Autor Thema: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen  (Gelesen 2229 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Fredi der Elch

  • Dieter Bohlen des Rollenspiels
  • Legend
  • *******
  • Kleine Miss Regenbogenschlampe
  • Beiträge: 6.278
  • Username: Fredi der Elch
Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« am: 15.12.2005 | 14:19 »
Es ist ja schon einiges über Spielstile gesagt worden. So z.B. hier [Forge] Creative Agenda – Was ist das?, [Offen] Inkohärenz in Spielverhalten und System und [Offen] Akteure und Zuschauer im Rollenspiel  .

Kurze Zusammenfassung:
Zitat
Ein befriedigendes Spielerlebnis dann erreicht, wenn ein aktiver Spieler auf seinem kreativen Input möglichst oft positive Rückmeldung der restlichen Spiele der Gruppe bekommt und umgekehrt ein Spieler als Zuschauer möglichst oft kreativen Input vorgesetzt bekommt, der ihm gefällt (und auf den er dann auch positives Feedback geben kann). Dies liegt einfach daran, dass Menschen im Allgemeinen gerne positives Feedback bekommen. Ein Spiel, bei dem dies oft der Fall ist, wird dementsprechend mit höherer Wahrscheinlichkeit als positiv erlebt werden.

Ein Spielstil ist dabei dann gegeben, wenn eine bestimmte Art von kreativem Input (oder Muster desselben) sich wiederholen und sich somit auf kreativer Seite ein gewisses Bild abzeichnet. "Kreativer Input" kann dabei sowohl inhaltlich definiert sein (was wird erzählt) als auch von der Form her (wie und wann wird erzählt) als auch von sozialen Strukturen her (wer erzählt).

Hier wird zunächst deutlich, dass ein Spieler zwar einen Stil bevorzugen, ihn allerdings alleine nicht herstellen kann. Zu einem Spielerlebnis gehören immer mehrere Leute und ein Spielstil äußert sich immer im kreativen Verhalten einer Gruppe. Einen Spielstil alleine "herzustellen" ist nicht möglich.

Außerdem ist ein Spielerlebnis dann befriedigend (man hat Spaß), wenn man oft Input vorgesetzt bekommt, den man mag und man oft Input geben kann, der von anderen gemocht wird (und man dafür Feedback bekommt). Es muss eine positive kreative und soziale Dynamik entstehen.

Wenn man nun davon ausgeht, dass Menschen nicht nur einen klitzekleinen Ausschnitt aller möglichen kreativen Inputs mögen und alles andere kategorisch ablehnen (sie also durchaus für Abwechslung zu haben sind), dann sollte ein Spieler mit verschiedenen Spielstilen Spaß haben können. Sicher nicht mit allen möglichen Stilen (da manche kreativen Inputs von einer Person sicher relativ stark abgelehnt werden können), aber doch mit mehr als einem sehr eng definierten Stil.


Welche Faktoren fördern das positive Spielerlebnis und tragen so dazu bei, dass ein Spieler mit einem Spielstil Spaß hat (vor Allem bei ungewohnten Stilen)?

Die soziale Dynamik ist ein entscheidender Faktor. Die einzelnen Spieler sollten aufeinander grundsätzlich positiv reagieren. Input von jedem Spieler sollte zunächst gleichwertig und auch zunächst wohlwollend betrachtet werden. Eine Gruppe mit einem positiven Klima des Respekts und des Vertrauens bildet eine wunderbare Basis. Don’t play with Jerks!

Kreative Offenheit ist ein anderer entscheidender Faktor. Jeder Spieler sollte jedem kreativen Input zunächst aufgeschlossen gegenüberstehen, auch wenn er von Form oder Inhalt zunächst ungewohnt ist. Hier ist es besonders wichtig für Input besonders deutlich positive Feedbacksignale zu geben, um den Inputgeber von der Validität seines Inputs zu überzeugen (wenn für ihn die Art des Inputs neu ist) oder auch wenn man selber den Input zunächst ungewohnt findet. Bereits ein Spieler, der sich kategorisch gegen den Input stellt, prinzipiell negatives Feedback gibt usw., kann das entstehen einer stabilen Feedbackschleife und damit eines positiven Spielerlebnisses stören.

