Autor Thema: RQ Glorantha: Schamanen, ihr Anderes Ich und Magiepunkte  (Gelesen 575 mal)

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Offline Magister Ludi

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Dies ist eine offene Frage an die wirklichen Experten und Historiker von RuneQuest. Leider sind von den offiziellen Stellen keine Antworten zu erwarten. (Alle RQG-Zitate sind aus Seite 356 des Coerebook.)

RQG Zitat 1: “The fetch provides POW and magic points to the shaman. Its magic points are always accessible to the shaman, …”

Dies steht im Widerspruch zu den folgenden Aussagen über die eingeschränkte Nutzung der Magiepunkte, wenn der Schamane entkörperlicht ist. Möglicherweise kann man das heilen, indem man ergänzt: "... while in the mundane world".#

RQG Zitat 2: “When discorporate, the shaman cannot use the fetch’s magic points to defend or attack, though they can use the fetch’s magic points to fuel spells."

Wozu benutzt man Magiepunkte? In erster Linie, doch wohl, um damit zu zaubern (fuel spells), in zweiter Linie als Ersatz für Lebenspunkte im Geisterkampf.

Im “Well of Daliath”, wo jemand Jason Durall diese Zitate gegenüberstellte, begnügte er sich mit der Erklärung: “Defense = casting defensive magic to protect yourself from harm. Attack = casting offensive magic to cause another being harm.“ ohne auf den Widerspruch einzugehen.

RQG Zitat 3: “A discorporate shaman does not use their fetch’s magic points for defense while traveling in the Spirit World."

Das wiederholt Zitat 2, allerdings beschränkt auf defense.

Kann mir irgendjemand erklären, was mit Zitat 2 gemeint ist? Als Beitrag zu einem Lösungsversuch zwei Zitate aus RQ3.

RQ3 Zitat 1: “When magically attacked, the shaman uses both his own and his fetch’s magic points to resist spells and spirits. (However, when attacking, a shaman uses only his personal magic points, not the fetch’s. Furthermore, a discorporate shaman does not use his fetch’s magic points for defense.)”

RQ3 Zitat 2: “When discorporate, the shaman cannot use the fetch’s magic points to defend or attack, though they can use the fetch’s magic points to fuel spells.”

Das ist übrigens wortgleich mit dem Zitat 2 auf RQG.)

Prinz Slasar

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Re: RQ Glorantha: Schamanen, ihr Anderes Ich und Magiepunkte
« Antwort #1 am: 31.01.2020 | 18:21 »
Ein paar Ansätze

a. Die Formulierung ist copy&paste aus dem PDF-Anhang zum Quickstart, worin der erste Ausblick auf den Spirit Combat zu finden gewesen ist.

b. RQG hatte im Quickstart und auch noch in der 1. Auflage eine krude Begrifflichkeit von attack und defense in bezug auf Magie. Dabei ging es vor allem um die Handlungsmöglichkeiten in einer Melee Round, bei der die Frage war, was nun genau "defense" für die Magie heißt.
Die Schwierigkeit ergab sich, weil RQG ein copy&paste-Mix verschiedener Editionen ist. War Defense in RQ2 noch ein dezidierter Regelterminus, wurde er durch die Aufteilung in Parry und Dodge, die nun wiederum in RQG unter Defense laufen, aufgeweicht und umgangssprachlich.
D.h. bei RQG war anfangs [und ist es auch weiterhin] etwas unklar, was nun genau "Defense" vor allem in bezug auf die Magie ist und wie man welche Spells nun entsprechend der Melee Combat-Regel klassifiziert.
Offiziell behalf man sich für die 2. Auflage mit einer Änderung und der berüchtigten WoD-Errata.

c. Die Magic Points in RQG werden für verschiedene Zwecke verwendet; nicht nur für Spells: RQG S. 244: "Magic points can be expended by casting a spell, in worship, or in spirit combat."
Das heißt, RQG differenziert hier den Einsatz von MP bei spells/Magie vom Einsatz der MP im Spirit Combat/Attack and Defense.

d. Die MP des Fetch stehen dem Schamanen immer zur Verfügung, aber die Einsatzmöglichkeiten dieser MP sind begrenzt. Zwar kann er sie im entkörperlichten Zustand für Spells nutzen, aber nicht für den Kampf.

e. Interessant ist hier RQG S. 195: Hier wird differenziert in magische/mundane Attacks und magische/mundane Defenses sowie "casting spells" - und zwar so, dass sich beides in der Melee Round ausschließt.
Es taucht hier auf S. 195 übrigens genau das Konzept auf, das in leicht anderer Form in der hinterfragten Regel zum Schamanen und seinem Fetch Verwendung findet.

