Autor Thema: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs  (Gelesen 9045 mal)

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Offline Dr.Boomslang

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Dieses Thema ergibt sich aus Vermis Abhandlung über GNS, und es hat wichtige Bezüge zum Thema über Inkohärenz.

Es soll hier darum gehen zu beschreiben wie man eine Creative Agenda, also das zielgerichtete Spiel, an einem konkreten Spiel festmachen kann. D.h. es geht darum wie man eine CA in einer Spielrunde erkennt.

Gleichzeitig wird dabei natürlich das Thema der sinnvollen Definierbarkeit einzelner CAs aufgeworfen. Denn diese sollte natürlich so gegeben sein, dass die Definition einer CA ein sinnvolles Ergebnis liefert. Sinnvoll ist die Definition in diesem Sinne nur dann, wenn es irgendeine Möglichkeit gibt sie mit konkretem Spiel in Verbindung zu bringen. Es muss also einen festen, definierten Rahmen innerhalb des Spiels geben, der die Zuordnung zu einer CA am besten zweifelsfrei zulässt.
Andersherum sollte es optimalerweise in weiteren Schritten möglich sein, daraus irgend eine Form von Konstruktionsmechanismen abzuleiten, also sich eine Agenda vorzunehmen, und anhand dessen konkrete Möglichkeiten zu ihrer Verwirklichung zu erhalten.

Der Schlüsselpunkt ist die Definition des Rahmens, also der kleinsten möglichen Einheit auf die sich eine CA im tatsächlichen Spiel bezieht. Die Forge Terminologie bezeichnet diesen Rahmen als Instance of Play (etwa: Spielfall, Spielvorgang oder Spielbeispiel) innerhalb dieser IoP wird zwangsläufig ein Reward Cycle (Belohnungskreislauf) durchlaufen. Mit diesen Begriffen können wir arbeiten, sie wurden aber nie abschließend definiert. Damit müssen wir anfangen (aber schon mit hinblick auf brauchbare CAs wie z.B. GNS, wenn man grundsätzlich daran glaubt das diese brauchbar sind, auch das darf hier in Frage gestellt werden!)


Ich nehme mal an dass ein Reward Cycle (RC) nicht zeitlich festzumachen ist, sondern anhand von bestimmten Ereignissen. Hat jemand vielleicht schon eine Vermutung was Herr Edwards sich darunter vielleicht vorgestellt hat? Was wäre darüberhinaus überhaupt sinnvoll?
Der RC muss etwas mit einem Ziel und dem erreichen dieses Ziels zu tun haben. Ein Spieler bringt etwas in den SIS ein um damit bestimmte Effekte zu erreichen: Er möchte das Spieler darauf reagieren und er möchte möglicherweise selbst darauf Bezug nehmen.
Dies führt zur Frage: Was will der Spieler eigentlich? Nur ist der Wille eines Spielers ein sinnvoller objektiver Maßstab für eine Beobachtung?

Ich gebe diesen Grundlagenthread ersteinmal zum Brainstorming frei  :)

Offline Fredi der Elch

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #1 am: 5.01.2006 | 09:29 »
Ich möchte mich hier erst einmal selber zitieren (weil ich ja so schlau bin):
[Forge] Creative Agenda – Was ist das?
[Forge] Analyse der CA - praktische Probleme
[Forge] CA erkennen - ein Versuch

Vor Allem das hier:
In diesem Verhaltens-Muster hat man dann einen Indikator für die wirklichen Präferenzen der beteiligten Spieler. D.h. es zeigt, wie sich die Spieler wirklich verhalten und nicht nur, was sie behaupten zu mögen. Ein Spieler kann also viel darüber erzählen, was er mag, und sich dann im Spiel doch ganz anders verhalten. Also ist die beobachtete Creative Agenda ein viel besserer Indikator als die von den Spielern behauptete CA. Auf jeden Fall ist die beobachtete CA (wenn sie denn kohärent ist) der beste Indikator für die individuellen Präferenzen der Spieler, den wir kriegen.

Kurze Zusammenfassung: Wenn ich ein stabiles Muster (auf kreativer Ebene) im Verhalten der Gruppe erkennen kann, dann ist dieses Muster die CA. „Muster“ ist hier eine stabile Feedbackschleife von Aktionen der Spieler, die von anderen Spielern verstärkt werden und deswegen dann auch häufiger auftreten usw.

So kommen wir ganz ohne „Reward Cycle“ aus, den ich bisher nie verstanden habe und der auch nicht wirklich definiert ist. Ist das dann noch Forge? Weiß nicht. Aber ich halte es für sinnvoll.
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #2 am: 5.01.2006 | 16:02 »
Ist das denn nciht die Reward Cycle? Wenn Verhalten öfter auftritt weil es unterstützt wird?
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Offline Fredi der Elch

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #3 am: 5.01.2006 | 16:04 »
Des wann i wüsst... Keinen blassen Schimmer. Wenn das so sein sollte, dann ist ja gut. ;) Wenn nicht, mir doch egal. Verdammter Reward Cycle.  ::)
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #4 am: 5.01.2006 | 16:13 »
Gibts irgendwo was wo ich das im original nachlesen kann?
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #5 am: 5.01.2006 | 17:04 »
Kurze Zusammenfassung: Wenn ich ein stabiles Muster (auf kreativer Ebene) im Verhalten der Gruppe erkennen kann, dann ist dieses Muster die CA. „Muster“ ist hier eine stabile Feedbackschleife von Aktionen der Spieler, die von anderen Spielern verstärkt werden und deswegen dann auch häufiger auftreten usw.
Das sehe ich grundsätzlich auch so. Wenn dem keiner wiedersprechen möchte könen wir zum nächsten Punkt kommen: Wie erkennen wir das? Und wie definieren wir es?
Der wichtige Teil in deiner obigen Zusammenfassung ist: "...im Verhalten der Gruppe erkennen kann..."
Wie kann man sowas also erkennen? Wie kann man zweifelsfrei auschleißen das es doch ein stabiles Muster gibt das ich aber nur nicht erkennt habe?

