Autor Thema: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten  (Gelesen 15869 mal)

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Offline Beral

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Ich möchte zunächst einen klassischen regelmechanischen Aspekt und seine Wirkung auf das Spielverhalten und Spielerlebnis analysieren. Anschließend sollen zwei Beispiele zeigen, wie es anders aussehen kann.

Klassischer Fall: Die Ressourcen des Charakters sind direkt im oder am Charakter festgemacht. Das sind seine Skills und seine Ausrüstung. Das hebt ihn über den "Durchschnittsbürger".
Die Folgen: Charaktere sind losgelöst von der Spielwelt. Alles dreht sich um den Charakter selbst. Seine Entwicklung, seine Ziele, immer geht es um den Charakter direkt. Ein Punkt mehr im Kampfskill bringt ihn regelmechanisch voran. Eine eroberte Burg dagegen nicht. Die Burg hat keinen regelmechanischen Wert, sie ist nur Kulisse. Die ganzen Bewohner der Burg, ihre Arbeitskraft, alle materiellen Ressourcen in der Burg haben regelmechanisch keinen Wert. Wir haben mal in ad&d eine Burg von Unheil befreit und sie geschenkt bekommen. Damit konnten wir einfach nichts anfangen. Wir ließen sie stehen und machten weiter wie bisher, als umherziehende Abenteurer. Die Regelmechaniken sehen den Einsatz von Umweltressourcen einfach nicht in ausreichendem Maße vor. Das degradiert die Spielwelt zur Kulisse. Selbst wenn der SL bereit ist, eine Integration der Gruppe in die Spielwelt zu ermöglichen, funktioniert das einfach nicht, so wie in unserem Fall. Es fehlen die Mechaniken, um eine Burg zu einer spielbaren Ressource zu machen. Die Burg ist jetzt nur ein Beispiel.

Schnitt. Alternativen.

Stellt euch folgendes Regelsystem vor. Kernelement sind Bedürfnisse, die in Regelkreisen abgebildet werden (mit Sollwert und Istwert). Beispiel sei das Geltungsbedürfnis. Angeblich streben wir Menschen ja danach, von anderen geschätzt zu werden. Wir basteln uns eine fünfstufige Skala von "geringes Geltungsbedürfnis" bis "hohes Geltungsbedürfnis". Irgendwo auf dieser Skala hat jeder Char seinen individuellen Sollwert. Ein Char mit Sollwert 1 braucht sehr wenig soziale Wertschätzung, einer mit Sollwert 5 sehr viel. Machen wir daraus konkrete Anforderungen: Mit Sollwert 1 braucht man einmal pro Tag Lob von einer anderen Person, mit Sollwert 5 braucht man 5 mal am Tag Lob bzw. Lob von fünf Personen.

Die Situation im Spiel stellt den Istwert dar. Konkret für dieses Beispiel also jede Form von erhaltener Wertschätzung. Weicht der Istwert vom Sollwert ab, geht es dem Charakter schlecht. Sein Bedürfnis ist nicht befriedigt oder überbefriedigt. Sagen wir, es gibt pro Punkt Abweichung vom Sollwert einen Stresspunkt (der sich negativ auf sämtliche Proben auswirkt). Unser anspruchsloser Einzelgänger mit Sollwert 1 ist mit sich selbst im Reinen, wenn er einmal am Tag etwas gut macht und dafür gelobt wird. Hat er den Tag vermplempert und niemand hat ihm Zuspruch gegeben, erhält der Char einen Stresspunkt. Hat er seine Sache zu gut gemacht und wird plötzlich von drei Leuten über den Klee gelobt, ist er ob so viel Aufmerksamkeit ebenfalls gestresst. Jeder Charakter ist also dauernd bestrebt, die Situation so zu gestalten, dass der Istwert dem Sollwert entspricht.

Lassen wir mal außen vor, ob diese Mechanik in der Form schon spielreif ist. Gehen wir davon aus, dass sie funktioniert und überlegen uns, welche Auswirkungen das auf das Spielverhalten und das Spielerlebnis hat.
Hier wird plötzlich Charakterdarstellung gefordert! Unabhängig davon, in welchem Abenteuer sich die Gruppe gerade befindet, versucht unser stiller Einzelgänger immer im Hintergrund zu bleiben. Der geltungsbedürftige Partner mit maximalem Sollwert drängt sich dagegen permanent in den Vordergrund und verlangt nach positiver Aufmerksamkeit. Stellen wir uns vor, die Gruppe ist auf einer langen Reise durch den Wald. Wochenlang bekommt sie niemanden zu Gesicht. Mit klassischem System sind jetzt Würfe auf Überleben oder sowas fällig. Wenn die Gruppe die Sache ausspielen will, wird die Jagd nach Tieren näher beschrieben. Spur finden, Spur folgen, Orientierung nicht verlieren, Erfolgreich auf das Reh schießen. Mit der alternativen, bedürfniszentrierten Regelmechanik wird die Jagd selbst zur Nebensache. Zentral ist hier, dass der geltungsbedürftige Char irgendwie sein hohes Bedürfnis befriedigen muss! Er läuft also frühmorgens zur Jagd raus und erhält von den anderen Lob. Er bietet sich als Koch an und wird dafür gelobt. Er übernimmt bereitwillig die erste Wache usw. Der Fokus ist plötzlich ein anderer. Der Spieler dieses Charakters muss sich überlegen, wie er seinen Kameraden imponieren kann. Das wird zum Spielinhalt. Und ganz unabhängig von Überlebensskills werden bestimmte Charaktere lange Reisen hassen. Aber nicht einfach, weil es Fluff in der Charakterbeschreibung ist, sondern weil die Regelmechanik eine Reise zu einer echt stressigen Angelegenheit macht.


