Autor Thema: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.  (Gelesen 7167 mal)

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Offline Hanfmann

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #50 am: 3.10.2011 | 16:23 »
Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
Ein einfaches Beispiel: Was ist das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt? Da das Gros der Leute körperliche Arbeit leistet, wird es ein körperliches Attribut sein (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution o. Ä.). Wenn ich das System in dieser Welt gerecht haben will, muss ich die Mechanismen so ausrichten, dass die Gewichtung der Attribute eine Gerechtigkeit erzeugt. (Stärke mag wichtig sein, aber dafür richten wir die Fertigkeiten so ein, dass hier Intelligenz viel bringt. So macht es beispielsweise D&D 3, da dort die Zahl der Fertigkeitspunkte von der Intelligenz abhängt.)
Jetzt gehen wir in eine andere Welt: Unsere eigene. Was ist das wichtigste Attribut in unserer Zeit? Ohne Frage Intelligenz, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Hier müssten die Regelmechanismen völlig anders für Gerechtigkeit sorgen. (Wenn ich auch noch mehr Fertigkeitspunkte für die ohnehin so nützliche Intelligenz bekomme, wird die Ungleichheit noch verstärkt.)
Deine Ausführungen sind aber nicht zu Ende gedacht. Nur weil Intelligenz in der Moderne wichtiger ist, heißt das nicht, dass alle Charaktere automatisch hochintelligent sein müssen. Die meiste Technik heutzutage kann auch vom Durchschnitt bedient werden.
Außerdem ändert sich die Auswahl deiner Attribute innerhalb einer Klasse nicht wirklich:
Spiele ich im Mittelalter einen Kämpfer brauche ich deine Auswahl. In der Moderne brauche ich dann für Feuerwaffen primär Geschicklichkeit um Ziele zu treffen. Dann natürlich Konstitution um auch Treffer wegstecken zu können und, wenn ich auch entsprechend große Waffen wie Maschinengewehre benutzen möchte auch Stärke um diese Waffen zu tragen.
Das einzige, was sich im Fokus von Mittelalter zu Moderne verschiebt ist der von Nah- auf Fernkampf. Die Attribute bleiben, je nachdem was für einen Charakter ich spiele, aber trotzdem gleich wichtig. Und Fernkämpfer gibt es auch im Mittelalter, nur nicht mit so hochentwickelten Waffen.
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Offline Oberkampf

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #51 am: 4.10.2011 | 20:41 »
Also bei längerem Nachdenken entsteht bei mir tatsächlich der Eindruck, dass Gerechtigkeit (Ausgewogenheit) in generischen Systemen unsinnig ist. Besonders, wenn sie ausdrücklich viele Genres mit unterschiedlichen Merkmalen konkret abdecken wollen. Eine MP in einem grim&gritty dark future Setting ist nunmal besser (effektiver) als eine Schwarzpulverpistole mit Vorderlader aus einem Piratenpulpsetting. Also wird der aufgecyberte Gunslinger immer mit mehr Wumms (und wahrscheinlich auch höherer Trefferwahrscheinlichkeit) schießen als der Piratenkapitän des Segelzeitalters.

Folgerung: die "Gerechtigkeitsfrage" stellt sich, und soweit kann ich mit Lichtbringer sogar mitgehen, erst im Spielsetting (möglicherweise sogar erst in der bestimmten Kampagne), wo definiert werden muss, welche Regeln des generischen Regelwerks für die Spielwelt verwendet werden.
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Offline 1of3

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #52 am: 4.10.2011 | 22:07 »
Ich halte die Diskussion immer noch für unsinnig. Eine MP ist nur besser, wenn die Regeln sagen, dass sie besser ist. Die Regeln sind aber völlig arbiträr. Bei Wushu ist eine MP nicht besser als ein Vorderlader.