Offline Fredi der Elch

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #6 am: 5.01.2006 | 17:08 »
Wie kann man zweifelsfrei auschleißen das es doch ein stabiles Muster gibt das ich aber nur nicht erkennt habe?
Gar nicht. Wir reden hier von Beobachtung und die ist prinzipiell fehleranfällig. Du bist kein Sozialwissenschaftler, oder? ;)
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #7 am: 5.01.2006 | 17:19 »
Ich meine ja auch möglichst zweifelsfrei und das hängt wiederum mit der Definition zusammen.
Wenn wir etwas nicht erkennen können, hat es ja nur dann praktischen Nutzen wenn wir es so definieren, dass wir es dann doch erkennen können, sonst brauchen wir uns garkeine weitere Gedanken zu dem Thema machen.
Außerdem wirst du ja zugeben müssen, dass wir zumindest irgendeine Beobachtungsgrundlage haben müssen. Es kann doch nicht sein das etwas beobachtbar ist, wir aber nicht im geringsten bestimmen können wie.


PS: Nee, ich bin Informatiker, zwischen Realität und Dingen die man sich Vorstellen kann liegt für mich kein großer Unterschied ;D
« Letzte Änderung: 5.01.2006 | 17:22 von Dr.Boomslang »

Offline Dr.Boomslang

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #8 am: 11.01.2006 | 16:47 »
Ok, ein Doppelpost, aber das ist ja mein Thread :)
Ich möchte hier eine neue praktische Definitionsgrundlage für CAs diskutieren, die mir nach einiger Überlegung eingefallen ist:

CA bedeutet Creative Agenda, also auf Deutsch etwa der kreative Plan oder "das was auf kreativer Ebene zu tun ist".
Eine Agenda spannt dabei bildlich gesprochen einen Raum von Möglichkeiten auf. Darin befindet sich alles was ich laut Agenda tun kann und im Prinzip auch tun möchte, weil es meiner Motivation entspricht. Allerdings kann man natürlich nicht immer all das auch tun was man sich aus einer bestimmten Motivation heraus vornimmt. Außerdem gibt es möglicherweise noch Dinge die außerhalb dieses Raumes liegen und die möchte ich vermeiden, davon sollen mich die Grenzen des Raumes abhalten.
Wenn ich nun irgendetwas von dieser Agenda im Spiel verwirkliche befinde ich mich dabei irgendwo in dem von meiner Agenda aufgespannten Raum. Hierin liegt das erste Problem: Die Erkennbarkeit von CAs im Spiel.
Man stelle sich vor man sollte an der Position einer Person, die man genau beobachten kann, erkennen wie der Raum aussieht indem sie sich bewegt. Man kennt diesen Raum allerdings nicht, man kann seine Wände und seine Beschaffenheit nur aufgrund der Position der Person ausmachen.
Wenn ich die Agenda kenne, dann weiß ich wohin sich die Person bewegen könnte (auch wenn sie es im Einzelfall nicht tut), kenne ich die Agenda jedoch nicht, dann müsste ich lange Beobachten, oder der Person systematisch auftragen sich überlall dorthin zu begeben wohin sie sich bewegen kann.

Daraus ergibt sich eine zentrale Erkenntnis: Die Agenda ist nicht das was der Spieler tut, sondern das was er tun könnte und potentiell auch tun will. Der letzte Punkt ist sehr wichtig.
Es geht nämlich darum, dass der Spieler aus den Freiheiten und Möglichkeiten die ihm der Raum gibt seine Motivation schöpft darin zu handeln. Sähe der Raum anders aus, wären dessen Grenzen ein Hindernis. Ob man etwas als Hindernis empfindet, hängt nur davon ab wohin man sich potentiell bewegen möchte.

Damit kommen wir zum heißen Thema der Hybride etc. Dieses soll hier nur zur Erklärung des Agenda-Begriffs dienen und nicht selbst diskutiert werden.
Es ist nun denkbar, dass eine Spielhandlung den Spieler gleichzeitig in verscheidene Räume führt, die von unterschiedlichen CAs aufgespannt werden, dass diese Räume sich also überlagern und eine gewisse Schnittmenge bilden.
Die Entscheidende Frage ist nun: Hat dieser Spieler mehrere CAs? Ich sage Nein!
Entscheidend ist die Agenda der der Spieler folgt. Diese begrenzt bzw. ermöglicht sein Handeln. Man erkennt das spätestens dann, wenn er eine Grenze einer Agenda übertritt.
Was aber wenn der Spieler sich ausschließlich innerhalb der Schnittmenge aufhalten würde? Dann kann man nicht sagen aus welcher Agenda der Spieler seine Motivation dazu bezieht, außer er weiß es selbst. Möglicherweise ist das dann eine eigene eingeschränkte Agenda (Diskussion dazu in einem Thread über Hybride?).
Die interessantere Frage ist vielleicht sogar, ob man nicht grundsätzlich eine Schnittmenge zwischen allen am Spiel beteiligten CAs bilden sollte. Ich sage hier wiederum, nein. Wenn eine andere Möglichkeit besteht (z.B. eine Einigung) ist das nur ein (schlechter) Kompromiss (obwohl natürlich besser als potentiell gegeneinander zu spielen). Denn besteht nicht zumindest die Möglichkeit für den Spieler auch das zu tun was seine Agenda vorsieht, dann schränkt er sich nur freiwillig ein.
Man kann jetzt behaupten, dass man immer Kompromisse eingehen muss und der Kompromiss ja dann erst zum spaßigen Spiel führt usw, aber darum geht es hier garnicht.

