Autor Thema: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?  (Gelesen 26182 mal)

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Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #75 am: 18.12.2007 | 11:52 »
Mein Edit kam nach Deinem Kommentar, deshalb ziehe ich ihn mal unter Deinen Post. Wiederum gebe ich Dir vollkommen recht. SIS ist ein neues Fass, welches man nicht zwingend aufmachen muss. Ich teile Deine Bauchschmerzen. Hier aber ein Vorschlag, wie man fiktive Welt und SIS in Beziehung setzen kann (denn intuitiv ist das auch für mich nicht das gleiche) und der mir mitteilungsfähig erscheint:

Man könnte zudem noch zwischen expliziten und impliziten empirischen Relativen des Settings unterscheiden. Forge würde so etwas dann wohl color oder so nennen. Ein explizites empirisches Relativ, welches nicht im Sinne einer Regel abgebildet wird, wäre zum Beispiel eine Beschreibung im Regelwerk. "Orks haben grüne Haut". Orks, Menschen, Elfen etc. wären die Objekte, Hautfarbe die Relation. Man kann zwar daraus auch im Sinne einer Regel kategorial-numerische Zuweisungen der Hautfarbe machen, das hat aber in den meisten Fällen keinen spielrelevanten Sinn. Dennoch ist das empirische Relativ [Rasse, Hautfarbe] explizit.

Ein implizites empirisches Relativ wird schlicht nirgends genannt. Beispiel: Die Hautfarbe von Ogern wurde in der Monsterbeschreibung vergessen. Da in einer fiktiven Welt unendlich viele empirische Relative existieren, nur wenige explizit genannt werden (können) und noch weniger in Regeln umgesetzt werden, bilden implizite empirische Relative den Regelfall. Die Gesamtheit der impliziten empirischen Relative ist nach meiner momentanen Einschätzung der Hauptgrund für divergierende IIS. Ein Relativ wird nirgendwo erwähnt, die Spieler stellen sich was unterschiedliches vor und es entsteht eine Diskrepanz im IIS. Was meint Ihr? Das Thema kann man vielleicht sogar in einen neuen Thread schieben, denn es erscheint mir vielversprechend. Vielleicht übersehe ich aber auch was Entscheidendes. Kommt eher so aus dem Bauch  ;D
« Letzte Änderung: 18.12.2007 | 12:07 von Kinshasa Beatboy »

Offline Gaukelmeister

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #76 am: 18.12.2007 | 12:04 »
Ich empfehle Dir einen neuen Thread - dann gehe ich ausführlicher auf Deine Vorschläge ein (den kürzlich gelaufenen Thread zum SIS kennst Du ja bereits).

(Von "abweichenden SIS" zu reden klingt schief.)
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Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #77 am: 18.12.2007 | 12:07 »
Hast recht. Müsste abweichende IIS heissen. Werds korrigieren.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #78 am: 18.12.2007 | 12:25 »
Mit dieser Diskussion ergibt sich ein bisschen das Standardproblem das entsteht wenn eine Diskussion ein Jahr später wieder aufgegriffen wird, weil einer irgendwas sagen möchte, aber keinen eigenen Thread aufmacht.

Anfangs ging es Dom um folgendes: Der Autor eines Rollenspiels strukturiert alles was das Spiel betrifft mittels Direktiven in einem Regelwerk. Jede dieser einzelnen Direktiven kann man als Regel bezeichnen, es sind explizite Festschreibungen, nach denen die Gruppe im Spiel handeln soll (handeln im weitesten Sinne, also natürlich auch denken).
Dann gibt es da einen Teil dieser Regeln die Dom besonders interessiert hatten, nämlich die Regeln zu dem was er erst Setting und dann Hintergrund genannt hat. Regeln zum Hintergrund haben dabei die Eigenschaft, dass sie einen Kanon von Fiktion erzeugen, wenn man sie anwendet. Dann hat er noch hinzugefügt, dass mit dieser speziellen Form von Fiktion nicht der SIS gemeint ist, sondern nur das was auch ohne das Spiel selbst schon entstehen würde wenn man nur unmittelbar die Vorgaben des Autors betrachtet. Es ist also bei Hintergrund in diesem Sinne das ausgeschlossen was durch den Prozess des Spiels entsteht (SIS), es geht nur um die Fiktion die der Autor selbst durch Regeln vorgibt. Wie kann man diese speziellen Regeln also von den anderen unterscheiden?

Das waren die Ausgangsbedingungen die von Anfang an klar waren, oder es wenigstens seit Beginn der zweiten Diskussionsrunde sein sollten. Die Frage war nun wie man diese Regeln sinnvoll abgrenzen kann, oder ob nicht eventuell alle Regeln irgendwie direkt oder indirekt diesen Kanon von Fiktion bestimmen, und wenn indirekt, wie man dieses indirekte erkennt oder woran man es festmacht.

Es war also auch bereits klar, dass Regeln und Setting was anderes sind (das eine ist eine Direktive, das andere Fiktion) und es war auch klar dass sie irgendwie einen Bezug haben, nämlich dass es Regeln gibt die Setting bilden und dass das gesamte Setting durch Regeln gebildet wird. Das ist alles nichts neues.


Jetzt zum Verlauf der zweiten Diskussionsrunde. Wolfenburg ist hatte da eine Idee die erstmal auf anderen Regel und Settungbegriffen basierte, soweit ich das sehe. In Post #57 hat er dann aber seine Ansichten angepasst und nach verschiedenen Regeln differenziert, je nachdem wie ihr Bezug zum Hintergrund ist (was ja von Anfang an gefordert war). Diese Differenzierung zeigt auch bereits das auf was in der vorherigen Diskussion herausgekommen ist.
Man kann zwar in reine Regeln zum Hintergrund und andere unterscheiden, aber es ergeben sich dabei Überschneidungen. Es gibt also sowohl Regeln die nur den Hintergrund betreffen ("Orks sind grün"), welche die unmittelbar nur das Spiel betreffen ("Der SL entscheidet", "Der Spieler wählt einen Charakter" etc.) und welche die irgendwie beides betreffen ("Der Magier hat X Zauber", "Das Schwert macht 1w6+4 Schaden" etc.).

Das ist aber eigentlich der Stand der Diskussion bisher. Ich kann nicht richtig erkennen was z.B. Beatboy's Sachen damit zu tun haben. Ich gehe aber später nochmal auf die weitere Diskussion ein...

Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #79 am: 18.12.2007 | 12:33 »
Ich gebs dann auf. Du beschreibst in Deinem Post aber auch wirklich haargenau die Punkte, die ich zu lösen glaube. Verstehe gar nicht, wie man das derart erfolgreich ignorieren kann. Du bist doch ganz offensichtlich ein schlaues Kerlchen. Hatte eigentlich schon parallel einen Kommentar im SIS-Thread fast fertig, aber das ist mir so echt zu demotivierend. Sorry.
« Letzte Änderung: 18.12.2007 | 12:41 von Kinshasa Beatboy »

Offline Gaukelmeister

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #80 am: 18.12.2007 | 12:44 »
@ Kinshasa Beatboy
Lass Dich mal nicht so schnell aus der Fassung bringen. Bisher bist Du bei Gegenwind doch auch ganz stabil geblieben  :d

@ Dr. Boomslang
Du hast Recht, dass es immer problematisch ist, ein altes Thema wieder aufzuwärmen - aber wenn so viele Leute mitmachen, dann lass sie doch. Falls Du nichts mit den weiteren Beiträgen anfangen kannst, geht es Dir ja auch nicht anders als vielen anderen bei anderen Themen. Aber Dein Hinweis hat etwas Seltsames. Denn Dom hat hier zum letzten Mal seinen Standpunkt zusammengefasst - anschließend wurde aber noch mächtig viel weiterdiskutiert, bevor Wolfenburg das Thema dann wieder aufgenommen hat. Insofern mag es ja richtig sein, dass Dom keinen Klärungsbedarf mehr hat - vielen anderen ging es da anders, auch schon im letzten Jahr (Du hattest übrigens selbst noch Beiträge verfasst, nachdem Dom gesagt hat, dass er keine Fragen mehr hat - wieso?).
« Letzte Änderung: 18.12.2007 | 12:46 von Gaukelmeister »
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Offline Wolfenburg

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #81 am: 18.12.2007 | 15:44 »
@Dr.Boomslang

In der Teat habe ich Die drei Typen eingefuehrt, weil mir aufgefallen ist, dass unter Regeln etwas anders verstanden werden kann als ich urspruenglich im strengen sinne dachte. Ich habe bis zu besagtem Post immer ueber Typ 2 Regeln geredet und dann gemerkt, dass man expliziete Hintergrundbeschreibungen ja auch als Regeln auffassen kann.