Das richtige System kann ebenfalls ein positives Spielerlebnis mit einem Spielstil unterstützen. Es ist von Vorteil, wenn man nicht gegen das System arbeiten muss um einen Spielstil aufrecht zu erhalten. Ein System kann auch eine positive Feedbackschleife stützen. Zu guter letzt kann einfach ein neues System Wunder wirken, wenn man einen neuen Stil ausprobieren will, da viele Leute bei einem bereits bekannten System aus Gewohnheit wieder in vertraute Muster (alter Spielstil) zurückfallen. Besonders leichte Veränderungen an einem bereits bekannten System werden oft "überspielt" und es wird dann leicht der alte Stil weiterverwendet.

Wichtig ist beim Ausprobieren neuer Spielstile, dass eine Rollenspielgruppe ein sehr komplexes dynamisches System ist. Und das macht Vorhersagen sehr schwer. Ob einer Person einen Spielstil gut finden wird, kann man fast nicht sagen, bevor sie ihn nicht ausprobiert hat. Sogar sie selbst wird dies nicht mit ausreichender Sicherheit sagen können. Wenn man Vanille noch nie probiert hat, weiß man einfach nicht, ob es einem schmeckt.


Insgesamt denke ich, dass Leute verschiedene Stile gut finden können, wenn sie sie nur in der richtigen Gruppe, mit der richtigen Offenheit und mit dem richtigen System ausprobieren. Und ausnahmsweise will ich den Post mal mit diesem positiven Gedanken beschließen. :)

(btw: das könnte eigentlich auch in "Allgemein", oder? Was meint die Moderation?)
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
- Don't try to make me feel like I live there, make me care about it. -

Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Lord Verminaard

  • Gentleman der alten Schule
  • Titan
  • *********
  • Dreiäugiger Milfstiefel
  • Beiträge: 14.357
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Lord Verminaard
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #1 am: 15.12.2005 | 15:30 »
Nein, ich denke das ist hier besser aufgehoben. Wenn du mit so einem Abstraktheitsgrad daherkommst und von Feedbackschleifen, kreativem Input und Validität erzählst, sag ich mal: Theorie!

Zum Inhalt: Finde ich gut. Vor allem den Teil über kreative Offenheit. Wer von uns hat sich nicht die Art, wie er spielt, ursprünglich mal bei anderen abgeguckt (und dann für sich selbst verfeinert)? Man sollte offen und flexibel bleiben, damit kann man das eigene Spiel nur bereichern. Gleichzeitig sollte man sich aber auch darüber im Klaren sein, dass man nicht alles gleichzeitig machen kann.

Das System kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Aber die wichtigste Rolle spielen immer noch die Spieler. Ich möchte mich mal an einer Analogie versuchen. Nicht lachen bitte.

Habt ihr schon mal Leute beim Tanzen beobachtet? Nicht Standardtänze, sondern das übliche Rumgezappel in Clubs und auf Partys. Es gibt Leute, die tanzen zu jeder Art von Musik sehr ähnlich, aber sie tanzen immer noch zur Musik. Dann gibt es Leute, die die Musik beim Tanzen überhaupt nicht beachten, sondern völlig neben dem Takt sind. Andere Leute passen ihren Tanzstil der jeweiligen Musik sehr stark an. Es gibt Musik, zu der alle möglichen Tanzstile passen, und dann gibt es Musik, zu der bestimmte Tanzstile einfach doof aussehen.

Wie kommen die Leute zu ihrem Tanzstil? Sie haben irgendwann mal zu tanzen angefangen und ihn sich angewöhnt. Meistens ist der Tanzstil von der Lieblingsmusik der Leute geprägt. Andere Leute haben zwar eine Lieblingsmusik, die sie gerne hören, aber können sich nicht besonders gut dazu bewegen. Wieder andere Leute gehören einer Clique an, in der eine bestimmte Musik gehört wird, und tanzen dazu, obwohl sie die Musik nicht übermäßig mögen.

Was passiert nun, wenn die Leute mit anderen Leuten zusammen tanzen? Vor allem mit Leuten, die sie noch nicht kennen? Sie beobachten sich gegenseitig. Vielleicht tanzen sie nicht bloß nebeneinander her, sondern miteinander. Reagieren auf die Bewegungen des anderen. Beginnen, diese nachzuahmen. Oder sie verändern ihren Tanzstil um neue Bewegungen, die sie frei erfinden oder aus dem Gedächtnis hervor kramen.

