Autor Thema: [Ich erzähle von] 2400 von Jason Tocci  (Gelesen 493 mal)

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QuantizedFields

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[Ich erzähle von] 2400 von Jason Tocci
« am: 4.07.2022 | 11:44 »
Systemvorstellung

2400 ist ein minimalistisches "lo-fi sci-fi" Spiel von Jason Tocci. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine Familie von Microgames und einer großen Fangemeinde. Jedes Microgame besteht aus einer Prämisse oder Szenario und stellt die Regeln und Tabellen für das generieren des Abenteuers und der Crew zur Verfügung. Die Regeln haben alle den gleichen Spielkern, aber jedes Microgame enthält Änderungen für bestimmte Spielelemente wie die Charaktererstellung oder Kämpfe im Weltall.

Obwohl es sich als lo-fi sci-fi beschreibt gibt es mittlerweile viele Szenarien für Fantasy (14XX), viktorianisches Zeitalter (18XX) und mehr. Eine Sammlung aller Fan-Publikationen findet ihr hier. Wer es übersehen hat, beim Kauf von 2400 bekommt ihr mehr als 15 Microgames, allesamt strange oder near-Sci-Fi.

2400 besitzt ein SRD. Da es wirklich nicht viele Regeln hat könnt ihr sie hier in ihrer Gänze durchlesen.

24XX, die offizielle SRD





Eines der Abenteuer, Inner System Blues, ist umsonst erhältlich und möchte ich euch zeigen, um die möglichen Unterschiede zwischen SRD und Microgame sichtbar zu machen. Jedes der 15 offiziellen Microgames hat exakt das gleiche Format. Zwei Spreads oder vier Seiten, eine mit Prämisse und Abenteuer-Tabellen und eine mit Regeln und Charaker-Tabellen. Fan-Projekte wie Super Bandit weichen teilweise von diesem Muster ab.

Inner System Blues





Regeln im Detail

Es gibt ja kaum welche! :) Einen zentralen Aspekt des Spiels möchte ich hervorheben

Das System ist von Ziel-Konsequenz Gesprächen getrieben. Damit es überhaupt zu einer Probe kommen darf müssen sich Spieler:innen und SL über das Ziel und dessen Konsequenzen einig sein. Gibt es kein Ziel oder nennenswerte Konsequenzen wird nicht gewürfelt, punkt. Für das Spielgefühl empfiehlt der Autor, ohne weiter darauf einzugehen, fast-forwards, flashbacks, zoom ins/outs und pauses.

Wie sieht das am Spieltisch aus? Ein Beispiel:
Zitat
Die Charakter stürmen durch die Türe eines Agroplexes und müssen an den Hexabots vorbei. Das Ziel ist klar, aber die Risiken auch:  misslingt ihre Probe sterben sie. Der SL möchte sie nicht sterben sehen und hakt nach:  wie genau möchtet ihr an den Hexabots vorbei? Sie debattieren und kommen zum Schluss, sich vorher mit EMP Granaten ausgestattet zu haben. Der SL inszeniert eine kleine Flashback-Szene, die Gruppe gibt das notwendige Geld aus und besitzen nun EMP Granaten. Der SL sagt, OK, das verringert die Konsequenz beim Setback, aber der Tod ist immer noch die dramatische Konsequenz für totales Versagen. Die Spieler:innen nehmen das in Kauf und würfeln. Hoffentlich geht das gut!
Dem Spiel ist es vollkommen egal, wie wir diese Szene regeln. Es steht, "Improvise rulings to cover gaps in rules; on a break, revise unsatisfactory rulings as a group." Stattdessen hätte ein anderer SL...
  • ...entschieden, dass mit EMPs die Hexabots keine ernstzunehmende Bedrohung darstellen und für die verbrauchte Ressource erübrigt sich die Probe.
  • ...ein Risiko gewählt, mit dem die Charaktere nur Verletzungen davontragen, statt zu sterben.
  • ...diesen Kampf für ein zentrales Element des Abenteuers empfunden und ein zoom-in ausgeführt. Nun ist es ein Kampf in 10-Sekunden Intervallen zwischen der Gruppe und den Hexabots.
Kommen wir zu einem anderen Thema:  wie tödlich ist das Spiel? Regeltechnisch gibt es nichts wie HP/TP. Es reicht ein Treffer aus, um einen Charakter zu töten. Sie dürfen einen Gegenstand in ihrem Besitz zerstören, um einen Treffer zu negieren, z.B. wird ihre Schutzweste durch einen Treffer geshreddert und kann sie mit dem nächsten Angriff nicht mehr schützen. Aber, und das ist ein großes aber, der SL kann den Tod als Konsequenz einfach weglassen. Nur wenn der SL wirklich sagt, "Nach Misslingen dieser Probe stirbt der Char." kann es auch zu einem Tod kommen. Wer ein Spiel spielen möchte, wo die Charaktere zähneknirschend überleben, immer wieder Prügel einstecken und trotzdem weiter kämpfen, kann das machen. Wer möchte, dass für ein Char jede Herausforderung die Letzte sein könnte, kann das machen.