Als begriff fuer Typ 2 Regeln wuerde ich vorschlagen den Begriff Spielmechanik einzufuehren.  Diese Regeln geben also an wie man Handlungen der Charaktere Entscheidet und Umsaetzt.  Als Grundlegendes Schema schlage ich also vor, das  Willensbekundung eines Spielers (SL ist in diesem Fall auch ein Spieler)  und die gegebene Situation Spielmechanischenraum* als Eingabe enthaelt und als Ausgabe eine neue Situation im SIS sowie im Spielmechanischenraum liefert. 

Dabei sind Spielmechanischer Raum und SIS (bzw, auch Hintergrund) nicht bijektiv aufeinander abbildbar (womit ich Kinshasa Beatboy teilweise wiederspreche).  Auch ist es nicht richtig, dass der Hintergrund nicht quantifizierbar ist, der Spielmechanische raum abr schon ( z.B. Ist der Kaiser 6 Fuss gross (Hintergrund) aber er ist Standartgroesse im Regelmechanischen raum)

*der Spielmechanische raum ist die gesamtheit aller Werte die fuer die Spielmechanik relevant sind, die aber nicht unmittelbar von einem Beobachter im SIS erkannt werden koennen. (Also konkret: Atributswerte, HP, ExP, usw. Aber auch Deckungssituation, Boni fuer Ueberraschung usw.)

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #82 am: 19.12.2007 | 04:31 »
Zuerst einmal: Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, dass die Diskussion wieder aufgegriffen oder weitergeführt wird, nachdem Dom schon ein Ergebnis für sich herausgezogen hat. Das schließt ja nicht aus, dass es nicht noch weitere sinnvolle Sachen zu sagen gibt. Aber dann muss man doch bitte beim Thema bleiben und ganz besonders den Stand der Diskussion beachten, sonst muss man in einen anderen Thread posten. Nach einem Jahr fällt es aber meist etwas schwer den Stand der Diskussion nachzuvollziehen. Ok, für uns soll das jetzt grade mal egal sein, da es nun schon mal so weit ist.


Zum Thema:

@ Wolfenburg
Ich verstehe was du meinst, und meine zu sehen wo deine Überlegungen hinführen, ich sehe das nämlich alles sehr ähnlich.

Das was du jetzt Spielmechanik nennen möchtest würde ich aber lieber allgemein "Spielablauf(regel)" nennen, weil Mechanik schon ein anderweitig genutzter Begriff ist, über den ich jetzt keine Definitionsdiskussion losbrechen will. Deine Überlegungen zu dem Spielablauf, der aus der Interaktion von Willensbekundungen der Spieler, SIS und (Spiel)Werten entsteht, deckt sich so weit ziemlich gut mit dem was wir schon zu dem Thema gemacht haben, da habe ich also keine Schmerzen. :)
Deine Typ 1 Regeln sind auch ein interessanter Punkt, der ist jetzt zwar unter den Tisch gefallen, aber da ich den auch für sinnvoll halte, behalten wir den mal für ein eigenes Thema im Hinterkopf, für dieses ist der in der Tat nicht so wichtig.

Wichtig wird es nun bei den Typ 2 und Typ 3 Regeln und deren Überschneidung. Es kann also etwas sowohl Typ 2 als auch Typ 3 Regel sein, oder auch nur eines von beiden. Reinen Typ 2 haben wir klarerweise wenn nur der Spielablauf unmittelbar geregelt wird und kein Bezug zur Fiktion besteht. Reinen Typ 3 hat man dann wenn kein direkter Bezug zum Spielablauf besteht. Soweit so offensichtlich.

Du sagst Werte und SIS seien nicht bijektiv aufeinander abbildbar. Das sehe ich auch so, da es immer Fiktion gibt auf die kein Wert abgebildet wird (keine Surjektivität), oder wenn man Fiktion total auf Werte abbilden möchte kann man immer Fiktion finden die auf den selben Wert abgebildet werden muss (keine Injektivität). Das ergibt sich schon aus der Betrachtung der Fiktion als (quasi) unendliche Menge und der Werte als endliche.
Abbildungen im allgemeinen kann es aber geben und 1of3 nennt so eine Abbildung bzw. den Wert von dem diese ausgeht dann "Modell". Solche Abbildungen sind im allgemeinen weder surjektiv noch injektiv (jedes fiktionale Element kann durch mehrere oder auch durch gar keine Werte modelliert werden).


Wenn es nun um die Abgrenzung von Setting und Regeln geht muss man sich eigentlich nur noch fragen, was man meint das Setting sein sollte, also was man als Setting haben möchte. Anbieten würden sich da die zwei Möglichkeiten entweder alles zu nehmen was Typ 3 Regel ist, oder nur das zu nehmen was ausschließlich Typ 3 Regel ist.
Die weiterführende Frage dabei ist natürlich in welcher Weise die Mischregeln (Typ 2 und 3 zusammen) die Fiktion eigentlich beeinflussen und wie da der Unterschied zu reinen Typ 3 Regeln ist, und das ist die wirklich interessante Frage.

Ich würde diese Frage so beantworten: Viele Mischregeln gewinnen ihre Bedeutung erst durch das Spiel. Das heißt nicht unbedingt, dass sie ohne tatsächliches Spielen völlig bedeutungslos wären, aber es heißt dass man das Spiel als Prozess zumindest theoretisch voraussetzen muss, damit man eine sinnvolle Vorstellung von der Bedeutung der Regel erhalten kann.
Ist das also immer noch Setting? Ich würde sagen, im strengen Sinne nicht, wenn man Setting als fiktionale Vorgabe betrachtet die der Autor unabhängig vom Spiel gibt.
Niemand der den Spielablauf nicht zumindest teilweise kennt kann z.B. wissen was es bedeutet, dass ein Dolch 1w6 und ein Schwert 1w6+4 Schaden macht. Man kann damit keinerlei allgemein sinnvolle Vorstellung über Dolch und Schwert herstellen, die über ihre bloße Erwähnung hinaus geht. Man kann sich den ganzen Gehalt der Aussage nicht sinnvoll vorstellen, es kann also keine echte Beschreibung von Fiktion sein, und damit auch kein Setting.

Es gibt aber noch einen interessanten Fall bei den Mischregeln, der damit noch nicht abgedeckt ist. Mischregeln sind nicht immer ausschließlich modellierend, sie sind also nicht nur zur Herstellung einer Abbildung von Werten auf fiktionale Elemente gedacht.
Ob etwas eine Mischregel ist hängt davon ab, ob bestimmte darin vorkommende Begriffe sich auf ein fiktionales Element beziehen oder auf ihr Modell. Dabei kann es zu Verwechslungen und Uneindeutigkeiten kommen!
Das ist im Beispiel mit dem Magier und seinen Zaubern der Fall (z.B. die Aussage: Ein Magier kann die Zauber 'Peng', 'Brizzel' und 'Fizzel'). Sind die Zauber Modelle, also Spielwerte, oder fiktionale Elemente, oder beides? Falls sie beides sind ist es wichtig auf welches von beiden sich die Aussage in dem Fall bezieht. Ist das nicht klar bzw. bezieht sich die Aussage auf beides parallel, haben wir eine Regel die zwar modellierend ist (also schon ein Mischtyp), die aber trotzdem auch für sich genommen als reine Typ 3 Regel zu verstehen bzw. anzuwenden wäre.
Dies nenne ich jetzt mal eine inklusiv modellierende Regel (also nicht-exklusiv), sie modelliert, ist aber auch ohne das Modell als rein fiktional zu verstehen.

Setting würde ich also abschließend als alle reinen Typ 3 Regeln plus alle inklusiv modellierenden Regeln (aus der Menge der Mischregeln) bezeichnen. An dieser Stelle kann man dann auch endlich so weit gehen und die reinen Typ 3 Regeln nicht mehr Regeln nennen (sondern nur noch "Setting" oder "Hintergrund" o.ä.). Wie viel Sinn das macht ist eine andere Frage, da es in der Praxis schwer sein kann reine Typ 3 Regeln von inklusiv modellierenden zu unterscheiden. Letztere sollte man aber weiterhin Regeln nennen, da sie ja auch vom Typ 2 sind und damit zum Spielablauf gehören.

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Wer jetzt noch Interesse hat aus welchen Überlegungen ich das u.a. gezogen habe kann noch den Artikel zur Unterteilung von System lesen, den Dom freundlicherweise aus einer anderen Diskussion kondensiert hat. Darin geht es um die Grundlagen die ich hier mit Wolfenburgs Regeltypen ersetzt habe, weil das für diesen Zweck ausreichend war und die Überlegungen kompatibel sind. Wir gehen da von Lumpleys Systembegriff aus. Diskussionen darüber dann natürlich in einem neuen Thread.