Zweites Alternativbeispiel.

Von der klassischen Regelmechanik ausgehend, verschieben wir die Ressourcen vom Charakter auf die Umwelt. Freunde, Familie, Besitz, Untergebene, der eigene Rang, Beziehungen usw. werden regelmechanisch abgebildet. Eine gute Partnerschaft gibt +2 auf Erholung vom Stress. Persönliche Bekanntschaft mit dem Chef gibt +2 auf einen Streit mit gleichgestellten Kollegen. Verwandtschaft mit dem Chef gibt gleich +4 Bonus im firmeninternen Streit. Wichtige Beziehungen werden gezählt. Je mehr davon, desto höher die Chance, im Bedarfsfall einen Unterstützer zu finden. Du willst einen Feind umbringen? Mach einen Check auf Beziehungen. Pro 5 Beziehungen gibt es einen Bonus von +1 darauf, dass du diskret einen Auftragsmörder findest. Du kannst natürlich auch selbst zur Waffe greifen. Aber je geringer dein Skill als Killer ist, desto höher die Chance, dass du als Mörder enttarnt wirst. Typischerweise haben die Helden die Rolle von Killern inne. In einem solchen Regelsystem wäre das aber überhaupt nicht attraktiv! Der Killer ist hier mechanisch bedingt nicht attraktiv. Der klassische Rollenspielheld zieht durch die Welt und killt immer stärkere Gegner, weil er dadurch immer bessere Skills und Ausrüstung bekommt. Der mechanische Belohnungsmechanismus erzwingt das Verhalten im Spiel. Wenn die Belohnungen aber vom Charakter auf die Umwelt verschoben werden, wird plötzlich Netzwerkpflege wichtig. Die Bekanntschaft mit einem weiteren Baron aus der Umgebung ist direkt belohnend. Das Schlachten eines Skeletts ist es nicht mehr. Die Spieler würden sich zwangsläufig um andere Dinge kümmern.

So weit meine frischen Gedanken zum Thema. Was meint ihr?
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Offline Tim Finnegan

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #1 am: 2.11.2011 | 18:44 »
Zur Alternative 1 solltest du mal einen Blick auf Pendragon werfen.
Neben den branchenüblichen Attributen und Skills hat man Charakter Traits als Wertepärchen (etwa Chaste/Wordly) mit gekoppelten Werten, bei denen eine probe tatsächlich das verhallten bestimmt und das Verhallten eine Probe auf Änderung erbringt (Beispiel: Bin ich sehr Keusch muss ich eine probe bestehen um nicht Keusch zu sein. Bin ich von mir aus Keusch, muss ich eine Probe bestehen um nicht Heuscher zu werden).
Zudem gibt es Passions. Wenn mein Charakter eine Passion hat, ergibt sich in allen betreffenden Situationen ein Bonus oder Malus. Spiele ich meinen Charakter, entwickeln sich aus meinen Taten Passions.
« Letzte Änderung: 2.11.2011 | 19:28 von Coldwyn »
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Online 1of3

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #2 am: 2.11.2011 | 18:55 »
So weit meine frischen Gedanken zum Thema. Was meint ihr?

Ja, das stimmt wohl soweit. Spielmechanismen beeinflussen, wie die Leute spielen. Das ist eigentlich die zentrale Idee am Spieldesign: Sich zu überlegen, wie der Endnutzer die Regeln, die man erstellt, wohl ausnutzen wird.

Möchtest du jetzt eine oder beide Alternativlösungen diskutieren und ggf. rausfinden, ob es das schon irgendwo gibt oder ob jemand mit solchen Mechanismen Erfahrung hat? Oder möchtest du ausgehend von dem Beispiel versuchen herauszufinden, wie Spielmechanismen das Spielen beeinflussen? Oder was ganz Anderes?

Offline mat-in

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #3 am: 2.11.2011 | 19:14 »
Ich denke es ist nichtmal der Konfliktresolutionsmechanismus, sondern das Belohnungsystem ausschalggebend.

EXP für tote Gegner? Schon steht die Gruppe Knietief im Blut.
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Offline Beral

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #4 am: 2.11.2011 | 20:31 »
Ich denke es ist nichtmal der Konfliktresolutionsmechanismus, sondern das Belohnungsystem ausschalggebend.
Ja, das ist wohl die Kernaussage der bisherigen Betrachtung. Die Spieler machen das, was von den Regelmechanismen belohnt wird.

Möchtest du jetzt eine oder beide Alternativlösungen diskutieren und ggf. rausfinden, ob es das schon irgendwo gibt oder ob jemand mit solchen Mechanismen Erfahrung hat? Oder möchtest du ausgehend von dem Beispiel versuchen herauszufinden, wie Spielmechanismen das Spielen beeinflussen? Oder was ganz Anderes?
Bin für alles offen! Ich hatte keine Ziele im Blick, als ich getippt habe, sondern wollte lediglich die Beobachtung festhalten, solange sie präzise vor Augen war. Ich frage mich schon lange, warum mich klassische Systeme so nerven. Die Ursache auf den Punkt festzunageln konnte ich aber bisher nicht. Gefühlt ist das jetzt gelungen. Die beiden Alternativen sind auch nicht zufällig gewählt, sondern entsprechen weitgehend dem, was ich gerne hätte, aber noch nicht gefunden habe. Insofern ist die Betrachtung noch lange nicht repräsentativ.