Offline Dark_Tigger

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #53 am: 4.10.2011 | 22:26 »
@Sniper
Ja und in D&D ist ein +1 Schwert besser als ein stinkgewöhnlicher Dolch.
Trotzdem hat ein Dolch in gewissen Situationen seinen Nutzten. Diese gilt es als Spieler zu erkennen und auszunutzten.
In einem Generischen System ist es ähnlich mit MP und Vorderlader Muskete. Oh ja die MP IST so rein und für sich gesehen nützlicher.
Aber es gibt Situationen (Settings) da taugt sie nichts weil es sie nicht gibt.
Jedes Spiel das regeltechnische Unterschiede zwischen verschiedenen Waffen macht, ist damit "ungerecht".
Wenn wir so anfangen sind nur Systeme "gerecht" bei denen man immer mit einem w6 auf die 4 werfen muss (w4 auf die 3, w8 auf die 5 du weißt was ich meine) und die einzigen Ergebnisse "klappt" und "klappt nicht" sind. Vielleicht noch Systeme wo man mit einem Würfel würfelt und jede Zahl eine andere Qualität Ergebniss erbringt.
Aber alles wie Attribute, Skills, Fähigkeiten, Ausrüstung müsste dann raus.
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Offline Oberkampf

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #54 am: 4.10.2011 | 23:08 »
Ich halte die Diskussion immer noch für unsinnig. Eine MP ist nur besser, wenn die Regeln sagen, dass sie besser ist. Die Regeln sind aber völlig arbiträr. Bei Wushu ist eine MP nicht besser als ein Vorderlader.

Ja, das ist grundsätzlich richtig. Mir geht es aber darum, dass in dem (fiktiven) generischen Regelwerk aus meinem Beispiel sehr detailliert unterschieden wird. Es gibt darin einmal eine MP für den Stil "pseudorealistisches grim&gritty Future", und einmal eine Schwarzpulverpistole für "Pulp-Piraten". Das Regelwerk deckt alle möglichen spielbaren Genres ab, und da muss eine "pseudorealistische grim&gritty" Waffe "der Zukunft" einer Pulp-Waffe in den Auswirkungen überlegen sein. Umgekehrt muss auch ein "pseudorealistisches grim & gritty" Dark-Fantasy-Entermesser regelmechanisch einem pulp-Laserschwert überlegen sein, und das angenommene Beispielsystem regelt das sehr konkret & detailliert.

Der Trick ist aber, dass in so einem Fall nicht alle Regeloptionen im Setting (in der Kampagne) verwendet werden. Und darum ergibt nach meiner Auffassung eine Diskussion um Ausgewogenheit erst auf der Ebene des bespielten Settings einen Sinn.

In dem Fall, den du beschreibst, sind die Regeln sehr abstrakt gehalten und im Setting werden nur die einzelnen "Hüte" oder Ausprägungen ausgetauscht. Es würde dann nicht zwischen MP und Schwarzpulver unterschieden, sondern nur "Schusswaffe" vermerkt, oder vielleicht sogar noch abstrakter "Fernkampfangriff" (kann auch mag. Geschoss sein) mit seinen mechanischen Auswirkungen.

@Dark-Tigger:

Ich verstehe deinen Punkt jetzt nicht ganz. Dass es in einer ganz speziellen Spielsituation mal vorkommen kann, dass eine regelmechanisch ansonsten durchgehend schlechtere Option ausnahmsweise mal vorteilhaft ist, kann vorkommen. Allerdings sind das dann eben Ausnahmefälle - und wie oft kommt es zu denen?

Im schlimmsten Fall führt das zu Forderungen, der SL müsse solche Situationen künstlich herstellen, weil der SL das Spiel (die unbalancierte Spielmechanik) ausgleichen müsse. Fast genauso schlimm ist das Verwenden schlechter Spieloptionen aus "Stylegründen", wenn es nicht sehr begrenzt bleibt. Dann besteht die ernsthafte Gefahr des "Luschenspiels".