Eine Agenda beinhaltet all das was in sich wiederspruchsfei vereinbar ist. Nutzt der Spieler nur einen Teil davon ist das eine Einschränkung über das notwendige hinaus. Die Agenda besteht darin was der Spieler tun kann, nicht was er dann auch tut. Die Agenda gibt eine Erwartungshaltung vor bzw spiegelt diese wieder.
Nach dieser Grundlage kann ein Spieler nicht zwei CAs zu einer Zeit verfolgen. Er kann aber sehr wohl so handeln, dass es möglich ist, dass seine Handlung von unterschiedlichen CAs motiviert ist.

War das was ich hier sage schon allen klar? Bringt es irgendwen weiter? Hat das schon vor mir jemand so formuliert? Was gefällt euch daran nicht?  ;)

Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #9 am: 12.01.2006 | 10:08 »
Macht schon alles Sinn. Und zeigt mal wieder die Probleme bei der Identifizierung von CA. Um die Verwirrung noch zu vertiefen, könnte man sogar noch weiter abstufen, und differenzieren zwischen:

- Dingen, die dem Spieler besonderen Spaß machen und nach denen er aktiv strebt
- Dingen, die dem Spieler egal sind und die ihn nach einer gewissen Zeit langweilen
- Dingen, die den Spieler wirklich stören, weil sie ihn daran hindern, das zu tun, was er gern tun möchte.

Dann gibt es auch noch das Problem, dass einem manche Dinge vielleicht für eine gewisse Zeit Spaß machen, aber im Übermaß langweilig werden.

Worauf will ich hinaus? Als Spieler muss man seine Mitspieler kennen lernen und auf sie eingehen. Das kann einem keine abstrakte Theorie abnehmen. Insofern stellt sich die Frage, wie fein man bei der abstrakten Diskussion überhaupt sinnvoll differenzieren sollte.

Das GNS-Modell bietet eine überschaubare Menge an Differenzierungskriterien, die zugegebener Maßen anfangs etwas obskur wirken, aber wenn man sie einmal verstanden hat durchaus einen Sinn ergeben. Diese Differenzierungskriterien sind ungeeignet, die CA eines gegebenen Spielers auf drei Stellen hinter dem Komma genau festzunageln. Sie sind aber sehr wohl geeignet, grundsätzliche Übereinstimmungen oder Unterschiede zwischen den Präferenzen der einzelnen Spieler zu identifizieren, bzw. sich mit der Gruppe auf eine bestimmte Präferenz für die gegebene Runde zu einigen.

Auf die Betrachtung der individuellen CA folgt als zweiter Schritt die Suche nach der gemeinsamen CA. Und auch hier gilt: Eine 100,00%-Übereinstimmung ist ohnehin utopisch. Das ganze ist ein Kontinuum, es gibt nicht true or false, sondern es gibt nur mehr oder weniger Übereinstimmung. 

Der Abstraktheitsgrad von GNS ist daher kein Bug, sondern ein Feature.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #10 am: 18.01.2006 | 17:22 »
Hier ist eine sehr interessante und weiterführende Diskussion zu dem Thema auf der Schmiede:

http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=18387.0
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Offline Fredi der Elch

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #11 am: 18.01.2006 | 17:50 »
Ich finde den Thread auf der Forge wunderbar. Er sollte echt Pflichtlektüre in Punkto Reward Cycle für jeden werden (vielleicht was für die FAQ, wenn man das mal übersetzen würde? ;) )

Ron sagt:
Zitat
You see, "reward" is never, and can never, be described strictly in terms of numbers and points. All mechanics  rewards in role-playing (which are techniques), are only really  rewards if they work socially and creatively.

The relationship between mechanics-rewards, textual game rules, and actual social/creative rewards is complex. Sometimes all three are exactly the same thing. Sometimes they are totally disconnected. In some groups, the mechanics-rewards are carried out, but aren't very important to the actual social and creative rewards and reinforcements that are going on. It depends very greatly on the individual group.

A lot of people seem to think that when I talk about "reward," I only mean the points and stuff like that. Nope - I mean the real-people stuff, the interactions. But we have to consider all three of the parts at once, to see how they interrelate for that particular group, in order to understand what's going on. Ignoring a levels/points mechanic is just as important, for the group that does it, as following it is in the group which does that.

All of my questions were directed toward thinking about how the three things are connected, or disconnected, in your examples of play. If the leveling and experience-points were not part of your group's use/play of D&D, then what did you use as the real reward system? Saying "fun" is too vague; something was exchanged among members of the group to indicate social and creative reward, even if it was only smiles and repeated appreciation for that session afterwards, perhaps for years.

We can't talk about Creative Agenda until we know what that reward system is. The more you post about what it's like to play in your group, what happens with the characters, and how that turns out in general, the better we (including you) can apply the points that I make in my essays.