Das bedeutet, dass die hinterfragte Formulierung heißen könnte "der entkörperlichte Schamane kann die MP des Fetch nutzen, allerdings nicht für magische Attacken und magische Verteidigungen, sondern für alle anderen spells".
Vgl. auch RQG S. 368, wo explizit die Nennung von magical attacks auftaucht, d.h. ein Konzept, das im Combat Chapter über die Melee Round eingeführt wurde. [siehe oben]
Leider ist, wie gesagt, bei RQG nie wirklich geklärt worden, was nun genau eine magische Attacke ist. Ist z.B. der Spell Distraction eine magische Attacke im Spirit Combat [vgl. RQG S. 366 mit genau diesem Spell als Beispiel]?

f. Neben den oben genannten Grundgedanken, die hinter der Differenzierung zwischen "magical attacks/defenses" und "other spells", stehen, gibt es noch die bekannte Unterscheidung, dass Fetch und Schamane wie ein gekoppelter Schalter fungieren, sprich: der eine ist "an", wenn der andere "aus" ist.
Die Komplexität der RQG-Regeln neigen dazu, dass diese simple Idee unter gewissen Umständen auch wegfallen kann.

Um auf den Spirit Combat zurückzukommen und die Formulierung "Attack and defend", ist RQG S. 358 erhellend, die wiederum die hinterfragte Textstelle von S. 356 erklärt:
Unter dem Stichwort "Spirit Defense" wird beschrieben, dass bei einem entkörperlichten Schamanen der Fetch nicht defensiv eingreifen kann. Und - ganz wichtig - unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes derjenigen MP, die über den Fetch laufen.
Es wird außerdem ganz genau unterschieden, ob der Schamane entkörperlicht ist oder nicht.

g. Zusammenfassend:
- RQG ist aufgrund fehlender Regelsprache und copy&paste aus verschiedenen Regelwerken und Editionen über weite Strecken unklar.
- RQG kennt zwei verschiedene Konzepte von Attack&Defense. Zum einen beides im Kontext magischer Attacken und Verteidigungen [b-e] und zum anderen im Kontext von Spirit Combat [c] und dem Intercepting [RQG S. 358 und f].
- Jason scheint sich m.E. in seiner Antwort auf das erste Konzept von Attack&Defense zu beziehen

Oder anders gesagt: Die befragte Regelpassage ist nicht widersprüchlich, aber sie lässt zwei Antworten zu, jenachdem, welches Attack&Defense-Konzept man unterstellt und welche zugehörigen Regeln [siehe oben] man dann hierfür in Anspruch nimmt.
« Letzte Änderung: 31.01.2020 | 19:49 von Prinz Slasar »

Offline jorganos

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Re: RQ Glorantha: Schamanen, ihr Anderes Ich und Magiepunkte
« Antwort #2 am: 31.01.2020 | 19:22 »
Schamane und Fetch haben separate MP-Konten. Ein Zugriff auf die MP des Fetch ist dem Schamanen anscheinend jederzeit möglich.

MP des Fetch könnten für bestimmte Aufgaben blockiert sein - in RQ3 war das zum Gefangenhalten von Geistern, in RQG meine ich die Schamanenfähigkeit, einen Geistermagie-Zauber aufrecht zu erhalten, so gesehen zu haben.

Für offensive Zwecke (Angriff im Geisterkampf, Überwindung des magischen Widerstands eines Ziels eines Zaubers) werden die Werte des Schamanen ohne die des Fetch verwendet.

Ein Schamane in der normalen Welt mit seinem Fetch jenseits des Vorhangs verteidigt sich gegen magische Angriffe mit der Summe der beiden POW-Werte, wenn ich RQG richtig verstanden habe. (Mein Verständnis: Im Gegensatz zu RQ3 muss man prinzipiell POW und nicht MP überwinden, um einen Zauber gegen den Widerstand durchzukriegen. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass beim Cut'n'Paste aus RQ2 die dortige schwammige Definition von POW und Temporary POW (aka MP) durcheinandergebracht und nicht wirklich korrigiert wurde.)

