Autor Thema: Subjektives Versagen  (Gelesen 8627 mal)

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Offline aikar

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Subjektives Versagen
« am: 21.03.2020 | 07:50 »
Ich habe jetzt schon mehrfach von Spielern die Beschwerde gehört, dass PbtA-Systeme zwar ein interessantes Spielgefühl liefern, es sich aber so anfühlt, als wären die Charaktere unfähig.
Nach kurzem Fragen lässt sich diese Aussage immer auf den Erfolg mit Haken bei 7-9 zurückführen. Diese Spieler haben das Gefühl, dass alles, was kein perfekter Erfolg ist, ein Versagen darstellt.

Rein statistisch erreicht z.B. ein  Dungeon World-Charakter sein angepeiltes Ziel deutlich häufiger als ein vergleichbarer D&D-Charakter

Ein typischer D&D-Anfängercharakter (Stufe 1-4) der in einem Bereich geübt ist und einen sehr guten Attributswert hat, hat einen Bonus von +5.
Das bedeutet bei einer durchschnittlichen Probe (15) eine Versagensschance von 1-9 = 45%.
Ein ungeübter Charakter mit einem durchschnittlichen Attributswert hat einen Bonus von +1.
Das bedeutet bei einer durchschnittlichen Probe (15) eine Versagensschance von 1-13 = 65%.

Ein Anfängercharakter mit einem guten Wert bei DW (+2) hat eine Chance von 6/36 ~ 16% nicht zu erreichen was er erreichen will und eine Chance von jeweils 15/36 ~ 42% sein Ziel mit Haken oder sehr gut zu erreichen.
Ein Anfängercharakter mit einem durchschnittlichen Wert bei DW (+0)  hat eine Chance von 15/36 ~ 42% nicht zu erreichen was er erreichen will, eine Chance von 15/36 ~ 42% sein Ziel mit Haken und von 6/36 ~ 16% sehr gut zu erreichen.

Diese Spieler rechnen den Erfolg mit Haken aber subjektiv dem Versagen zu, womit ein hohes Versagensgefühl aufkommt.
Dass das eigentliche Ziel erreicht wird, tritt neben dem Haken in den Hintergrund.

Das ist leider so schlimm, dass es einigen Spielern (und vor allem einer Spielerin, die mir sehr wichtig ist, meiner Frau  ;D) das Spiel ruiniert. Da ich aber sehr auf Dungeon World und andere PbtA-Systeme wie Der Sprawl stehe und gerne mehr damit machen würde, würde ich gerne einen Weg finden, dieses (in meinen Augen) Missverständnis aufzubrechen oder abzufedern, bin aber noch zu keiner Lösung gekommen.

Hat evtl. jemand hier Ideen? Hattet ihr schon ähnliche Erfahrungen? Wie geht ihr damit um?

Danke
« Letzte Änderung: 21.03.2020 | 07:53 von aikar »
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Offline KhornedBeef

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #1 am: 21.03.2020 | 08:15 »
Kann man fragen, woher diese Versagensgefühle kommen? *Psychotherapietonfall* ? Haben sie vielleicht zu oft Spiele gespielt, bei denen es nur darum geht, was ihnen nach einer Herausforderung alles fehlt gegenüber dem "perfekten" Ergebnis? Oder ist das eher eine private Sache?
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Offline Alexandro

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #2 am: 21.03.2020 | 08:21 »
Ich denke die Lösung liegt in der Überarbeitung der Moves. Gerade Dungeon World hat ein paar Moves, wo bei einen 7-9 Dinge passieren, welche in anderen System (nicht-kritische) Fehlschläge wären oder bei FATE Erfolge mit großen Haken. Oft sind das Moves nach dem Prinzip "Du erreichst X, aber dafür passiert dir Y schlimmes". Das fühlt sich natürlich nicht nach einem Erfolg an.

Besser sind Moves, wo man zwischen Erfolgsoptionen wählen kann und bei einer 10+ mehr Optionen auf einmal bekommt. Da hat man eher das Gefühl "7-9 ist ein Erfolg und 10+ ist ein supidupi-Erfolg".
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Offline Toht

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #3 am: 21.03.2020 | 08:23 »
Vielleicht sind deine Haken auch zu ausufernd und gravierend?

