Hallo,
das Thema trifft sich gut; ich habe gerade vor zwei Tagen selbst noch einmal im Dungeon World Regelwerk gelesen; insbesondere im Kapitel zur ersten Sitzung und den Fronten. Ich rutsche so schnell in den klassischen Stiel des content Lieferns statt des Fragens hinein, dass es mir gut tut, mich immer einmal wieder an das Wesentliche in pbta zu erinnern.
Eine der wichtigsten Maximen in Spielen powered by the apocalypse ist: play to find out. Entdecke die Geschichte - zusammen mit deinen SpielerInnen -; lasse sie emergieren.
Explizit nicht zu meiner Vorbereitung gehören daher story-Ziele, die eingeholt werden sollen, bzw. auf die ich hinarbeite. Das, was ich vorbereite, ist eigentlich nur eine Sache: Probleme für die Charaktere. Nach dem gemeinsamen Erstellen von Welt und Charakteren, habe ich eine Ahnung davon, was diese erreichen wollen und wer ihnen dabei im Weg stehen könnte. Die erste Sitzung beginnt dann direkt mit dem ersten Problem. Danach entscheiden die Würfel, ob dieses Problem eskaliert oder gelöst wird.
Was nach der ersten Sitzung übrig bleibt, bildet die Grundlage für die nächste Sitzung. Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Taten der Charaktere? Sinnt jemand auf Rache? Ist der Regent umgekommen und das Land nun herrenlos? Hat sich ein größerer Zusammenhang offenbart? hat sich jemandes größte Furcht bewahrheitet? Bedenke, dass jedes Problem mit einer potentiellen Katastrophe kommt. Jeder Fehlschlag der Charaktere rückt das Geschehen näher an diese Katastrophe. Ich versuche, ein Beispiel zu skizzieren:
Einer der Charaktere ist ein durch politische Machenschaften in Ungnade gefallener Adelssohn, der sich nun als Abenteurer herumschlagen muss. Hinter diesen Machenschaften steht der böse Baron, der seinen Einfluss vergrößern will. Die größte Sorge des Charakters ist es, dass der Baron Erfolg hat. Die erste Sitzung beginnt im brennenden Schloss des Regenten. Noch weiß keiner der Charaktere, der Spieler oder auch der Spielleiter, weshalb. Der Adelssohn möchte verstehen, was vor sich geht; sein Spieler darf Discern Realities würfeln. Das Ergebnis ist eine 6. Was jetzt nicht passiert, ist dass der Spielleiter dem Spieler sagt, sein Charakter könne nichts in Erfahrung bringen! Das ist lame und weak. In DW scheitert man vorwärts; auch Fehlschläge bringen die Geschichte voran, nur nicht in eine Richtung, die den Charakteren gefällt. Stattdessen erinnert sich der Spielleiter an die größte Sorge des Adelssohns; Zeit für einen hard move: der Spielleiter teilt dem Spieler mit, dass der Adelssohn mitbekommt, wie unbekannte Angreifer die Wache des Regenten überwältigen. Er überhört, wie sich zwei von ihnen unterhalten: sie sind die Leute des bösen Barons und ein weiterer Trupp ist bereits auf dem Weg zum Regenten. Der Adelssohn ist nun super motiviert. Das Würfelglück ist aber leider nicht auf seiner Seite. Nach drei weiteren Fehlschlägen erreicht er den Thronraum zu spät. Der Regent ist tot. Er kann nun nur noch fliehen. Ende der Sitzung.
Die nächste Sitzung könnte mit der Ernennung des Barons zum Regenten beginnen oder damit, dass der Adelssohn von Kopfgeldjägern umzingelt ist, weil man den Mord des Regenten ihm angehängt hat.
Dass es keine festgelegten story-Ziele gibt, muss übrigens nicht bedeuten, dass es keine Überraschungen gibt. Zum einen ist alles überraschend, wenn niemand weiß, was passieren wird, zum anderen hast du als Spielleiter zwischen den Sitzungen die Möglichkeit, die verschiedenen Probleme zu verbinden: in Dungeon World wird das als Abenteuter-Front und Kampagnen-Front behandelt.
Zusammengefasst lautet meine Antwort auf deine erste Frage also: der Spielleiter bereitet Probleme (oder: Gefahren) vor. Zwei bis drei Probleme pro Abenteuer schlägt DW vor; das scheint mir angemessen zu sein. Abenteuer verbindet er zu einer Kampagne. Meiner Erfahrung nach ergibt sich ganz organisch, wie viel man zwischen den Sitzungen zu seinem Material hinzufügen muss. Generell gilt: wenig. Ich lehne mich aus dem Fenster und behaupte: wenn du dich dabei erwischst, mehr als die folgende Sitzung zu planen, machst du zu viel.
Deine zweite und dritte Frage möchte ich zusammen beantworten: in Szenen. Ich hoffe, dass mein Beispiel hierbei hilft: nach dem Ende der ersten Sitzung ist der Regent tot. Nachvollziehbare Konsequenzen sind, dass der Baron aufrückt, und dass jemandem die Schuld gegeben wird. Da der Spielercharakter der Protagonist der Geschichte ist, sollten die Konsequenzen ihn direkt betreffen. Ich entscheide mich daher für die Kopfgeldjäger-Szene. Das ist meine erste Notiz für Sitzung 2; und so beginne ich auch Sitzung 2: mit der beschreibung dieser Szene. Danach ist es wieder: play to find out.
Ob es Beispieltexte gibt, wie du sie dir in deiner vierten Frage wünschst, weiß ich leider nicht. Ich hoffe, dass du meine anderen Antworten aber erhellend fandest. Vielleicht ergibt sich in diesem Thread ja etwas Vergleichbares.