Da ich in letzter Zeit viel Settingsmaterial zur Hârnworld lese, habe ich mal wieder Lust bekommen, Musik aus dem Mittelalter zu hören.
Aber ich stelle wieder fest: Es ist keine einfache Sache. Viele Aufnahmen/Interpretationen überzeugen mich nicht so recht. Dazu kommt der mittelalterliche Hang zu Borduntönen, die bei gewissen Interpretationen rasch ein Gefühl von Schwere oder gar Monotonie erzeugen.
Geistliche Musik hört sich in meinen Ohren oft unproblematischer an, solange sie mehrstimmig ist, reine monodische Gregorianik ist halt, was sie ist. Weltliche Lieder sind sehr viel anfälliger für Interpretationen, die für mich rasch mühsam werden. Das Ensemble Millenarium, das tolle Sachen gemacht hat, hat aber auch einige derartige Beispiele aufgenommen. Da improvisieren erstmal die Instrumente über einem Akkord -- mittelalterliche Harmonik ist ja nun keine Achterbahn, sondern eher eine Garageneinfahrt --, um so etwas wie Ambiente zu erzeugen, so dieses mythische Mittelalterding halt. Wo ich mich beim Zuhören schon immer frage, wie die Zupfenden und Blasenden das aushalten, immer um die gleichen fünf Töne rum auf und ab zu zupfen und zu blasen. Und dann kommt ein elegischer Frauengesang dazu wie von Elfenaliens. Das zieht sich dann so avalonvernebelt über fünf Minuten oder länger. Plingpling, sing.
Bei den Aufnahmen von Minnesang gefallen mir sehr häufig die Stimmen nicht, die mir fast immer zu schlank, zu sehr liedermachermäßig sind.
Gut gefallen mir Aufnahmen von Jordi Savall, der liegt eben doch allermeistens richtig, allerdings hat er nicht so furchtbar viel Musik aus dem Mittelalter aufgenommen, vieles ist dann eben doch schon aus der Renaissance.
Anonymous4 sind natürlich ein großes Hörvergnügen, tolle Aufnahmen -- nur bin ich mir da oft nicht so sicher, ob das alles authentisch ist.
Diabolus in musica ist ein tolles, stimmlich sehr expressives Ensemble, das überzeugt mich sehr. In eine ähnliche Richtung geht das Ensemble Organum.
Eine andere Schwierigkeit ist dann auch die vertrakte Musik des Trecento bzw der Ars Nova. Das ist schon krass faszinierend, aber der Höreindruck ist oft doch etwas artifiziell spröde. Ob ich da auch nur nicht die richtigen Interpretationen habe?
Mittelalterliche Musik ist für unsere heutigen Hörgewohnheiten eben auch immer etwas gedeckt. Das liegt natürlich zum einen an den "Tönen", sprich Tonarten, die nach unserer Prägung fast alle etwas Molliges haben. Die Melodien bewegen sich in einem sehr behrenzten Tonumfang, große Intervallsprünge gibt es nicht, und die Instrumente sind auch nur selten sonderlich obertonreich, auch wenn manch ein Gebläse zuweilen hübsch schnarrt und quäkt.
Musik aus dem Mittelalter: sehr, sehr interessant, zuweilen wahnsinnig schön, aber nicht immer leichte Kost bzw ist es schwierig, packende, gelungene Interpretationen davon zu finden.
Oder was meint ihr? Wie geht es euch damit? Erfahrungen (vielleicht gar aus der Praxis), Vorlieben, Empfehlungen, Warnungen, Rants, Fragen? Ich spreche das hier in der Annahme an, dass es zwischen Rollenspielenden und Mittelalterfans ja durchaus eine kleine Schnittmenge geben könnte.
(Und mir ist inzwischen bewusst, dass so gut wie niemand zu einer Hârnmaster- oder Ars Magica-Runde wirklich mittelalterliche Musik hören wollen würde, ganz anders als ich.)