Hast du es mal mit Clocks wie in Blades in the Dark probiert?

Beispiel: ihr seid verdeckt auf einem Maskenball, verschiedene Fahlschläge oder Haken füllen nur einen Teil eines bspw, 6fach geteilten Kreises der Konsequenz "ihr werdet enttarnt. Somit muss man als Team 6 mal scheitern ehe die negative Konsequenzen wirklich greift.

Offline aikar

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #4 am: 21.03.2020 | 08:33 »
Ich denke die Lösung liegt in der Überarbeitung der Moves.
Ich will eigentlich dediziert nicht das System angreifen/hausregeln. Mir gefällt Dungeon World so wie es ist. Ich möchte nur einen Weg finden, es besser zu verkaufen.

Hast du es mal mit Clocks wie in Blades in the Dark probiert?
Wir haben es mit Scum & Villainy versucht, Blades in the Dark in Space. Da kam das Problem sogar noch stärker zum tragen. Da führt 1-3 auf dem besten von XW6 zum Versagen und 4-5 einer verschlechterten Situation. Das ist durch die Death Spiral (Schlechtes Ergebnis führt zu schlechterer Position die ein schlechtes Ergebnis wahrscheinlicher macht) schnell soweit eskaliert, dass nicht mal ich als SL mehr wusste, wie die SCs da noch sinnvoll und ohne Deus Ex Machina rauskommen sollen.


Und ich denke ob Clock oder nicht ist egal. Es geht nicht darum, was oder wie schlimm der negative Effekt ist, sondern dass er überhaupt existiert.
Mein Ziel wäre (über Erklärungen oder andere SL-Handlungen im Spiel) zu erreichen, dass die Spieler einen kleinen Preis nicht als völliges Scheitern betrachten.
« Letzte Änderung: 21.03.2020 | 08:39 von aikar »
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Offline phant

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #5 am: 21.03.2020 | 09:16 »
Ist für Deine Frau das Glas halbvoll oder halbleer?

Hatte dieses Phänomen noch nicht bei DW.

Offline Edwin

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #6 am: 21.03.2020 | 09:26 »
Ich kenne das Problem aus Spielleitersicht.

Leider oder zum Glück hat man aber auch als Spielleiter viel in der Hand, das Problem zu lösen ohne an den Regeln zu drehen.

Ich hatte irgendwann einen Zettel auf dem Tisch: "7-9 ist ein Erfolg!"

Das hilft bei Beschreibungen und bei Konsequenzen den "Ja"-Aspekt in den Mittelpunkt zu stellen und nicht den "Aber" Aspekt.

Als Faustregel für den "Aber" Aspekt: dieser sollte niemals so weit gehen, dass die Spielerin den Move lieber gar nicht gemacht hätte. Eine 7-9 versetzt die Spielfigur mit gewissen Einschränkungen in eine deutlich bessere Situation, nicht in eine schlechtere oder eine gleichwertige.
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Offline schneeland

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #7 am: 21.03.2020 | 12:52 »
Ja, das Problem kenne ich - wir (sowohl die Spieler als auch ich selber) haben uns mittlerweile einigermaßen dran gewöhnt, aber ich empfinde in den meisten Fällen die Einschränkungen für den Erfolg schon als so signifikant, dass sie das Erfolgsgefühl mindern.

Was man machen kann ist, World of Dungeons zu spielen und damit quasi OSR mit 2W6. Das hat erstaunlich gut funktioniert (die Einschränkungen für Erfolge kann der SL ja hier flexibel festlegen).

Alternativ - und das ist das, was wir im Moment machen - spielen mit zwei Regelvariationen/Hausregeln:
1. Es einen situativen Bonus/Malus von +1/-1 nach Ermessen des SL (erleichtert/erschwert)
2. Spielzüge werden nicht mehr zwingend ausgelöst, wenn die passende Situation eintritt, sondern nur, wenn auch etwas auf dem Spiel steht - je nachdem, wie eine Aktion beschrieben wird, lasse ich sie entweder direkt gelingen (häufig) oder fehlschlagen (selten).