Ich beziehe Zitat 2 allein auf Aktivitäten mit der Fähigkeit Geisterkampf. Das Wirken eines Geistermagie-Zaubers - auch eines offensiven Zaubers gegen den derzeitigen Gegner - betrachte ich als davon unabhängige Aktion, für die der Schamane die MP des Fetch nutzen könnte. (Auf etwaige Kristalle oder Matrizen mit MP hat man im Discorporate-Zustand ja wohl keinen Zugriff.)

Damit kommen wir wieder zur Frage, ob im Geisterkampf die Magiepunkte auch für den Angriff eine Rolle spielen (außer, dass sie nicht 0 sein dürfen), oder ob dann doch POW der entscheidende Wert ist. (Bzw POW + CHA).

RQ3 hatte da keine Fertigkeiten, so weit ich mich erinnern kann, da war es ein stumpfes MP gegen MP auf der Widerstandstabelle, bis eine Seite auf Null reduziert wurde oder der Geist sich aus dem Kampf zurückzog. In diesem Fall spielen die MP natürliich eine Rolle für den Angriff, und könnte der diskorporierte Schamane die MP des Fetch verwenden, wäre das natürlich ein immenser Unterschied.

So wie ich RQG verstanden habe, spielen die MP für den Angriff keine Rolle mehr, aber dies könnte ein Fall von Cut'n'Paste sein, der dem redaktionellen Vorgang entwischt ist.



Prinz Slasar

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Re: RQ Glorantha: Schamanen, ihr Anderes Ich und Magiepunkte
« Antwort #3 am: 31.01.2020 | 20:16 »
Ein Schamane in der normalen Welt mit seinem Fetch jenseits des Vorhangs verteidigt sich gegen magische Angriffe mit der Summe der beiden POW-Werte, wenn ich RQG richtig verstanden habe. (Mein Verständnis: Im Gegensatz zu RQ3 muss man prinzipiell POW und nicht MP überwinden, um einen Zauber gegen den Widerstand durchzukriegen. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass beim Cut'n'Paste aus RQ2 die dortige schwammige Definition von POW und Temporary POW (aka MP) durcheinandergebracht und nicht wirklich korrigiert wurde.)

Ja, eine Spur davon, wie RQG POW und MP mischt, findet sich RQG S. 358 unter dem Stichpunkt "Second POW":
"This additional POW regenerates magic points at the same time as the shaman's own magic point regeneration."
Hier mischen sich direkt die beiden Begrifflichkeiten von POW und Temporary POW.

Ich gehe auch davon aus, dass sich eben an dieser Stelle der Grund für die missverständliche MP-Formulierung findet.

Was allerdings weiterhin [und seitens RQG wohl auch final] offenbleibt, ist die Frage, welches Konzept von Attack&Defense man nun für die hinterfragte Regelstelle zur Hand nimmt [siehe oben, Beitrag #1]
Sowohl für die eine Auslegung wie auch die andere finden sich im Regelkorpus Referenzen.

RQG-Runden müssen demnach, wie in vielen Fällen, mit einer eigenen Regelexegese und Lösung daherkommen. Die Spielpraxis würde dann zeigen, welche der Auslegungen möglicherweise zu stark oder zu schwach ist - um dann ggf. die Entscheidung anzupassen.

jorganos' Beitrag gibt zumindest den ersten Hinweis darauf, dass eine der Optionen den Schamanen eventuell zu stark macht.

Im Übrigen folge ich hier auch eher jorganos und nicht Jason, d.h. ich unterstelle bei der Textstelle das Attack&Defense-Konzept II [siehe Beitrag#1] und nicht wie Jason das Konzept I.

Abstrakter Lösungsansatz:
- die Gruppe muss sich entscheiden, wie sie in der Regelstelle den Begriff der magic points auffasst.
- sieht sie darin Temporary POW [also die MP als Synonym für das POW-Attribut, also der Second POW durch den Fetch, siehe RQG S. 358], dann bezieht sich Attack&Defense auf Konzept II.
- sieht sie darin allerdings tatsächlich MP, dann würde Konzept I greifen.

OT: Ich bin ganz froh, dass MYTHRAS die ultrakomplexen Fetch-Regeln von RQ3/RQG nicht enthält. Die MYTHRAS-Regeln für Fetches/Seelengefährten gestalten sich aufgeräumt und leicht zu verstehen.
« Letzte Änderung: 31.01.2020 | 20:39 von Prinz Slasar »