Zuletzt noch @ Beatboy:
Wenn du noch Lust hast kannst du mir jetzt ja nochmal erklären wie deine Überlegungen damit zusammenhängen, inwiefern dass das gleiche ist, oder über welche unterschiedlichen Universen wir hier reden ;)
Das darf natürlich auch jemand anderes machen der beides verstanden hat :)

Offline Merlin Emrys

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #83 am: 19.12.2007 | 11:13 »
Ich hoffe mal, es ist auch eine Anmerkung und eine weitere Frage erlaubt.
Niemand der den Spielablauf nicht zumindest teilweise kennt kann z.B. wissen was es bedeutet, dass ein Dolch 1w6 und ein Schwert 1w6+4 Schaden macht. Man kann damit keinerlei allgemein sinnvolle Vorstellung über Dolch und Schwert herstellen, die über ihre bloße Erwähnung hinaus geht. Man kann sich den ganzen Gehalt der Aussage nicht sinnvoll vorstellen, es kann also keine echte Beschreibung von Fiktion sein, und damit auch kein Setting.
Natürlich kann ein Laie nicht wissen, wie die Auswirkungen im Spiel sind. Aber wenn er eine Übersetzung bekommt ("Der Schaden, den ein Dolch verursacht, wird durch das Ergebnis eines Wurfes mit einem sechsseitigen Würfel bestimmt; der Schaden, den ein Schwert macht, wird bestimmt, indem zu einem solchen Wurf noch 4 addiert wird."), kann er schon einiges daraus ableiten (was für ihn zwar keinen Sinn ergibt, aber doch etwas über die Fiktion sagt): Der Schaden, den ein Dolch macht, ist wesentlich zufällig und streut in einem bestimmten Bereich. Der Schaden, den ein Schwert macht, streut ebenfalls in einem solchen Bereich (beide hängen ja von einem sechsseitigen Würfel ab, das Schwert nicht etwa von einem 20seitigen). Man kann mit einem Dolch in einem bestimmten Prozentsatz der Fälle mehr Schaden anrichten als mit einem Schwert, aber ein Schwert wird häufiger einen höheren Schaden anrichten als ein Dolch - doch niemals [wenn man von nur dieser Regel ausgeht!] kann ein Schwert den doppelten Schaden anrichten, wie ein Dolch im Maximalfall anrichten kann (Schwert max. 10, Dolch max. 6).
Damit sagt die Übersetzung in allgemein verständliche Begriffe zumindest schon dies aus: Der maximal mit einem Schwert anzurichtende Schaden ist, verglichen mit dem maximal mit einem Dolch anzurichtenden Schaden, in der mit dieser Regel beschriebenen Fiktion nur begrenzt viel höher. Man könnte sich aber ja auch vorstellen, daß das Schwert mit 2W6 oder 1W20 gewürfelt wird, dann würden sich die Verhältnisse verschieben, und damit - so vermute ich zumindest - auch der SIS.

Du sagst Werte und SIS seien nicht bijektiv aufeinander abbildbar.
Was eigentlich können in diesem Zusammenhang alles "Werte" sein? Geht es hier nur um Zahlen?

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #84 am: 19.12.2007 | 15:38 »
Ich hoffe mal, es ist auch eine Anmerkung und eine weitere Frage erlaubt.
Eigentlich wollte ich mit meinen Sätzen der Wahrheit alle weiteren Diskussion überflüssig machen, aber weil du es bist....

Die Sache mit der "Übersetzung" von Regelbegriffen ist die: Es geht letztlich nicht wirklich um Verständnis und Semantik einer Aussage als rein sprachliche Äußerung. Was ich meine ist, dass sich die Bedeutung eines Regelbegriffs für die Fiktion erst aus dem Spiel als tatsächlicher Prozess ergeben kann, bzw. erst aus dem Verständnis dieses Prozesses, ob dies nun aus Erfahrung kommt oder Überlegung (am besten beides).
Wichtig ist dabei z.B. am Rande auch, dass das Spiel als Prozess mehr umfasst als nur die Regeln, also mehr als das was der Autor in seinem Regelwerk direkt ausdrückt und ausdrücken kann.

Die Frage ist: Reicht es aus, jemandem Regelbegriffe allgemein zu erklären, so dass er sich irgendwas sinnvolles darunter vorstellen kann? Ist das was er sich dann vorstellt die Fiktion die wir meinen? Ist das also die Vorgabe des Autors für die Fiktion die im Prinzip unabhängig vom Spiel sein kann?
Klarerweise nicht, denn nur weil für das Spiel ein bestimmter Zusammenhang gilt, heißt das noch nicht dass dieser für die Gesamtheit der Fiktion wichtig ist, die der Autor als Hintergrund vermitteln möchte.

Möchte der Autor - um dein Beispiel aufzugreifen - wirklich eine Fiktion vermitteln in der ein Schwert nicht doppelt so viel Schaden verursachen kann wie ein Dolch? Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Klar ist nur, dass er für Zwecke des Spiels nichts anderes zulassen möchte, die Gründe dafür sagt er uns vielleicht, sie können aber auch unbekannt bis gar nicht vorhanden sein.

Das Spiel selbst und die sich darin ergebende Fiktion (SIS) sind nun aber nur ein Teil der Fiktion die uns der Autor irgendwie durch sein Werk vermitteln kann. Es spricht nichts dagegen, dass die Fiktion insgesamt (vielleicht aus bestimmten Gründen) darüber hinaus geht, und somit auch scheinbare oder tatsächliche Widersprüche zwischen SIS und gesamter - ich sage mal - "auktorial vermittelter Fiktion" entstehen.

Will man daraus eine Norm ableiten kann man recht schnell sehen, dass es sinnvoll ist solche krassen Widersprüche aufzulösen, zu behandeln oder zu vermeiden.


Was eigentlich können in diesem Zusammenhang alles "Werte" sein? Geht es hier nur um Zahlen?
Werte können alles sein was man irgendwie auf einer Skala in objektiver Weise für alle Spieler deutlich machen kann. Das können rein nominale Werte sein die nur sowas wie Klassen bezeichnen, Wahrheitswerte (Wahr, Falsch), oder Sachen mit denen man rechnen kann.
Ansonsten verweise ich für weitere Fragen an den Experten 1of3 und sein Blog bzw. einen Thread zu dem Thema wie diesen hier. ;)

Offline Merlin Emrys

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #85 am: 19.12.2007 | 16:55 »
Die Frage ist: Reicht es aus, jemandem Regelbegriffe allgemein zu erklären, so dass er sich irgendwas sinnvolles darunter vorstellen kann? Ist das was er sich dann vorstellt die Fiktion die wir meinen?
Er entwickelt einen individuellen Vorstellungsraum - so wie jemand, der mitspielt. Man hätte diese Situation vielleicht, wenn man einem Neuling das Spiel erklärt. Sein Vorstellungsraum ist noch nicht der gemeinsame, aber doch nicht unbedingt weiter von ihm weg als ein anderer individueller Vorstellungsraum (beispielweise von einem schläfrigen Mitspieler). Vielleicht (wenn die Beschreibung ausführlich und der Beschreibende ein guter Erzähler ist) sogar näher dran. Und eine gut geschriebene Spielrezension, die sich darin ergeht, den gemeinsamen Vorstellungsraum anhand der entsprechenden Regelbelege wiederzugeben, spricht zwar in Wahrheit von einem individuellen Vorstellungsraum, aber wenn der ausreichend deckungsgleich ist mit dem gemeinsamen Vorstellungsraum und ebenso gut vermittelt, könnte selbiges zutreffen. Es würde natürlich große Textmassen brauchen, um damit die gesamte Fiktion abzudecken; aber ich sehe kein prinzipielles Hindernis. Daß aus einer einzigen Regel die Gesamtheit der Fiktion herkommt, dürfte dagegen nicht sinnvoll zu fordern sein.

Zitat
Klarerweise nicht, denn nur weil für das Spiel ein bestimmter Zusammenhang gilt, heißt das noch nicht dass dieser für die Gesamtheit der Fiktion wichtig ist, die der Autor als Hintergrund vermitteln möchte.
Warum führst Du hier die "Wichtigkeit für den Autoren" ein und setzt sie, wenn ich Dich richtig verstehe, mit der "Fiktion, die wir meinen" gleich? Ich kann Dein "Klarerweise nicht" nicht nachvollziehen. Die Wichtigkeit einer Regel für die Fiktion ergibt sich aus dem Vorstellungsraum; spätestens wenn der Vorstellungsraum bewußt das Spiel "gegen den Strich spielt", haben die "Wünsche des oder der Autoren" keinen bindenden Charakter mehr und ergibt sich die Wichtigkeit aus der Prioritätensetzung der Spielrunde. Dennoch kann das "gegen den Strich Spielen" formal regelgerecht bleiben und den Hintergrund lassen, wie er ist; nur eben umgewichten.

