Autor Thema: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?  (Gelesen 72690 mal)

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Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #25 am: 29.01.2010 | 15:25 »
Oder um jetzt auch mal ein Beispiel auszupacken:
Ein SC ist Erhabener geworden, die SCs wollen ein Paktierer im Dienst eines anderen Erhabenen schnappen. "Zufällig" gibt Fürst einen Empfang für seine Mit-Erhabenen, um den neuen Erhabenen kennenzulernen. Auf dem Empfang gelingt das Kidnapping (auf dem Klo ;) ), kurz darauf sorgt aber auch noch ein Attentatsversuch für Wirbel.

Was davon war "logisch", hinter welchen Aktionen steht eine Agenda des SLs? Ich weiss es nicht, und damit ist es egal.
Fand der Empfang nur statt, um es den Spielern mit der Entführung leicht zu machen? Kann sein, kann nicht sein.
Fand der Empfang nur statt, damit der SL auf vorbereitetes Gelände zurückgreifen kann? Kann sein, kann nicht sein.
Fand der Empfang nur statt, weil der SL seinen bombastischen Attentatsversuch durchziehen wollte? Kann sein, kann nicht sein.

Um darauf einzugehen:
Also, erstmal würde ich es für völlig legitim halten, als SL zu entscheiden, dass der entsprechende Empfang stattfindet - das erschafft einen Ansatzpunkt, eine Gelegenheit für die SC, zu handeln. Niemand hat jemals etwas dagegen gesagt, dass der SL Anstöße präsentieren soll.
Der Punkt ist, dass ab diesem Punkt die SC mit einem Interesse kommen, ebenso wie der Gastgeber und der Paktierer. Und jeder hat seine eigenen Mittel. Aus dem Spiel ergibt sich dann, ob es Entführungsversuche gibt, ob sie glücken, ob jemand in die Torte fällt und alle ihn auslachen oder ob es zu einem blutigen Massaker kommt.
Wie dem auch sei: Irgendwann ist diese konkrete Situation vorbei. es gibt Konsequenzen (Flucht aus Fasar? Was machen wir mit unserem gefangenen Paktierer? Wie beschwichtigen wir den erzürnten Gastgeber, damit er uns nicht seine hausgarde auf den Hals hetzt?), und oft reichen die schon, um die Sache weiterzuspinnen. Oder der unmittelbare Konflikt ist erledigt (Paktierer elegant entführt, befragt, entsorgt, SC spazieren pfeifend und unverdächtig durch Fasar). Auch das ist eine Konsequenz des Geschehens, aber vielleicht eine, die nicht unmittelbar zu Anschlusskonflikten führt. Und dann stößt der SL eben wieder neu an. Oder ein Charakter tritt was los.

Offline Lord Verminaard

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #26 am: 29.01.2010 | 15:40 »
Zitat von: Naga
Also geh ich mal davon aus, dass das nicht der Kern dessen sind, was Jasper eigentlich sagen will. Allgemeinplätze halt. Von daher die Frage: Was ist das Neue am "Freien Spiel"? Oder soll es tatsächlich nur "kein Railroading" bedeuten?

Ja, doch, im Wesentlichen soll es tatsächlich nur „kein Railroading“ bedeuten. So ein großer Trick ist nicht dabei. Jedenfalls in meinen Runden.

Einige fordern in der Tat noch mehr, Stichwort: „Ein Spielleiter hat nichts zu wollen.“ Dabei ist der Grundgedanke, dass Entscheidungen der Spieler entwertet werden, wenn ein Spielleiter die Konsequenzen nicht neutral bewertet, sondern „willkürlich“ darüber entscheidet, wie es weiter geht. Ich persönlich denke, dass nicht jede SL-Entscheidung, die irgendwie zielgerichtet ist, schon willkürlich sein muss. Ich bin also ganz bei dir in der Skepsis gegenüber dem Credo „ein Spielleiter hat nichts zu wollen“. Zumal ich glaube, dass das Augenwischerei ist, jeder Spielleiter will etwas.

Der Punkt ist vielmehr Respekt vor den Beiträgen der Spieler und das ernsthafte Bestreben des Spielleiters, aus diesen Beiträgen etwas zu machen. Auch wenn der Spielleiter dann z.B. „dramatisch“ entscheidet, wird dadurch die Entscheidung des Spielers nicht entwertet, sondern sie wird sogar validiert, weil der Spielleiter seine „dramatische“ Entscheidung genau auf dieser Spielerentscheidung aufgebaut hat. Das wiederum setzt aber voraus, dass der Spielleiter offen ist und sich nicht auf einen ganz bestimmten Verlauf, eine ganz bestimmte Lösung versteift. Und der beste Weg, das zu erreichen, ist, ein Szenario von vornherein ergebnisoffen anzulegen.

Wenn man von der dramatischen Seite kommt, ist der wichtigere Punkt in Jaspers Beitrag nicht die interne Kausalität, obwohl diese eine nicht zu unterschätzende Hilfe für dramatisches Spiel ist. Sondern der wichtigere Punkt ist: Story kann man nicht nur machen, indem einer vorher festlegt, was passieren soll. Sondern auch, indem man einfach miteinander spielt und hinterher feststellt, was dabei rausgekommen ist.

Mensch Jasper, so viel Wind um so was Banales. ;D ;D ;D
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Offline korknadel

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #27 am: 29.01.2010 | 16:03 »
Wenn es tatsächlich nur darum geht, dann hätte der Thread tatsächlich nicht unter "DSA" gestartet werden müssen, denn das ist alles allgemein. Aber Jasper hat diese ganzen Ausführungen ja im Hinblick auf dieses System gemacht. Warum? Weil die Problematik in anderen Systemen nicht so problematisch ist (und somit keine ist)? Oder weil es ihm um die Frage ging, wie man DSA "ergebnisoffener" gestalten könnte? Und wenn es ihm darum ging, dann kann ja nicht die Frage sein, wie das in einzelnen Runden gelöst wird, sondern wie es quasi "systemimmanent" angegangen werden könnte.

So faszinierend die allgemeine Diskussion über dieses Thema ist, so bedürfte sie nun von Japer vielleicht doch noch mal einer DSA-spezifischeren Fragestellung, oder nicht?
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Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #28 am: 29.01.2010 | 16:08 »
So faszinierend die allgemeine Diskussion über dieses Thema ist, so bedürfte sie nun von Japer vielleicht doch noch mal einer DSA-spezifischeren Fragestellung, oder nicht?

Ich denke, das wäre dann entweder eine Abenteuer-spezifische Fragestellung oder die berühmte Diskussion über die (Un-)Vereinbarkeit von Redaktions-Metaplot und ergebnisoffenem Spiel. Die letztere ist aber wirklich ein harter Brocken.

Offline Markus

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #29 am: 29.01.2010 | 16:11 »
@ Naga
Ein Missverständnis ist mir beim drüberlesen aufgefallen:
Zitat
"Die Spielwelt reagiert auf die Spieler", "NSCs haben Motivationen" etc. sind für mich Allgemeinplätze des Rollenspiels, und nichts was "Freies Spiel" (oder so) von "klassischen Abenteuergeschichten" (oder so) unterscheidet.
Das ist zumindest in vielen DSA-Kaufabenteuern nicht der Fall. Dort haben die NSCs nur Handlungsoptionen (wenn überhaupt) auf die dann im nachhinein eine einzige, allein handlungsleitende Motivation draufgeklebt wird. Das kann in Einzelfällen durchaus "realistisch" sein, insgesamt führt diese Machart (Geschichte zuerst, Charaktere sind sekundär) aber zu unterentwickelten NSCs und vor allem zu völlig unterentwickelten Beziehungsgeflechten unter den NSCs (und meist auch zu einer schlichten Freund/Feind Haltung der SCs zu den NSCs).
Am Beispiel Leomar von Berg im JdF III: Rückkehr des Kaisers: es steht fest, dass er Silpion übergibt und im nachhinein wird im dafür ein plausibler Grund auf den Leib geschneidert. So weit, so gut. Was aber, wenn die SCs vorher mit ihm über die Zukunft des Reiches sprechen? Da steht die SL alleine im Regen und muss eine ziemlich eindimensionale Figur rüberbringen und hinbiegen. Echte Motivation wäre hier "das Reich braucht eineN starkeN AnführerIN", vielleicht noch mit einer Tendenz, welcher andere NSC das sein soll, aber durchaus mit der Möglichkeit für die Spieler, Leomar zu überreden. Zur Dreikaiserschlacht kann es trotzdem kommen. (Von den Problemen, die sich ergeben, wenn Silpion nicht übergeben wird, reden wir mal nicht.)