Im nur wenig besseren Fall werden die in 99% aller Spielsituationen ungünstigeren Optionen nicht gewählt (nach meinem Eindruck auch oft selbst von den Leuten nicht, die sich ausdrücklich nicht als "Powergamer" verstehen). Dann sind die miserabel ausgebalancten Sachen Scheinoptionen.

Grundsätzlich ist nicht jeder kleine Unterschied "ungerecht" - weder zwischen Waffen, noch zwischen Klassen, Fertigkeiten, Attributen, Talenten usw. Wenn man sich aber die angestrebten (und meistens auch propagierten) Hauptspielinhalte eines Systems anschaut, dann kann es schon passieren, dass einige Optionen (z.B. Klassen) durchweg oder deutlich überwiegend schlechter wegkommen als andere. Klar kann man dann sagen, dass die jeweilige Spielrunde ja nicht die von den Designern angestrebten Spielinhalte spielen muss, sondern etwas komplett anderes (also z.B. D&D ohne Dungeons und ohne Kämpfe), wo das Ungleichgewicht nicht auffällt. Aber das spricht nicht gerade für das System.
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Offline Roland

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #55 am: 4.10.2011 | 23:46 »
Also bei längerem Nachdenken entsteht bei mir tatsächlich der Eindruck, dass Gerechtigkeit (Ausgewogenheit) in generischen Systemen unsinnig ist. Besonders, wenn sie ausdrücklich viele Genres mit unterschiedlichen Merkmalen konkret abdecken wollen. Eine MP in einem grim&gritty dark future Setting ist nunmal besser (effektiver) als eine Schwarzpulverpistole mit Vorderlader aus einem Piratenpulpsetting. Also wird der aufgecyberte Gunslinger immer mit mehr Wumms (und wahrscheinlich auch höherer Trefferwahrscheinlichkeit) schießen als der Piratenkapitän des Segelzeitalters.

Der Trick ist aber, dass in so einem Fall nicht alle Regeloptionen im Setting (in der Kampagne) verwendet werden. Und darum ergibt nach meiner Auffassung eine Diskussion um Ausgewogenheit erst auf der Ebene des bespielten Settings einen Sinn.

Wann wäre denn diese Überlegenheit diverser Waffen gegenüber anderen ein Gerechtigkeitsproblem? Doch nur, wenn die Charaktere untereinander die Waffen nicht tauschen bzw. neue, bessere (und damit auch die besten) erwerben und benutzen könnten.
Dafür gibts Ausgleichsmechanismen, zu betrachten z.B. bei D&D 4 oder TORG.


Grundsätzlich ist nicht jeder kleine Unterschied "ungerecht" - weder zwischen Waffen, noch zwischen Klassen, Fertigkeiten, Attributen, Talenten usw. Wenn man sich aber die angestrebten (und meistens auch propagierten) Hauptspielinhalte eines Systems anschaut, dann kann es schon passieren, dass einige Optionen (z.B. Klassen) durchweg oder deutlich überwiegend schlechter wegkommen als andere. Klar kann man dann sagen, dass die jeweilige Spielrunde ja nicht die von den Designern angestrebten Spielinhalte spielen muss, sondern etwas komplett anderes (also z.B. D&D ohne Dungeons und ohne Kämpfe), wo das Ungleichgewicht nicht auffällt. Aber das spricht nicht gerade für das System.

Es gibt sicher ungerechte, generische Systeme (ich spiele z.B. gerade CoC). Das ist aber doch kein Beleg dafür, dass keine generischen und gerechten existieren.
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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #56 am: 5.10.2011 | 01:07 »
Eine MP ist besser als eine Schwarzpulverpistole. Ja. Und? Das hat nur Einfluss aufs Balancing, wenn beide Waffen im selben Setting auftauchen und in Konkurenz zueinander gestellt werden.

Generisch heißt aber nicht, dass alle Optionen im selben Setting vorkommen, sondern, dass jedes Setting bespielt werden kann.

