischeewidriger SC bemüht und oberflächlich wirken.

Sexismus: Auf keinen Fall! Ein Setting, das Frauen oder Männern den Zugang zu bestimmten Berufen oder sonstigen Rollen versperrt ist eine absolute Zumutung und sollte auf keinen Fall gespielt werden. Schade, dann wird's wohl nichts mit deiner Kampagne im Deutschland des Jahres 2019. ;)
Und wenn ich mich im Zusammenhang
des Multiversums betrachte, wie oft bin ich?

Offline Huhn

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #42 am: 21.11.2019 | 20:49 »
Denn wenn man diesen Gedanken erst mal akzeptiert hat, was läge dann näher, als die Spieler in recht direkter Weise dazu bringen zu wollen, anders zu handeln und zu denken?
Ja, was läge da näher? Vielleicht das, was ich oben gemacht habe: Dazu aufgefordert, einfach offen gegenüber neuen Anregungen zu bleiben und zu schauen, ob sie das eigene Spiel, die Spielrunde, die Community oder das allgemeine Miteinander bereichern könnten. Oder das was Der Tod gemacht hat: Dazu aufgefordert, sich solcher Mechanismen und Inhalte bewusst zu sein, wenn sie verwendet werden. Die einzigen, die in diesem Thread von Verboten schreiben, sind diejenigen, die sich davor fürchten.
Ich habe nirgendwo geschrieben wie Leute dies oder jenes zu tun oder zu lassen haben. Und die Spiele, die ich spiele, strotzen vor solchen stereotypen Inhalten. Ich mag die oft auch. Aber manchmal ist es halt auch schön, sich darüber Gedanken zu machen, wie sowas funktioniert und wie es auch anders funktionieren kann. (Etwa tut es "meinen" 1920ern im Cthulhu-Verse für mich keinen Abbruch an Glaubwürdigkeit, wenn ich auf Diskriminierung gegen Frauen und Schwarze verzichte. Ich find es langweilig, das zu bespielen, deswegen lasse ich es weg. Dennoch erkennen alle, welche Zeit gemeint sein soll. Die 1920er haben ja noch mehr Erkennungsmerkmale als Diskriminierung.)
Der Beißreflex hat seine Ursache also bei dir, nicht bei mir. Andere hätten nicht gebissen. Warum willst du zubeissen?

Im Übrigen denke ich auch nicht, dass Roll Inclusive alles richtig macht. Einige Artikel fand ich deutlich bereichernder als andere. Dennoch bleibt im Schnitt ein anregendes Buch mit interessanten Denkanstößen in Bezug auf das Thema des Threads und deswegen empfehle ich es hier.

Achamanian

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #43 am: 21.11.2019 | 21:14 »
Genau diese steile Behauptung - analog zum Videospielsektor, wo es viel mehr Studien gibt und das Konzept bestenfalls umstritten, eher widerlegt ist - löst den Beißreflex gegen gefühlte Verbotsbestrebungen aus.
Denn wenn man diesen Gedanken erst mal akzeptiert hat, was läge dann näher, als die Spieler in recht direkter Weise dazu bringen zu wollen, anders zu handeln und zu denken?

Ich denke auch, dass der "pädagogische" Ansatz im Sinne von: Das Spielen mit realen Stereotypen übt diese ein und sollte deshalb unterlassen werden oder auch im Sinne von: Wir können im Spiel nicht- und anti-diskriminierende Handlungsweisen einüben, die wir dann auf die Wirklichkeit übertragen, problematisch ist. Einerseits ist sicher was dran in dem positiven Sinne, dass ein im Spiel erhaltener Denkanstoß auch ins sonstige Leben wirken kann. Andererseits werden solche Übertragungsleistungen wahrscheinlich auch gerne mal überbewertet und sind letztendlich auch kaum scharf zu bestimmen. Ein ähnliches Problem hat man ja auf viel gravierenderer Ebene bei der Frage, inwieweit nicht-diskriminierende Sprachregelungen wirklich zum Abbau von Diskriminierung beitragen können. Meine Meinung: Sie können das ganz enorm, das aber als die Haupt-Einbahnstraße politischen und persönlichen Wandels zu betrachten, geht nach hinten los. Man mus noch an einer ganzen Reihe anderer Strukturen als der Sprache ansetzen, vom Verhältnis Berufswelt/Reproduktionsarbeit über die Medizin (Stichwort pathologisierung von geschlechtlicher Uneindeutigkeit) bis wasweißich.