Wenn man das mal durchdenkt wird auch schnell klar, dass die tiefe Vorbereitung oft illusorisch ist, wo sie mit Verlust an Flexibilität und Spielerinput erkauft wird.

@all, OT
Ein Grundproblem ist, dass es zunächst intuitiv einfacher ist, sich eine Geschichte auszudenken oder zu kaufen und sie auf Teufel komm raus durchzuprügeln. Für die Alternative gibt es meines Wissens auch kaum gute Tools.
- Ich warte bspw. immer noch auf das "Große Buch der DSA-NSCs", geordnet nach typischen, relevanten Profession (Wirte, Händler, Auftraggeber, Feinde, Adlige, Geweihte), jeweils mit Werten, Motiven und Schauspieltipps und ein paar Tabellen mit denen man die Leute _sehr schnell_ für jeden Ort in Aventurien anpassen kann. Und bitte, bitte ohne die Redax-NSCs mit denen man eh nichts machen darf was nicht geskriptet und abgesegnet wurde.
- Dann ein Buch, abgestimmt auf System und Welt, in der die Erstellung einer R-Map durchexerziert wird, vielleicht auch mit Übungsbeispielen, Hinweisen welche Teile bei DSA besonders wichtig sind, wo man sparen kann.
- Zuletzt ein Wege des Meisters das anfängt mit "Sie haben 110 Abenteuergenerierungspunkte also eine Stunde und vierzig Minuten Zeit. Das können sie sich dafür kaufen:" Und dann eben Plot-pakete, bewertet nach Komplexität, empfohlene Vorbereitungstiefe, Ausmaß des nötigen Hintergrundwissens. Danach NSC-Pakete, vorbereitete R-Maps deren Merkmale kurz erklärt werden und bei denen jeweils beschrieben wird, welche Info man unbedingt ergänzen muss, welche optional sind. Dann Dungeon-Pakete (oder ein Großes Buch der ..) geordnet nach Größe, Funktion (Notfall-Bunker, Basis, Wohnraum), Art (gewöhnlich, magisch, dämonisch) und am besten noch jeweils für Einzelschurken oder Schurkengruppen. Last but not least, Tipps wie man aus einer Regionalspielhilfe in 15 Minuten genug Farbtext rausholt, um den Handlungsort gut rüberzubringen.


Achamanian

  • Gast
Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #30 am: 29.01.2010 | 16:52 »
Was mich ebenfalls noch beschäftigt:

Nagas frage, wie man beim ergebnisoffenen Spiel Leerlauf verhindert.
Eigentlich finde ich nämlich, dass Leerlauf bei "freiem" Spiel ein sehr viel kleineres Problem ist als bei stark gescriptetem Spiel.

Beim Freien Spiel bewege ich mich immer von einem Ereignis zu dessen Konsequenzen. Leerlauf entsteht eigentlich nur, wenn man vergisst, dass Ereignisse Konsequenzen haben, und eigentlich ist es sehr leicht, daran zu denken, sobald man die Konsequenzen als Lösung behandelt und nicht - wie im gescripteten Abenteuer - als Problem.

Bei stark gescripteten Abenteuern gibt es dagegen zwei Varianten: Entweder, die Charaktere fahren nur mit, während sich alles wichtige mit oder ohne sie ereignet. Okay, dann gibt es zumindest keinen Leerlauf, aber auch kein besonders aufregendes Spiel.

Oder das gescriptete Abenteuer sieht vor, dass die SC selbst die Aufgaben lösen, üblicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einer gewissen Weise und mit vorgegebenem Erfolg oder Misserfolg (Wenn das gut verborgen wird, ist es Illusionism). Hier entsteht sehr leicht Leerlauf, weil es ja vorkommen kann, dass die Charaktere längere Zeit nicht auf die richtige Lösung kommen. dann muss der SL auch was improvisieren, was allerdings durch mehrere Hindernisse erschwert wird: 1. Dürfen die Konsequenzen dessen, was er improvisiert, nicht den weiteren Abenteuerverlauf stören und 2. muss er sich dauernd überlegen, wie er die Ereignisse so hinbiegen kann, dass die Gruppe möglichst schnell zum nächsten "Checkpoint" kommt. Tatsächlich ist das für mein subjektives empfinden sehr viel schwerer.

Das heißt ja nicht, dass man als SL bei ergebnisoffenem Spiel nicht auch manchmal voll auf dem Schlauch steht. Nur kann man da tendenziell die erste halbwegs schlüssige Idee verwenden, die einem kommt. Wenn man in einem gescripteten Abenteuer als SL auf dem Schlauch steht, dann dagegen üblicherweise so richtig: Denn man kann ja nicht einfach sagen "Sei's drum, schüttele ich jetzt mal verflossene Liebe X aus dem Ärmel", da kommt ja der ganze Plot durcheinander ...

Die richtige Frage müsste also eigentlich lauten: Wie verhindert man beim Illusionism Leerlauf?

Ein

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #31 am: 29.01.2010 | 18:56 »
@Jasper
Was eigentlich ist der Sinn hinter diesem Thread?

wjassula

  • Gast
Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #32 am: 29.01.2010 | 19:55 »
Okay, zunächst mal möchte ich auch kurz auf Naga eingehen. Jakob hat viele Einzelfragen dankenswerterweise schon beantwortet, und auch auf die Punkte hingewiesen, die ich eigentlich in meinem Eingangsposting schon vorweg nehmen wollte. Ich stimme ihm in seinen Erklärungen zu, besser hätte ich das auch nicht machen können. Ich kann über die Distanz des Internets tatsächlich auch nicht ganz einschätzen, ob du mich mit Absicht missverstehst oder dir nur wirklich nicht vorstellen kannst, wie das Spiel funktionieren soll, das ich zu beschreiben versuche. In jedem Fall scheinen wir an dem Punkt angekommen zu sein, wo ich dir nichts Sinnvolles mehr entgegen kann. Nimm es mir nicht übel, das soll keine Abqualifizierung sein, aber mir fallen keine besseren Erklärungen ein, außer vielleicht bei Gelegenheit eine Runde Primetime Adventures, Polaris oder eine oldschoolige Runde mit einer guten Spielleitung zu probieren. Das soll nicht herablassend klingen, ich denke nur, dass, wenn wir uns real gegenübersitzen würden, meine Antwort wäre: "Pass auf, wir lassen mal den ganze Scheiß und spielen einfach". Das wäre einfacher und lustiger, aber geht hier leider nicht.

Eine Sache aber noch:

Zitat
Hab ich, und die Kernaussage scheint mir weiterhin "Simulationismus ist der Weg zur Freiheit".
Und da muss ich einfach für mich feststellen: Nö, der ist mir zu einengend.

Simulationismus ist nun aber wirklich das genaue Gegenteil von dem, was ich beschrieben habe. "Simulationism" ist "the right to dream", und die Techniken, die in den meisten Fällen angewendet werden, um das zu ermöglichen, gehen eigentlich eher in die Richtung, die DSA bisher beschritten hat, jedenfalls ist "die Geschichte erleben" dabei eine zentrale Kategorie. Leider ist Simulationism, wie auch die anderen Agendas im Big Model, irreführend benannt. Es geht dort gerade nicht darum, irgendwelche Naturgesetze zu modellieren, und auch nicht um möglichst kleinteilige Regeln zu irgendwas, wie du mir fälschlich unterstellst. Ich wollte aber gerade die Forge-Begriffe hier nicht in den Vordergrund stellen, weil sie glaube ich alles nur unnötig kompliziert machen. Wenn man sie falsch verwendet, wirds aber auch nicht besser :). Also: Vergssen wir das schnell.

Zum Punkt: Warum DSA? Einfach, weil DSA lange Zeit in seinen Veröffentlichungen die größten Probleme mit dem ergebnisoffenen Spiel hatte und durch seine große Verbreitung in Deutschland viele Spieler damit geprägt hat. In den letzten Wochen gab es zu diesem Thema im DSA-Bereich die größten Diskussionen. Es sind neue User aufgetaucht, die ein neues Interesse an diesen Fragen mitbringen. Manche davon kenne ich persönlich, deshalb habe ich Lust, diese Fragen nochmal anzugehen. Andere Spiele haben diese Probleme tatsächlich entweder nicht so sehr oder sie haben in Deutschland nicht den gleichen Einfluss. Das ist alles. Viele der Punkte, die ich genannt habe, sind auch nicht neu, für viele alte Theorie-Hasen sind das olle Kamellen, über die keiner mehr reden will, weil es damals schon so furchtbar war. Aber vielleicht nicht hier im Thread und im DSA-Bereich. Hinzu kommt, dass viele olle Theorie-Hasen auf DSA ganz doll keinen Bock haben, weil es das Pseudonym von Satan ist. Dabei finde ich eigentlich, dass die großartige gewachsene Welt von Aventurien sich sehr gut für die Art zu spielen eignet, über die wir hier reden. Außerdem ist es das meist verbreitete Spiel in Deutschland mit der größten Produktpalette. Warum nicht da einhaken? So viel zum DSA-Bezug.

