Autor Thema: Was bedeutet, dass Regeln und Setting miteinander verzahnt sind?  (Gelesen 3726 mal)

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Offline Mann mit Ukulele

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...Auf der Welt von 7th Sea gibt es verschiedene Schwertmeister Gilden. Jede dieser Gilden hatte unterschiedliche Kampftricks die man nur in der Gilde lernen konnte.
[...]
Der Versuch diese Gefüge auf Savage World zu übertragen scheiterte.
Im Fantasy Kompendium sind Regeln/Anregungen für Schwertschulen.

Interessant, was hier schon genannt wurde.
Für mich bedeutet "Verzahnung von Regeln und Setting", dass z.B. reiner Fluff in Regeln gegossen wird. Nehmen wir DSA, Zauberspruch "Sapefacta Zauberschwamm".
Ich käme von mir aus nicht auf die Idee, Regeln dafür aufzustellen, wie ich mein Gewand magisch reinigen kann. DSA macht das so und ich will das gar nicht bewerten!
Wenn man aber versucht, Aventurien mit einem anderen System zu bespielen, gibt es Spieler, die solche Sprüche vermissen und nachfragen, wie sie sowas denn künftig handhaben dürfen.
Der MmU | Wem genug zuwenig ist, dem ist nichts genug. | Poeterey

Offline Ludovico

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Danke vielmals Leute!

Das hat mir sehr geholfen.

Offline Galatea

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Regeln und Hintergrund sollten immer miteinander verzahnt sein. Man merkt das aber halt nur wirklich, wenn man ein Setting hat, das irgendwo sehr von der Norm abweicht.
Entweder man hat dann ein Regelwerk, das explizit auf das Setting zugeschnitten ist oder man hat ein modulares Regelwerk und baut sich sozusagen sein settingspezifisches Paket zusammen bzw. entwirft/modifiziert die Module die man benötigt um die außergewöhnlichen Aspekte des Settings darzustellen.
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El God

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Oder man benutzt Regeln, die so einfach sind, dass sie nicht den Anspruch haben, das Setting abzubilden. Dann lässt man diese Verzahnung außen vor bzw. lässt sie vom SL (oder einem anderen dafür verantwortlichen Mitspieler) on the fly während des Spiels anpassen: Bumms, wir haben Freeform erfunden. Oder ein Regelwerk, dass dazu dient, Geschichten zu erzählen und kein Setting oder Spielgenre zu emulieren.

Ein wichtiges Element wird imho gern vergessen: Dass das Spielgenre extremen Einfluss darauf hat, wie ich die Welt wahrnehme. Mit REIGN spielt man einfach völlig andere Geschichten als mit DSA oder SaWo. Und von allen Systemen gibt es Konvertierungen für Aventurien. Das Regelwerk bestimmt die mechanischen Möglichkeiten, die ein Spieler zur Hand hat: Wenn mein einziges Werkzeug ein Hammer ist, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Und damit beziehe ich mich allein auf die grundlegenden Mechanismen des Spieles, nicht auf die Anpassungen, die man im Rahmen einer Konvertierung vornimmt (Zauber umbenennen bzw. nachbauen, Waffenlisten umschreiben, Rassen, Kulturen, Archetypen anpassen etc.), die sind eh mehr Color als Regel.

Offline Xemides

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Das magst du so anhaben Dolge, mir zum Beispiel ist aber die Color eines Settings enorm wichtig und deshalb ist mir auch wichtig, das die Regeln nicht nur ein getrennt zu betrachtendes Werkzeug sind.

Die Regeln sollen das ermöglichen, was im Setting Möglich ist und sich dem Setting unterordnen, nicht das Setting begrenzen.
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El God

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Ich glaube, du missverstehst. Sicher ist Color dafür wichtig, dass man weiß, in welchem Setting man überhaupt spielt. Aber Color hat imho weniger Einfluss auf das Spielgefühl als Mechanik.