Supplanter dazu:
Zitat
Two situations:

1) Player keeps bringing up the Lizardbabies. GM pushes through Lizardbaby action as quickly as possible. Body language is dismissive, tone of voice is brusque, the clapboard clangs down hard and early on Lizardbaby scenes. (Or, passive-aggressively, GM just sits back and lets things *hang there* every time the player wants to talk about LBs.)

2) Player brings up Lizardbabies. GM's response is lively and energetic. He readily incorporates the player's "offer" into the fiction. He builds on it. Perhaps even more importantly, the GM starts making Lizardbaby offers that inspire the Paladin player to respond with adds of his own. The GM further incorporates the player's responses into a virtuous circle of fiction-creation. (A GM who wasn't into the lizardbaby business might strategically make offers the player was inclined to block, with an eye toward "educating" the paladin's player out of his Lizardbaby obsession.)

(Hervorherbungen von mir)
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Zitat von: 1of3
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #12 am: 18.01.2006 | 18:11 »
Ja, dieser Impro-Kram ist offenbar eine 20' by 20' room Sache, die ist an mir bisher vorbei gegangen, aber es hat wohl was mit positiver Bestätigung durch Anknüpfen an die Beiträge eines anderen zu tun. Was ziemlich viel Sinn macht.
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #13 am: 19.01.2006 | 13:40 »
Das Problem ist: Für mich klärt das nicht viel auf.
Sicher sollte man das alles Wissen, insbesondere das was hier nochmal hervorgehoben wurde, aber es ist immer noch nicht klar wie der Reward Cycle formal erkannt werden kann. Ron schildert ein paar Indizien die ihm dabei helfen würden, aber er sagt nicht was genau er dort sucht um folgende Aussagen treffen zu können:
1) Aufgrund der Beobachtung X liegt ein funktionierender Reward Cycle vor / nicht vor.
2) Aufgrund der Punkte Y liegt die CA G/N/S vor.

Es sind diese Punkte X und Y die ich hier Suche.
Was Reward, also sinngemäß übersetzt Anerkennung, bedeutet kann man sich sicher noch grob ausmalen. Ron sagt aber Spaß allein sei zu vage um es daran festzumachen. Aber was nicht zu vage ist sagt er nicht direkt. Er sagt nur das "etwas" zwischen den Spielern ausgetauscht werden muss.
Ich stelle mich ja hier nur dumm um vielleicht zu einer handfesteren Definition zu kommen.

Aber nehmen wir einfach mal an jeder Idiot könne einen Reward Cycle erkennen wenn er ihn sieht. Dann bleibt immer noch das Problem zu erkennen worauf sich dieser Reward Cycle bezieht. Was belohnt dieser Cycle eigentlich und was nicht? Wie erkenne ich das? Das ist doch die eigentliche Frage.

Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #14 am: 19.01.2006 | 23:18 »
Die drei Artikel über Gam, Nar und Sim formulieren abstrakte Voraussetzungen. Tatbestände, wenn man so will. Der Reward Cycle ist der Sachverhalt, auf den diese Tatbestände anzuwenden sind. Subsumtionstechnik. Klassische juristische Arbeitsweise. ;)

Um auf eine Vielzahl von Sachverhalten anwendbar zu sein, müssen Tatbestände abstrakt sein. Wenn sie nicht abstrakt wären, wären sie nutzlos, denn dann würden sie der wunderschönen Vielfalt des Seins nicht mehr gerecht. Wenn aber Tatbestände abstrakt sind und Lebenssachverhalte vielfältig, bleibt es zwangsläufig die Denkleistung des Anwenders der Tatbestände, den jeweiligen Lebenssachverhalt unter die Tatbestände zu subsumieren.

In der Juristerei kennen wir sogenannte "unbestimmte Rechtsbegriffe", die der Interpretation durch die Gerichte bedürfen. Wie z.B. "unzumutbar" oder "fahrlässig". Ohne den Rechtsanwender, der das Gesetz auf den Einzelfall anwendet und mit Leben erfüllt, ist ein solcher Begriff nur eine Worthülle. Doch jeder Versuch, ihn (abstrakt) näher zu bestimmen, ist zum Scheitern verurteilt und endet in Floskeln und Verklausulierungen. Um ihn besser zu verstehen, hilft dir nur das Studium entsprechender Urteile - Fallbeispiele.

Gleiches gilt für GNS. Actual Play. Wenn du GNS besser verstehen willst, musst du Actual Play studieren, und zwar im Detail. Noch eine abstrakte Abhandlung wird dir nicht weiterhelfen. Die Definitionen werden dadurch eher verwässert als kristallisiert.
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #15 am: 20.01.2006 | 01:18 »
Jetzt verstehe ich zwar warum ich Juristen grundsätzlich nicht verstehe, aber nicht warum es nicht möglich sein soll zu definieren wie man CA Merkmale erkennt.
GNS ist ja mehr oder weniger bekannt, aber es fehlt die Grundlage der Erkennung. Wie erkennt man z.B. ob es sich um thematisches Spiel (Prämisse) handelt?
Das Schwierige ist ja das sehr einfache Merkmale, die jedem sofort zugänglich sind, immer ausgeschlossen werden. Eine Absicht einer Agenda zu folgen reicht z.B. nicht aus. Spaß reicht auch nicht aus. Aber beides kann ein Indiz sein. Was fehlt? Gibt es eindeutigere Merkmale?
Ich meine das ganz konkret Schritt für Schritt. Die Begriffe dürfen ruhig etwas abstrakt oder unbestimmt sein, aber ich möchte ersteinmal überhaupt eine vollständige Grundlage.

Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #16 am: 20.01.2006 | 08:57 »
"Reinforcement". Soziale Bestätigung. Die Wertschätzung der anderen Spieler für deine Beiträge, und umgekehrt. Das ist die Grundlage der Identifikation einer CA.

Wie man thematisches Spiel erkennt? Tja, das lässt sich nun mal nicht in zwei Sätzen erklären. Ich brüte ja selbst noch über der besten Herangehensweise für mein "Vermi erklärt..."
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Offline Dom

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #17 am: 20.01.2006 | 11:33 »
Wenn ich die ganze Sache richtig verstanden habe: Aufgrund der Tatsache, dass Menschen nicht immer das tun, was sie gerne wollen, und das auch nicht auf Nachfrage verraten, ist es praktisch unmöglich den "wahren Antrieb" an bestimmten Handlungen oder einem Fragebogen o.ä. festzumachen.

Jetzt ist es aber doch so, dass eine CA eben nicht die Handlungen klassifiziert, sondern die Präferenz der Gruppe. Daher sind alle einfachen Kriterien immer nur Hinweise und nie irgendwelche Beweise für eine CA. Die Gruppe sollte also ausreichend lange beobachtet werden, um beurteilen zu können, für was sich die einelnen Spieler gegenseitig belohnen; und zwar nicht nur aufgrund der benutzten Regeln, sondern vor allem aufgrund der sozialen Bestätigung, die viel durch nonverbale Kommunikation vermittelt wird. Und diese in "harte Kriterien" zu fassen halte ich für unmöglich.

Hm.... wenn ich da so drüber nachdenke, klingt das jetzt fast so, als ob nicht mal ein Außenstehender jemals mit Sicherheit eine CA erkennen kann. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass eine Gruppe, die beobachtet wird, sich nicht so verhält, als wäre sie unbeobachtet...

Dom.

Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #18 am: 20.01.2006 | 12:14 »
Hallo Dom und willkommen im GroFaFo!

Ich weiß nicht, ob es wirklich gar so schwierig ist. Vielleicht kommt es uns auch nur so schwierig vor, weil die Gruppen, auf die wir es anzuwenden versuchen, inkohärent sind. Oder weil wir bisher nicht auf die richtigen Dinge geachtet haben.
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #19 am: 22.01.2006 | 14:57 »
Hier ist ein Zitat aus dem besagten Thread, das ich besonders wichtig finde:

Zitat von: Ron Edwards
One of the most important features of my essays, which people often miss, is that bits and moments of activity can be very diverse - just because you guys enjoyed a little moral dilemma once in a while, within the larger scope of your Gamist enjoyment, doesn't mean you were playing Narrativist.

Das ist auch der Grund, warum jeder Versuch, CA an einzelnen Spielsituationen und Ephemera festzumachen, zum Scheitern verurteilt ist. Nur weil Annas D&D-Gruppe in ihrem "Stadt-Modus" ein bisschen die Charaktere ausspielt und das Setting erforscht, kommt Ron noch nicht zu dem Ergebnis, dass die vorhandene CA irgend ein Sim-Gam-Hybrid wäre. Es ist einfach nur ein bisschen Exploration am Rande, die den Gesamteindruck (Gam) nicht trübt.

Interessant würde es, wenn man die Runde eine Weile beobachtet und feststellt, dass der Enthusiasmus im "Stadt-Modus" viel größer ist als im "Abenteuer-Modus". Dass all die Anekdoten, von denen die Spieler aus alten Runden erzählen, den "Stadt-Modus" betreffen. Und selbst dann wäre es wahrscheinlich noch kein Hybrid. Dann wäre es vielleicht kohärentes Sim, und die Kämpfe und taktische Herausforderung wären Beiwerk. Dass die Gruppe trotzdem Spaß an den Kämpfen hätte, wäre kein Hindernis für Sim.

Das ist auch eine wichtige Schlussfolgerung für die Diskussion über "funktionale Inkohärenz". Denn wenn ich mir das obige Zitat von Ron anschaue, würde er wahrscheinlich den meisten Runden, die ich bisher als funktional inkohärent bezeichnet hätte, einfach eine CA zuweisen und die Auswüchse, die nicht dazu zu passen scheinen, einfach als für das Gesamtbild unerheblich klassifizieren.
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Offline Dom

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #20 am: 22.01.2006 | 21:00 »
Zu dem Zitat: Macht es sich Herr Edwards da nicht etwas zu leicht, Mischformen als nicht existent hinzustellen? Sicherlich gibt es in jeder Gruppe eine vorherrschende CA. Wenn es dann aber auch in einigen Episoden/Szenen positive Bestätigungen für eine andere als die übliche CA gibt, wieso handelt es sich hierbei nicht um eine Mischform (genauer: nicht konstante Gruppen-CA)? Oder kann eine kohärente Gruppe geben, die (sozusagen auf Kommando) zwischen verschiedenen CAs hin- und herwechseln kann? Das würde die Erkennbarkeit noch einmal deutlich erschweren...

Zur Frage nach den eindeutigen Merkmalen: Im Thread "Analyze me!" gab es doch genau das Problem mit dem Fragebogen und der Einschätzung von Fredi. Der Fragebogen hat ein anderes Bild ergeben als haukrinn offenbar in der konkreten Spielrunde gezeigt hat. Das hat meine Einschätzung, dass es keine eindeutigen Merkmale gibt, bestärkt. (Außerdem könnte es ein Hinweis darauf sein, dass es keine Individual-CA gibt -- das ist aber ein anderes Thema).

Dom.