Zum Punkt "Ja, ist denn nicht die hinreichend genaue Modellierung schon irgendwie eine Vorform des Geschichtenerzählens?" bzw. zu den verwandten Fragen "Ja, darf/muss man denn nicht auch mal an die Story denken?". Meine rasche und vorsichtige Antwort auf beide Fragen ist "Ja".
Allerdings glaube ich auch, dass die genaue und überzeugte Antwort auf diese Fragen kompliziert ist und letztendlich nicht viel Verwertbares zutage fördert. Der Diskussionaufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Wenn man das machen wollte, hat Vermi Recht, und man müsste in einem eigenen Thread meiner Abschweifung nachgehen, und sich wirklich den kreativen Prozess noch mal anschauen. Im ORK diskutieren aber Gaukelmeister, Nebelland, kirilow und diverse genau diese Frage schon 20 Seiten lang, und ich habe nicht den Eindruck, dass das viel bringt.

Womit wir bei der berechtigten Frage (Ein) wären, was das Diskussionsziel ist. Nummer eins war, den kritischen Fragen entgegen zu treten, die von Naga, Xemides und anderen in verschiedenen Threads kamen. Das hat offenbar nicht so gut funktioniert, aber ich weiß gerade auch nicht, wie es besser geht. Vermutlich nur durch Spielen, nicht durch Reden. Nummer zwei war zu gucken, ob ich das, was hier im Channel rumschwirrt, einigermaßen treffend zusammen fasse. Das scheint nach den Reaktionen bisher der Fall zu sein.

Dann wäre Ziel Nummer drei, zu gucken, wie man mal die Ebene der verquasten Diskussion verlässt (die aber glaube ich auch manchmal notwendig ist, ich versuche schon Unverquastheit, und dank Achamanians Hilfe ist es glaube ich auch "hinreichend" klar ;) ). Marcus schrieb ja, er wisse gar nicht, wie Techniken aussehen könnten, mit denen man so ein Spiel richtig hinkriegt. Das wundert mich, denn eigentlich sind die schon länger bekannt, und wir könnten mal gucken, wie man die ganze Fülle, die DSA bietet, damit zusammen kriegt. Da könnten wir über konkrete Dinge reden, nicht über irgendwelche handlungstheoretischen Ansätze.

Warum? Siehe oben. Weil es praktisch wäre. DSA ist weit verbreitet und bietet einen tollen Hintergrund. Wenn es bessere praktische Handreichungen gäbe, wie man aus dem großartigen vorhandenen Material handlungsoffenes Rollenspiel machen kann, hätten viele Menschen was davon. Mindestens wir Diskutierenden hier. Man müsste Naga und anderen dann auch nicht mehr lange Vorträge über kreative Prozess und Dynamiken und Begriffe, die Ron Edwards mal in einem Buch über Fledermaus-Penisse gelesen hat, halten. Man könnte einfach sagen: Joa, lad dir doch mal das runter und lies mal den Thread, da wird das erklärt.

Das reicht mir eigentlich schon als Grund. Also, ich möchte das hier noch ein bisschen offen lassen, um zu gucken, was an Fragen und Ergänzungen kommt, aber dann lieber schnell mal Handreichungen produzieren.

Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #33 am: 29.01.2010 | 20:46 »
Du bringst auch "Agenda" und "Vorbereitung" durcheinander.

Nein, aber vielleicht hab ich mich missverständlich ausgedrückt.

Der Wunsch des Spielleiters, wenn möglich auf das vorbereite Material zurückzugreifen, ist eine OT-Motivation. Vielleicht passt der Begriff bessers. Genauso wie der Wunsch, einen bestimmten NSC einzubauen, oder dafür zusorgen, dass wieder etwas Schwung ins Geschehen kommt. Das sind alles Sachen, die sich nicht direkt aus dem IT-Spielgeschehen ergeben, aber es eben trotzdem beeinflussen können.

Und solange sie sich eben nicht negativ auf die Plausibilität der Spielwelt auswirken sind sie imho legitim.

Nebenbei: Solche OT-Motivationen anzuerkennen (und zu bedienen), aber sie nicht die IT-Plausibilität stören zu lassen, ist das was ich unter Illusionismus verstehe.


Zitat
Natürlich ergeben NSC, Welt und SC keine deterministische Maschine, die dann abschnurrt. Darum geht es ja, dass man die Unwägbarkeiten zulässt, die sich aus erspielten Situationen ergeben, und aus ihnen heraus die Geschichte entwickelt. Dafür müssen Spieler und SL ständig Entscheidungungen treffen (was auch immer ein Moment der Willkür enthält, sonst wäre es keine Entscheidung ... ach, Derrida!) - sie müssen aber nicht im vorhinein im Kopf haben, wohin das alles führen soll. Die SC und die NSC verfolgen vielleicht Zwecke und langfristige Pläne, dass ist aber etwas anderes als der unbedingte Wille des SL, die Handlung in bestimmter Weise ablaufen zu lassen.

An der Stelle habe ich dann Jasper wohl falsch verstanden, es gibt halt genug Verfechter "Freien Spiels", die sich genau solch eine pseudo-derministische Maschine wünschen - gerade aus der OldSchool-Ecke. Waren dann womöglich Vorurteile meinerseits, will ich nicht ausschliessen.

Ich denke, an der Stelle springst du auch etwas vorschnell zwischen "alles ist festgelegt" und "alles ist möglich" hin und her. Selbst wenn alles möglich ist, ist nicht alles gleich wahrscheinlich. Das heisst nicht, das immer die wahrscheinlichsten Handlungsverläufe geschehen werden. Aber es ist halt durchaus ... wahrscheinlich. ;)
Und tatsächlich finde ich, dass vorausschauendes Spielleitern wie auch vorrausschauendes Fahren oder vorrausschauendes Cachen durchaus seine Vorteile hat: Man ist besser auf neue Situationen vorbereitet, kann schneller und flüssiger reagieren, und wird nicht plötzlich bei 80 km/h von ner Sackgasse überrascht. ;)


Zu den Technik-Fragen:

Zitat
Hier entsteht sehr leicht Leerlauf, weil es ja vorkommen kann, dass die Charaktere längere Zeit nicht auf die richtige Lösung kommen. dann muss der SL auch was improvisieren, was allerdings durch mehrere Hindernisse erschwert wird: 1. Dürfen die Konsequenzen dessen, was er improvisiert, nicht den weiteren Abenteuerverlauf stören und 2. muss er sich dauernd überlegen, wie er die Ereignisse so hinbiegen kann, dass die Gruppe möglichst schnell zum nächsten "Checkpoint" kommt. Tatsächlich ist das für mein subjektives empfinden sehr viel schwerer.

Aber das ist halt ein generelles Problemlöser-Problem, und nicht auf einen Spielstil beschränkt: Was tun, wenn die Spieler ein Problem haben, dass ihren Zielen im Weg steht, aber sich bei der Lösung verrennen? Das einzige "wirklich freie und wirklich ergebnisoffene" wäre die Spieler machen zu lassen, und dann die Ergebnisse zu simulieren. Und wenn die Spieler dann zwei Spielabende Dinge versuchen, bei denen der SL von vorneherein weiss, dass die keine Chance haben, dann ist das einfach frustrierend. Genauso wie ellenlange Diskussionen, was man denn jetzt noch ausprobieren könnte.

Tut mir leid, aber da ist mir ein Spielleiter, mit dem man zusammenarbeiten kann, damit es weitergeht und wieder was interessantes geschieht tausendmal lieber.

Und wenn man dann noch bedenkt, dass hinter solchen Hängern meist OT-Probleme stecken (wie Kommunikations-Schwierigkeiten oder die Tagesform), und nicht alles was "IT realistisch ist" auch am Spieltisch auszuspielen Spass macht, dann finde ich diese Herangehensweise auch irgendwie ... ehrlicher, weniger verdruckst.