Allerdings muss ich mich bei diesem
Zitat
Die Regeln sollen das ermöglichen, was im Setting Möglich ist und sich dem Setting unterordnen, nicht das Setting begrenzen.

schon fragen, warum du nochmal DSA spielst...

Offline blut_und_glas

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Aber Color hat imho weniger Einfluss auf das Spielgefühl als Mechanik.

Wobei diese Beeinflußung aber nicht immer ganz so offensichtlich abläuft.

Mein liebstes - einleuchtendes und dabei gleichzeitig unvorhergesehenes - Beispiel ist da, als ich einmal erleben durfte wie die D&D 3E-Regelmechaniken mittelfristig hochpolitisches, auf Gewaltvermeidung abzielendes Spiel provozierten.

Bei den Regeln ist ja erst einmal (trotz ein Bauklötzen, die dafür ganz nützlich erscheinen mögen) nicht unbedingt an einen solchen Fokus zu denken. Im Gegenteil, eigentlich präsentiert es sich ja als "Kampfspiel" par excellence, bei dem die eskalierende Macht der Spielfiguren auch und gerade im gewalttätigen Konflikt zum Tragen kommt (und sich das Spiel regelseitig auch erst im Kampf "voll auskosten" lässt).

Was ich da nun beobachten konnte, war dass die Spieler genau diese Eskalation sehr deutlich wahrnahmen - sie aber nicht nur auf ihre eigenen Charaktere bezogen, sondern auch auf deren "soziales Umfeld". Ihnen war klar, dass sie selbst zwar den 15W6-Feuerball mit einem Grunzen quittieren konnten, aber eben auch, dass der Bäcker, bei dem sie sich jeden Morgen ihr Hartwurstbrötchen kauften, das vermutlich ganz und gar nicht konnte (genauso wenig wie der Rest der wiederkehrenden Gesichter aus der Spielweltbevölkerung). Aus dieser Erkenntnis leitete sich dann ein Verhalten ab, das generell darum bemüht war, mit Verhandlungen zum Ziel zu kommen und die vom Regelwerk begünstigte Gewalt zu vermeiden (oder zumindest zu begrenzen) - um Kollateralschäden möglichst sicher auszuschließen.

Der Kampffokus der Regeln hat hier sehr direkt den Verhandlungsfokus des Spiels beeinflußt.

Ich bin mir sehr unsicher, ob die gleiche "Vorsicht" auch mit einem von vornherein in seiner Spielmechanik auf Politik ausgelegten Regelwerk zu Stande gekommen wäre.

mfG
jdw
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Offline Xemides

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Allerdings muss ich mich bei diesem
schon fragen, warum du nochmal DSA spielst...

Weil ich schon finde, das die Regeln das ermöglichen, was das Setting hergibt, nur bei den Abenteuern vergessen das die Autoren leider.
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Offline Galatea

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Oder man benutzt Regeln, die so einfach sind, dass sie nicht den Anspruch haben, das Setting abzubilden. Dann lässt man diese Verzahnung außen vor bzw. lässt sie vom SL (oder einem anderen dafür verantwortlichen Mitspieler) on the fly während des Spiels anpassen: Bumms, wir haben Freeform erfunden. Oder ein Regelwerk, dass dazu dient, Geschichten zu erzählen und kein Setting oder Spielgenre zu emulieren.
Man kann natürlich komplett auf Regeln verzichten, das geht auch.
Ich bin jetzt aber mal davon ausgegangen, dass es hier nicht um regelloses Spiel geht, oder um Erzählspiel/Minimalregelwerke die das Setting überhaupt nicht wirklich abbilden (und das auch garnicht für sich beanspuchen) sondern nur als Orientierungsboje/Erzählungsunterstützung dienen.
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Offline Arldwulf

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Auch on the fly erfundene Regeln können ja mit dem Setting verzahnt sein oder eine Distanz zu diesem schaffen - insofern macht das keinen Unterschied ob die gerade erdacht wurden oder schon vorher auf irgendeinem Stück Papier standen. Und umgedreht ist eine während dem Spiel entstehende Spielwelt keine Garantie für dicht an der Mechanik anliegendes Spielgeschehen.