Man kann einen Gegner, der mit einem Messer ausgerüstet ist, bestimmt besser und sicherer und zuverlässiger mit einer MP erledigen, als mit einer Streitaxt. Aber dann nimmt der Messerkämpfer nur ein geringeres Gefahrenpotential innerhalb des Settings ein. Mit Balance hat das nichts zu tun.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #57 am: 5.10.2011 | 08:57 »
Eine MP ist besser als eine Schwarzpulverpistole. Ja. Und?

Je nach System kann sogar die Schwarzpulverpistole besser sein. Unrealistisch? Ist mir scheißegal  ;D

Offline Dark_Tigger

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #58 am: 5.10.2011 | 09:47 »
Ich verstehe deinen Punkt jetzt nicht ganz. Dass es in einer ganz speziellen Spielsituation mal vorkommen kann, dass eine regelmechanisch ansonsten durchgehend schlechtere Option ausnahmsweise mal vorteilhaft ist, kann vorkommen. Allerdings sind das dann eben Ausnahmefälle - und wie oft kommt es zu denen?

Mein Punkt ist wenn du das Argumentationsmuster so hochziehst wie du es mit der MP, und dem Vorderlader getan hast, wirds schnell seeeeehr eng was "gerechte" Systeme angeht.
Jedes Spiel das nur ansatzweiße die Realität abbilden will ist dann ungerecht. Und viele die es nicht tun auch.
Vor allem bei Ausrüstung. In Spielen wo Ausrüstung wichtig ist, ist das ergattern von "besserer" (ungerechter) Ausrüstung ja häufig Teil des Spaßes. Warum wohl? Weil der Chara dadurch besser wird in dem was er tut.
Dann könnte man schlicht und ergreifend den Titel des Threads in "Gamistische/Simulationistische Systeme und Gerecht schließen sich aus" ändern.
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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #59 am: 5.10.2011 | 11:08 »
Wann wäre denn diese Überlegenheit diverser Waffen gegenüber anderen ein Gerechtigkeitsproblem? Doch nur, wenn die Charaktere untereinander die Waffen nicht tauschen bzw. neue, bessere (und damit auch die besten) erwerben und benutzen könnten.
Dafür gibts Ausgleichsmechanismen, zu betrachten z.B. bei D&D 4 oder TORG.

Besagte Ausgleichmechanismen hatte ich im Blick, als ich die Hauptspielinhalte erwähnte. Beispielsweise mögen einige Waffen- und Rüstungsoptionenoptionen schlechter im Kampf sein als andere. Die besseren Waffen können aber nur von bestimmten Klassen (bspw. Kriegern) verwendet werden, was ausgleicht, dass diese Klassen nicht über Zauberkraft verfügen, was bei anderen Charakteren, die nur "zweitklassige" Waffen verwenden dürfen, der Fall ist. Damit ist die Ungleichheit der Waffenstärke vom Blickpunkt des Spielinhalts "Kampffertigkeit" gesehen eben nicht ungerecht.

TORG ist ein eigenes Problem - da sind die Kosmen ja durch die Axiome ausbalanciert. Nippon Tech scheint mir etwas schwach zu sein, verglichen mit Aysle, Nile und Cyberpapacy. Trotzdem funktioniert es bei TORG zumindest der Theorie nach über Ausgleichsmechanismen. Godlight Laser haben einen Schadenswert, der weit über Aysle-Schwarzpulverwaffen liegt, dafür kann ein Charakter aus Aysle leichter Zauber anwenden, die ein höheres Magielevel voraussetzen.

Es gibt sicher ungerechte, generische Systeme (ich spiele z.B. gerade CoC). Das ist aber doch kein Beleg dafür, dass keine generischen und gerechten existieren.