Da kann man dann auch gerne argumentieren, dass durch SL-Hilfe meine Anstrengungen beim Problemlösen des Hindernisses entwertet werden. (Ja, Achamanian, ich weiss dass du eigentlich mit "Entwerten" eigentlich was anderes meintest.) Aber ich brauch nicht für jedes Hindernis volle Gummipunkte, und erst recht ist es mir nicht mehrere Stunden Leerlauf wert. ;)

Das war jetzt natürlich etwas polemisch, weil "Charaktere kommen beim Überwinden von Hindernissen nicht weiter" ja nicht vom Spielstil abhängt, das kann bei spielergetriebenen Handlungswegen genauso auftreten wie im linearen Dungeon.

Nur ist es für den SL halt schwerer was hilfreiches zur Situation beizusteuern, wenn allein die Spieler die Richtung des Handlungsverlaufs bestimmen.

Und noch schwerer wird es halt, wenn der SL sich ja gar nicht aus OT-Motivationen einmischen soll. (Was hier ja von Achamanian, Vermi und Co. auch nicht gefordert wird.) Wie man dann mit solchen Hängern umgeht ist mir halt immer noch aufrichtig rätselhaft.



Nur um das nochmal klarzustellen: Ich denke, Vermi hat meine Eingangsfrage ausreichend klar beantwortet. Ich denk auch nicht, dass ich weit von Achamanians Position entfernt liege (auch wenn ich eher ein Fan des handlungsoffenen als des ergebnisoffenen Spiels bin. ;) )
Von daher lass ich's jetzt auch erstmal mal gut sein.
« Letzte Änderung: 29.01.2010 | 20:49 von Naga »

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #34 am: 29.01.2010 | 21:44 »

Aber das ist halt ein generelles Problemlöser-Problem, und nicht auf einen Spielstil beschränkt: Was tun, wenn die Spieler ein Problem haben, dass ihren Zielen im Weg steht, aber sich bei der Lösung verrennen? Das einzige "wirklich freie und wirklich ergebnisoffene" wäre die Spieler machen zu lassen, und dann die Ergebnisse zu simulieren. Und wenn die Spieler dann zwei Spielabende Dinge versuchen, bei denen der SL von vorneherein weiss, dass die keine Chance haben, dann ist das einfach frustrierend. Genauso wie ellenlange Diskussionen, was man denn jetzt noch ausprobieren könnte.

Tut mir leid, aber da ist mir ein Spielleiter, mit dem man zusammenarbeiten kann, damit es weitergeht und wieder was interessantes geschieht tausendmal lieber.


Mensch, aber das ist doch genau der Punkt, wo du mir aus der Seele spricht und wo Ergebnisoffenes Spiel erfahrungsgemäß Abhilfe schafft: Du gehst ja davon aus, dass es ein konkretes Problem mit einer konkreten Lösung gibt, das gelöst werden muss, bevor es weitergeht. Das Tor zur Zwergenbinge hat eine uralte Unschrift, die entschlüsselt werden muss, um es zu öffnen. Und die Spieler kriegen das Rätsel nicht gelöst. Wenn jetzt klar ist: Die müssen, durch die Tür, die müssen durch die Binge, weil da kommt die megawichtige Begegnung mit dem Schallschrock, dann muss man eben so lange am harten Brot nagen, bis sich der SL erbarmt und den entscheidenden Tipp gibt und alle bedröppelt weiterdackeln.

Wenn aber Spielern und SL klar ist, dass sie hier schon mal überhaupt nichts müssen, wohl aber einiges wollen - einen spannenden und lustigen Abend z.B., jedenfalls ganz sicher nicht vor einer Steintür rumsitzen und frustriert sein - dann gibt es überhaupt keine große Kaugummiphase. Die Spieler und Charaktere stellen fest: "So kommen wir da nicht durch" und fragen sich dann logischerweise: "Und jetzt?" - ganz ohne den besorgten Hintergedanken, das jetzt womöglich das Abenteuer nicht weitergehen kann.

Ja, und jetzt? Vielleicht versuchen sie ihr Glück jetzt doch auf dem eingeschneiten Rothorn-Pass. Oder sie gehen durch die Pforte von Rohan. Oder sie gehen in die nächste Stadt und werben zwanzig Tagelöhner mit Spitzhacken an, damit die ihnen die Bingentür einhauen. Oder sie beschließen, diese großen, weisen Adler zu suchen, die hier im Gebirge wohnen und sicher helfen können.

Dafür braucht es nur einen ganz einfachen Deal zwischen Spielleiter und Spielern:

1. Keine der beiden Seiten lässt die andere am ausgestreckten Arm verhungern. Die Konsequenzen von Handlungen werden vom SL klar und zügig präsentiert, damit die Spieler sich überlegen können, wie es von da aus weitergeht. Und die Spieler reagieren auf Ereignisse, anstatt sie zu ignorieren.

2. Handlungen haben Konsequenzen. Es geht gar nicht drum, dass die "realistisch" sind (um realistisch ging es hier übrigens noch nie, das ist auch wieder so ein Missverständis) oder deterministisch, sondern darum, dass sie einer nachvollziehbaren Logik folgen, dass eines zum anderen führt (und nicht nur Station A nach Station B). Und wenn Handlungen Konsequenzen haben und die Charaktere handeln, um ihre Ziele zu erreichen/Probleme zu lösen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sich ihr Handeln in irgendeiner Weise auf diese Ziele oder Probleme auswirkt, d.h. die Geschichte voranschreitet.

Wichtig ist dafür, dass die Spieler auch wissen, dass es keine einzig richtige Lösung gibt. Sonst verfallen sie nämlich ganz schnell in Rumprobier-Mentalität, und dann hast du einen zähen Kaugummi-Abend, bei dem alle sich nur wünschen, jetzt so schnell wie möglich die Lösung zu finden oder vom SL gesteckt zu kriegen, damit es endlich, bitte, oh bitte, weitergehen kann!

Um das mal ganz weit zu abstrahieren: Du scheinst zu meinen, "freies Spiel" hieße "Alles ist mir egal. Ich simulier das jetzt ganz seelenlos mechanisch durch."
Der Punkt bei freiem Spiel (zumindest, wie Jasper das hier beschrieben hat) lautet aber eher: "Alles interessiert mich. Jede Handlung der Charaktere ist potentiell interessant und wegweisend für die Geschichte, nicht nur diejenige, die sie laut Plot vollziehen sollen."
« Letzte Änderung: 29.01.2010 | 21:47 von Achamanian »

Offline Elefanten-Zauberstellung

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #35 am: 29.01.2010 | 22:58 »
Ich denke, dass was Jasper uns sagen will ist: Ergebnis offenes Spiel ist kein Hexenwerk und auch keine langweilige Weltsimulation, man muss dafür kein genialer SL sein und jeder sollte mal ausprobieren das zu integrieren.
Gerade für DSA kann das hilfreich sein, denn es unterstützt eine plastische Welt und fürht zu mehr Immersion. Weg vom Metadenken! Was DSA IMO eigentlich Spieler wollen.

Der Unterschied liegt in der Vorbereitung. Es bedeutet eben gerade nicht alles zu improvisieren, denn das führt zu heißer Luft. Kein SL kann so gut improvisieren, dass alle sein Entscheidungen plausibel sind. Und natürlich schafft er auch Abenteuer und spannende Situation. Das ist ja seine Aufgabe! Tavernenspiel, geht auch ohne SL.

Nur wird sich eben weniger auf eine Story fokussiert. Statt diese in die Tiefe aszuarbeiten wird in die Breite vorbereitet.
Das einfachste Beispiel wo ein SL keine Geschichte festlegen muss ist der Dungeon. Den kann jeder SL beherschen. Die SCs sind zwar in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, aber er kann auf jede Aktion der Spieler plausibel reagieren, ohne heiße Luft zu produzieren. Weil für die kleine Welt des Dungeons, alle Räume und alle NSCs detailiert ausgearbeitet sind. Oder um es im DSA Jargon zu sagen: Er besitzt die "Werkzeuge des Meisters"!

Scheinbar schwierig wirds es jetzt, wenn man den Dungeon verlässt und in einer offenen Stadt spielt. Aber auch das ist keine unschaffbare Hürde,  der Meister muss auch nicht jeden Bewohner vorher festlegen.
Aber er könnte z.b. sich die Zeit sparen, besonders wichtige (für die geplante Story) NSCs auf 3 Seiten zu beschreiben und stattdessen normale NSCs grob vorbereiten. Einen Namen, grob die Kompetenzen und eventuell ein Problem was die Spieler lösen können festlegen (bei DSA 1 gehen sogar alle Werte). Das hat den Vorteil, dass der Schmied den die SCs besuchen (was sich antizpieren lässt, denn die brauchen ja immer Waffen), kein 0815 Schmied ohne Namen ist. Dann trifft man auf Tjalf Grimsdottir, einen lebenslustige Thorwaler der die besten Äxte der Stadt hat und die SCs in eigener Sache um Hilfe bittet. Wenn sie zum Zwergenschmied Angrolosch gehen, bitte schön.