Es ist eine Frage danach wie Mechanik und Spielwelt zusammenpassen - keine danach wie beide entstehen.

alexandro

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Also ich erhoffe mir ja immer, das Settingdesigner andersherum vorgehen.

In dem sie zuerst ein Setting erschaffen und sich überlegen, wie dort was funktioniert und was dort möglich ist. Und dann erst die Regeln so formulieren, das sie genau das abbilden.

Das ist mein Begriff von Verzahnung, nicht das ein Setting die Regeln unterstützt.

Wenn man erst das Setting erschafft und sich dann Regeln dafür überlegt, dann ist das aber keine Verzahnung (zumindest nicht in dem Sinne "Setting X bedingt Regel Y"). Ich kann jederzeit eine Settingvorgabe erschaffen und dann eine Regel erschaffen, welche diese Settingvorgabe erfüllt. Dann kann ich die Settingvorgabe einem anderen Designer geben, der (ohne Kenntnis meiner Regellösung) eine andere Regel erschafft, welche ebenfalls die Settingvorgabe erfüllt.

Leider ist es so, dass viele Portierungen (und fast alle Fan-Konvertierungen) die gegebenen Regeln als gegeben ansehen und sich bei der Umsetzung davon leiten lassen, statt den notwendigen Schritt zurück zu machen und vom SETTING auszugehen.

Ein Negativbeispiel:
Bei Exalted gibt es einen Charm der nennt sich Ox-Body-Technique.
Das Setting sagt: durch diesen Charm ist der Charakter schwieriger zu töten und kämpft auch bei schweren Verletzungen weiter.
Die Regeln sagen: durch diesen Charm erhält der Charakter zusätzliche Gesundheitsstufen.
Fast alle Umsetzungen die ich gesehen habe (u.a. ORE, MHR, BESM...) fahren die "Mehr Gesundheitsstufen/Trefferpunkte/Wundschwellen"-Schiene. Keine der Umsetzungen der Umsetzungen verschwendet auch nur einen Gedanken daran, dass "mehr TP" möglicherweise keine besonders elegante Umsetzung der Settingvorgabe ist.

Positivbeispiel:
die Magie in der "Savage Warhammer"-Konvertierung: hier wurde die Settingvorgabe (wilde, chaotische Magie, welche oft unangenehme Nebeneffekte hat), mit den Mitteln des Zielsystems umgesetzt, ohne zu sehr am Ausgangssystem zu kleben.

Zitat
Alle Settings, die nachträglich erdacht wurden, damit sie zu den Regeln passen, fühlen sich meist genau so an, als würden sie künstlich auf die Regeln gesetzt.

Dabei kann auch gutes rauskommen: als Beispiel nennen ich immer gerne "Monte Cook's World of Darkness". Hier hat der Designer erkannt, dass die "klassische" WoD sich nur bedingt für D20 eignet. Statt eine weitere schlechte D20-Umsetzung zu schreiben (wie die für 7th Sea, Deadlands, Fading Suns, L5R...) hat er sich hingesetzt und sich überlegt, wie das Setting der WoD beschaffen sein müsste, damit ein Bespielen mit D20 Sinn macht. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.

Ein weiteres gutes Beispiel ist "Realms of Cthulu": zwar werden die SW-Regeln angepasst, um das "klassische" CoC-Gefühl herzustellen, aber es wird noch darauf eingegangen, welche Art von Spiel man mit den normalen SW-Regeln (und/oder den "weichen" Sanity-Regeln aus RoC) machen kann und welche Abenteuer sich evtll. dafür eignen.