Erfahrungsaustausch ist natürlich das Mittel der Wahl, wenn noch kein systematisches Wissen zur Verfügung steht. Wenn also jemand Regelsysteme kennt, die zu den alternativen Beschreibungen passen, erzählt darüber! Ich würde sogar einen Schritt zurückgehen und fragen, ob denn meine Beoachtung stimmt. Es steht die Behauptung im Raum, dass die meisten Rollenspielsysteme die spielrelevanten Ressourcen als Charaktereigenschaften abbilden. Stimmt das überhaupt? Wenn ihr an eure Erfahrungen zurückdenkt, habt ihr schon mal bewusst oder unbewusst versucht, diese Grenzen zu sprengen? Also zum Beispiel soziale Vernetzung in den Mittelpunkt zu stellen und die Char-Skill-Entwicklung in den Hintergrund zu rücken? Wie hat das geklappt?

Es ist auch spannend herauszufinden, wie Mechanismen das Spiel beeinflussen. Das ist keine neue Problemstellung. Aber wurde sie schon aus dem hier dargestellten Blickwinkel betrachtet? Ich möchte den Blickwinkel auch erweitern. Wie gesagt, bei den Alternativen spielen meine persönlichen Präferenzen die entscheidende Rolle. Was haben wir sonst noch an Beispielen? Bekommen wir auch Spielstile und Spielertypen irgendwie in diese Betrachtung integriert? Western City zum Beispiel legt den Fokus ganz klar auf die Story, das ist durch keines der oben genannten Beispiele abgedeckt.
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Offline Bad Horse

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #5 am: 2.11.2011 | 20:44 »
Mir fallen in der Richtung gerade (etwas unstrukturiert) die Ephemera von PDQ ein: Das sind "Werte", die man aus dem letzten Abenteuer mitnehmen und einmal in einer Szene einsetzen kann. Dazu können dann solche Dinge wie "Maria hat mir das Herz gebrochen" oder "Schatz des Piratenkönigs" gehören (wobei der Schatz damit eigentlich nicht so wahnsinnig gut umgesetzt ist...).

Bei FATE kann man nach einem Abenteuer häufig einen Aspekt anpassen - die Aspekte gehen ohnehin ein bißchen in die von dir vorgestellte Richtung. Da könnte aus "Ritter ohne Land" durchaus "Herr von Burg Bruchwall" werden. Oder auch "Vasall von Graf Zahl". Diese Aspekte haben durchaus Auswirkungen im Spiel und können zugunsten des Spielers angesetzt werden. Zumal dann mit Sicherheit einige Bewohner von Burg Bruchwall Aspekte haben werden, die sich auf den Charakter beziehen - "Treuer Dienst von Kar'a'ktär" oder "Hasst EssZeh heimlich".

Geht das in die richtige Richtung?
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Offline Beral

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #6 am: 3.11.2011 | 20:28 »
Geht das in die richtige Richtung?
Ja. Und da ich FATE noch nie gespielt habe, erzählst du vielleicht, welche Auswirkungen das Regelwerk auf das Spiel hat? Sind Aspekte wichtiger als Fertigkeiten? Werden öfter Fertigkeiten gesteigert oder öfter Aspekte angepasst?
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Offline Yehodan ben Dracon

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #7 am: 17.11.2011 | 13:52 »
Die Würfelproben ergeben im Durchschnitt ein Ergebnis von 0. Die Spanne der reinen Würfelergebnisse geht i.d.R. von -4 bis +4 (manche Würfelvarianten haben leicht veränderte Spannen), was eben im Mittel 0 macht. Darauf gerechnet wird die Fertigkeit, die eine Wertigkeit von 0 bis +5 hat.

Ein Gesamtergebnis von 3 zählt i.d.R. als ordentlicher Erfolg mit Auswirkungen.

Aspekte können einen solchen Würfelwurf mit +2 modifizieren, so dass sie schon erheblichen Einfluss haben. Allerdings braucht man für diese Anwendung eine Ressource: Die Fatepunkte. Während man eine Fertigkeit mit +4 z.B. immer anwenden kann und fast immer ordentliche Ergebnisse erzielt, kann mit Fertigkeit 0 auch mal was reißen, aber nur wenn man einen passenden Aspekt hat und Fatepunkte!
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ErikErikson

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #8 am: 17.11.2011 | 14:06 »
Interessante Idee. Das wäre dann wohl Sim(Char). Momentan hat man ja z.B. bei DSA den nachteil schüchtern, und spielt deshalb den Cahr die ganze zeit schüchtern.

Was ist da jetzt der Vorteil, wenn man statt nachteil ( schüchtern) einen Wert in geltungsbedürfniss vergibt?