Und der Schmied immer dort, in  nächsten Sitzung und selbst wenn die Spieler neue SCs haben, hat er dort seinen Laden.  Und da sowas festzulegen schnell geht, legt der Meister auch gleich alle andere Schmiede und Waffenhändler fest. Und da man weiß, das die Scs früher oder später mit der Stadtwache zusammenprallen, überlegt er sich auch 5 Stadtwachen und deren Anführer und notiert sie sich.
Usw usf. So hat man schnell 20-30 NSCs zusammen um auf so ziemlich alles wichtige zu reagieren, ohne überrumpelt zu werden. Gleiches gilt eben auch für Kartenmaterial und Zufallstabellen.
Das muss zunächst nicht sonderlich detailiert sein, kann aber später ausgearbeitet werden, falls relevant.

Das kostet nicht viel Zeit. Der SL schreibt sich die NSCs in seine Mappe und wenn die SCs mit diesen agieren, dann notiert er sich das.Genauso wie besuchte Dörfer festgehalten werden. Auch die Spieler tragen den Laden in ihrem Stadtplan ein. Damit schafft man Fakten. Und sowohl SL als auch Spieler gestalten so ihr eigenes Aventurien. Es entsteht eine ganz andere Beziehung. Es macht doch viel mehr Spaß, wenn man mit allen NSCs agieren kann und man nicht merkt, dass der SL sich den NSC eben gerade aus dem Arsch gezogen hat, sondern jeder NSC so detailiert erscheint, wie ein plotrelevanter NSC. Das fühlt sich sonst so an, wie in einem Computerspiel, wo vorher definiert ist, was klickbar ist und was nicht oder wo nur plotrelevante NSCs vertont sind und generische Stadtbewohner nur Textboxen mit einem Satz bieten.

Auch hat der SL, nicht die OT Motivation wie von Naga angeführt, seine Spieler zu zwingen alle vorbereiteten NSCs zu treffen, denn die Vorbereitung für einen einzelnen NSC oder Abenteuerschauplatz ist nicht sonderlich groß und er wirds zwangsläufig irgendwann auf seine vorbereiteten NSCs und Bausteine zurückgreifen dürfen. Das gilt natürlich auch für Karten, gute Zufallstabellen oder Abenteueraufhänger. Irgendwann kann er es verwenden und wenn nicht, hat ihn das auch wenig Zeit gekostet. Er hat sich aber eben nicht in Details verstrickt sondern bietet eine Fülle an Angeboten.

Der Meister hat so auf fast jede Aktion der Spieler, sofort eine Antwort zur Hand und kann anhand seiner NSC-Tabellen und Karten, schnell reagieren, ohne sich durch Prosatext zu arbeiten. Wenn sich z.B. eine Freund- oder Feindschaft entwickeln sollte, dann kann er das in vor der nächsten Sitzung vertiefen und detailierter ausarbeiten, dass muss nicht alles vorher feststehen das ergibt sich aus dem Spiel. Und an erspielten Fakten, haben die Spieler genauso ihren Anteil. So schafft man gemeinsam eine Story und nicht der SL alleine als wenn er eine Story diktieren würde.

Er kann die NSCs auch wiederverwenden, oder sie zum Beispiel in eine andere Stadt ziehen lassen, so dass die Spieler auf einen alten Freund treffen usw. usf.

Wenn man sich als SL die Mühe macht, in die Breite vorzubereiten und dabei antizipiert, was die Spieler machen könnten, kommt man auch ausserhalb des Dungeons nicht ins straucheln.
Ich denke sogar, dass das Leiten dann leichter ist, als unbedingt eine Story durchprügeln zu müssen, weil man eine gewisse Sicherheit besitzt, auf fast alle Ideen der Spieler schnell Bausteine parat zu haben. Die Vorbereitung mag zunächst etwas aufwändiger sein, aber die Effizienz steigt mit der Kampagne.
So wird die Stadt, in der der Stützpunkt der Spieler liegt, mit jeder Sitzung detailierter. Und selbst wenn die Gruppe hopps geht, hat man eine fertig ausgearbeitete Stadt, in der die neue Gruppe agieren kann. Das ist auch sehr befriedigend für die Spieler: Zu merken, dass ihre alten SCs etwas verändert haben und man nicht wie in einem Computerspiel einfach neu beginnt.

Siehe alte Havena Box! 50 NSCs mit Namen, Werten, plotaufhängern, Karten zu allen wichtigen Gebäuden, aber auch Herbergen und Gilden, sowie einem detailierten Stadtplan. Es ist auch für Spieler cool, wenn sie auf dem Stadtplan einen Eintrag hinterlassen, sofort kriegt ein solcher Ort eine ganz andere Bedeutung. Kein Problem wenn die Spieler unbedingt in den Fürstenpalast eindringen oder einen Händler überfallen wollen. Karten hat man sofort zur Hand, Werte von Wachen hat man sich auch schonmal überlegt, muss man ggf., nur leicht anpassen. Ist alles schon da! Dann muss man keine heiße Luft produzieren. Und je länger man spielt, desto besser wird die Spielleitung, denn man häuft immer mehr Abenteuerbausteine an und lernt auch die Gruppe besser kennen, so dass man besser vorbereiten kann.

Ich sehe daher das Problem in der Vorbereitung, wenn man eine Story plant, dann liegt es in der Natur der Sache, dass man deren Details besonders sorgfältig ausarbeitet. Und da kein SL unendlich viel Zeit hat, muss er unwichtige Sachen auslassen. Das führt eben dazu, dass unwichtige NSCs und Orte sich auch unwichtig anfühlen und man eben genau diesen Computerspieleffekt emuliert, auch wenn man es nicht will.



rgbg

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #36 am: 30.01.2010 | 03:23 »
Aus meiner Spielererfahrung fällt mir noch ein Vorteil des "freien Spiels" ein, den ich gerne empfehlen möchte:

Planbarere Charakterentwicklung für die Spieler

Was meine ich damit:
Da die Spielwelt viel eher auf meinen Spielerinput reagiert, habe ich viel eher die Motivation mir Lebensziele meines Charakters zu erdenken und in der Folge auch zu verfolgen, da ich deren Verwirklichung (eher) beeinflussen kann. Mir hat das häufig auch bei der Charakterentwicklung geholfen.

Ein Beispiel:
Das Abenteuer sieht vor, dass ich ein erbeutetes magisches Zepter zu Auftraggeber XY bringe, so dass dieser meine Weiterreise nach Z beschleunigen kann so dass ich dort rechtzeitig einen Mord verhindern kann.
Da ich mir für meinen Charakter aber überlegt habe, dass dieser das Ziel hat ein wertvolles Ross zu erwerben, überleg ich mir nun das Zepter zu verkaufen und einen anderen schnellen Weg zu Stadt Z zu finden...

In einem festen Abenteuer würde das vom SL vermutlich verhindert. Im freien überlegt er sich nun vllt, dass sowohl die Suche nach einem Käufer als auch die Suche und Begehung einer alternativen Reise nach Z sehr interessante Geschichten ergeben können.

Ein Problem der Spielweise habe ich schon in der Gruppenplausibilität gefunden: Wenn die Spieler ihre Charaktere mit Lebenszielen ausstatten und entsprechend anfangen die Motivationen ihrere Charaktere stärker zu hinterfragen, kann es leicht passieren, dass Spieler vor Situationen stehen in denen ihre Charaktere keine gemeinsamen Ziele mehr haben und die Gruppe sich plausiblerweise auflösen müsste. Das kann ab und an frustrierend sein, weil die Spieler natürlich weiter zusammen spielen wollen.


Offline Xemides

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #37 am: 30.01.2010 | 09:44 »
Ein Beispiel:
Das Abenteuer sieht vor, dass ich ein erbeutetes magisches Zepter zu Auftraggeber XY bringe, so dass dieser meine Weiterreise nach Z beschleunigen kann so dass ich dort rechtzeitig einen Mord verhindern kann.
Da ich mir für meinen Charakter aber überlegt habe, dass dieser das Ziel hat ein wertvolles Ross zu erwerben, überleg ich mir nun das Zepter zu verkaufen und einen anderen schnellen Weg zu Stadt Z zu finden...

