...insbesondere vom Zwang des gescripteten Finales, das echt unterirdisch war. Die Szene damals brachte bei uns auch den Umschwung ins Negative. Von da an wussten wir, dass wir bis zum Ende der Kampagne gegängelt werden würden, was sich dann auch bestätigt hat.
Spannend! "Borbarads Rückkehr" vollzieht sich ja in mehreren Schritten: zunächst gibt es Anzeichen, Prophezeiungen, Hinweise (z. B. in "Das Lied der Elfen"), dann kehrt Borbarads zurück, aufgrund der Störung von Liscoms Ritual jedoch nicht leibhaftig (Alptraum ohne Ende), sondern "nur" als Geist. In Unsterbliche Gier manifestiert sich Borbarad schließlich auch körperlich, d. h. seine Handlungsfähigkeit ist uneingeschränkt hergestellt. "Borbarads Rückkehr" ist so gesehen mit einem Geschoss vergleichbar, das sich zunächst nur durch Geräusche ankündigt, dann sichtbar wird, einschlägt, und dessen Zerstörungskraft sich dann vom Epizentrum aus in alle Richtungen ausbreitet.
Wesentlicher Akteur in "Unsterbliche Gier" ist Pardona, Legatin des Namenlosen, die Borbarad einen Körper verschaffen will, um ihn verführen zu können. Das Finale sieht vor, dass die Helden die Fleischwerdung Borbarads und den Verführungsversuch durch Pardona erleben. Für mich ist nachvollziehbar, dass die Helden bei der Begegnung zwischen Borbarad und Pardona die Rolle von Statisten einnehmen werden, weil die Machtkategorien der beiden Akteure alles andere verhindern.
Im Endkampf können die Helden mit Mühe einen Erzvampir und einen Dämon besiegen, die im Abenteuer nur Gehilfen Pardonas waren und nun entbehrlich sind, d. h. ihr Schicksal - insbesondere das des Erzvampirs - spielt keine Rolle mehr.
D. h. dramaturgisch besteht die Funktion der Begegnung darin, die
Machtgefälle zu verdeutlichen - und damit d
as Ausmaß der Herausforderung, der sich die Helden gegenübersehen.
Grundsätzlich gibt es ja zum geschilderten Finale Alternativen: die Helden erreichen den Ort des Geschehens, aber alles ist bereits vorbei. Die Szene ist abgelaufen wie im Abenteuer beschrieben, nur eben ohne die Helden. Ob das für die Spieler ein besserer Ausgang des Abenteuer ist, weiß ich nicht.
Denkbar ist auch, dass sie das Ritual Pardonas erfolgreich stören und die Fleischwerdung Borbarads verhindern. Die Konsequenz wäre, dass Borbarad selbst nach einem halben oder ganzen Jahr einen Weg findet, sich einen Körper zu verschaffen. Auch das ist möglich, allerdings bliebe auch hier
das Ausmaß der Macht Borbarads und der Bedrohung Aventuriens unklar, weil es nicht von den Helden erlebt wird.
Wenn eine Geschichte über mehrere Publikationen hinweg spielbar gemacht werden soll, dann ist es notwendig, dass die Geschichten mehr oder weniger aufeinander aufbauen. D. h. am Ende eines Abenteuers werden die Ausgangsbedingungen des Folgeabenteuers bestimmt. Wenn man das kommerziell macht - zumindest behaupte ich das -, ist das nicht anders möglich. Ebenso ist der Platz nicht da, in der Breite alternative Verläufe zu diskutieren, die, wie beschrieben, am eigentlichen Ausgang des Abenteuers ("Borbarad hat einen Körper") nichts ändern und daher unwesentlich sind.
Nach meinem Verständnis ist das, was du "Zwang" nennst, eher ein Problem der Spieler, die sich nicht darauf einlassen können oder wollen, das Geschehen und die Geschichte aus der Perspektive ihrer Helden zu erleben, denen nun einmal das Wissen (und das Spielverständnis) ihrer Spieler fehlt.
Hierzu schreibt Robin Laws ("Robin's Laws of Good Game Mastering", 2003):
"Remember, when you run an adventure, you see only the actual plotline that you'ver worked out in advance. You know who the assassins are, why they killed the sultan, how they escaped the palace... On the other hand, the players must dream up a number of competing anwers of those questions..." (S. 16) In anderen Worten, die Helden wissen nicht, dass sie sich in einer Geschichte befinden. Die Spieler wissen das schon.
Und an anderer Stelle:
"A scenario that details a predetermined plotline will be criticized as "too linear",
no matter how many branches or alternate polt twists it includes. (Hervorhebung von mir) Conversely, an adventure that simply presents a group of NPC's and a basic situation from which to improvise will be slammed as an unsatisfying read." (S. 17) Sprich, die Kritik, die hier an der Kampagne geäußert wird, ist nach meinem Verständnis keine spezifische Kritik an der Kampagne.
Meine Frage an dich:
Kann nach deiner Meinung das, was du "Zwang" nennst, beseitigt werden, ohne dass die Prämisse des Abenteuers ("Pardona verschafft Borbarad einen Körper. Hierzu setzt sie einen Erzvampir ein, um die Kraft des Blutes menschlicher Opfer zu sammeln und hieraus Borbard in einem finalen Ritual einen Körper zu erschaffen") verändert wird?