Offline 8t88

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #9 am: 17.11.2011 | 14:15 »
Ja Regelmechaniken haben einfluss...
Man sieht das sehr häufig: komplizierte Regeln, oder DInge die nicht funktionieren werden selten Benutzt.
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Offline Turning Wheel

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #10 am: 17.11.2011 | 15:28 »
Dieses Prinzip der falschen Belohnung war mein Antrieb, selbst ein Spiel zu entwickeln.
Das Spiel soll Spielern und dem SL die Möglichkeit geben, selbst Ziele zu finden.
Es kann in Trauma gleichermaßen um Fertigkeiten, Status, Geld oder Macht gehen.
Statt Kämpfen von vornherein etwas anderem mit einer Mechanik vorschub leisten zu wollen ist
genau das, was ich als schlecht bezeichnen würde. Ich mag nicht, wenn der Regeldesigner mich
versucht auf bestimmte Erzählungen einzuengen.
Speziell auf dein Beispiel Lob bezogen, würde ich es als genauso schlecht bezeichnen,
zudem man ja auch Lob bekommen kann, wenn man Leute umbringt. Ein sehr komplexes
Thema, dass ich nicht ausreichend in einem Posting darlegen kann.
Aber so viel zu meinem Designziel: Bei Rollenspielen keine Mechanismen vorgeben, die
versuchen Inhaltliches zu befördern. Das führt immer zu Spielen, die bevormunden.
Mag bei vielen Leuten klappen, aber eine Förderung der spielerischen Eigenverantwortung
finde ich besser.
« Letzte Änderung: 17.11.2011 | 15:47 von Das Nichts »

Offline Oberkampf

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #11 am: 17.11.2011 | 16:03 »
Regelmechaniken beeinflussen dann das Verhalten die Handlungen der Spieler, wenn man sich drauf einlässt, dass unterschiedliche Spiele Unterschiedliches wollen und Unterschiedliches belohnen.

Belohnungsmechanismen halte ich dabei für die sinnvollste und eingängigste Variante. Wenn klar ist, das hinterher beim XP abrechnen Punkte vergeben werden für "erwünschte Handlung X", dann streben Spieler das X als Ziel auch an. Wenn es XP für erschlagene Monster gibt, werden Monster erschlagen, wenn es XP für Gold gibt, wird nach Schätzen gesucht, wenn es XP für Story gibt usw.

Sofortige Belohnungen wirken noch stärker. Wenn es Gummipunkte/Fanmail gibt, werden die Handlungen, die es ausgelöst haben bestärkt. Der Sinn von negativen Modifikatoren erschließt sich mir aber nicht so ganz. Mit diesen Stresspunkten aus dem Beispiel bin ich deswegen auch nicht so glücklich.

Einige klassische Systeme heben deswegen so stark auf Attribute und Fertigkeiten ab, weil die vollkommen für ihr Spiel reichen. Es geht nicht immer darum, einen Charakter mit all seinen Vernetzungen in einer komplexen Umwelt darzustellen. Manchmal geht es eben um die riskanten, spannenden Abenteuer einer kleinen Gruppe von Individualisten und Spezialisten.

Aber die größte Gefahr sehe ich darin, bei einem Spiel, das explizit auf bestimmte Handlungen positiv bestärkend antworten will, per "Hausregel" diesen "Nebeninhalt" kleinzureden, weil er in den Köpfen vieler Rollenspieler "eine Selbstverständlichkeit" ist. Genauso schlimm, wie wenn man das ganze unter irgendeinem nicht definierbaren Schleier des "Guten Rollenspiels" (TM) versteckt, denn dann macht sich jeder die Welt so "wiede wiede wie sie ihm gefällt." Mechaniken, die nicht im Spiel Beachtung finden und keine klar ersichtlichen Vorteile haben, werden immer von Spielern vermieden, selbst wenn diese Spieler die besten Absichten haben.

Deswegen sind z.B. Charakternachteile sinnvoll, wenn diese, sollten sie ausgespielt werden, in irgendeiner Weise regelmechanisch belohnt werden (XP, Fanmail/Bennies, Glückskeks). Deswegen bringen Hintergrundspunkte nur dann etwas, wenn sie ständig für irgendwas sinnvoll eingesetzt werden können, d.h. wenn sie Würfelwürfe ersetzen oder vereinfachen oder den Spielern begrenzten Zugriff auf die Spielwelt gestatten. Eine Burg zu haben ist dann toll, wenn es +2 auf soziale Interaktion mit den Bauern und Kleinadligen der Umgebung gibt.
« Letzte Änderung: 17.11.2011 | 18:14 von youth nabbed as sniper »
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Offline Dark_Tigger

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #12 am: 17.11.2011 | 22:57 »
Eine Burg zu haben ist dann toll, wenn es +2 auf soziale Interaktion mit den Bauern und Kleinadligen der Umgebung gibt.

Es reicht ja schon Regeln zu haben, das man mit einer Burg ein regelmäßiges Einkommen und eine Anzahl, praktisch freier (weil aus dem Lehen finanzierter), NSC Soldaten bekommt.
Vielleicht noch das dort einen Schmied gibt der einen Umsonst die Ausrüstung repariert, oder gar neue baut.
Und schon ist der besitz so einer Burg gar nicht mehr so unintressiert.