ABER man kann im Rollenspiel auch erst mal kleinere Brötchen backen. Vielleicht geht es ja einfach nur darum, ein Spielumfeld zu schaffen, in dem möglichst wenige Leute Erfahrungen machen, die ihre negativen Erlebnisse mit Diskriminierung und Stereotypisierung triggern, und wichtiger noch: In denen solche triggernden Erfahrungen sich leicht ansprechen, thematisieren und korrigieren bzw. in Zukunft vermeiden lassen. Damit ist kein großer Sieg gegen jede Form von Diskriminierung erringen, aber am eigenen Spieltisch zumindest ein kleiner Sieg in Sachen zwischenmenschlicher Wertschätzung und Achtsamkeit.

Es ist ganz banal halt für eine einzelne Person schon relevant, ob sie mit ihrem Unbehagen beispielsweise über sexistische Inhalte betreten am Tisch sitzt und vermittelt bekommt, dass alle anderen sich absolut wohl mit selbigen Fühlen, oder ob es ein gemeinsames Bewusstsein dafür gibt, dass so ein Unbehagen eine Berechtigung hat und angesprochen werden kann und sollte. Und diese Selbstverständlichkeit ist eben nach wie vor nicht immer gegeben, ich habe da durchaus auch schon Reaktionen der Marke "That's the setting, deal with it!" miterlebt. Und das muss nicht sein.

Wichtig ist halt immer, sich nicht angegriffen zu fühlen, wenn jemand so ein Problem anspricht. Und dazu gehört, selbst erst mal davon auszugehen, dass man nicht zwangsläufig alles immer perfekt und richtig macht. Deshalb bin ich auch so allergisch auf die Frage, was man "darf": Dann macht sich die SL am Ende noch die Checkliste mit allem, was nicht erlaubt ist, vermeidet die entsprechenden Themen brav, und dann gibt es ein Problem an einer Stelle, die zufällig nicht auf dieser Liste war - und jetzt ist die SL richtig angepisst, sie hat ja wohl alles beachtet, und jetzt immer noch Vorwürfe, die spinnen doch alle! Nee. So geht das nicht. Es gibt keine Liste der verbotenen oder erlaubten Dinge, es gibt nur eine Aufforderun zu Respekt, Achtsamkeit und Offenheit.

Offline Chiarina

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@ Huhn: Danke. Ich brauchte noch einen kleinen Kick. Den hast du mir jetzt verpasst. Ich werde das Buch lesen.
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Offline YY

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Re: Darf man politisch unkorrekte Settings noch spielen?
« Antwort #45 am: 21.11.2019 | 22:00 »
Ja, was läge da näher? Vielleicht das, was ich oben gemacht habe: Dazu aufgefordert, einfach offen gegenüber neuen Anregungen zu bleiben und zu schauen, ob sie das eigene Spiel, die Spielrunde, die Community oder das allgemeine Miteinander bereichern könnten.

Habe ich das oben nicht selbst deutlich voneinander unterschieden?
Das sind für mich zwei verschiedene Herangehensweisen; die eine setzt positiv und konstruktiv auf Impulse/Denkanstöße, Perspektiverweiterung.

Die andere kann nur wirkungslos bleiben oder in Richtung Denk- und Handlungsverbote gehen (mehr dazu s.u.).

Oder das was Der Tod gemacht hat: Dazu aufgefordert, sich solcher Mechanismen und Inhalte bewusst zu sein, wenn sie verwendet werden.