So kommen wir recht gut damit klar, wobei ich nach 1 1/2 Jahren PbtA zu dem Schluss komme, dass das im Kern noch nicht 100% das ist, was ich mir wünsche, auch wenn ich viele Aspekte mag.
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Offline Haukrinn

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #8 am: 21.03.2020 | 13:09 »
Bring deine Leute davon weg zu denken, dass Moves sowas wie Proben oder Fertigkeiten sind. Moves sind dazu da, die Geschichte weiter zu erzählen. Nichts weiter.
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Offline YY

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #9 am: 21.03.2020 | 13:31 »
Bring deine Leute davon weg zu denken, dass Moves sowas wie Proben oder Fertigkeiten sind. Moves sind dazu da, die Geschichte weiter zu erzählen.

Das ist gar nicht mal so einfach, wenn verschiedene Playbooks deutlich voneinander abgegrenzte Aktionen haben, mit denen sie die Geschichte vorantreiben.
Da kann man lang erzählen, dass das keine Klassen und keine konkreten Fertigkeiten sind, aber die Parallelen drängen sich immer wieder auf.

Als Faustregel für den "Aber" Aspekt: dieser sollte niemals so weit gehen, dass die Spielerin den Move lieber gar nicht gemacht hätte.

Guter Hinweis.

Wenn ich so an die PbtA-Runden denke, die ich gesehen habe, war es gefühlt der Normalfall, dass die Spieler sich bei 7-9 dachten: So ein Mist, das hat ja mal gar nichts gebracht.
Liegt vielleicht auch daran, dass einige Regelwerke bei den Moves mit genauer verregelten Konsequenzen fast schon Pyrrhussiege vorleben. 
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Offline Jiba

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #10 am: 21.03.2020 | 15:54 »
Bei City of Mist wird der Eindruck noch dadurch verstärkt, dass es eine 12+ Option, einen kritischen Erfolg, gibt.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Deep_Flow

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #11 am: 21.03.2020 | 17:11 »
7-9 ist ein Erfolg bei PbtA-Spielen. Die Spielfigur bekommt, was sie erreichen möchte. Es hat eben nur eine nicht-intendierte Konsequenz (die den Erfolg nicht negieren sollte !!!!) oder Kosten und zwar aufgrund der widrigen Umstände, nicht weil die Figur nicht kompetent wäre. Was die Story wieder voran bringt. 

Offline schneeland

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #12 am: 21.03.2020 | 17:21 »
7-9 ist ein Erfolg bei PbtA-Spielen. Die Spielfigur bekommt, was sie erreichen möchte. Es hat eben nur eine nicht-intendierte Konsequenz (die den Erfolg nicht negieren sollte !!!!) oder Kosten und zwar aufgrund der widrigen Umstände, nicht weil die Figur nicht kompetent wäre. Was die Story wieder voran bringt. 

Grundsätzlich ja, aber jetzt nehmen wir mal folgenden Spielzug aus The Sprawl:

AUFMISCHEN (FLEISCH)
Wenn du gegen die gegnerische Seite Gewalt anwendest, um dein Ziel zu erreichen, benenne dein Ziel und würfele Fleisch.
7+ Du erreichst dein Ziel.
7-9 Wähle zwei Optionen aus der folgenden Liste:
* Du machst zu viel Krach. Zähle den Missions-Countdown hoch.
* Du nimmst – der Erzählung entsprechend – Schaden.
* Ein Verbündeter nimmt – der Erzählung entsprechend – Schaden.
* Etwas von Wert wird zerstört.

Da fühlt man sich m.E. mit einer 7-9 nicht so wahnsinnig kompetent.

Fairerweise muss man sagen: andere Spielzüge aus dem gleichen Spiel sind da weniger problematisch.
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Offline Deep_Flow

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #13 am: 21.03.2020 | 17:53 »
Ist nicht immer ganz trennscharf...

Und Aufmischen ist eben auch AUFMISCHEN. Da geht das Villeroy und Boch Fachgeschäft eben zu Bruch, aber man erreicht sein Ziel...  ;) Und auch wichtig: Spielerin oder Spieler wählt selber.

Offline Haukrinn

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #14 am: 21.03.2020 | 17:55 »
Grundsätzlich ja, aber jetzt nehmen wir mal folgenden Spielzug aus The Sprawl:

 [...]