Anstrengender finde ich es Spieler davon zu überzeugen Familienmitglieder und nicht SC Freunde, einzubringen.
Zitat
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Offline Beral

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #13 am: 18.11.2011 | 08:37 »
Anstrengender finde ich es Spieler davon zu überzeugen Familienmitglieder und nicht SC Freunde, einzubringen.
Ist offtopic, aber das ist ebenfalls eins "meiner" Themen, so dass ich nicht widerstehen kann. ;D
Rollenspiel folgt dem Grundmuster des Heldenmythos. Zieh in die Welt, bestehe Abenteuer, erschlage die Monster, finde den Schatz, finde deine Braut. Der Heldenmythos wiederum ist eine Spiegelung der psychologischen Entwicklung in der Adoleszenz. Dabei geht es darum, sich emotional von seiner Familie zu lösen, gesellschaftsrelevante Probleme zu lösen, das verlorene Urvertrauen (man hat sich von den Eltern gelöst) in der Welt wiederzufinden und eine Frau für sich zu finden. Die Parallelen zum Rollenspiel sind unübersehbar:

Mythos - psychologische Entsprechung - Rollenspiel
Zieh in die Welt = löse dich von deiner Familie = Familie wurde von Orks getötet
Bestehe Abenteuer = löse relevante Probleme = Rette das Land vor den Orks
Finde den Schatz = finde eine neue Quelle des Urvertrauens = Finde den Schatz
Finde deine Braut = mach sie zur neuen Quelle des Urvertrauens = nix (das ist der Aspekt, der irgendwie häufig ausgespart wird)

Wenn du die Familie der Helden einbringen willst, verstößt du gegen ein Grundgesetz des Heldenmythos. Auf seiner Reise hat die Familie nichts zu suchen.

Falls übrigens jemand eine Diplom- oder Doktorarbeit über Rollenspiele machen möchte, kann ich euch die Parallele von Heldenmythos und Rollenspiel sehr ans Herz legen. Ihr werdet fündig wie sonst was. Wenn eine saubere Methodik gefunden wird, ist es Stoff für ein Fachmagazin.
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Achamanian

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #14 am: 18.11.2011 | 08:59 »

Wenn du die Familie der Helden einbringen willst, verstößt du gegen ein Grundgesetz des Heldenmythos. Auf seiner Reise hat die Familie nichts zu suchen.


Och, man muss aber auch nicht immer alles über die Heldenreise erklären, mich ödet das ehrlich gesagt ein bisschen an ... interessant wäre aber eine Regelmechanik, die eplizit auf Heldenreisen zugeschnitten aus. Und vielleicht auch eine, die explizit auf andere Arten von Geschichten zugeschnitten ist. Wie würde Ersteres aussehen? Wahrscheinlich bräuchte man da ein Stufensystem, auf dem man am Anfang zwar eher inkompetent ist, aber ziemlich schnell seinen ersten Anstieg kriegt, nach dem man dann schon einiges Rocken kann. So wie Luke Skywalker, der nach seinem ersten Abenteuer im Todesstern ziemlich plötzlich schon ein fast fertiger Jedi ist.

Offline Naldantis

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #15 am: 18.11.2011 | 09:24 »
Klassischer Fall: Die Ressourcen des Charakters sind direkt im oder am Charakter festgemacht. Das sind seine Skills und seine Ausrüstung. Das hebt ihn über den "Durchschnittsbürger".
Die Folgen: Charaktere sind losgelöst von der Spielwelt. Alles dreht sich um den Charakter selbst. Seine Entwicklung, seine Ziele, immer geht es um den Charakter direkt. Ein Punkt mehr im Kampfskill bringt ihn regelmechanisch voran. Eine eroberte Burg dagegen nicht. Die Burg hat keinen regelmechanischen Wert, sie ist nur Kulisse. Die ganzen Bewohner der Burg, ihre Arbeitskraft, alle materiellen Ressourcen in der Burg haben regelmechanisch keinen Wert.

Ich denke mal, sobald hinreichend Welt-Simulation gegeben ist, daß die Steuern aus der Provinz in ein neues magisches Schwert investiert werden können, ist die Burg mehr als Staffage.

Ich denke es ist nichtmal der Konfliktresolutionsmechanismus, sondern das Belohnungsystem ausschalggebend.

EXP für tote Gegner? Schon steht die Gruppe Knietief im Blut.
Steigerungswürfe für Anwenden von Fertigkeiten? Es wird in jeder Mittagspause ein Baum erklommen.
Steigerungspunkte nach Abschluß eines Abenteuers? Die Leute langweilen sich ;)

Satire?

Die Praxis zeigt, daß sich die meisten Spieler (postpubertär) NICHT so verhalten.
Einige regelsystem schieben da zwar noch zusätzliche Regeln vor (Midgard: SINNVOLE oder NOTWENDIGE Fertigkeitsnutzung bringt EPs, nicht jede beliebige - die kann nur als Trainingszeit angerechnet werden).

Es steht die Behauptung im Raum, dass die meisten Rollenspielsysteme die spielrelevanten Ressourcen als Charaktereigenschaften abbilden. Stimmt das überhaupt? Wenn ihr an eure Erfahrungen zurückdenkt, habt ihr schon mal bewusst oder unbewusst versucht, diese Grenzen zu sprengen? Also zum Beispiel soziale Vernetzung in den Mittelpunkt zu stellen und die Char-Skill-Entwicklung in den Hintergrund zu rücken? Wie hat das geklappt?

Das Hauptproblem hierbei ist IMHO, daß man dazu eine dichte, vortlaufende Kampagne unter einem SL benötigt, so daß dieses Netz erhalten bleibt, Beziehungne weitergeführt werden und eine relative gesellschaftliche Position in Ihrer Bedeutung konstant ist.
In der heutigen Zeit in der bedauerlicherweise Indi-Systeme, Gruppendynamik und Oneshots an Beliebtheit gewinnen, brechen diese Voraussetzungen leider immer mehr weg.