Die Musik ist das System. Der Tanz ist das, was am Spieltisch passiert. Versteht ihr, was ich meine?
We are all just prisoners here, of our own device
Danger Zone Blog - Vermi bloggt über Rollenspiel und Blood Bowl

Offline Blizzard

  • WaWiWeWe²
  • Titan
  • *********
  • Fade to Grey
  • Beiträge: 20.419
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Blizzard
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #2 am: 15.12.2005 | 15:53 »
Die Musik ist das System. Der Tanz ist das, was am Spieltisch passiert. Versteht ihr, was ich meine?

Ich denke schon.

Musik= System
Tanz= Plot
Tänzer= Spieler
DJ=SL

oder?
"Wir leben nach den Regeln, wir sterben nach den Regeln!"

"Wer nicht den Mut hat zu werfen, der wird beim Würfeln niemals eine Sechs erzielen."

Online Don Kamillo

  • Hass auf alle & kein Steak.
  • Helfer
  • Mythos
  • ******
  • Beiträge: 11.112
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Bubba
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #3 am: 15.12.2005 | 15:58 »
Mein Gott, ich habe etwas theoretisches verstanden  :d ... und das als jemand, dem einfach nur daran gelegen ist, Spaß inner Runde zu haben. Das Tanzbeispiel rockt!  :d

Aber ich weiss schon länger, mit wem meiner Jungs und Mädels ich mit welchem System Spass haben kann und mit wem nicht, es ist aber immer wieder spannend, neue Systeme auszuprobieren mit Leuten, von denen man annimmt, daß es genau deren Stil entsprechen dürfte, man dann aber voll daneben greift oder aber voll ins Schwarze trifft...
Awesomeness ist eine Krankheit, bei mir chronisch!
---
"I greet you as guests and so will not crush the life from you and devour your souls with peals of laugther. No, instead, I will make some tea." - Toll the hounds - page 282 )
---
Der Don zockt gerade: nWoD Crossover, D&D5e Homebrew mit Monsterrassen, D&D5e Wildemount, D&D5e Moonshaes, D&D 5e Hoard of the Dragon Queen & Conan 2D20

Offline Lord Verminaard

  • Gentleman der alten Schule
  • Titan
  • *********
  • Dreiäugiger Milfstiefel
  • Beiträge: 14.357
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Lord Verminaard
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #4 am: 15.12.2005 | 16:33 »
@ Blizzard: Nein, der SL ist ein Tänzer wie alle anderen auch. Vergiss den DJ. Der DJ hat keinen Platz in der Analogie. ;)
We are all just prisoners here, of our own device
Danger Zone Blog - Vermi bloggt über Rollenspiel und Blood Bowl

Online Maarzan

  • Mythos
  • ********
  • Beiträge: 8.748
  • Username: Maarzan
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #5 am: 15.12.2005 | 16:50 »
Genauso wie ein System einen Spielstil unterstützen kann, weil es weniger Arbeit ist mit einem passenden als mit einem unpassenden zu arbeiten, ist es weniger Arbeit einem bekannten Stpilstil zu folgen, wo man sich die Steine schon weitgehend aus dem Weg geräumt hat, denn einem neuen Stil den Weg zu bereiten, auch wenn da von vorne herein weniger Steine liegen.

Das Problem mit der positiven Einstellung zu fremden Input ist, das bei unterschiedlichen Vorstellungen zweier Leute (Meinetwegen spielen beide das Spiel zum ersten mal, es ist also für beide neu), der Input des anderen möglicherweise bereits genau ein negativer Feedback zu seinem Input ist, oder dem Beitrag, den er eigentlich gerade leisten wollte - da beisst sich die Katze in den Schwanz.

Letztendlich stimmt das Resumee schon, dass man sich nur dann verbessern kann, wenn man auch etwas anderes ausprobiert. Und mit unterschiedlichen Leuten können der selben Person auch unterschiedlcihe Spielstile Spaß machen.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Arbo

  • Legend
  • *******
  • Guru und Rockermulla mit der Lizenz zum Motzen!
  • Beiträge: 6.272
  • Username: Arbo Moosberg
    • KrAutism
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #6 am: 15.12.2005 | 22:34 »
Vielleich mal als kleiner Hinweis: Es mag schon sein, dass sich bei einer Gruppe die ein oder anderen Elemente, Eigenarten usw. herauskristallisieren. Gleichwohl gibt es nicht "den" Spielstil - die Art und Weise miteinander zu spielen kann von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Das gilt für's Spiel an sich, womöglich aber auch für reale Situationen. Insofern wäre ich mir nicht so sicher, ob es ratsam ist, auf einen bestimmten Stil hin "zu drängen". Zumindest macht das irgendwie den Eindruck auf mich.