Joe Dizzy

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #21 am: 22.01.2006 | 23:38 »
Zu dem Zitat: Macht es sich Herr Edwards da nicht etwas zu leicht, Mischformen als nicht existent hinzustellen?

Vorsicht, Edwards versucht keine preskriptive Rollenspieltheorie zu entwerfen, d.h. eine Theorie aus der jede mögliche Spielform ableitbar ist.

Vielmehr ist es eine deskriptive Theorie und Edwards erklärt etwas zur Methodik, d.h. wie man die Theorie benutzt um eine Rollenspielgruppe zu fassen, damit man darüber reden und falls nötig analysieren kann. Es geht nicht darum ob es Mischformen gibt, sondern wie man die Theorie benutzt wenn man auf etwas stösst was nicht eindeutig ins Schema passt.

Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #22 am: 23.01.2006 | 13:22 »
Die Posts von Boomslang zeigen ja sehr schön, wo einen das hinführt, wenn man es ganz genau machen will... ;)
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #23 am: 23.01.2006 | 13:30 »
Die Posts von Boomslang zeigen ja sehr schön, wo einen das hinführt, wenn man es ganz genau machen will... ;)
War das jetzt als Kompliment zu verstehen? ;)

Offline Lord Verminaard

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #24 am: 23.01.2006 | 13:52 »
Als Warnung für die unbedarften, die nicht über ein Mathematiker-Gehirn verfügen. ;D
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Offline Fredi der Elch

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #25 am: 23.01.2006 | 19:56 »
Hey Boomslang,

wenn man jemanden, der nur zwei Zustände kennt, auf die echte Welt loslässt, entstehen nur Probleme... ;) Du machst es dir mit der Informatiker-Logik eifach zu leicht

Ich empfehle dir mal solche Definitionen von Kategorien aus der echten (Psychologen-) Welt wie den DSM IV (klinisches Inventar). Das sind schwammige Monster-Definitionen, die nur durch Experten (also Leuten mit Erfahrung mit echten Fällen ;) ) halbwegs zu brauchbaren Ergebnissen zu bewegen sind. Deswegen kann ich Vermi sehr gut verstehen: es geht nur mit dem Studium von Fällen. Willkommen in der echten Welt, Informatiker. ;)

Wenn ich die ganze Sache richtig verstanden habe: Aufgrund der Tatsache, dass Menschen nicht immer das tun, was sie gerne wollen, und das auch nicht auf Nachfrage verraten, ist es praktisch unmöglich den "wahren Antrieb" an bestimmten Handlungen oder einem Fragebogen o.ä. festzumachen.
Der Punkt von Dom ist sehr gut:
1. Leute wissen oft gar nicht, was sie wollen.
2. Sie können oder wollen es nicht verbalisieren. Gerade der Spielstil ist mit vielen Selbstbildgeschichten verbunden (man will kein "böser Powergamer" sein usw.)
3. Selbst wenn sie beschreiben können, was sie wollten, müssen sie sich noch lange nicht so verhalten. Absicht und Verhalten liegen oft sehr weit auseinander. Aus Gewohnheit oder anderen Gründen bleiben Leute bei Verhaltensmustern, auch wenn sie was anderes vorhatten.
4. Selbst wenn eine Person ihr Verhalten umsetzt gibt es immer noch kein entsprechendes Feedback der anderen Personen. Es entsteht also noch keine kohärente CA.

Das ist der Grund, warum ich immer so auf die Verhaltensdaten poche: die reine Selbstauskunft (mit hypothetischen Situationen) ist einfach ungeeignet für die Analyse der CA.
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Arkam

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #26 am: 24.03.2006 | 14:24 »
Hallo zusammen,

also wenn mich die CA einer Gruppe interessiert und ich als Beobachter etwas darüber erfahren möchte würde ich folgendes machen.

1) Die Regeln lernen. Wobei ich hier Mal den offiziellen Hintergrund, soweit vorhanden, ebenfalls als Regel sehe. Denn genauso wie aus den Regeln das System wird wird aus dem Hintergrund die Welt. Ich versuche mich Mal an einer Definition. Die Welt einer Gruppe besteht aus den Teilen des Hintergrunds den die Gruppe nutzt und beeinflußt. Hinzukommen Ergänzungen oder Reduzierungen die die Gruppe am Hintergrund vorgenommen hat.

2) Die Belohnungsmechanismen der Regeln herausarbeiten und die sozialen Belohnungsmechanismen mit einbeziehen. Neben Belohnungen wie Erfahrungspunkte, Steigerungswürfe, besserer Ausrüstung etc. gibt es ja auch noch die Möglichkeiten Hintergrund des Charakters kommt in den Vordergrund, Spieler koordiniert komplexe Aktionen wie etwa Verhandlungen oder Kämpfe oder der Spieler bekommt einfach mehr Redezeit.
Natürlich werden entsprechend auch die regeltechnischen und sozialen Bestrafungsmechanismen bekannt sein. Die müssen ja nicht immer nur die Abwesenheit von Belohnung sein.