Dieses Prinzip der falschen Belohnung war mein Antrieb, selbst ein Spiel zu entwickeln.
Das Spiel soll Spielern und dem SL die Möglichkeit geben, selbst Ziele zu finden.
Es kann in Trauma gleichermaßen um Fertigkeiten, Status, Geld oder Macht gehen.

Soetwas finde ich (und ich glaube auch viele andere Spieler) sehr schwierig:
Eine lebenslangs Zielsetzung für einen Char zu definierne.
Klar klar definierte, durch äußere Einflüsse gegebene und zeitlich begrenzte Ziele findet man: Rache für den ermordeten Vater oder genug Geld, um das Familienanwesen zurückkaufen zu können; aber eine lebenslange triebende Vision?
Ich hatte viel mehr Charaktere, die nur einen vollen Bauch oder den nächsten Tag erleben wollten, als Berufsrevolutionäre im Portfolio - und je moderner oder weniger episch das Setting ist, desto schwieriger wird das.

Sofortige Belohnungen wirken noch stärker. Wenn es Gummipunkte/Fanmail gibt, werden die Handlungen, die es ausgelöst haben bestärkt. Der Sinn von negativen Modifikatoren erschließt sich mir aber nicht so ganz. Mit diesen Stresspunkten aus dem Beispiel bin ich deswegen auch nicht so glücklich.

Hängt IMHO doch sehr davon ab, wiesehr mal vom Persöhnlichkeitstypus her auf Bestätigung durch das Soziotop angewiesen ist - also am Spieltisch, wieviel man von dem Fanmail-Absender hält.
(Es gibt einfach Leute, von denen gelonbt zu werden ein Grund sich zu schämen ist.)

Zitat
Deswegen sind z.B. Charakternachteile sinnvoll, wenn diese, sollten sie ausgespielt werden, in irgendeiner Weise regelmechanisch belohnt werden (XP, Fanmail/Bennies, Glückskeks).

...woher weiß ich als Spieler, ob das gerade gespielte Verhalten so als Vorgabe (Vor- oder Nachteil) auf dem Charakterzettel steht - und somit einen Gummipunkt wert ist - oder einfach aus einer Laune heraus gespielt wird?
« Letzte Änderung: 18.11.2011 | 09:50 von Naldantis »

Achamanian

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #16 am: 18.11.2011 | 09:48 »
ptproblem hierbei ist IMHO, daß man dazu eine dichte, vortlaufende Kampagne unter einem SL benötigt, so daß dieses Netz erhalten bleibt, Beziehungne weitergeführt werden und eine relative gesellschaftliche Position in Ihrer Bedeutung konstant ist.
In der heutigen Zeit in der bedauerlicherweise Indi-Systeme, Gruppendynamik und Oneshots an Beliebtheit gewinnen, brechen diese Voraussetzungen leider immer mehr weg.


Das Lamento finde ich jetzt aber befremdlich, es sind doch gerade Indie-Systeme, bei denen mal ausprobiert wird, alternative "Skillsets" in den Vordergrund zu stellen. Na klar sind viele davon eher auf Kurzkampagnen und One-Shots ausgelegt, aber trotzdem würde ich sagen, dass z.B. PTA als Regelsystem hervorragend geeignet ist, um einen Schwerpunkt auf soziale Netzwerke und Interaktion zu legen. Das liegt sicher auch daran, dass ein System wie PTA die Entstehung eines solchen Netzwerks "künstlich" forciert, es braucht dann eben gar keine lange Kampagne, in der etwas derartiges organisch wächst. Und das funktioniert.
Die lange Kampagne braucht es eher bei klassischen Systemen, in denen nur die persönlichen Fähigkeiten der Charaktere, nicht aber ihre Kontakte, ihre Ziele und ihr Besitz, ernsthaft regeltechnisch abgebildet werden (so was Unterbelichtetes wie den "Sozialstatus" bei DSA kann man in dem Zusammenhang getrost ignorieren). Da kriegt man das soziale Netzwerk eben nur darüber, dass es sich quasi nebenher entwickelt (damit meine ich nicht, dass man es in klassischen Spielen zwangsläufig als Nebensache behandeln muss, nur, dass es von den Regeln erst einmal nicht abgedeckt oder als Nebensache behandelt wird). Und das braucht tendenziell mehr Zeit.

Offline Beral

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #17 am: 18.11.2011 | 11:15 »
interessant wäre aber eine Regelmechanik, die eplizit auf Heldenreisen zugeschnitten aus. Und vielleicht auch eine, die explizit auf andere Arten von Geschichten zugeschnitten ist. Wie würde Ersteres aussehen? Wahrscheinlich bräuchte man da ein Stufensystem, auf dem man am Anfang zwar eher inkompetent ist, aber ziemlich schnell seinen ersten Anstieg kriegt, nach dem man dann schon einiges Rocken kann. So wie Luke Skywalker, der nach seinem ersten Abenteuer im Todesstern ziemlich plötzlich schon ein fast fertiger Jedi ist.
Alle Massenware im Rollenspielbereich ist schon auf Heldenreise zugeschnitten! Es handelt sich dabei aber nicht um eine explizite Umsetzung, sondern um implizites Befolgen. Die soziale Einbettung wird regelseitig ausgeblendet. Die vorbereiteten Spielinhalte bestehen aus Abenteuern und Schätzen. Alles ist darauf ausgelegt, dass die Chars als Abenteurer durch die weite Welt ziehen und nicht etwa an einem Ort verweilen. Und man schaue sich nur die Ausrüstungs- und Fertigkeitslisten an! Alles dreht sich um den streunenden Abenteurer.