Wenn ich nicht frei spiele, sondern das Abenteuer einen Plot hat, und die Spieler sich einig sind so spielen zu wollen, ist das gar keine Frage. Dann wird das Abenteuer so gelöst, wie vorgegeben.

Zitat
Ein Problem der Spielweise habe ich schon in der Gruppenplausibilität gefunden: Wenn die Spieler ihre Charaktere mit Lebenszielen ausstatten und entsprechend anfangen die Motivationen ihrere Charaktere stärker zu hinterfragen, kann es leicht passieren, dass Spieler vor Situationen stehen in denen ihre Charaktere keine gemeinsamen Ziele mehr haben und die Gruppe sich plausiblerweise auflösen müsste. Das kann ab und an frustrierend sein, weil die Spieler natürlich weiter zusammen spielen wollen.

Unabhängig von der Spielweise liegt es in der Verantwortung der Spieler, das zu verhindern. Da haben sie selbstverständlich sich gegenseitig zu unterstützen, und wenn in einer Sitzung das Ziel von Charakter A im Vordergrund steht, unterstützen die anderen ihn. Das nächste Mal ist dann Charakter B im Vordergrund und A unterstützt auch ihn dabei.

Wenn die Spiler das nicht tun, sollte man überdenken, ob man generell weiterhin zusammen spielen will.


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Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #38 am: 30.01.2010 | 11:04 »
Wenn ich nicht frei spiele, sondern das Abenteuer einen Plot hat, und die Spieler sich einig sind so spielen zu wollen, ist das gar keine Frage.

Das widerspricht sich ja nicht. :)
Wenn die Ziele "des Abenteuers" und der Charaktere übereinstimmen, dann kann man das Abenteuerziel verfolgen ohne zu irgendwas gegängelt/gezwungen zu werden. Und dann kommt wohl auch eher niemand auf die Idee, mit dem Szepter-Verkauf das Gruppenziel zu sabotieren. ;)

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Offline Maarzan

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #39 am: 30.01.2010 | 11:10 »

Ein Problem der Spielweise habe ich schon in der Gruppenplausibilität gefunden: Wenn die Spieler ihre Charaktere mit Lebenszielen ausstatten und entsprechend anfangen die Motivationen ihrere Charaktere stärker zu hinterfragen, kann es leicht passieren, dass Spieler vor Situationen stehen in denen ihre Charaktere keine gemeinsamen Ziele mehr haben und die Gruppe sich plausiblerweise auflösen müsste. Das kann ab und an frustrierend sein, weil die Spieler natürlich weiter zusammen spielen wollen.


Wenn der vorhandene Kompromissbereich dann nicht mehr zu Überschneidungen führt, wird halt der eine oder andere Charakter die Bühne (zeitweilig?)verlassen. Das hindert ja nicht den Spieler weiter teil zu nehmen - dann mit einem passenderen Charakter. 

Sinnvollerweise kann man aber beim Charakterbau schon eine Menge abfangen - insbesondere, wenn man die Gruppe auch als Gruppe mit persönlichen Bindungen plant.
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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #40 am: 30.01.2010 | 11:12 »
Wobei sich mir als ergebnisoffenem SL jetzt auch, wie Naga, nicht erschließt, warum sich hier so krampfhaft an die Modellierung geklammert wird. Ich modelliere kaum. Das intensivste, was ich in den letzten Jahren vorbereitet habe, war meine momentane, "gerade erst" angelaufene L5R-Kampagne (Notizen können in einem Thread hier an Board eingesehen werden). Die Notizen beschränken sich dabei auf wenige Seiten.

Warum mache ich das?

Weil es mE (nach gut 10 Jahren EO-Spiel) am sinnvollsten ist, die offenen Bereiche bis in die Modellierung hineinreichen zu lassen, wenn man die optimale Interaktionsmöglichkeit zwischen Spieler und Welt erreichen will. Durch solche weiße Flecken kann ich im Spiel den Input der Spieler auf eine Weise nutzen, die insgesamt einen besser abgestimmten SIS ergeben. Ich räume den Spielern also nicht nur Handlungsrechte (s.u.) in der Spielwelt ein, sondern geben ihnen auch Gestaltungsrechte über die Spielwelt.

Dadurch dass ich NSCs z.B. nur im Grundstock definiere, kann ich im Spiel darauf reagieren, wie die Spieler auf bestimmte NSCs reagieren. Wenn sich die Spieler in den Kopf setzen, dass /harmloser NSC/ Dreck am Stecken hat, dann hat er eben Dreck am Stecken und ich stricke den Plot um diesen Input weiter auf. Z.B. würden die Spieler nicht enttäuscht werden, wenn sie in sein Haus eindringen, sondern würden dort Hinweise auf sein Verbrechen finden.

Damit kommen wir auch zu dem Punkt Plausibilität. Der wurde da oben mehrmals angesprochen und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum darum so ein Wind gemacht wird. Wenn wir unseren Kopf jetzt einfach einmal von aller Rollenspielverquastheit freiräumen, erscheint etwas immer dann plausibel, wenn ein Ereignis sich nahtlos in die Weltvorstellung des Beobachters einfügt.

Dadurch ergibt sich, dass Ereignisse, die zwar den Gesetzen der Modellierung entsprechen, aber der unvollständigen Vorstellung des Beobachters von dieser Modellierung als unplausibel ("unglaublich") erscheinen können.

Dieser Umstand muss einem SL bekannt sein und sollte auch dringend von ihm genutzt werden. Denn von der Einfügung von unglaublichen Elementen in die plausiblen Welt hängt der Sense of Wonder ab, der immer wieder im Spiel bedient werden sollte.

Dafür ist es aber nötig, dass entsprechend im Rollenspiel der SIS der Gruppe entsprechend synkronisiert wird, was mE am besten funktioniert, wenn der SL eben kein Modell durchexerziert, sondern in Echtzeit auf den Input der Spieler reagiert. Wenn man sich einfach nur an ein Modell hält, so kann zwar auch Sense of Wonder erreicht werden, aber wann dies geschieht ist nicht kontrollierbar. Da wir aber im Rollenspiel schon den Vorteil eines Spielleiters haben, so sollte man diesen Vorteil auch bitte nutzen und ihn nicht durch Mechanisierung schmälern.

Wobei ich mich nicht grundsätzlich gegen Mechanisierung und Modellisierung aussprechen möchte, ich möchte beiden nur ihren Platz weisen und der liegt definitiv hinter der weit überlegenden kreativen Fähigkeiten des Spielerleiters und der Spieler am Tisch. M&M sind immer nur Gestaltungshilfen, ein Gerüst, dass einem hilft nicht vom Dach zu fallen, aber die Arbeit müssen immer noch Spieler&SL machen und gerade das ist ja auch der Witz am Rollenspiel.

Offline Xemides

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #41 am: 30.01.2010 | 12:34 »
Dadurch dass ich NSCs z.B. nur im Grundstock definiere, kann ich im Spiel darauf reagieren, wie die Spieler auf bestimmte NSCs reagieren. Wenn sich die Spieler in den Kopf setzen, dass /harmloser NSC/ Dreck am Stecken hat, dann hat er eben Dreck am Stecken und ich stricke den Plot um diesen Input weiter auf. Z.B. würden die Spieler nicht enttäuscht werden, wenn sie in sein Haus eindringen, sondern würden dort Hinweise auf sein Verbrechen finden.

Ich weiss nicht, das klingt jetzt nach: Egal was die Spieler tun, es hat immer einen Bezug zu irgendwas, die Spieler bestimmen wer was mit dem Szenario zu tun hat.

Kann ich mich nicht mit anfreunden.

Ich bestimme, welche NSCs was tun oder denken, und wenn die NSCs einen unschuldigen verdächtigen, dann ist das halt so. Dann wird der nicht nur deshalb schuldig, weil die Spieler es denken.

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Offline carthinius

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #42 am: 30.01.2010 | 14:05 »
Ich weiss nicht, das klingt jetzt nach: Egal was die Spieler tun, es hat immer einen Bezug zu irgendwas, die Spieler bestimmen wer was mit dem Szenario zu tun hat.