Naja, generische + gerechte Systeme bedürfen einer äußerst hohen Abstraktionsstufe und eine Detailarmut, damit sich die Gerechtigkeitsfrage nach meiner Ansicht überhaupt erst stellt. Ansonsten kann das generische System im Vergleich bessere, stärkere Optionen anbieten, so viel es will, weil für das Setting ja sowieso nur die passenden ausgewählt werden. In einem Piratensetting gibt es einfach keine Laserpistolen, dann ist der Unterschied im generischen GRW völlig egal.

Eine MP ist besser als eine Schwarzpulverpistole. Ja. Und? Das hat nur Einfluss aufs Balancing, wenn beide Waffen im selben Setting auftauchen und in Konkurenz zueinander gestellt werden.

Generisch heißt aber nicht, dass alle Optionen im selben Setting vorkommen, sondern, dass jedes Setting bespielt werden kann.

Genau! Darauf wollte ich die ganze Zeit hinaus.

Je nach System kann sogar die Schwarzpulverpistole besser sein. Unrealistisch? Ist mir scheißegal  ;D

Dazu zitiere ich mich mal selbst:
Es gibt darin einmal eine MP für den Stil "pseudorealistisches grim&gritty Future", und einmal eine Schwarzpulverpistole für "Pulp-Piraten". Das Regelwerk deckt alle möglichen spielbaren Genres ab, und da muss eine "pseudorealistische grim&gritty" Waffe "der Zukunft" einer Pulp-Waffe in den Auswirkungen überlegen sein. Umgekehrt muss auch ein "pseudorealistisches grim & gritty" Dark-Fantasy-Entermesser regelmechanisch einem pulp-Laserschwert überlegen sein, und das angenommene Beispielsystem regelt das sehr konkret & detailliert.

Hervorhebung von mir. Die Annahme ist, dass das generische System sowohl Werte/Waffen für grim&gritty (pseudorealistisch) anbietet, als auch für pulp ("heroisch"). Dann dürften die grim&gritty Waffen mehr Schlagkraft haben als die Pulp-Waffen. Aber auch hier werden in einer Kampagne nur die Optionen aus dem Angebotspool genutzt, die für den Flair relevant sind.

Mein Punkt ist wenn du das Argumentationsmuster so hochziehst wie du es mit der MP, und dem Vorderlader getan hast, wirds schnell seeeeehr eng was "gerechte" Systeme angeht.

Ja und Nein. Es trifft zu, dass viele Systeme sich vor der Frage drücken, oder sie entweder ausdrücklich oder implizit ausschließen (unten dazu mehr). Aber es gibt auch Systeme, die sich zumindest Mühe geben. Ich kenne nicht viele, das stimmt, aber ich würde z.B. D&D(4) und Warhammer(3) trotz völlig unterschiedlicher Spielziele dazu zählen.

Jedes Spiel das nur ansatzweiße die Realität abbilden will ist dann ungerecht. Und viele die es nicht tun auch.

Das erste stimmt, glaube ich. Aber ich halte ohnehin den Anspruch, in Rollenspielen die Realität abzubilden, für übertrieben. Dazu gabs aber irgendwo schonmal einen Thread. Kurz gesagt ist mein Anspruch eher, nach den Regeln zu spielen und in ungeregelten Bereichen minimale Glaubwürdigkeit zu bewahren, je nach Stimmung zum Vor- oder Nachteil der SCs. Realitätsabbildende RollenSPIELsysteme nehme ich kaum ernst, da würde ich auch keine Gerechtigkeitsfragen an sie richten.

Für die Systeme, die für sich nicht den Anspruch erheben, die Realität abzubilden, gibt es mehrer Möglichkeiten zur Positionierung. Entweder die Unausgeglichenheit gehört ausdrücklich zum Programm (z.B. bei Buffy), dann ist es Unsinn, nach Fairness zu fragen.