Tatsächlich wäre es aber sehr interessant, eine explizit auf Heldenreise zugeschnittene Regelmechanik zu entwerfen. Stufensysteme sind aber nicht wesentlich dafür. Es braucht Regeln für eine Erzählstruktur, also Storyregeln. Man kann das in Akte unterteilen, in denen die einzelnen Abschnitte der Heldenreise abgehandelt werden. Zu jedem Akt braucht es ein Set aus Anweisungen und Material, mit dem die Gruppe arbeiten kann. Im ersten Akt beispielsweise wird das Problem festgelegt und der Held auf die Reise geschickt um das Problem zu lösen. Vorgaben: Problem muss gemeinschaftlich relevant sein; Problem muss den Charakter betreffen. Charakter kann sich freiwillig für die Lösung anbieten, er kann gezwungen werden, er kann durch die Umstände zur Reise gezwungen werden. Darauf aufbauend können die Spieler sich gemeinsam ausdenken, was passiert, z. B. mit wechselnden Erzählrechten.
Hm, das wäre echt interessant.
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Achamanian

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #18 am: 18.11.2011 | 11:26 »
Tatsächlich wäre es aber sehr interessant, eine explizit auf Heldenreise zugeschnittene Regelmechanik zu entwerfen. Stufensysteme sind aber nicht wesentlich dafür. Es braucht Regeln für eine Erzählstruktur, also Storyregeln. Man kann das in Akte unterteilen, in denen die einzelnen Abschnitte der Heldenreise abgehandelt werden. Zu jedem Akt braucht es ein Set aus Anweisungen und Material, mit dem die Gruppe arbeiten kann. Im ersten Akt beispielsweise wird das Problem festgelegt und der Held auf die Reise geschickt um das Problem zu lösen. Vorgaben: Problem muss gemeinschaftlich relevant sein; Problem muss den Charakter betreffen. Charakter kann sich freiwillig für die Lösung anbieten, er kann gezwungen werden, er kann durch die Umstände zur Reise gezwungen werden. Darauf aufbauend können die Spieler sich gemeinsam ausdenken, was passiert, z. B. mit wechselnden Erzählrechten.
Hm, das wäre echt interessant.

Die Frage ist dann auch, ob man von Anfang an klarstellt, wessen Heldenreise gespielt wird und welche Rollen die anderen Übernehmen - z.B. als Mentor (ist natürlich doof, dass der Mentor dann spätestens nach einem Abenteuer erst mal sterben oder zwischenzeitlich verschwinden muss, damit der Held sich alleine weiterentwickeln kann, siehe Obi-Wan) oder als Sidekicks. Die würden dann auch anderen Regeln folgen (für den Held ist die Entwicklung seiner Fähigkeiten und seines Charakters entscheidend, die Sidekicks kriegen meistens nur einen wichtigen Wendepunkt in ihrer Charakterentwicklung, wenn sie sich z.B. als unverhoffte Retter in der Not oder als Götter auf tönernen Füßen erweisen).
Ist natürlich alles sehr schematisch ...

Offline Beral

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #19 am: 18.11.2011 | 12:41 »
Ich dachte daran, dass es nur einen Helden gibt, dessen Geschichte die Gruppe erzählt.

So wie du es meinst, kann man die klassische Herangehensweise nehmen. Jeder Spieler hat einen Helden, zusammen bilden sie eine Heldengruppe. Lehrmeiser, Sidekicks, Gegner usw. sind alle Sache des SL.
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Achamanian

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #20 am: 18.11.2011 | 12:48 »
So wie du es meinst, kann man die klassische Herangehensweise nehmen. Jeder Spieler hat einen Helden, zusammen bilden sie eine Heldengruppe. Lehrmeiser, Sidekicks, Gegner usw. sind alle Sache des SL.

Eigentlich nicht, weil es in der klassischen Heldenreise nur Platz für einen Helden gibt. Da hinkt für mich der Rollenspiel-Vergleich auch sehr. Wenn eine Heldenreise im Rollenspiel funktionieren soll, dann müsste man sich m.E. von vorneherein darauf einigen, dass nur ein Spieler den Platz in der Mitte kriegen kann ...

Offline Oberkampf

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #21 am: 18.11.2011 | 14:44 »
Hängt IMHO doch sehr davon ab, wiesehr mal vom Persöhnlichkeitstypus her auf Bestätigung durch das Soziotop angewiesen ist - also am Spieltisch, wieviel man von dem Fanmail-Absender hält.
(Es gibt einfach Leute, von denen gelonbt zu werden ein Grund sich zu schämen ist.)

Zum einen ist Fanmail ja nützlich im Spiel, d.h. jeder Fanmail-Punkt bedeutet im (z.B. ehrlich würfelndem) Rollenspiel eine nützliche Ressource. Wenn die Bedeutung dieser Ressource untergraben wird (z.B. Würfeldrehen), dann ist die Ressource natürlich wertlos, aber wir wollen hier mal ganz optimistisch rangehen und annehmen, dass wir es mit einer fair spielenden Gruppe zu tun haben, die den Ressourcen die regeltechnisch zugedachte Bedeutung zukommen lässt.