Zu den Werten: Alle Beschreibungen müssten also schon mal auf Werte referieren (groß, klein, blau, zweistachlig, hübsch, stinkend...)

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #86 am: 19.12.2007 | 17:23 »
Ich bin mir nicht sicher ob ich verstehe was du sagen und worauf du hinaus willst.

Der SIS ist eine geteilte Vorstellung als Produkt des Spiels, nicht irgend eine beliebige geteilte Vorstellung. Die nähe von individuellen zu geteilten Vorstellungen spielt also generell erstmal keine Rolle, wenn es nur um Fiktion allgemein geht.
Die Unterschiedlichkeit von individuellen Vorstellungen oder Unterschiede zum SIS sind auch für meine Betrachtungen völlig egal. Ich spreche nicht vom SIS, wenn ich Fiktion sage. Deswegen sage ich einmal das eine und sonst das andere.

Um das auf das Beispiel zu beziehen: Wenn jemand eine individuelle Vorstellung von Schwertern und Dolchen und ihrem Schadensverhältnis bekommt, wenn ich ihm Spielregeln zeige oder erkläre, dann hat das eben nichts damit zu tun welche Fiktion der Autor in der Gesamtheit beschreibt. Es hätte eventuell was damit zu tun wie der SIS nachher im Spiel aussehen könnte, diese Beziehung ist aber recht unsicher und hier auch irrelevant.
Wenn in der individuellen Vorstellung unserer Testperson Schwerter nun nicht doppelt so viel Schaden machen können wie Dolche, heißt das nur dass diese Person jetzt eventuell eine Vorstellung vom geregelten Spielablauf in einem speziellen Bezug auf Schwerter und Dolche hat, nicht aber von dem entsprechenden Bereich in der fiktionalen Gesamtheit allgemein, die durch den Autor vermittelt wird. Es muss klar sein, dass damit keine Aussage über Schwerter und Dolche allgemein in der vermittelten Fiktion des Autors gemacht wurde.
Damit meine ich auch nicht dass diese eine Aussage oder Regel alles auf einmal vermitteln muss, ich meine damit nur dass Aussagen zu der Fiktion als Spielprozess (SIS) im Allgemeinen unabhängig sind von Aussagen zur Fiktion wie durch den Autor vermittelt (im Speziellen können sie durchaus zusammenfallen).

Zu den Werten: Alle Beschreibungen müssten also schon mal auf Werte referieren (groß, klein, blau, zweistachlig, hübsch, stinkend...)
Ähh... Nein. Egal was im SIS vorkommt, d.h. nicht dass es modelliert sein muss. Aber lass dir das doch mal von 1of3 erklären der kann dir das mit den Werten sicher genau erklären, und der fasst sich auch kürzer als ich ;)

Offline Merlin Emrys

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #87 am: 19.12.2007 | 18:32 »
Ich bin mir nicht sicher ob ich verstehe was du sagen und worauf du hinaus willst.
In dem Punkt besteht demzufolge absolute Einigkeit zwischen uns :-) .

Ähh... Nein. Egal was im SIS vorkommt, d.h. nicht dass es modelliert sein muss. Aber lass dir das doch mal von 1of3 erklären...
Erklär besser Du es mir. Es darf von mir aus auch lang werden :-) .

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #88 am: 19.12.2007 | 19:07 »
Gut, das hilft mir jetzt auch nicht viel weiter. Ich versuche Setting und Regeln abzugrenzen, verstehe aber nicht richtig wie dabei dein Ansatz ist. Du versuchst da wie ich das verstehe irgendwie über den SIS zu argumentieren und ich schließe den erstmal bewusst aus...

Vielleicht ist das was du unter Setting verstehst auch was gaaaaanz anderes als das was ich meine. Vielleicht ist das eher sowas wie das was Gaukelmeister hier irgendwo mal die "fiktive Welt" genannt hat, also ein fiktionaler Bereich der irgendwie in persönlicher Vorstellung entsteht und sich da irgendwie fortentwickelt oder sowas. Das wäre für mich was völlig neues.
Ich spreche als Setting im Moment davon was ein Autor mir durch sein Regelwerk über eine Fiktion sagt.

Offline Dom

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #89 am: 19.12.2007 | 21:37 »
Puh ;) Schön, das hier viel geredet wird... scheint ja wieder ein paar Theorie-Interessierte geben.

Ich habe gerade nicht die Geduld, alles bis ins Detail zu lesen, hab die Dinge überflogen und versuche jetzt mal zu ordnen, wo das alles hingeht.

1. Den Begriff Regeln hab ich im ersten Posting definiert und so steht er (zumindest hier) fest. Wer über andere Regelbegriffe reden möchte, möge das in einem anderen Faden tun. Um es nochmal in anderen Worten zu wiederholen:

Regeln sind Muster, die benutzt werden, um sich auf Inhalte im SIS zu einigen.

Daher ignoriere ich jegliche Diskussion über den Regelbegriff.

2. Mein Problem war, dass letztendlich die Beschreibung des Hintergrundes im Regelbuch auch dazu benutzt wird, um sich auf SIS-Inhalte zu einigen. Daher kann man offensichtlich Regeln von Hintergrund nicht wirklich trennen. Daher reden wir im Folgenden über eine Aufteilung des Regelbegriffes in "Setting-Regeln" und "Regel-Regeln"  >;D (Ok, kurz Setting und Regeln)

3. Ich hatte ja schon einen weicheren Ansatz vorgeschlagen: Regeln die den Hintergrund nicht (oder nur sehr wenig) ohne Anwendung füllen könnte man Regeln (genauer: Regel-Regeln) nennen und von Regeln abgrenzen, die auch ohne Spiel schon was am Hintergrund tun, also Setting (genauer: Setting-Regeln). Über ein "wie kann man diese Trennung machen?" habe ich mich nicht ausgelassen.

4. Dann kam von Wolfenburg der "Testbeobachter", um den Begriff "Hintergrund" näher zu beleuchten. Dabei wurde das Wort "beliebig" etwas missverständnisvoll gebraucht, nämlich in folgendem Sinn (so hab ich es verstanden...): Sobald es jemanden auf der Spielwelt geben könnte, der einen Umstand beobachten kann, ist dieser Umstand Hintergrund; ansonsten ist er Nicht-Hintergrund. Das spezifiziert in meinen Augen meinen Versuch aus 3. etwas genauer. Probleme gibt es bei Tatsachen, die nicht wirklich beobachtet werden können (z.B. ob es Götter gibt) bzw. über welche "Kräfte" der Beobachter verfügen darf (darf er ein Gott sein?).

5. Bobas Thesen und Georgios Einwurf, dass es die Fraktionen "by-the-book & Fiktion-am-Spieltisch" und "SL ist Gott & Metaplot" gibt, ist in diesem Zusammenhang wohl nicht wichtig. Trotzdem sind die Fraktionen auf jeden Fall bemerkenswert, wenn auch in einem anderen Zusammenhang.

6. Kinshasa scheint ein Messtheoretiker zu sein ;) Er definiert zunächst:

Zitat
Die Gesamtheit aller existierenden empirischen Relative eines Rollenspiels heisst Setting. Die bedeutungsgleiche (math. homomorphe) Abbildung eines empirischen Relativs des Settings in ein numerisches Relativ heisst Regel. Die Gesamtheit aller Regeln heisst Regelwerk.
Das macht aber Probleme mit Regeln, die keine Entsprechung in der Spielwelt haben. Das Kerzen-Beispiel von Polaris ist vielleicht etwas esoterisch; allerdings haben Regeln, die Erzählrechter verteilen , auch oft genug keine Entsprechung und werden nicht abgedeckt (weiteres Beispiel aus Unknown Armies: Der SL verwaltet verdeckt die Lebensenergie der Spielercharaktere). Solche Regeln könnte man aber (um diese Definition zu reparieren) problemlos zu den Regel-Regeln dazuzählen. Auch das "Regelwerk" ist irgendwie komisch, denn da steht wieder "Regel" drin.

Also wäre dann die korrigierte Version sowas wie: Die Gesamtheit aller existierenden empirischen Relative eines Rollenspiels heisst Setting. Die Regeln, die vom Setting abgedeckt werden, sind die Regel-Regeln.