Auch da: Habe ich nicht auch recht ausufernd von Mechanismen gesprochen und der Notwendigkeit, sie zu verstehen, um das Problem zu reduzieren?
Aber wenn das etwas bewirken soll, muss ich stets auch den Bezug zur Realität hinbekommen und bin dann schnell in einem Bereich, wo ich das vielleicht gleich völlig abseits eines Spiels thematisieren sollte.
Und dann auch da, wo es hingehört, nämlich wenn ich das Problem tatsächlich antreffe und nicht nur vermute, dass es auftreten könnte. Einen allgemeinen Erziehungsauftrag für meine Spieler sehe ich ohnehin nicht, und erst recht nicht ins Blaue hinein.

Der Beißreflex hat seine Ursache also bei dir, nicht bei mir. Andere hätten nicht gebissen. Warum willst du zubeissen?

Das war eigentlich recht neutral von der Seitenlinie (vielleicht mit einem Fuß auf dem Spielfeld) gesagt, aber der allgemeinen Unterhaltung halber schaue ich mal, ob der Schuh mir passt.

Ich sehe da wie oben angerissen insgesamt starke Parallelen zur damaligen Killerspiel-Debatte. Der Grundgedanke ist der gleiche: "Böse Gedanken machen böse Taten (und in letzter Konsequenz böse Menschen)". Damit setzt man sich letztlich selbst unter Handlungsdruck - diesen schlimmen Zustand kann man ja nicht einfach so lassen. 


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Schaut man genauer hin, stellt man fest: Die behaupteten Effekte gibt es jedenfalls bei Weitem nicht in der angedachten Form und dem angedachten Ausmaß.
Es ist immer die Frage, wer unter welchen Bedingungen was spielt - bewusster Umgang ist das Zauberwort und selbst da, wo man von außen vielleicht Bedenken hat, zeigt die Praxis, dass es stets weniger schlimm ist wie befürchtet.

Für die Videospiele mag der Verlauf damals noch insofern nachvollziehbar gewesen sein, weil ein vergleichsweise neues Medium auf eine breitere Öffentlichkeit traf.

Jetzt sind P&P-Rollenspiele aber a) ein wesentlich älteres Medium und die viel schwächere Form dieser Debatte gab es im Prinzip fast nur in den USA 20 Jahre vor der hiesigen Killerspieldebatte und b) kommt die Kritik aus den eigenen Reihen statt von außen.

Und an der Stelle frage ich mich: Wo kommt das heute überhaupt her?
Haben ich und mein Bekanntenkreis wirklich so großes Glück gehabt, dass wir von diesen Themen nie so betroffen waren, wie es neuerdings anklingt?
Ist das für irgendwen nicht selbstverständlich, dass man reagiert, wenn jemand am Tisch mit irgendeinem Inhalt ein Problem hat und das anspricht?

Da ist es doch klar, dass es erstmal befremdlich ist, wenn jemand auf so Offensichtliches hinweist und dabei den Eindruck erweckt, er hätte da wunders die neue Erkenntnis gehabt.

Allgemein ist es meine Wahrnehmung, dass über immer kleinere Probleme immer lauter diskutiert wird (was einerseits der Medienlandschaft geschuldet ist, wo man anders kaum noch wahrgenommen wird und andererseits eben genau daran liegt, dass es kleine Probleme sind - da tut sich natürlich in normaler Lautstärke nichts).