Oder sie wird zumindest implizit vorausgesetzt , weil es genrepassend ist (teilweise z.B. Warhammer 1 + 2, wo Elfen einfach besser sind). Wenn man die mit dem Anspruch "spielt", eine genrepassende Welt zu simulieren, dann ist die Gerechtigkeitsfrage nicht von Belang. Wenn tolkiensche Elfen eben in allen Angelegenheiten besser sind als Menschen, zwerge oder Halblinge, dann muss das im Spiel so wiedergegeben werden, und das ist Unausgeglichen. (Über die zweifelhaften Versuche von WHFRPG, die wertmechanisch besseren Elfen durch eine Einschränkung bei der Gesinnungsauswahl auszugleichen, breite ich lieber den Mantel des Schweigens aus.)

Wenn das Spiel aber mit dem Anspruch formuliert ist, den SCs für die Hauptspielinhalte (wichtig!) mehrere spielbare Optionen zur Auswahl zu stellen, dann muss jede Ungleichheit der Optionen daraufhin untersucht werden, ob sie anderswo einigermaßen ausgeglichen wird. Treffsichere 100% mag es da nicht geben, aber ein weitreichender Konsens reicht völlig.

Vor allem bei Ausrüstung. In Spielen wo Ausrüstung wichtig ist, ist das ergattern von "besserer" (ungerechter) Ausrüstung ja häufig Teil des Spaßes. Warum wohl? Weil der Chara dadurch besser wird in dem was er tut.

Das Argument verstehe ich nicht. Auch wenn ein System fair & ausgewogen ist, sollen sich die Charaktere doch verbessern dürfen, z.B. durch Aufstieg oder Ausrüstung. In einigen Spielen gehört das Erbeuten von Ausrüstung klar zum Spielinhalt, z.B. bei D&D in jeder der Inkarnationen. Wenn man da auf Tabellen würfelt, auf denen für jede Klasse was geeignetes draufsteht, dann ist das eine Verteilung durch Lose, die nicht an sich ungerecht ist und sich auf lange Sicht hin ausmittelt. Genauso bei Gleichverteilung durch Wunschgegenstände (D&D4) usw. Unfair kann es nur werden, wenn das Erbeuten von Gegenständen nicht geregelt ist, sondern dem Spielleiter nach Gutdünken überlassen ist, und der SL dann nach Sympathie verteilt (oder an den Spieler, der am lautesten jammert). (Das gefällt mir übrigens an Earthdawn nicht so: es gibt keine Regeln für das Verteilen von Geld und Beute/Fadengegenstände.)

Dann könnte man schlicht und ergreifend den Titel des Threads in "Gamistische/Simulationistische Systeme und Gerecht schließen sich aus" ändern.

Das Argument verstehe ich auch nicht ganz, aber das würde zu einer längeren Diskussion über Gameismus führen. D&D(4) halte ich z.B. für ein Spiel mit ausgeprägten "gamistischen" Zügen, und ich finde es ziemlich fair.

Was ausdrücklich simulatorische Rollenspiele angeht, da würde ich dir Recht geben, aber welches Spiel (außer ein paar Indies) beschränkt sich so stark auf eine Spielrichtung?

Edit: Noch ein paar Anmerkungen zu anderen Posts eingefügt

« Letzte Änderung: 5.10.2011 | 11:34 von youth nabbed as sniper »
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Offline Dark_Tigger

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #60 am: 5.10.2011 | 11:36 »
Okay realität abbilden, ist vielleicht Falsch formuliert gewesen.
Was ich meinte ist ein Regelsystem das offensichtlich Erfahrbare Dinge abzubilden versucht. (Also Beispielsweise: Im offnen Kampf hab ich Lieber ein Schwert als einen Dolch) Nennen wir das Glaubwürdigkeit in Ordnung.

