Autor Thema: Das Rad zweimal erfinden  (Gelesen 2409 mal)

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Gast

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Das Rad zweimal erfinden
« am: 22.12.2002 | 00:41 »
Das Rad zweimal erfinden. Das machen doch nur
Dummköpfe, dachte ich und hielt mich für klug.
Doch angesteckt vom weihnachtlichem Kaufrausch
schlenderte ich zu dem Rollenspielladen meines
Vertrauens (dieser ist eher virtuell) und erwarb die
Diablerie. Dies animierte mich, ganz nach alter TSR-
Manier, mich mit weiterem Material zu beschenken, dem
D&D 3ed nämlich. Schon nach dem ersten Überfliegen
merkte ich, dass es nur noch wenig mit dem AD&D zu
tun hat. Ich betrat damals die Welt des Rollenspiels mit
diesem System und obwohl wir unter einem sehr
talentierten Meister herrliche Spiele auf Krynn hatten,
störten mich ein paar Aspekte dieses Systems, so
gravierend, dass ich mich auf die Suche nach einer
Alternative gemacht habe. Wir versuchten Midgard,
auch Rulemaster wurde erforscht, doch schließlich reifte
der Gedanke in mir, dass man nur selbst ein System
entwerfen könne, dass einem all das gibt, was man
möchte. Und so begann ich wie ein schwarzes Loch alle
Ideen, die ich hörte oder las, fest zu halten und daraus
MEIN SYSTEM zu destillieren. Es sollte auf
Charakterklassen verzichten, sinnvolle, unabhängige
Attribute besitzen, und dies ach so gut lösen, und in
sich super stimmig sein. Das zog sich dann auch so eine
Weile hin -  ich denke so an die fünf Jahre des
Brainstormings, Schreibens, wieder Verwerfens, anders
 Niederschreibens und des erneuten Änderns
grundlegender Konzepte werden es schon gewesen
sein. Am Ende hatte ich etwas Fragmentarisches, weit
davon entfernt vollständig zu sein. Und wenn ich an die
dazu nebenher entwickelten Kulisse, die Spielwelt
Tapan, denke, dann muß ich zu meiner Schande
zugeben, dass die Einschränkungen der Entwicklung
von Charakteren auf Charakterklassen, wenn auch auf
sehr freie aber eben auf solche, hinauslaufen. Ich habe
mich im Kreis gedreht. Bevor ich endgültig vom Thema
abschweife und damit beginne Euch mit den Vorzügen
die meinem System inne wohnen sollten zu langweilen,
 kehre ich besser zu dem zurück, was ich euch eigentlich
erzählen wollte. Denn es war so, dass ich die
Freiheiten, die  einem ein Systems läßt, erst jetzt richtig
erfaßt habe. Was Freiheit bedeutet habe ich erkannt,
als ich sah, auf welche Weise die Schreiberlinge der
Diablerie das D&D-System auf die Metzel-Computer-
Welt, Diablo II, umgebogen haben. Um wie vieles es
doch leichter ist, ein System seinen Bedürfnissen
anzupassen, denn ein gänzlich neues zu entwerfen!!!
Und das ist wirklich ärgerlich, denn die dadurch
vergeudete Zeit hätte ich auch in Tapan investieren
können. Und ganz nebenbei haben die Zauberer von
der Küste fast alles an AD&D verbessert, was mich
gestört hat, und einiges verbessert, womit ich hätte
leben können. Das soll jetzt kein Plädoyer für D&D sein
und es gibt bestimmt einige, die D&D ebenso
beschränkt finden, wie ich das AD&D fand, oder noch
schlimmer, aber ich denke, dass ihr mir ein wenig
mitschwingende Nostalgie nachsehen könnt.


Ein frohes Fest, Scorra


P.S.: Ich hoffe, dass mich die erläuterte Erkenntnisse das Rollenspielsystem betreffend nicht auch für Spielwelten oder Kampangnen ereilen werde. Das wäre eine grausame Strafe.

Ups, hab ganz vergessen zu schauen, ob es schonmal so nen Thread gab. Wenns ne blöde Wiederholung eines Themas ist, dannn löscht es halt bitte.
« Letzte Änderung: 22.12.2002 | 00:57 von Scorra »

Catweazle

  • Gast
Re:Das Rad zweimal erfinden
« Antwort #1 am: 22.12.2002 | 11:59 »
Könnte meine Geschichte sein. Habe drei verschiedene Systeme entworfen und wieder verworfen, duzende verschiedene Systeme probiert und wieder verworfen (zuletzt Exalted - brrrrrr).  Bis ich dann erkannte, dass es ein System gibt, das alles - bis auf eine Kleinigkeit - hat, was ich will. Wirklich ALLES! Und dafür habe ich meine Spieler von System zu System gejagt.