7. Auf folgendes muss ich mal etwas genauer eingehen:
Zitat
Zitat
Darüberhinaus machen Regeln wie: "Druiden haben folgende Zauberliste: ..." auch arge Probleme, denn auch ohne die Regelüberlegung von oben: Gehört das zum Setting oder zu den Regeln?

Dann sagst Du in Kenntnis der Messtheorie goes Rollenspieltheorie, dass die Frage folgendermaßen beantwortbar ist:
Die in der Welt existierenden Zauber sind eine Menge A, die Zuordnung zu den sie beherrschenden Professions (Druide, Magier, Kleriker) eine Relation zwischen diesen Objekten. Es handelt sich hierbei um ein empirisches Relativ, welches klar zum Setting gehört. Der entsprechende Homomorphismus ist in diesem Fall trivial, da den Professions lediglich Zahlen zugewiesen werden (meinetwegen Druide=1, Magier=37, Kleriker=-0,53), stellt aber die Regel dar und ist insofern eindeutig trennbar.
Ich lese alle Wörter, verstehe aber so einige Dinge nicht. Es wird einfach behauptet, dass es sich um ein empirisches Relativ handelt, welches "klar zum Setting gehört". Wieso ist das klar? Woran erkenne ich, dass es sich hierbei um ein empirisches Relativ handelt?

Denn hier dreht sich die Definition wieder im Kreis: "Empirisch meint hier die Beziehung zwischen Objekten des Settings. Der Begriff bezeichnet sozusagen die Dinglichkeit der fiktiven Realität und wurde von mir benutzt, um die Analogie zur Messtheorie hervorzuheben." Hier wird also das Setting benutzt, um die Empirie zu definieren und die wiederum braucht man, um das Setting zu definieren...

8. Die SIS-Diskussion sollte tatsächlich woanders geführt werden, auch wenn die Themen natürlich verwandt sind.

So, das reicht erstmal. Ich weiß noch nicht so genau, wann ich wieder Zeit zum antworten habe...

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #90 am: 20.12.2007 | 01:27 »
Dom, lies lieber doch mal mal die gesamte Diskussion, denn dann werden einige deiner Punkte schon geklärt oder überflüssig. Ich kann ja jetzt schwer sagen was du weißt wenn ich nicht weiß was du gelesen hast und was nicht.

1. Ist das nicht etwas zu allgemein? Willst du hier wirklich das ganze L-System? Ich dachte es geht um das Regelwerk von einem Autoren.
Aber wenn ich das so überdenke, ist auch diese Beschränkung auf den Autoren für meine Überlegungen gar nicht notwendig. Von wem die Aussagen kommen ist ja prinzipiell egal. Wichtig ist nur das man zuordnen kann ob sie Spielablauf oder eine Fiktion (nicht im Allgemeinen den SIS) betreffen. Die Perspektive eines "Senders" der Aussage ist dazu aber hilfreich (vielleicht auch doch nötig, es muss aber natürlich nicht zwingend der oder ein Autor sein).

2. und 3. ist klar und ist die Grundlage für das was ich in Post #82 als Antwort ausgearbeitet habe. Da habe ich auch gesagt wie man diese Trennung machen könnte.

4. Der Testbeobachter ist echt noch so eine interessante Sache. Der kam ja schon ganz am Anfang in Post #13 von Bitpicker und da fand ich das schon eine überdenkenswerte Idee. Da könnte man ein komplett neues Fass aufmachen. Das wurde ja bisher größtenteils ignoriert, geht dann aber denke ich auch wieder in Richtung "fiktive Welt" und Fiktion als eigene Entität, oder so... interessant und schwierig, scheint aber auch die Ursache für Kommunikationsprobleme im Bezug auf Fiktion zu sein.
Das ist denke ich ein eigenes Thema wert.
Ich sage aber mal in meiner Erklärung ist der Testbeobachter trivialerweise identisch mit jemandem der über das Setting alles das weiß was ich oben (Post #82) als Aussagen zum Setting zugeordnet habe, nicht mehr und nicht weniger. Dann hat man auch nicht das Problem mit der tatsächlichen Beobachtbarkeit von Fakten über eine fiktive Welt, sondern nur deren Vermittelbarkeit. Können die Fakten im Regelwerk vermittelt werden und werden sie es auch, dann weiß es auch der "allwissende" Beobachter. Das wiederum kann natürlich dazu führen, dass auch der Beobachter Fakten nicht kennt die eigentlich Beobachtbar währen, weil sie nicht im Regelwerk stehen. Deswegen ist der nicht wirklich so "allwissend", aber eben nicht weniger wissend als es der bestinformierte Spieler sein könnte, insofern kennt er ja alles was es an fiktiver Welt gibt, auch wenn manchen diese Vorstellung jetzt nicht so behagt.

Zu 6. und 7.: Unseren Messtheoretiker habe ich auch nicht richtig verstanden. Das mit der Empirie habe ich auch kritisiert. Im verlaufe der Diskussion hat er sich aber schon zurückgezogen, so dass uns das höchstens jemand anderes erklären kann.
« Letzte Änderung: 20.12.2007 | 01:38 von Dr.Boomslang »

killedcat

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #91 am: 20.12.2007 | 07:59 »
Zu 6. und 7.: Unseren Messtheoretiker habe ich auch nicht richtig verstanden. Das mit der Empirie habe ich auch kritisiert. Im verlaufe der Diskussion hat er sich aber schon zurückgezogen, so dass uns das höchstens jemand anderes erklären kann.

Wenn ich Beatboy richtig verstanden habe sagt er, dass jedes gespielte System neben den expliziten auch die impliziten empirischen Relative hat, die nicht geklärt sind. Heißt für die Informatiker: es gibt nicht initialisierte und deklarierte Variablen. Es gibt schlicht Lücken im Vorstellungsraum, die von den Spielern selbst gefüllt werden müssen. Dies sei der Hauptgrund für Abweichungen im gemeinsamen Vorstellungsraum. Dem kann ich nicht widersprechen. Was für alle gemeinsam geregelt ist, sollte bei Beachtung der Regeln sich auch gemeinsam abbilden, sofern die Regeln relevant für den Vorstellungsraum sind.

Ich finde die Begrifflichkeiten usw. zwar hochgegriffen für eine Spieletheorie, aber allemal verständlich.

Zitat
Das macht aber Probleme mit Regeln, die keine Entsprechung in der Spielwelt haben. Das Kerzen-Beispiel von Polaris ist vielleicht etwas esoterisch; allerdings haben Regeln, die Erzählrechter verteilen , auch oft genug keine Entsprechung und werden nicht abgedeckt (weiteres Beispiel aus Unknown Armies: Der SL verwaltet verdeckt die Lebensenergie der Spielercharaktere). Solche Regeln könnte man aber (um diese Definition zu reparieren) problemlos zu den Regel-Regeln dazuzählen. Auch das "Regelwerk" ist irgendwie komisch, denn da steht wieder "Regel" drin.
Richtig, darum waren von Kinshasa auch nur die Vorstellungsraumrelevanten Regeln gemeint. "Die gesamtheit aller empririschen Relative". Und im ersten Absatz spricht er von den empirischen Relativen des Settings. Ergo: es handelt sich nur um die vorstellungsraumrelevanten Regeln. Und da macht seine Definition durchaus Sinn, finde ich.

Wollte mich aber nicht in die Forge-Diskussion einsmischen, denn offen ist der Thread nun wahrlich nicht.

Offline Gaukelmeister

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #92 am: 20.12.2007 | 11:20 »
Jetzt ist ja doch noch einiges passiert. Da mir Beatboys Überlegungen geholfen haben, meine eigenen Gedanken zu ordnen, möchte ich dazu noch ein paar kurze Anmerkungen machen – zumal nun ja Dr. Boomslangs und Doms ausführliche Rekonstruktionen des Diskussionsstandes vorliegen.

Als erstes möchte ich noch einmal auf den Tisch legen, worüber ich gesprochen habe und worum es mir ging. Die folgenden fünf Punkte sind systematisch miteinander verknüpft:

(i) Als erstes gibt es Setting-/Hintergrundbeschreibungen.

(ii) Diese erzeugen eine Fiktion (Fiktion A).

(iii) Diese wird dann in einigen (nicht allen!) Bereichen durch Regeln modelliert (Typ 2 Regeln; Regel-Regeln; Spielablaufregel; numerische Relative).

(iv) Die Modelle (Werte/Regeln) sind ebenfalls fiktionskonstituierend.