Da fühlt man sich m.E. mit einer 7-9 nicht so wahnsinnig kompetent.

Ist den Leuten denn auch klar dass da die Aktion des Gegners mit drin ist? Du machst Schaden, dein Gegner aber auch. Ist jetzt kein so unwahrscheinliches Ergebnis. Ich glaube damit tun sich viele aber bei ptba generell schwer. Auch SLs, die meinen, sie müssten da dann auch Aktionen machen, obwohl die Leute erfolg haben - und dann werden die Erfolge natürlich klein.
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Offline YY

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #15 am: 21.03.2020 | 18:04 »
Du machst Schaden, dein Gegner aber auch. Ist jetzt kein so unwahrscheinliches Ergebnis. Ich glaube damit tun sich viele aber bei ptba generell schwer.

Kommt eben drauf an, was vorher gelaufen ist und wie die Situation sich darstellt - darauf wird bei diesen Würfen je nach konkretem Regelwerk sehr wenig bis gar keine Rücksicht genommen und die tauglichste Lösung ist mMn, für Einiges gar nicht würfeln zu lassen (siehe schneeland), anstatt sich doch wieder Ansätze eines konventionellen Systems zusammenzustoppeln.
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Offline schneeland

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #16 am: 21.03.2020 | 18:08 »
Ja, mein Eindruck ist, dass das grundsätzlich schon verstanden ist, aber emotional trotzdem eher als Scheitern empfunden wird (insbesondere wenn narrativ einiges an guter Vorbereitung erfolgt ist). Und die 10+ liefert schon einen uneingeschränkten Erfolg, aber tritt halt auch nicht so häufig auf (vielleicht würfeln wir aber auch nur alle bescheiden  ;D).

Im Endeffekt neigt PbtA m.E. dazu, Situationen eskalieren zu lassen und sieht Komplikationen eher als etwas positives (Geschichte wird potenziell spannender). Aber nicht jeder Spieler empfindet das wirklich so (bei mir sind zwei Spieler relativ zügig wieder ausgestiegen; auch die verbleibenden zwei haben u.a. nicht so wahnsinnig viel Spaß an der Auswahl der Komplikationen bei den Spielzügen, haben sich aber zumindest ein Stück weit damit angefreundet, weil sie die Leichtgewichtigkeit der Regeln und den Playbook-Ansatz mögen).
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Offline Haukrinn

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #17 am: 21.03.2020 | 18:10 »
@YY: Was dann aber das System schnell kaputt macht. Die Maxime ist ja nicht umsonst "Wenn ein Move passt, dann musst du den Move machen". Ich sehe aber auch oft das ein Spieler sagt "Ich erledige den Wächter mit meinem Scharfschützengewehr" und der SL dann sagt "Ah, AUFMISCHEN" - nein, eben nicht. Wenn's keinen passenden Move gibt, dann klappt das halt einfach und fertig.

@schneeland: Deine Beobachtung ist völlig richtig. Ptba ist auf generell auf Eskalation ausgelegt. Und so eine 10+ ist durchaus schaffbar, Du brauchst halt durch irgendwas einen Bonus, und den bezahlst du dann halt wieder mit dem Risiko an anderer Stelle. Geschenkt gibt es da nix, und Pbta erzählt nie die Geschichte von Teflon-Helden.
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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #18 am: 21.03.2020 | 18:14 »
Ich bin jetzt mit speziell The Sprawl nicht vertraut, bin's aber andererseits schon gewohnt, daß verschiedene pbtA-Spiele gerade die "Ich wende Gewalt an!"-Moves unterschiedlich verregeln und dabei auch nicht davor zurückschrecken, sie auch für den Anwender selbst gefährlich zu machen. Das liegt aus meiner Sicht mit an den angepeilten Genres und der dazugehörigen Atmosphäre -- wer beispielsweise bei Monster of the Week mit dem Monster oder sonst einem nennenswerten Gegner per "Kick Some Ass" in den Nahkampf-Clinch geht, der weiß dann eben auch, daß er sich dabei wahrscheinlich entsprechende Blessuren einhandeln wird, weil "dein Gegner verpaßt dir im Gegenzug seinen Schaden wie gehabt" da einfach selbst bei einer 10+ noch dazugehört.