Das Argument verstehe ich nicht. Auch wenn ein System fair & ausgewogen ist, sollen sich die Charaktere doch verbessern dürfen, z.B. durch Aufstieg oder Ausrüstung. In einigen Spielen gehört das Erbeuten von Ausrüstung klar zum Spielinhalt, z.B. bei D&D in jeder der Inkarnationen. Wenn man da auf Tabellen würfelt, auf denen für jede Klasse was geeignetes draufsteht, dann ist das eine Verteilung durch Lose, die nicht an sich ungerecht ist und sich auf lange Sicht hin ausmittelt. Genauso bei Gleichverteilung durch Wunschgegenstände (D&D4) usw. Unfair kann es nur werden, wenn das Erbeuten von Gegenständen nicht geregelt ist, sondern dem Spielleiter nach Gutdünken überlassen ist, und der SL dann nach Sympathie verteilt (oder an den Spieler, der am lautesten jammert). (Das gefällt mir übrigens an Earthdawn nicht so: es gibt keine Regeln für das Verteilen von Geld und Beute/Fadengegenstände.)
Aber dein Argument war doch MP besser als Vorderlader (ich nehme an Pistole). Wenn ich jetzt, in einem Egal wie fairen Verfahren ein BESSERES Werkzeug bekommen kann. Bleibt doch der Punkt das dieses Neue Werkzeug besser ist als das alte.

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« Antwort #61 am: 5.10.2011 | 11:59 »
Aber dein Argument war doch MP besser als Vorderlader (ich nehme an Pistole). Wenn ich jetzt, in einem Egal wie fairen Verfahren ein BESSERES Werkzeug bekommen kann. Bleibt doch der Punkt das dieses Neue Werkzeug besser ist als das alte.

Ja, ich kann dir insoweit folgen, dass es bessere und schlechtere Gegenstände gibt. Allerdings ging es mir primär um die Auswahl bei der Charaktererschaffung.

Wenn für einen Lvl. 1 Charakter sowohl MP als auch Vorderlader zur Auswahl stehen, die MP mechanisch besser ist und keine anderen Regelmechanismen auf die Wahl Einfluss haben (solche wären z.B. bei Torg Technikaxiome), wird zu 90% die MP genommen, und bei den 10%, die es nicht machen, besteht die Gefahr des Luschenspielertums. Damit hat men erstmal nur eine Ungleichheit (MP, Vorderlader), aber keine Ungerechtigkeit.

Wenn jetzt Regelmechanismen eine Klasse (Profession usw.) dazu verpflichten, den Vorderlader zu nehmen, ohne dass Regelmechaniken das verschwundene Kampfpotential ausgleichen, wird die Ungleichheit ungerecht.

In einem Spiel, wo Beute/Ausrüstung eine große Rolle spielt, ist es nicht ungerecht, wenn eine "lvl 12 Waffe" besser ist als eine "lvl 1" Waffe. Das ist einfach eine Ungleichheit, die damit gerechtfertigt wird, dass die Waffe i.d.R. erst auf höherem Level erbeutet wird. Ungerecht wird es dann, wenn es in der Menge der lvl 12 Gegenstände einzelne bessere Gegenstände gibt, die nur bestimmte Charaktere verwenden dürfen oder es einzelne schlechtere Gegenstände gibt, die von bestimmten Klassen/Charakteren verwendet werden müssen und gleichzeitig keine anderen Regeln diese Mechanismen ausgleichen.
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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #62 am: 5.10.2011 | 12:17 »
Wenn jetzt Regelmechanismen eine Klasse (Profession usw.) dazu verpflichten, den Vorderlader zu nehmen, ohne dass Regelmechaniken das verschwundene Kampfpotential ausgleichen, wird die Ungleichheit ungerecht.

Okay genau mit dieser Einschräkung hast du recht.
Das würde dann aber wieder nur auf "generische" Spiele zutreffen die über irgend eine Art von Klassen-System verfügen
(egal wie man das Kind nennt) und selbs unter denen nur auf die bei denen es solche Ausrüstungseinschränkungen gibt.
Naja okay das mag in der einen oder anderen Form noch recht häufig sein.
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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #63 am: 6.10.2011 | 21:49 »
Dieser Faden ist besser im Allgemeinen aufgehoben als hier.

Schieb.