(v) Daraus folgt, dass die Fiktion zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig durch Beschreibungen und Modelle bestimmt wird (Fiktion B).

zu (i) Man kann hier darüber reden, welche Beschreibungen man zählen möchte. Inzwischen glaube ich, dass es einigen (oder allen) ausschließlich um Beschreibungen gegangen ist, die sich im Regelwerk finden. Für mich war diese Fokussierung die ganze Zeit über nicht wichtig (womit ich mich von Doms Ausgangsfrage gelöst habe, wie ich jetzt sehe). Mich hat mehr der systematische Zusammenhang Beschreibung -> Fiktion A -> Modell -> Fiktion B interessiert.

zu (ii) Tatsächlich hat Dr. Boomslang Recht mit seiner Vermutung, dass ich – zumindest im Hintergrund – immer wieder über die Fiktion in ihrer Eigenständigkeit und inneren Dynamik nachdenke. Möglicherweise ist das ganz und gar nicht mehr durch das Thema gedeckt. Wobei die Überlegungen zur Einführung eines Beobachters in dieselbe Richtung gehen.

zu (iii) Dies ist der Schritt von der existierenden Fiktion zur Modellierung von Teilbereichen der Fiktion. Mit dem Modell kommt etwas außerhalb der Fiktion Liegendes ins Spiel. Dies scheint inzwischen Konsens zu sein: Regel-Regeln/Typ 2 Regeln etc. sind selbst nicht Bestandteile der Fiktion.

zu (iv) Dieser Punkt ist für mich deswegen wichtig, weil Doms Problem sich ja überhaupt erst dadurch ergeben hat, dass sowohl Beschreibungen wie auch Modelle die Fiktion mitbestimmen.

zu (v) Dies scheint der Ausgangspunkt der Diskussion gewesen zu sein: sowohl Setting wie auch Regeln bestimmen die Fiktion – Wie kann man die beiden unterscheiden? Dom hat sich, wie mir scheint, die ganze Zeit über weder für die Genese von Beschreibungen und Modellen noch für deren systematischen Zusammenhang noch für die Dynamik von Beschreibungen, Modellen und Fiktion interessiert. Das waren nun aber genau die Punkte, über die ich nachgedacht habe. Erst durch die ausführlichen Stellungnahmen von Dr. Boomslang und Dom bin ich auf die Diskrepanzen aufmerksam geworden.

Um jetzt noch einmal den Bogen zum Beatboy zu spannen. Der Beatboy hat mMn nach die durch Beschreibungen erzeugte Fiktion (Fiktion A) als Menge empirischer Relative verstanden. Was ich hier unter (iii) genannt habe, war bei ihm die Transformation in numerische Relative. Ob er darüber hinaus noch etwas sagen wollte, weiß ich nicht.

Ich finde die Analogie zur Messtheorie deswegen hilfreich, weil dadurch die systematische Abhängigkeit der Modelle von einer bereits bestehenden Fiktion deutlich wird. Beatboy hat in die Richtung einer möglichen Antwort auf die Frage „Wie kommt man auf der Grundlage einer Fiktion zu Modellen, wie sollte man modellieren?“ gewiesen. Ich habe keine Ahnung von Messtheorie, deswegen kann ich nicht beurteilen, ob die Antwort gut ist. Aber die Frage ist mMn zentral und zumindest auf den ersten Blick ist der Antwortversuch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. (Was der Beatboy zunächst übersehen hat (neben der Tatsache, dass Regeln sich auch auf anderes als die Fiktion beziehen können), ist, dass die Modelle, sobald sie entwickelt worden sind, ebenfalls die Fiktion bestimmen. Dies ist ein gravierender Unterschied zu Messungen echter empirischer Relative – die Wirklichkeit ändert sich nicht durch falsche Messungen, die Fiktion passt sich aber möglicherweise den „Messungen“ an. – Aber im Verlauf der Diskussion hat Beatboy dies eingeräumt.)

Noch eine Anmerkung zum Beobachter: die Fiktion eines allwissenden Beobachters ist in (philosophischen) Gedankenexperimenten durchaus üblich. Dieser fiktive Beobachter weiß, ob es Götter gibt oder nicht. Er weiß auch, ob es eine Goldader gibt, von der niemand etwas weiß (und über die vielleicht niemals jemand irgendetwas wissen kann!). MMn lässt sich solch ein fiktiver Beobachter auch in die Fiktion einführen, um sich darüber zu verständigen, was ein Bestandteil der Fiktion ist oder sein kann und was nicht.

Sorry, dass ich nicht zitiere – aber das wird mir dann zu aufwendig.
Sorry auch an alle, auf deren Überlegungen und Anfragen ich hier nicht eingehe.
« Letzte Änderung: 20.12.2007 | 11:24 von Gaukelmeister »
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Offline Wolfenburg

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #93 am: 20.12.2007 | 11:30 »
Dom hat meine Idee zum Testbeobachter schon zusammengefasst und auch die Probleme angesprochen. Ich denke, dass man diese Idee durchaus weiterverfolgen sollte, die Frage ist ob hir. ( Ein vorschlag waere, zu sagen, das Hintergrunds-Regeln alle die Regeln sind, die regeln was ein solcher Testbeobachter beobachten kann. Eine Regel, Goetter koennen nur mit Goettern regeln sagt somit aus, dass der Testbeobachter Gott sein mus um einen Gott zu beobachten). (neues Thema?)

@Dr.Boomslang
Wenn ich den Mechanik begrif des "papers" richtig verstanden habe, so unterscheidet er sich nur unwesentlich von meinem. (ich habe ihn etwas erweitert, da z.B. ein gesagt getan auch eine Spielmechanik ist).

Wo nun die Diskusion haengt ist, dass Objekte einerseits im Spielregelraum und andrerseits im SIS existieren. Ein dolch ist fuer den Testbeobachter ein Gegenstand mit einer Schafen klinge ... Fuer den Spielregelraum (ich nannte es Spielmechanischen raum) macht ein doclch 1w6 schaden, Spielregeltechnisch ist aber ein Dolch gleich einem  Stuhlbein, da er auch 1w6 Schaden macht und kleine reichweite hat... Des weiteren gibt es auch eigenschaften die in beiden Raeumen identisch beschrieben werden (ein Dolch wiegt 0,5 Kg, bzw. ein Pfund usw. .. Dieses sind zwar anscheinend Regeln wo man Hintergrnd und Regel Regel nicht trenen kann, wenn man sich aber muehe macht, so lassen sich auch bei solchen Objekten die Ebenen trennen. (Wenn man das Gewicht in trageslots umrechnet dann belegt ein Dolch einen slot und wiegt 1 Pfund ...)

Eine weitere scheinbar nicht trennbare sache sind Spiel-Regeln die expliziet einen (wesentlichen)Aspeckt des Hintergrunds abbilden.

Es gibt auch Regeln die die "Spielrealitaet" so stark beeinflussen, das sie somit auch einen Teil des Hintergrunds mit festlegen. Ein Beispiel waere das memorisieren der Zuber und das belegen der spellslots in D&D. Durch den Regelmechanismus (Spieler waehlt zauber braucht schlaf und eine h zeit ...) wird das Bild des Zauberers sehr stark vorgegeben. Nun ist aber die Frage ob wir Hintergrund und Spielregel formell trennen wollen oder ob wir sie unabhaengig machen wollen.
« Letzte Änderung: 20.12.2007 | 15:22 von Wolfenburg »

Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #94 am: 20.12.2007 | 14:28 »
@ Gaukelmeister
Danke, das hat mir sehr geholfen. Ich hatte vermutet dass Beatboy über das "Wie sollte man modellieren?" bzw. "Wie modelliert man?" spricht. Da das mit diesem Thema eigentlich nichts zu tun hat (außer dass es sowas wie Modellierung gibt und das auch die Fiktion prägt), habe ich seine meisten Aussagen in den falschen Hals bekommen, dazu kam dann noch dass auch in diesem Zusammenhang ja Fehler bestehen (die er selber aber nach und nach erkannt hat), was dann dazu geführt hat dass ich das alles überhaupt nicht mehr auf Thema beziehen und damit verstehen konnte.

Die Frage wie man modelliert ist davon unabhängig wie man Setting und Regeln voneinander trennt. Das kann man natürlich anders sehen, wenn man grundsätzlich von einer vollständigen Setting->Modell oder Modell->Setting Beziehung ausgeht.
Es war aber von Anfang an so gedacht, dass man eine Menge Aussagen (Regeln genannt) hat die irgendwie eine Fiktion bilden. Jede dieser Aussagen kann man in die Kategorie Regel (Regel-Regel, "echte" Regel, reine Regel) oder Setting (Setting-Regel) einordnen. Die Frage war dann ob man diese Kategorien disjunkt machen kann ohne die intuitive Zuordnung zu verletzen.