Offline schneeland

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #19 am: 21.03.2020 | 18:25 »
@nobody:
The Sprawl hat zwei Kandidaten für solche Situationen:
* Aufmischen (wie oben)
* Unter Druck Handeln (Ruhe) - Wenn es um die Wurst geht, du dich in Gefahr befindest oder Gefahr aus dem Weg gehen willst, würfele Ruhe

Grundsätzlich ist das aber ein valider Punkt - ein Hinweis im Spielzug Aufmischen besagt:
"Aufmischen ist der Grundzug, um Gegner gewaltsam auszuschalten. Dein Ziel sollte dabei aber eher selten „Alle töten“ sein. Ihr seid Profis auf einer Mission, keine Soziopathen."

Da scheint für mich eine Haltung zum Einsatz von Gewalt durch, die bei uns nicht durch die Spielpraxis gedeckt ist (ein Spielercharakter ist ein Jäger mit Verbindungen zu einem Yakuza-Clan, der andere ein drogenabhängiger Ex-Bodyguard (Spielbuch: Killer), der sein Überleben auf der Straße auch mit Wetwork finanziert). Nach meinem Empfinden lassen zumindest einige der Charakterbücher nicht auf übermäßigen Gewaltverzicht schließen.
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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #20 am: 21.03.2020 | 18:32 »
Ja, mein Eindruck ist, dass das grundsätzlich schon verstanden ist, aber emotional trotzdem eher als Scheitern empfunden wird (insbesondere wenn narrativ einiges an guter Vorbereitung erfolgt ist).

Mir geht es da schnell so, dass ich die Motivation an eben dieser narrativen Vorbereitung verliere. Leicht überspitzt: wenn das darauf rausläuft, dass ich am Ende sowieso den Move würfle und fertig, dann kann ich mir das Gelaber vorher auch sparen.

Ich sehe aber auch oft das ein Spieler sagt "Ich erledige den Wächter mit meinem Scharfschützengewehr" und der SL dann sagt "Ah, AUFMISCHEN" - nein, eben nicht. Wenn's keinen passenden Move gibt, dann klappt das halt einfach und fertig.

Joah, so wird wohl ein Schuh draus.

Da krankt aber z.B. The Sprawl für mich schwer an der schwammigen "Zoomstufe".
AUFMISCHEN etwa ist ziemlich weitläufig/umfassend beschrieben, aber man spielt intuitiv viel kleinschrittiger mit dem Ergebnis, dass man das dann viel zu oft würfelt.
Oder man tastet sich andersrum quasi unterhalb der Auslöseschwelle nach vorne und stellt irgendwann fest, dass man für das Ding als Ganzes hätte würfeln sollen - und würfelt dann aus der Not heraus ganz am Ende für etwas mit dem gleichen Umfang wie die Sachen, für die man vorher nicht gewürfelt hat.
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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #21 am: 21.03.2020 | 18:46 »
Ich kann nur aus Spielerperspektive zum AUFMISCHEN bei The Sprawl sagen, dass ich da den Eindruck hatte, dass es besser in meiner Runde besser war, es nicht zu schaffen, als den Erfolg mit aber bei 7-9 zu haben.

Das hat meinen Spielspaß deutlich abgemildert, um es milde zu umschreiben.

Es würde auch reichen, wenn man eine negative Konsequenz nehmen müsste und nicht zwei. So habe ich einfach keinen Bock mehr noch mal nach den Orginal-Regeln The Sprawl zu spielen.

Offline Haukrinn

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #22 am: 21.03.2020 | 19:32 »
Auf der anderen Seite ist sprawl aber auch halt Neuromancer und nicht Shadowrun.
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Offline Jiba

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #23 am: 21.03.2020 | 20:20 »
Auf der anderen Seite ist sprawl aber auch halt Neuromancer und nicht Shadowrun.
Naja. Also das Spiel fing als Shadowrun-Hack an und das steckt auch tief in der DNA des Spiels.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Sashael

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Re: Subjektives Versagen
« Antwort #24 am: 21.03.2020 | 20:43 »
Auf der anderen Seite ist sprawl aber auch halt Neuromancer und nicht Shadowrun.
Also eine "Missionsstruktur" im Spielaufbau sagt mir da was anderes. ;)
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


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