3) Kriterienkatalog aufstellen
Die folgenden Punkte sind Vorschläge damit das ganze nicht in der Luft hängt.
Leistungsrollenspiele / Gamist: Situationen werden nach Regeln abgehandelt, Nachschauen im Regelwerk, Bezug auf Regelgrößen also etwa Lebenspunkte oder Attributs- oder Skillwerte zur Begründung von Spielaktionen
Thematisches Rollenspiel / Narativist: Handlungen werden aus dem Hintergrund des Charakters entwickelt, Ausrüstung wird nicht nach maximalen Vorteil sondern nach der Stimmigkeit für die Rolle oder persönlichem Bezug ausgesucht, ich verzichte also nicht auf das Schwert mit dm ich meinen ersten Drachen erschlagen habe weil eine andere Waffe mehr Boni hat
Erlebnissrollenspiel / Simulation: Regeln werden geändert um sie realistischer zu machen, von den Regeln erlaubte Aktionen werden nicht gestattet weil sie unrealistisch sind, die Welt ändert sich auch ohne die Spieler
Die deutschen Begriffe stammen soweit von mir nachvollziehbar von Lord Verminaard in Thema: [Forge] Vermi erklärt die Forge in einer Nussschale http://tanelorn.net/index.php?topic=25170.from1143202605;topicseen#msg495889 von ihm beschrieben.

4) Beobachten und notieren
Jetzt sollte man für jeden Spieler notieren wann er Punkte aus dem Kriterienkatalog anwendet, ob er belohnt oder ob er bestraft. Bei einem Punkt aus dem Kriteriumskatalog muß noch notiert werden ob dieses Verhalten belohnt oder bestraft wird. Auf diese Art bekomme ich erst Mal eine Basis. Das ganze muß dann natürlich mehrmals wiederholt werden damit man nicht einfach die Gruppe in einem untypischen Moment erfaßt hat.
Optimal ist natürlich wenn man für jedes Gruppenmitglied einen einzelnen Beobachter hat. Denn ansonsten können gerade soziale Belohnungen schnell übersehen werden. Auch eine zeitliche Bestimmung wäre schön erhöht aber den Beobachtungsaufwand.

5) Statistische Auswertung
Ich stelle es mir so vor das man die einzelnen Kriterien des Kriterienkataloges die man beobachtet hat aufführt und dazu ob sie regeltechnisch oder sozial belohnt oder bestraft wurden.

6) Aussagen
Ich denke jetzt kann man Aussagen sowohl über die CA der Gruppe als auch über die Spielprioritäten der Gruppe und je nach beobachtungsaufwand auch über die Tendenzen der einzelnen Gruppenmitglieder machen.

Jau das ganze klingt wie die Vorbetrachtungen zu einem soziologischen Bericht aber das sollte bei theoretischen betrachtungen über die Feststellbarkeit einer sozialen Aktivität ja auch nicht wundern

Gruß Jochen
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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #27 am: 24.03.2006 | 14:27 »
Arkam: AFAIk zählt unter "Belohnung" auch das Positive Feedback der Mitspieler, durch Blicke, Lachen, oder eben keine belohnung durch "nicht schon wieder" oder sowas.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #28 am: 24.03.2006 | 16:47 »
@ Arkam
Also eigentlich habe ich diese Diskussion ja ruhen lassen, aber egal :)
Deine Punkte sind sicher sehr richtig bis eben auf Punkt 3. Das war u.a. das Problem.

Aus meiner jetztigen Sicht der Dinge gibt es zwei große und ungelöste Probleme:

1. Erkennbarkeit der CA: Hier ist es bis jetzt Konsens anzunehmen dass man eine genaue, unabhängige, mehr oder weniger Fachkundge Beobachtung der konkreten Spielrunde benötigt um Aussagen machen zu können. Man muss die Belohnungsysteme erkennen und die Ziele die dadurch angestrebt und gefördert werden.

2. Definition von G/N/S: Dieses Problem ist das eigentliche und größere. Jeder meint ein Verständnis zu haben, es gibt natürlich auch "offizielle" Artikel zum Thema, doch zu mehr Verständnis hat das nur eingeschränkt geführt. Manche sagen man muss es erfahren um es zu verstehen, manche sagen es ist einfach bisher nur schlecht erklärt manche sagen es muss neu definiert werden.
Die Frage ist nämlich: Angenommen man hätte eindeutige und verlässliche Daten (wie unter 1. genannt) ermittelt. Wie würden diese dann aussehen müssen um sagen zu können: Das ist G/N/S ? Nach welchen merkmalen suche ich überhaupt inhaltlich? Formal suche ich nach der Verstärkunng einer CA im sozialen Kontext. Doch selbst wenn es einfach sein sollte eine Verstärkung bzw Belohnung zu finden und zu erkennen, wie ordne ich das ein was verstärkt wird?

Das ist ein großes Problem, da es sich nicht an Verhalten festmachen lässt, sondern daran worauf die Spieler mit diesem Verhalten hinarbeiten. Doch selbst wenn man das konkret wüsste, so bräuchte man doch Kriterien um dann eine passende Kategorie zuzuordnen und über diese Kriterien herrscht eine gewisse Verwirrung (bzw. die die behaupten es sei doch alles klar, können oder wollen es irgendwie nicht vermitteln).
Der weitestgehende kleinste gemeinsame Nenner ist immer noch Vermis Erklärung. Alles was darüber hinaus geht ist reines Chaos. :o

Daher ist auch dein Versuch CA Zuordnung an Verhalten und Techniken festzumachen mMn nicht richtig. Eigentlich kann ich garnicht wirklich sagen ob du das richtige meinst, weil eben die Definitionen etwas zu wenig für die Praxis hergeben.

Offline Arkam

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #29 am: 24.03.2006 | 21:50 »
Hallo Dr.Boomslang,

ich hogge man verzeiht mir die Threadnekromantie aber ich mache eben erst die ersten unsicheren Schritte im Theoriebereich da sucht man sich eben Themen zu denen man etwas sagen kann.