Ist es genial oder absolute SL-Wilkür? Für mich persönlich ist es ersteres, aber es braucht sorgfältige Kommunikation mit den Spieler:inen vor, während und nach dem Spiel.
  • Welches Szenario wird gespielt?
  • Wie gefährlich ist das Szenario?
  • Was sollten die Spieler:innen erwarten?
  • Welche Atmosphäre hat das Spiel?
  • Wie sollten die Charaktere sich verhalten?
Abschließend

2400 ist ein super interessantes Spiel. Es ist möglich One-Shots, Abenteuer oder kleine Kampagnen zu leiten. Für viele reichen die Regeln für ein längeres Spiel nicht aus, aber Jason arbeitet an einer Erweiterung, um Kampagnenplay besser zu unterstützen.

Es ist, nach meiner Einschätzung, kein Spiel für Neulinge. Durch ihren minimalistischen Ansatz und vier-Seiten-Format gibt es einfach keinen Platz, weiter auf die Regeln einzugehen. Es gibt zwar ein Dokument, Emergency Rules, welches ein bisschen tiefer einsteigt, aber auch das ist unzureichend.

Nichtdestotrotz, falls du bis hierhin gelesen hast heißt das, dass dich das System interessiert! Die Emergency Rules sind ebenfalls PWYW und hier in ihrer Gänze zu lesen.

Emergency Rules





Außerdem braucht das Spiel eine gewisse Spielerdynamik. Jene, die sich auf die Optionen ihres Charakterbogens stützen, nicht gerne improvisieren oder ihre eigene Kreativität anzweifeln werden mit 2400 wahrscheinlich keinen Spaß haben. Sie müssen sich voll auf die Prämisse des Spiels und Szenarios einlassen. Sie sollten nicht nur ihren eigenen Charakter steuern sondern auch gleichzeitig die anderen Spieler:innen und die Spielwelt mit einbeziehen. Mithilfe des SLs erfinden sie Orte, Bekanntschaften, Dilemmas und Lösungen. Der SL sollte gemeinsam mit der Gruppe die Story weiterführen und möglichst wenig im Alleingang die Story manipulieren. Das ist nicht einfach, aber wenn es klappt, dann wow!

2400 findet ihr ganz oben verlinkt auf itch.io und hier auf DriveThruRPG. Das Spiel gibt es umsonst mit der SRD oder das Bundle für 5€.
« Letzte Änderung: 4.07.2022 | 13:11 von QuantizedFields »

Offline schneeland

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Re: [Ich erzähle von] 2400 von Jason Tocci
« Antwort #1 am: 4.07.2022 | 12:08 »
Danke für die Vorstellung! Ich glaube, für mich persönlich ist es doch ein bisschen zu leichtgewichtig, aber es war trotzdem schön, da einen kompakten Überblick zu bekommen .
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QuantizedFields

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Re: [Ich erzähle von] 2400 von Jason Tocci
« Antwort #2 am: 4.07.2022 | 19:16 »
Vielen Dank für dein Kommentar Schneeland! Manche Microgames wie Super Bandit haben mehr Regeln, falls es angebracht ist. Z.B. hat es dort einfache aber ausgeklügelte Regeln für spannende Weltraumkämpfe. Das dehnt das Regelwerk auf ganze acht Seiten aus :P

Scherz beiseite, kann ich voll verstehen! Was mich an dem Regelwerk so inspirierte sind die coolen Szenarien und das Versprechen, diese binnen 10 Minuten ohne große Vorbereitung spielen zu können. Stimmig, einfach, schnell.