Ansonsten halte ich die soziale Dynamik, die oben angesprochen wurde, für besonders maßgeblich. Denn letztlich muss ja erstmal Respekt vorhanden sein, um sich z.B. einem kreativen Input überhaupt nähern zu können ;)

Arbo
KrAutism (Blog)
Low Life Syndicate (Soundcloud)
Wirschaftsexperten, etwas Blöderes gibt's in keinem Tierpark! (V. Pispers)

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #7 am: 16.12.2005 | 01:35 »
Gleichwohl gibt es nicht "den" Spielstil - die Art und Weise miteinander zu spielen kann von Situation zu Situation unterschiedlich sein.
Ich verstehe nicht was du damit sagen willst. Du scheinst ganz genau zu wissen was einen Stil ausmacht und was nicht, weil du so darauf bestehst das es ein einzelnes auf eine Situation bezogenes Element ist.
Kann es nicht einfach sein dass ihr beide, du und Fredi, von verschiedenen Sachen sprecht?
Wenn es möglich ist jeder Situation einen "Stil" zuzurodnen, wieso sollte es dann nicht möglich sein, dem ganzen Spiel einen Stil zuzuordnen?

Offline Arbo

  • Legend
  • *******
  • Guru und Rockermulla mit der Lizenz zum Motzen!
  • Beiträge: 6.272
  • Username: Arbo Moosberg
    • KrAutism
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #8 am: 16.12.2005 | 11:56 »
Ich meine, dass man nicht nur EINEN Spielstil führen muss, sondern das Ganze von Situation zu Spielsituation unterschiedlich sein kann. Will heißen: es gibt verschiedene Situationen, in denen verschiedene Elemente (Instrumente) eingesetzt werden. Da dies von verschiedenen Faktoren abhängt, muss man meiner Meinung nach vorsichtig sein, von einem "verallgemeinerten Stilbegriff" zu sprechen. Wenn bspw. deine Spielgruppe an einen "Hof" kommt und dort bestimmte Dialoge ausgespielt werden, kommen sicherlich ganz andere Elemente zum Einsatz, als wenn die gleiche Gruppe, zwei oder drei Spielsitzungen später im Wald an einem Scharmützel teilnimmt. Das gilt u.a. auch für die "Charakterkommunikation" im Spiel - wenn ein Charakter innerhalb des Abenteuers auf "Solomission" geht, müssen möglicherweise andere "Register" gezogen werden, als wenn die ganze Charaktergruppe gemeinsam agiert. Das kann man wie gesagt auf verschiedene Ebenen ausweiten.

Arbo
« Letzte Änderung: 16.12.2005 | 11:58 von Arbo Moosberg »
KrAutism (Blog)
Low Life Syndicate (Soundcloud)
Wirschaftsexperten, etwas Blöderes gibt's in keinem Tierpark! (V. Pispers)

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Spielstile, Vorlieben und Abneigungen
« Antwort #9 am: 16.12.2005 | 16:36 »
Will heißen: es gibt verschiedene Situationen, in denen verschiedene Elemente (Instrumente) eingesetzt werden. Da dies von verschiedenen Faktoren abhängt, muss man meiner Meinung nach vorsichtig sein, von einem "verallgemeinerten Stilbegriff" zu sprechen.
Wir sprechen hier wirklich von zwei verschiedenen Ebenen. Das was du beschreibst sind Techniken (Instrumente) oder Stilmittel. Stilmittel dienen, wie der Name schon sagt, als Mittel einen Stil zu erzeugen. Das heißt nicht das nicht das selbe Stilmittel in zwei verschiedenen Stilen vorkommen kann oder dass für einen bestimmten Stil immer bestimmte Mittel zum Einsatz kommen müssen. Der Zusammenhang ist da wirklich etwas komplexer. Deswegen verstehe ich zwar wenn du sagst man könne nicht von Stilmitteln auf einen verallgemeinerten Stil schließen, aber darum geht es auch garnicht.
Streng logisch gesehen sind diese Konzepte ersteinmal unabhängig.