Kann ich mich nicht mit anfreunden.
Find ich auch nicht so toll und hat meiner Meinung nach auch nicht wirklich etwas mit dem "freien Spiel" zu tun, das Jasper meint. Schließlich sollten die Beziehungen und damit auch die Rollen in beispielsweise einem Kriminalfall schon im Vorfeld klar sein - der Mörder ist ja nicht auf einmal ein anderer, nur weil die Spieler das meinen. Da gehe ich auch nicht mit Ein konform, sondern würde definitiv sagen "wenn sie auf der falschen Fährte sind, sind sie auf der falschen Fährte." Es geht vielmehr darum, dass bei einem Kriminalfall den Spielern nicht nur ein Weg offen steht, den Täter zu überführen, den der SL die Spieler suchen lässt und dabei hämisch grinst, wenn sie sich dumm und duselig forschen; es gibt nämlich einfach nicht den "goldenen Lösungsweg", sondern vielmehr mehrere Ansätze. So können die Spieler frei ermitteln, falsche Fährten finden, Ideen haben, die der SL und/oder Autor nicht bedacht haben (auf die er aber reagieren kann, weil der ja die Grundinfos hat und nicht nur ein Idealskript). Wenn das dann heißt, dass die Spieler schon schnell den Täter finden, dann ist das halt so. 
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Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #43 am: 30.01.2010 | 14:50 »
Ein paar Detailfragen hätte ich dann doch noch:

Zitat von: carthinius
Da gehe ich auch nicht mit Ein konform, sondern würde definitiv sagen "wenn sie auf der falschen Fährte sind, sind sie auf der falschen Fährte."

Jetzt ist es aber doch bei Kriminalabenteuern mit halbwegs kompetenten Verbrechern doch eher so, dass die Zahl der Spuren eher beschränkt ist. Und wenn nicht grad zum magischen Mullemulle gegriffen wird, ist die Chance abseits dieser Spuren zum Täter zu finden ja auch eher gering.
Wenn die Spieler die Spuren nicht finden, und der SL da nachträglich nicht etwas eingreift, ist das dann nicht genau das, was Achamanian mit "am ausgestreckten Arm verhungern lassen" umschrieben hat?


Und was bedeutet eigentlich genau "ergebnisoffen"? Etwa in Bezug auf das Besiegen eines Gegners, das Finden einer Spur, das Erreichen des gesetzten Ziels: Ist das "ergebnisoffen", wenn die Wahrscheinlichkeit dafür bei 50% liegt? Bei 90%? Bei 99%?

rgbg

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #44 am: 30.01.2010 | 15:06 »
Top1: Gruppenmotivation im freien Spiel
Unabhängig von der Spielweise liegt es in der Verantwortung der Spieler, das [Gruppenzerfall] zu verhindern. Da haben sie selbstverständlich sich gegenseitig zu unterstützen, und wenn in einer Sitzung das Ziel von Charakter A im Vordergrund steht, unterstützen die anderen ihn. Das nächste Mal ist dann Charakter B im Vordergrund und A unterstützt auch ihn dabei.

Wenn die Spiler das nicht tun, sollte man überdenken, ob man generell weiterhin zusammen spielen will.

Selbstverständlich (das habe ich ja auch erwähnt) gehe auch ich davon aus, dass die Spieler nicht auf Teufel komm raus versuchen Gruppensprengende Ziele zu verfolgen. Aber deine implizite Annahme, dass Gruppen deren Chars sich ab und an nicht konfliktfrei auf einen Weg einigen können als Spieler nicht zusammen passen, erscheint mir etwas weltfremd. Durch die Aufforderung des freien Spiels an jeden Spieler eigene Ziele zu verfolgen entstehen aus meiner Sicht daher ein, zwei Aufgaben für SL und Spieler, die man beim Railroading oft nicht hat:

a) Ein gemeinsames gruppenbildendes Ziel/Motiv sollte man sich überlegen
b) Kommunikation der Charakterentwicklung/Ziele (am besten in der Welt; aber auch mal außerhalb)
c) Eine erhöhte Aufmerksamkeit für Entwicklungen der SCs (Entwicklungen evtl auch mal einfangen)

Jedenfalls ist es meine Erfahrung, dass man so verhindert, dass die spaßfördernde Freiheit der einzelnen zu Situationen führt in denen Chars in Situationen landen in denen sie verbogen werden müssten - das kann recht frustig sein.

Ich glaube damit bin ich dann auch bei Maarzan :
Zitat
Sinnvollerweise kann man aber beim Charakterbau schon eine Menge abfangen - insbesondere, wenn man die Gruppe auch als Gruppe mit persönlichen Bindungen plant.

zu b):
Hiermit meine ich, dass Spieler sich nicht zwischen Abenteuern Ziele überlegen, die dann plötzlich in der Spielwelt auftauchen, sondern solche Überlegungen ihres Chars dann auch im Spiel öffentlich machen oder evtl mit SL und Spielern abstimmen.

Top2: Spielwelt an Spieleraktionen ausrichten

Ich stimme mit Ein darin überein, dass man Bemühungen der Spieler aufnehmen sollte. Ich teile aber auch Xemides Anstoß an der (vermutlich überspitzten) Formulierung, dass ein harmloser NSC durch Spielerverdacht zum Verbrecher wird. Das klingt für mich so als wären die Spieleraktionen völlig beliebig und die Vorstellung schreckt mich bisserl ab - Blödsinn muss zB auch mal Blödsinn sein!

Entsprechend würde ich für den Einbruch beim harmlosen NSC auch nicht mit Hinweisen auf ein Verbrechen belohnen, sondern vllt mit einer Festnahme oder ähnlicher Wendung. Hauptsächlich scheint mir wie in diesem Thread bereits geschrieben, dass der Einbruch nicht folgenlos bleibt - 3h Spielzeit nicht völlig bedeutungslos werden.

Ein

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #45 am: 30.01.2010 | 15:16 »
@carthinius
Detektivabenteuer wie du sie beschreibst, haben hauptsächlich etwas damit zu tun, dass man als Spieler möglichst effektiv die Gedanken des SLs lesen muss. Das ist das genaue Gegenteil von ergebnisoffen und wird auch Railroading genannt, und ist mitunter auch ein Grund, warum investigative Abenteuer, die so angegangen werden, oft scheitern, da Spuren und ihre Zusammenhänge, die dem SL offensichtlich erscheinen, den Spielern eben nicht einleuchten.

Hier kann man sich als SL jetzt überlegen:

Entweder ich ziehe meinen Plot jetzt so durch, wie ich mir das ausgedacht habe, und wenn die Spieler am Ende den Mörder nicht finden, dann darf ich sie auslachen und als Loser verspotten.

Oder ich räume den Spielern Gestaltungsrechte ein und muss dann halt damit leben, dass eben nicht der Gärtner der Mörder ist, sondern die Köchin.

Ich ziehe ganz klar Variante 2 vor, denn so werde ich selbst als SL nicht nur entlastet, weil die Spieler einen guten Teil der kreativen Arbeit übernehmen, nein, obendrein habe ich als SL auch noch ein besseres Spielerlebnis, denn ich kann mich zurücklehnen und mich an den Ideen der Spieler erfreuen, anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich sie jetzt wieder zurück auf die richtige Spur bringe.


Nachtrag: Bei guten Kriminalgeschichten ist es im Übrigen auch so, dass es immer mehrere Verdächtige gibt. Oft sind sogar alle Anwesenden irgendwie verdächtig und hätten einen verdammt guten Grund das Opfer zu ermorden.

Da gilt dann auch wieder die Regel, dass man mit Red Herrings sparsam umgehen sollte und ansonsten nichts ins Spiel einbauen sollte, was nicht irgendwie relevant ist.
« Letzte Änderung: 30.01.2010 | 15:20 von Ein »

Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #46 am: 30.01.2010 | 15:28 »
Detektivabenteuer wie du sie beschreibst, haben hauptsächlich etwas damit zu tun, dass man als Spieler möglichst effektiv die Gedanken des SLs lesen muss. Das ist das genaue Gegenteil von ergebnisoffen und wird auch Railroading genannt

Nur um sicherzugehen dass ich das richtig verstehe: Wenn das Ergebnis der Spielerhandlungen nicht vorweggenommen ist (also Scheitern eine realistische Option ist), dann ist das Railroading? Und wenn das Ergebnis der Spielerhandlungen vorweggenommen wurde (sie werden Erfolg haben), dann ist das ergebnisoffen?

Ich glaube, das werde ich wohl etwas anders sehen.