Man vergleiche mal die schon nicht mehr ganz aktuelle Feinstaubthematik mit den Umweltproblemen im dritten und letzten Viertel des 20. Jahrhunderts z.B. im Ruhrgebiet oder beim Thema Rhein. Da hat man sich ja schon gefragt, warum man nicht jeden Tag auf dem Weg zur Straßenbahn über totgefeinstaubte Mitbürger steigen muss.
Und das ist auch schon wieder abgelöst von der nächsten Sau, die durchs Dorf getrieben wird - an sich schon ärgerlich genug, aber noch schlimmer, wenn man darüber die echten Probleme vergisst (da schließt sich dann auch wieder der Kreis zum P&P: das Hobby hat die eine oder andere echte Baustelle, aber dort wird recht unaufgeregt vor sich hin gewerkelt).
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Faras Damion

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(...) Und an der Stelle frage ich mich: Wo kommt das heute überhaupt her?
Haben ich und mein Bekanntenkreis wirklich so großes Glück gehabt, dass wir von diesen Themen nie so betroffen waren, wie es neuerdings anklingt? (...)

Vielleicht redet man mit dir einfach nicht über solche Dinge? Rechne mal aus, wie viele Leute mit den genannten Problemen es theoretisch in deinem Umfeld geben wird und wieviel sich offenbart haben.

Sprich doch einfach mal neugierig und aufgeschlossen direkt an. :)



 
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Offline General Kong

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Also ...

Rumpel macht nen witzigen Kommentar zu einem Bild mit Rollenspielen (Conan und Feminism).
Ich mache meinerseits einen ironisch gemeinten dazu (zum Verhältnis Conan-Belit).
Man hätte über beides lachen oder zumindest schmunzeln können (habe ich bei Rumpels getan).
Oder auch nicht - ist ja auch egal.

Oder man kann natürlich auch mal wieder eine ausufernde Grundsatzdiskussion über die Übel der Welt und den Beitrag/ Nicht-Beitrag des Rollenspiels an und für sich dazu führen - mit dem üblichem Ende (keinem).

 ::)

Irgendwie nehmen hier recht viele Leute das Hobby an der falschen Stelle viel zu ernst, scheint mir.

Aber man kann ja auch aus dem Kauf eines Kaffees im Pappbecher eine grundsätzliche Gesellschafts- und Klimafrage machen und bei dieser Gelegenheit auch die neokoloniale Ausbeutung der Kaffenbauern im Trikont im Rahmen des globalisierten Kapitalismus erörtern.

Oder auf Rollenspielniveau:
Ist es politisch überhaupt zu verantworten in China gedruckte Rollenspiel zu kaufen und zu bespielen oder unterstützt man damit nicht die Politik der KPCh zur Unterdrückung Tibets und der Minderheit der Uighuren?
Und was sagt der Dalai Lama dazu?

Viel Spaß dabei DAS zu diskutieren. Ich bin spielen.

Und wenn ihr mal wieder ein Problem braucht - ich erfinde euch eins!  >;D
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Offline fivebucks

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Neben verschiedenen Rollenspielen wobei man irgendwelche Horrorfiguren spielt fand ich vor allem eines vom Setting her bedenklich: Exalted.

Kastenwesen, Militarismus sowie der Übermensch der sich seinen ihm zu stehenden Platz als Herrscher erkämpft.

Das alles sind Konzepte wo ich nach etwas nachdenken dachte: Faschistoid!

Es gibt im Werk auch keinen Disclaimer wie es ihn in den meisten anderen Büchern des Verlages gibt.

Offline Ludovico

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Zum Topic:
Man sollte immer spielen, worauf man Lust hat und woran man Spass hat.
Politische Korrektheit ist lediglich ein Kriterium unter vielen, welches die Gruppe bei der Auswahl des Spiels berücksichtigen muss.

Generell würde ich sagen, dass Spiele keinen Spass machen, die gegen die eigenen Wertvorstellungen und Ideale grob verstossen. Ich werde nie In Nomine anfassen und auch nie ein Spiel, bei dem die Charaktere pädophile Neigungen raushängen lassen - weil diese Spiele gegen meine Wertvorstellungen verstossen.

Wichtig ist immer, die Erwartungshaltung der Spieler anzugleichen durch Information, so wie es der HEXer bei der Space-Runde tat.

Deshalb stimme ich Chiarinas Beitrag unumwunden zu.