Trotzdem mal ein kleiner Ausflug zum Thema "Wie hängen Regeln und Setting überhaupt zusammen?", damit man versteht worüber ich da rede.
Wenn man also davon ausgeht das sowohl Setting als Regeln beide irgendwie Fiktionen schaffen, dann sieht das ganze eher so aus:

Setting->Fiktion A-> SIS <-Fiktion B<-Regeln(inkl. Modell)

SIS ist jetzt nur ein Beispiel für eine Synthese-Fiktion, aber ich beziehe es mal direkt auf unsere Anwendung. Wie man sieht sind in diesem Fall erstmal Setting und Modell völlig unabhängig, ganz anders als in dem anderen Ansatz. Die Spieler spielen ein Spiel in dem sie einen Spielablauf einhalten der auf Regeln basiert. Unter anderem nutzen sie dabei ein Modell das Aussagen zum Spiel direkt mit fiktionalen Elementen verknüpft, woraus sich im Prinzip schon eine Fiktion ergeben kann (Fiktion B). Sie lassen aber gleichzeitig ihr Wissen um ein Setting einfließen (Fiktion A). Die Integrationsleistung ist dabei ihre eigene und entsteht erst im Prozess des Spiels der durch Regeln (Spielablauf) strukturiert wird.

Setting und Regeln müssen nur insofern aufeinander abgestimmt sein, dass in der Synthese der resultierenden, möglichen Fiktionen keine Widersprüche entstehen. Dazu betrachte ich mal auf der einen Seite die Aussagen zum Setting und die sich daraus ergebende Fiktion, und auf der anderen Seite die Fiktion als Ergebnis des Prozesses der entsteht wenn man die echten Regeln zum Spielablauf befolgt. Letzteres ist natürlich der SIS.
Daraus ergibt sich für mich als einziger logischer Zusammenhang von Regeln und Setting folgender:

Möglichkeit im SIS -> Möglichkeit im Setting
Unmöglichkeit im Setting -> Unmöglichkeit im SIS

Für die Logiker: Die Pfeile sind in diesem Fall logische Implikationen. Mit "(Un-)Möglichkeit" meine ich immer: "Es gilt für alle fiktionalen Ereignisse X deren Wahrscheinlichkeit des Auftretens gleich 0 (für unmöglich) / größer 0 (für möglich) ist".
Da der Spielablauf mit dem Setting in irgend einer Weise zusammenhängt beeinflussen sie sich natürlich irgendwann. Fiktionale Ereignisse die im SIS möglich sind müssen daher auch im Setting möglich sein, da die durch den Spielablauf entstehende Fiktion ins Setting eingebettet ist (sein muss). Ist etwas im Setting daher unmöglich, sollte sich daraus auch die Unmöglichkeit für den SIS ergeben. Nicht mehr und nicht weniger.
Zu beachten ist natürlich dass der Umkehrschluss der Implikation nicht gültig ist. Ist etwas also im Setting möglich, heißt das nichts für den SIS (es kann möglich oder unmöglich sein). Auch bedeutet eine Unmöglichkeit für den SIS nichts für das Setting.

Das Modell und die Modellierung habe ich dabei jetzt mal nicht speziell betrachtet. Zur Modellierung kann gerne ein weiteres Thema aufgemacht werden, wenn da noch Bedarf besteht.

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #95 am: 20.12.2007 | 19:21 »
Kleine Anmerkung noch:

Wenn man also davon ausgeht das sowohl Setting als Regeln beide irgendwie Fiktionen schaffen, dann sieht das ganze eher so aus:

Setting->Fiktion A-> SIS <-Fiktion B<-Regeln(inkl. Modell)

SIS ist jetzt nur ein Beispiel für eine Synthese-Fiktion

Wenn Du Dir mein Punkte (i) bis (v) anschaust, wirst Du sehen, dass ich mich insbesondere auch dafür interessiere, wie man Regeln/Modell vor dem Hintergrund einer bestehenden Fiktion ableiten kann. Dein Schaubild suggiert eine Unabhängigkeit der Regel/des Modells von Fiktion A. Ich hatte aber gerade auf bestehende Abhängigkeiten schauen wollen (sonst könnte man mit der ganzen Messwertanalogie ja auch gar nichts anfangen).

Aber diese Anmerkung ist jetzt nur ein Hinweis auf ein Thema, das mich mächtig interessiert und zu dem ich dann im neuen Jahr mal einen Thread eröffnen werde (falls Ihr bis dahin nicht schon alle Fragen geklärt habt  :) ).

Das Modell und die Modellierung habe ich dabei jetzt mal nicht speziell betrachtet. Zur Modellierung kann gerne ein weiteres Thema aufgemacht werden, wenn da noch Bedarf besteht.

Ganz genau.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #96 am: 20.12.2007 | 21:54 »
Dein Schaubild suggiert eine Unabhängigkeit der Regel/des Modells von Fiktion A.
Ja, das war wohl auch ein zentrales Missverständnis in der ganzen Diskussion. Ich gehe wie gesagt von dieser (weitgehenden) Unabhängigkeit aus. Den einzigen relevanten, logischen Zusammenhang den ich sehe habe ich ja oben geschildert.
Darüber hinaus ist Fiktion A unabhängig von den Regeln. Wenn man es ganz genau nimmt ist Fiktion A sogar völlig unabhängig von den Regeln (wie es das Bild auch suggerieren soll), da das Setting aus einer anderen Quelle stammen kann als die Regeln.

Mein oben dargestellter logischer Zusammenhang zwischen SIS und Setting ist nämlich wie bereits gesagt schon eine (nicht triviale) Integrationsleistung. Diese Leistung erbringt, wenn man Glück hat, der Autor selbst, durch explizite Hinweise. Häufig ist das aber nicht der Fall und die Integration (die Auflösung der Widersprüche) passiert erst im Spiel durch Entscheidungen der Spieler auf Basis von Spielregeln und Konventionen.

Setting ist nicht der Raum der möglichen SIS-Zustände.
Wenn wir also von Modellierung und Fiktion sprechen, dann meinen wir eigentlich nicht mehr Setting, sondern den fiktionalen Raum der durch Modellierung "aufgespannt" wird bzw. den fiktionalen Raum, der aus irgend einem Grund modelliert werden soll (an der Stelle kann man dann mit dem "Messen" kommen, obwohl das auch da ein doofer Begriff ist). Dieser "Fiktionale-Modell-Raum" (FMR) ist im Übrigen immer noch eine echte Teilmenge der möglichen SIS-Zustände, da es SIS-Zustände geben kann die nicht auf ein Modell zurückzuführen sind.
Dieser FMR beeinflusst also auch nur insofern Fiktion A, als dass man auch hierbei auf die Verletzung meines Grundsatzes achten sollte, wenn man denn ein Setting überhaupt kennt oder beachten will.

Offline Gaukelmeister

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #97 am: 20.12.2007 | 23:03 »
@ Dr. Boomslang
Wie gesagt, ich werde in mich gehen, darüber nachdenken und dann sehen, wie ich die ganze Sache in ein neues Thema verpacken kann. (Aber die nochmalige Klarstellung verstehe ich noch einmal besser als Deinen letzten Post - insofern: danke!)
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Kinshasa Beatboy

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #98 am: 21.12.2007 | 12:47 »
Kann es ja irgendwie nicht lassen, diese Diskussion zu verfolgen. Bin aber noch immer ein wenig enttäuscht, dass ich nicht so recht verstanden wurde. Da das hier aber scheinbar abgesehen von Gaukelmeister und killedcat allen so geht, habe ich mich vermutlich in diesem Fall wiederholt unverständlich ausgedrückt. Die eigene Nase liegt da sehr nahe, denn der komplette Rest der Welt ist wohl kaum begriffsstutzig ;)

Versuche also noch mal schnell, den Stand zusammenzufassen, bevor ich ins Weihnachtsloch entschwinde:

Vorher aber kurz noch: Boomslang hatte durchaus richtig mitgeschnitten, dass es mir mittelfristig darum geht zu erläutern, wie man nicht nur in Kenntnis von Rollenspieltheorie, sondern auch unter dem Blickwinkel von Spielererwartungen sinnvoll Regeln modellieren kann und was es dabei aus Sicht der Messtechnik sinnvoll zu beachten gilt. Das führt in meinen Augen zu einigen guten Ideen nicht für für Designer, sondern auch für SL. Dazu hatte ich aber bislang noch nichts beigetragen. Außerdem habe ich zumindest mit Boomslang den bislang bestehenden Konflikt aus meiner Sicht insofern gelöst, als wir uns über unterschiedliche Ansichten und Perspektiven des jeweils anderen bewußt geworden sind und uns wechselseitiges Verständnis offenbar schwerer fällt als zu vermuten oder normal wäre.