Mein Punkt 3) war ja das man einen Kriterienkatalog aufstellen sollte.
Wenn ich dich jetzt richtig verstehe ist das der problematische Punkt da:

1) Das man für diese Aussagen eben einen Beobachter benötigt der auswertbare Fakten beschafft erscheint mir klar. Diesem Konsens verschließe ich mich ja auch garnicht, sie Punkt 4.
Das natürlich die Beobachter selber die Information verändern und eine objektive Beobachtung von sozialen Verhalten selbst auch schwierig ist ist wohl unumstritten. Egal ob es nun ein Beobachter, eine Gruppe von Beobachtern oder Beobachtungsmedien sind aus Fairnissgründen wissen die Beobachtungssubjekte das sie beobachtet werden und werden wahrscheinlich ein geändertes Verhalten zeigen.
Im Rahmen des Studiums habe ich ein Mal eine Schülerbeobachtung gemacht und zwar in einem Fach das mich interessierte. Bei der Beobachtung meines etwas desinteressierten Schülers wuchs der Frust über sein desinteresse deutlich an. Am Ende habe ich sicherlich jedes Gähnen deutlich überinterpretiert. Ähnliches wird ja wahrscheinlich auch jedem sachkundigen Beobachter einer Rollenspielrunde mehr oder weniger stark passieren.
Wenn ich mich noch richtig erinnere ist dieses Thema also "Verändert die Beobachtung das Ergebniss" eben wesentlicher Teil der Interpretation der Untersuchungsergebnisse.
2) Die Definition selber nicht fest geklopft ist sondern soweit überhaupt eine Definition der gewählten Begriffe erfolgt eine Vielzahl von Variationen existieren. Da wird es dann der Rollenspieltheorie selbst wohl nicht anders gehen als einer Vielzahl von soziologischen Theorien. Es werden sich Schulen bilden die sich Teilweise nur in einzelnen Punkten die sie für wesentlich für eine Spielart halten bilden.
Wenn man also eine soziologische Arbeit schreiben wollte müsste man entweder die eigene Auslegung von G/N/S und die zugeordneten Beobachtungen selbst festlegen und begründen oder sich einer existierenden Schule anschließen, Bildung von Unterschulen nicht ausgeschlossen.
Ist das Ziel kleiner und existiert nur darin festzustellen ob einem die existierende Runde persönlich passen würde braucht man ja die theoretische Ausarbeitung nicht sondern muß "nur" entscheiden ob die einzelnen Kriterien in einem persönlich zufriedenstellenden Verhältniss stehen.

Gruß Jochen
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Offline Purzel

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #30 am: 28.03.2006 | 13:39 »
Schnell ein Gedanke, bevor ich ihn verliere:

Anstatt das allgemeine Verhalten einer Spielrunde über einen langen Zeitraum zu beobachten, um Aussagen über ihre CA machen zu können, sollte man vielleicht lieber genauer betrachten, welche Regeln des geschriebenen Systems eine Spielrunde ändert. Problem hierbei ist nur, dass manche Regeländerungen nur implizit und der Gruppe garnicht bewusst sind.
   Jedenfalls steckt aber in einer Regeländerung (Änderung, Ergänzung, Neuerfindung, Löschung) eine Menge Absicht, die auf die CA Rückschlüsse zulässt.

Wer z.B. bei DSA das Fertigkeitssystem bestehen lässt, tut dies vielleicht nicht, weil er so auf SIM steht, sondern weil er keine bessere Alternative gefunden hat. Ändert er es hingegen, trifft er absichtlich eine Entscheidung zugunsten seiner eigenen Agenda.

Just my two cents...

Offline Dr.Boomslang

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Re: Erkennbarkeit und Definitionsgrundlagen von CAs
« Antwort #31 am: 28.03.2006 | 13:49 »
Wer z.B. bei DSA das Fertigkeitssystem bestehen lässt, tut dies vielleicht nicht, weil er so auf SIM steht, sondern weil er keine bessere Alternative gefunden hat. Ändert er es hingegen, trifft er absichtlich eine Entscheidung zugunsten seiner eigenen Agenda.
Da kommt wieder Problem 1 ins Spiel. Wenn nicht klar ist was mit der Änderung beabsichtig wird, dann ist eine Bewertung schwer.
Es könnte ja sein, dass der Spieler einfach bestimmte Würfel nicht mag oder gehört hat diese und jene Mechanik sei schlecht oder eine andere ganz toll. Meist sind es oberflächliche Technische Agenden die hinter so einer Änderung stehen. Allerdings kann sowas natürlich ein Hinweis darauf sein, wenn der Spieler "weiß was er tut".
Das fällt alles wieder unter das Beobachtungsproblem. Wenn ein fachkundiger Beobachter herausbekommen kann welchen Zwecken die Regeländerung dient, zumindest welche der Spieler damit beabsichtig, denn das ist ja fast wichtiger, sind das sicher gute Hinweise.

PS: Außerdem bin ich im Moment der Ansicht, dass sich CAs besonder gut mit einer Art "Differeanzialdiagnostik" erkennen lassen. Man muss also gezielt versuchen Merkmale zu prüfen die deutlich unterschiedlich bei einzelnen CAs sind um dann langsam über Ausschluss die CA zu finden.
So ähnlich habe ich es oben in diesem Thread glaube ich schonmal angedeutet.
Diese Sache mit den Regeländerungen wäre dazu sicher gut geeignet.
« Letzte Änderung: 28.03.2006 | 13:54 von Dr.Boomslang »