Zweitens ist soziale Anerkennung ein Wert an sich- auch für Leute, die den Rebellen spielen. Fanmail vermittelt, unabhängig aller emotionalen Beziehungen auch die Information: das hat mir gefallen! Zudem setzt man sich ja in der Regel mit Leuten an einen Tisch, die einem nicht schnuppe sind oder auf den Geist gehen  ;)

...woher weiß ich als Spieler, ob das gerade gespielte Verhalten so als Vorgabe (Vor- oder Nachteil) auf dem Charakterzettel steht - und somit einen Gummipunkt wert ist - oder einfach aus einer Laune heraus gespielt wird?

Also ich ermuntere meine Spieler immer, daran zu erinnern, wenn sie der Ansicht sind, dass ihr Charakterverhalten einen Bennie wert ist. Und bei Systemen wie FATE sollte man irgendwann die Aspekte der Charaktere seiner Mitspieler kennen, und so die FATE-Points verteilen können. Wenn das selbst nach längerer gemeinsamer Spielzeit so gut wie nie der Fall ist, dann legt die Gruppe wohl keinen Wert auf die rollenspielerische schauspielerische Ausgestaltung eigener Charaktere zur Unterhaltung der Mitspieler. Wen das nicht interessiert, den kann man wohl auch mit Bennies nicht dafür motivieren.

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Offline Turning Wheel

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #22 am: 18.11.2011 | 18:29 »
Der Held kann auch keiner der Spieler sein.
In meiner aktuellen Kampagne sind die Spieler mehrfach diejenigen gewesen, die NSCs einen Teil ihrer Heldenreise
ermöglicht haben. Das war durchaus amüsant für alle Beteiligten, obwohl sie nicht selbst im Mittelpunkt standen.

Ansonsten denke ich, dass die Heldenreise wirklich nur einen kleinen Teil der möglichen Rollenspielplots darstellt.
Und je älter man wird, desto attraktiver werden andere Dinge. Man entfernt sich nun mal irgendwann vollends vom
Prozess des Erwachsenwerdens. Da liegt für mich selbst nicht mehr viel spannendes drin.

Richtig spannendes Rollenspiel bedeutet für mich heute, die Möglichkeit neue soziologische Konzepte zugrunde
legen und daraus folgende völlig neue Plot-Konstellationen spielen zu können.
Natürlich beinhaltet das im Kampagnenspiel vor allem auch der Bezug zur Charakterentwicklung aller Spieler.
Aber über die Heldenreise geht das definitiv hinaus.

Und was ich zum Spielverhalten aus Regelmechaniken noch anmerken wollte:
Wenn Regelmechaniken Spielverhalten vorgeben wollen, dann ist es eben oft so, dass alle dem gleichen Ziel folgen müssen.
Die Art von besserem Rollenspiel, die ich allerdings inzwischen Pflege ist eine, bei der am Tisch auch Spieler mit völlig
unterschiedlichen Zielsetzungen glücklich werden können.
Gute Bücher haben viele Dimensionen, die Leser unterschiedlichster Wahrnehmungswelten begeistern können.
Die "Säulen der Erde" z.B. kann man toll finden aufgrund der architektonischen Hintergründe, oder aufgrund der Beschreibung mittelalterlicher Lebensweise, aufgrund der geschilderten menschlichen und emotionalen Beziehungen oder aufgrund des spannenden, guten Schreibstils, oder aufgrund der historischen Eingebundenheit in Stadt- und Wirtschaftsentwicklung, oder oder oder. Jeder Leser wird dem einen oder dem anderen Thema des Buches mehr oder weniger zugeneigt sein, aber für alle ist genug dabei.
So kann das auch im Rollenspiel sein.
« Letzte Änderung: 18.11.2011 | 18:40 von Das Nichts »

Offline Beral

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #23 am: 18.11.2011 | 21:19 »
Und je älter man wird, desto attraktiver werden andere Dinge. Man entfernt sich nun mal irgendwann vollends vom
Prozess des Erwachsenwerdens. Da liegt für mich selbst nicht mehr viel spannendes drin.

Richtig spannendes Rollenspiel bedeutet für mich heute, die Möglichkeit neue soziologische Konzepte zugrunde
legen und daraus folgende völlig neue Plot-Konstellationen spielen zu können.
Natürlich beinhaltet das im Kampagnenspiel vor allem auch der Bezug zur Charakterentwicklung aller Spieler.
Aber über die Heldenreise geht das definitiv hinaus.
Diese Entwicklung kann ich von mir selbst auch bestätigen. Das klassische Abenteuer hat den Reiz praktisch komplett verloren, hingegen werden Interaktionsmöglichkeiten in einem gegebenen sozialen Netzwerk ungeheuer interessant.
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Offline Oberkampf

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Re: Einfluss von Regelmechaniken auf Spielverhalten
« Antwort #24 am: 19.11.2011 | 12:53 »
Für mich persönlich kann ich sagen, dass der Reiz sozialer Interaktion in einem "alternativen", nicht realen Setting im Rollenspiel bei mir größtmögliche Langeweile auslöst. Ich bin froh, wenn es etwas zu erleben gibt.
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