Zusammenfassung von "Regeln sind Messungen des Settings"
Ich stelle mir beim Thema Rollenspieldesign jemanden vor, der am Tisch sitzt und sich etwas überlegt, z.B. eine Welt mit Elfen, Menschen und Zwergen. Diese Elfen, Menschen und Zwerge werden mit Eigenschaften ausgestattet, die zueinander in Beziehung stehen: Charisma, Stärke, Lebensdauer, Behaarung, Kultur, Geschichte und so weiter. Einige dieser Eigenschaften werden genauer spezifiziert: Zwerge sind stärker als Menschen sind stärker als Elfen. Oder Zwerge haben einen stärkeren Bartwuchs als Menschen haben einen stärkeren Bartwuchs als Elfen. Einige dieser Eigenschaften werden dann (aus welchen Gründen auch immer) für so wichtig gehalten, dass sie in das Regelwerk aufgenommen werden: Stärkebonus: Zwerge +1, Mensche +0, Elfen -1.

In diesem Beispiel sind Zwerge, Elfen und Menschen Objekte. Stärke, Behaarung etc. sind Beziehungen zwischen diesen Objekten. Alle Objekte samt ihrer Beziehungen untereinander bezeichne ich als Setting. Einige Beziehungen zwischen Objekten des Settings bleiben unerwähnt. Beispielsweise habe ich noch in keinem Rollenspiel etwas von den Auswirkungen der Größe einer Rasse auf die Anzahl ihrer Rippen gelesen. Haben Zwerge nun weniger Rippen, weil sie kleiner sind oder haben sie gleich viele Rippen, die vielleicht dichter zusammenstehen, weil sie eine höhere Konstitution haben? Unbekannt. So etwas nenne ich dann implizites empirisches Relativ und davon gibts natürlich theoretisch unendlich viele. Es werden aber auch Beziehungen explizit vom Spieldesigner festgehalten (z.B. der Bartwuchs von Zwergen ist stark, von Menschen mittel, Elfen haben gar keinen Bartwuchs), aber nicht in Regeln quantifiziert. Das nenne ich dann explizites empirisches Relativ. Es gibt aber auch Fälle wie z.B. den oben erwähnten Stärkebonus, in denen Elemente des Settings in Zahlen transformiert werden. Das nenne ich dann Regel (oder verklausuliert "Regel als Messung des Settings"). Die Regeln entstehen in dem Fall direkt aus dem Setting.

Wichtig ist dabei noch die Gegenrichtung des Einflusses von Regeln auf Setting. Regeln können nämlich mit der Zeit auch Einfluß nehmen auf ein sich dann veränderndes Setting. Ich erinnere an obiges Verletzungsbeispiel. Auch werden im Laufe des Spiels immer neue implizite empirische Relative definiert, also zu explizit empirischen Relativen. Beispielsweise braucht man für irgendeine Spielsituation vielleicht mal die Anzahl der Rippen eines Zwergen und legt das fest. Regeln können auch den Gruppenbedürfnissen angepasst werden, was ebenfalls Auswirkungen auf das Ursprungssetting hat. Das Urpsprungssetting mit all diesen Veränderungen verstehe ich unter SIS. Das ist meine Idee noch einmal in aller Kürze und bezieht sich auf Regeln vom Typ 2, welche in meiner Vorstellung die überwältigende Mehrheit von Regeln darstellen. Zumindest habe ich neben dem Kerzenbeispiel, der Rollenzuteilung Spieler-SL und sozialen Aspekten des Spiels (Essen, Ort etc.) noch nicht viele Beispiele für Regeltyp 1 gesehen.

Boomslang (und eventuell noch andere) sehen das alles komplett anders. Sie meinen, dass Spielentwicklung in dieser Form unmöglich ist. Das finde ich überraschend, denn ich kann mir die Herren Gygax und Kiesow oder meinetwegen auch das Ehepaar Franke sehr gut mit obigem Arbeitsstil am Schreibtisch sitzend vorstellen.


Zusammenfassung von "Regeln und Setting erzeugen unabhängige Fiktionen"
Ich versuche mal die Alternative gemäß Boomslangs Vorschlag wiederzugeben: Setting und Regeln werden komplett unabhängig entwickelt, erzeugen unabhängige Fiktionen A und B, welche zusammen den SIS ergeben.

Ein solches Vorgehen kann ich mir nur so vorstellen: Es wird einerseits ein Setting ausgewählt, welches es zu beackern gilt. Diese Auswahl kann anhand von Marktforschung/-beobachtung oder Eigeninteresse vorgenommen werden. Egal. Das Setting wird jedenfalls ohne jegliche Belastung von Regelüberlegungen ausgearbeitet. Parallel und davon unabhängig wird theoriegetrieben festgelegt, welche Parameter ein Spiel ausmachen sollen. Meinetwegen das vielbeschworene ARS oder was auch immer. Auch dies wird durch Marktforschung/-beobachtung oder Eigeninteresse bestimmt. Im Setting werden wie in Option 1 Objekte und ihre zueinander Beziehungen festgelegt. Diese Objekte können Zauber, Sonnensysteme oder Honigkuchenpferde sein. Egal. Wichtig ist, dass dieses Setting die Fiktion A ausformt. Die Regeln können Kerzen auspusten, Charakterentwicklung oder was auch immer beinhalten und erzeugen vollkommen unabhängig vom Setting und Fiktion A die sogenannte Fiktion B. Zusammengefasst wird SIS dann von Fiktion A und Fiktion B in Kombination aufgespannt.


Fazit
Das sind die beiden Ansätze. Wenn ich mir das nun anschaue, finde ich den zweiten Ansatz nicht mehr komplett unplausibel. Es mag durchaus sein, dass jemand der Meinung ist, ein Kampfsystem solle maximal balanciert, schnell und tödlich sein und ihm das Setting dabei schnurz ist. Oder dass ein Rollenspiel speziell für NAR entwickelt wird und mit dieser Brille zunächst das Regelwerk erstellt wird und dann erst bzw. parallel das Setting. Das kann vorkommen, ist aber nach meinem Eindruck die absolute Ausnahme. Wenn ich also das "klassische Rollenspiel" betrachte, was hier mitunter leicht verächtlich bereits vom "modernen Rollenspiel" abgegrenzt wurde, dann halte ich ganz ehrlich die erste Variante für den weitaus gebräuchlicheren Weg. Es mag Situationen oder Einzelfälle geben, in denen nach der zweiten Variante vorgegangen wird, aber das scheint mir der absolute Spezialfall zu sein. Häufiger mag da schon eine Mischstrategie sein, in der prinzipiell gemäß "Regeln erzeugen Setting" vorgegangen wird, aber in einigen klar abgegrenzten Bereichen oder unter einem bestimmten Oberthema Regeln unabhängig und eigenständig voneinander entwickelt werden. StoryDSA fällt mir da ein.

Werde in Kürze ebenfalls einige Tage abtauchen oder zumindest nicht viel Zeit am Stück erübrigen können. Vielleicht fangen wir also im neuen Jahr noch mal von vorne an, falls dann überhaupt noch Interesse besteht.

Frohe Weihnachten!!!

Offline Dom

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Re: [offen] Kann man Setting und Regeln abgrenzen?
« Antwort #99 am: 21.12.2007 | 14:03 »
Sehr schön, so langsam nähern wir uns (ihr euch :)) einem Ziel; ich denke, gerade die letzten, zusammenfassenden Postings haben nochmal einiges klarer gemacht.

Beatboy, was ich jetzt erst so richtig verstehe: Du siehst das ganze vom Design-Prozess her, die anderen (zumindest ich) sehen das fertige Spiel. Ich glaube nämlich nicht, dass Fiktion A und Fiktion B unabhängig entwickelt werden. Schau dir ein fertiges Spiel an. Da kaufst du häufig Hintergrund und Regeln zusammen und liest dir das Zeug durch. Und jetzt kommts: Am Spieltisch bzw. bei der Vorbereitung ergeben sich zwei Fiktionen, die eine kommt durch den beschriebenen Hintergrund, die andere durch die beschriebenen Regeln. Und da sind sie erstmal unabhängig. Klar, der Autor hat sich wahrscheinlich (oder besser: hoffentlich) was dabei gedacht. ;)

Deine Idee mit der Modellierung der Spielwelt hat sicherlich was für sich und geht bis zu einem gewissen Grad auch gut. Die Schwierigkeiten wurden ja schon genannt; es gibt genügend gut funktionierende Beispiele für Spiele, bei denen die Regeln nicht die Spielwelt modellieren und wo der Autor mit Sicherheit auch nicht aus Sicht der Spielwelt geschaut hat.