Wobei ich das durchklingende "Railroading ist, wenn Spieleraktionen nicht zum Erfolg führen" durchaus interessant finden. Ich hab den Eindruck, dass nicht wenige "Spielerfreiheiten"-Verfechter das implizit so sehen, es aber nicht laut aussprechen würden. ;)

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #47 am: 30.01.2010 | 15:46 »

Wobei ich das durchklingende "Railroading ist, wenn Spieleraktionen nicht zum Erfolg führen" durchaus interessant finden. Ich hab den Eindruck, dass nicht wenige "Spielerfreiheiten"-Verfechter das implizit so sehen, es aber nicht laut aussprechen würden. ;)

Nee, das halte ich nun wieder für Unsinn, ich glaube, da muss ich nach meinen obigen beispielen auch gar nicht mehr erklären, warum ...

In einem Detektivabenteuer würde ich normalerweise auch nicht den Täter ändern, weil die SC sich auf jemanden einschießen (obwohl das bei manchen Spielen wie Prime Time Adventure genau der Funktionsweise des Spiels entsprechen kann und Teil des Regelwerks, also der des "objektiven Mechanismus" ist). Allerdings würde ich sehen, dass ich die Rolle des entsprechenden NSC irgendwie aufwerte, indem ich ihm zusätzliche Eigenschaften, Absichten, usw. verleihe, die ihn potentiell in Konflikt oder Zusammenarbeit mit den Charakteren bringen. das verstehe ich darunter, auf die Spieler zu reagieren - mit ihrem Verdacht signalisieren sie ja vor allem: "He, der NSC ist interessant!" - und damit sollten sie dann auch recht behalten, weil potentiell jeder NSC interessant ist. Das ist aber nicht gleichzusetzen damit, dass ihre Aktionen automatisch zum Erfolg führen.

Offline Xemides

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #48 am: 30.01.2010 | 16:26 »
Detektivabenteuer wie du sie beschreibst, haben hauptsächlich etwas damit zu tun, dass man als Spieler möglichst effektiv die Gedanken des SLs lesen muss. Das ist das genaue Gegenteil von ergebnisoffen und wird auch Railroading genannt, und ist mitunter auch ein Grund, warum investigative Abenteuer, die so angegangen werden, oft scheitern, da Spuren und ihre Zusammenhänge, die dem SL offensichtlich erscheinen, den Spielern eben nicht einleuchten.

Das ist völliger Blödsinn.

Jeder Krimi arbeitet mit Indizienketten und Verdächtigungen. Schau dir mal die Klassiker an: Sherlock Holmes und Agatha Christies Miss Marple und Hercule Poiroit. Sorgfältig aufgebaute Indizien und Hinweise haben nichts mit Gedanken zu tun, sondern mit logischem Denken.

Ich hatte als Kind einen Heidenspass mit Krimis zum Selberlösen, und später mit Sherlock Holmes Kriminalkabinett. Und ich habe etliche MIdgard-ABenteuer gespielt, die so aufgebaut waren: Smaskrifter, die ganzen Richter Di Abenteuer etc. pp. Und wir haben uns nicht daran gestört.

Zitat
Entweder ich ziehe meinen Plot jetzt so durch, wie ich mir das ausgedacht habe, und wenn die Spieler am Ende den Mörder nicht finden, dann darf ich sie auslachen und als Loser verspotten.

Das ist bei uns noch nie vorgekommen, auch bei Cthulhu nicht.

Wenn die Spieler nicht weiterkommen, gebe ich ihnen halt eher Hilfestellung druch NSCs, Ideen-Würfe oder ähnliches. Da gibt es genug Möglichkeiten, ohne die Spieler allzusehr zu frustrieren zu müssen.

Zitat
Oder ich räume den Spielern Gestaltungsrechte ein und muss dann halt damit leben, dass eben nicht der Gärtner der Mörder ist, sondern die Köchin.

Ich ziehe ganz klar Variante 2 vor, denn so werde ich selbst als SL nicht nur entlastet, weil die Spieler einen guten Teil der kreativen Arbeit übernehmen, nein, obendrein habe ich als SL auch noch ein besseres Spielerlebnis, denn ich kann mich zurücklehnen und mich an den Ideen der Spieler erfreuen, anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich sie jetzt wieder zurück auf die richtige Spur bringe.

Und ich wäre als Spieler völlig enttäuscht, denn ich ziehe den Spass und die Herausforderung aus der Lösung des Falles, den der SL mir präsentiert, nicht daraus, den Täter selber zu bestimmen.

Zitat
Nachtrag: Bei guten Kriminalgeschichten ist es im Übrigen auch so, dass es immer mehrere Verdächtige gibt. Oft sind sogar alle Anwesenden irgendwie verdächtig und hätten einen verdammt guten Grund das Opfer zu ermorden.

Aber am Ende gibt es trotzdem nur einen Mörder, und der steht von vornherein fest. Sherlock Holmes oder Poirot präsentieren am Ende den wahren Täter und alle anderen sind entlastet.

Zitat

Da gilt dann auch wieder die Regel, dass man mit Red Herrings sparsam umgehen sollte und ansonsten nichts ins Spiel einbauen sollte, was nicht irgendwie relevant ist.

Geschmacksfrage würde ich sagen. Ich mag auch gute Red Herings.
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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #49 am: 30.01.2010 | 16:31 »
@carthinius
Detektivabenteuer wie du sie beschreibst, haben hauptsächlich etwas damit zu tun, dass man als Spieler möglichst effektiv die Gedanken des SLs lesen muss. Das ist das genaue Gegenteil von ergebnisoffen und wird auch Railroading genannt, und ist mitunter auch ein Grund, warum investigative Abenteuer, die so angegangen werden, oft scheitern, da Spuren und ihre Zusammenhänge, die dem SL offensichtlich erscheinen, den Spielern eben nicht einleuchten.

Hier kann man sich als SL jetzt überlegen:

Entweder ich ziehe meinen Plot jetzt so durch, wie ich mir das ausgedacht habe, und wenn die Spieler am Ende den Mörder nicht finden, dann darf ich sie auslachen und als Loser verspotten.

Oder ich räume den Spielern Gestaltungsrechte ein und muss dann halt damit leben, dass eben nicht der Gärtner der Mörder ist, sondern die Köchin.

Entschuldige, Ein, aber du verwechselst da etwas: Nur weil ich ein Beziehungsgeflecht habe, in dem eine Person definitiv eine feste Rolle hat, nämlich die des Mörders, habe ich noch lange keinen Plot, den ich railroadig abspule, ohne dass die Spieler darauf Einfluss hätten.
Und natürlich ist so etwas ergebnisoffen, weil ich ja nicht von vornherein Stationen festlege oder gar den Ausgang plane (der Mörder kann eben auch nicht geschnappt werden, dafür aber ein Unschuldiger am Galgen landen; ich sage nicht, dass Mord 2 und 3 auf keinen Fall verhindert werden können etc.)

Variante 2 ist eher praktikabel, wenn man sagt "ich gebe eine Grundsituation, macht was draus!" und zwar Morde festlegt, aber keinen Mörder. Ist möglich, finde ich aber widersprüchlich zur Ausgangssituation und macht Sachen wie Alibis und Verdächtigungen nur noch schwieriger, weil dann nicht einmal mehr der SL Möglichkeiten hat, sich an etwas entlang zu hangeln. Mag dir gefallen, mir eher weniger; daraus aber zu schließen, dass alles andere kein "freies Spiel" mehr ist oder gar gleich Railroading, finde ich gewagt.

Ich ziehe ganz klar Variante 2 vor, denn so werde ich selbst als SL nicht nur entlastet, weil die Spieler einen guten Teil der kreativen Arbeit übernehmen, nein, obendrein habe ich als SL auch noch ein besseres Spielerlebnis, denn ich kann mich zurücklehnen und mich an den Ideen der Spieler erfreuen, anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich sie jetzt wieder zurück auf die richtige Spur bringe.
Es gibt ja gar keine richtige Spur! Das ist doch der Witz: Kein Plot, aber feste Rollen.

"Railroading ist, wenn Spieleraktionen nicht zum Erfolg führen"
Nein, Railroading ist, wenn Spieleraktionen letztlich egal sind und damit folgenlos bleiben. Das ist ein gewaltiger Unterschied! Natürlich können Spieleraktionen auch nicht zum Erfolg führen, aber da ich keinen Ausgang geplant habe, für den ich z.B. zwingend einen Spielererfolg benötige, hat das Scheitern Konsequenzen.
Bei DSA umgeht man dieses Problem des "ich brauche jetzt aber dringend erfolgreiche SC!" gern damit, dass man NSC mitschickt, die in wichtigen Situationen mit einem "ich regel das mal schnell" die Story in die richtige Richtung schubsen. Auch dadurch sind Spieleraktionen letztlich belanglos.
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