Quoth the raven 'nevermore'.

Ich seh das genau so wie Du. Das Rad muss nicht zwei mal erfunden werden. Es war ja wirklich alles schon mal da.

Offline Arkam

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Re:Das Rad zweimal erfinden
« Antwort #2 am: 3.01.2003 | 22:57 »
Hallo Scorra,

auch in meiner Gruppe jagten wir sicherlich fünfzehn Jahre dem heiligen Gral des perfekten Systems nach. Viel Zeit, viel Geld und noch mehr Hirnschmalz wurde aufgewendet und am Ende sind wir auch bei ein paar Klassikern gelandet die es schon lange gab. Aber ich finde die Zeit war nicht vertane Zeit.
Immerhin mit Skevor und Der Sprung in eine neue Welt kamen zwei Eigenbauten zusammen die meiner Ansicht nach eben immer noch Spezialitäten aufweisen.
Viele Regelansätze wurden dann später zu sehr gelungenen Hausregeln. Unsere Midgardfanatiker bringen es auf gut über 100 Seiten.
Aber vor allem entwickelt man ein Gefühl für die Absichten der Autoren von Systemen, Quellenbüchern und Abenteuern. Auf diese Weise kann man die Sachen dann sehr viel leichter so anpassen das die eigene Gruppe auch etwas davon merkt.
Zudem haben wir inzwischen eine gewisse Meisterschaft im Übertrgen von Hintergründen auf andere Syste entwickelt. So habe ich etwa den Warhammer 40.000, SF Tabletop, Hintergrund auf das Warhammer Fantasy RPG übertragen. Das waren dann noch mal über 100 Seiten deren schreiben und das anschließende Spielen mir sehr viel Spaß gemacht haben.

Gruß Jochen
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Offline Lord Verminaard

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Re:Das Rad zweimal erfinden
« Antwort #3 am: 4.01.2003 | 14:11 »
Niemand hat gesagt, dass man das Rad zweimal erfinden muss. Ich habe es wie bei einer Salatbar gemacht und mir das beste aus den mir bekannten Systeme rausgesucht, es mit meinen eigenen Ideen verschmolzen, das Ganze ein paarmal überarbeitet und im Spieltest abgeschliffen, und das System, das dabei herausgekommen ist, entspricht voll und ganz meinen Bedürfnissen. Trotzdem spiele ich es nicht ausschließlich, im Moment spiele ich es sogar überhaupt nicht. Warum? Weil es für andere Systeme einfach viel detailliertere Hintergründe gibt. Aventurien zum Beispiel, das mir sehr gut gefällt.

Auch Star Wars spielen wir imer noch mit den offiziellen 2nd-Edition-Regeln, wenn wir auch inzwischen einen Haufen Hausregeln haben. Die ganzen Werte für die verschiedenen Raumschiffe, Gleiter, Alien-Rassen, Force-Skills etc. auf mein eigenes System zu übertragen, habe ich einfach keine Lust. Außerdem bin ich froh, dass meine SpielerInnen (die in dieser Runde größtenteils eine Abneigung gegen das Verinnerlichen von Regeln haben) mit dem System inzwischen halbwegs vertraut sind... Star Wars war übrigens auch der Ausgangspunkt für die Erschaffung meines eigenen Systems.

Vampire spielen wir, wenn wir es spielen, ebenfalls mit den offiziellen Regeln, allein wegen der Clans und Disziplinen. Ich finde das WoD-System auch ziemlich gut, es hat starke Einflüsse auf die spätere Entwicklung meines eigenen Systems genommen.

Demnächst werde ich wahrscheinlich eine von "Twin Peaks" inspirierte One-on-One-Kampagne starten, in der der Spieler einen FBI-Agenten verkörpert, und dafür werde ich dann selbstverständlich wieder mein eigenes System nehmen. Ebenso, wenn wir doch noch mal unsere Völkerwanderungs-Kampagne ins Werk setzen sollten. Auch für die Rückkehr nach Krynn würde ich es mir überlegen, da ich kein D&D 3 besitze und mir AD&D einfach zu schlecht ist. Mein eigenes System kommt meinem Spielstyl schon sehr entgegen, und ich kann nicht sagen, dass es ein kommerzielles System gibt, dass mir vom reinen Regelkonzept her besser gefällt.
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Danger Zone Blog - Vermi bloggt über Rollenspiel und Blood Bowl