1. Ich nehme an, dass es auch in unserer realweltlichen Vergangenheit, auch vor moderner Wissenschaft und Philosophie Menschen und wahrscheinlich auch Gesellschaften gab, die sich nicht um Götter geschert haben.
Das wird sogar eher die Regel gewesen sein.
Wir unterliegen heute insbesondere im christlichen Kulturraum einer sehr verzerrten Wahrnehmung in Bezug auf das Mittelalter, weil über lange Strecken im Prinzip nur der Klerus großartig was aufgeschrieben hat.
Natürlich gewinnt man so den Eindruck, dass Religion damals im täglichen Leben überall gewesen sein muss.
Aber bei Licht betrachtet werden die Leute wohl nicht großartig anders damit umgegangen sein als heute bzw. vor ein paar Jahrzehnten. Der Schein nach außen bleibt im normalen Alltag gewahrt, aber wenn es ans Eingemachte geht oder auch nur im relativ Privaten passiert, ist Gott nicht unbedingt für jeden die oberste Instanz...
Man schaue sich mal an, wie locker die "normal Gläubigen" verschiedener Religionen heutzutage mit eigentlich sehr strengen religiösen Vorschriften umgehen. Da sind öfter mal fünfe gerade, und das wird früher nicht großartig anders gewesen sein.
Es muss nicht der von Quaint beschriebene moderne Mensch mit leichten Anpassungen sein, aber die "Wahrheit" dürfte tatsächlich irgendwo in der Mitte liegen zwischen heutigen Ansichten und dem, was uns historische Quellen so verkaufen wollen.
Man stelle sich mal die Frage, ob das Mittelalter tatsächlich so ausgesehen hätte, wenn sich jeder immer brav an die christlichen Gebote und Wertvorstellungen gehalten hätte
Da gibt es einiges, was nicht zusammen passt - und den Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit hat man früher akzeptiert, weil es nicht anders ging. Oder man manchmal einfach nicht anders wollte.
Dazu auch:
was mich jedoch über die Zeit etwas anfuchst ist, wenn die Spieler Handlungen, die eigentlich den jeweiligen Dogmen (ihrer selbstgewählten Gottheiten) zuwiderlaufen, durch Wortklaubereien zu legitimieren versuchen.
Das ist so gesehen historisch sehr passend. Stichwort Kleriker und kein Blut vergießen
Obendrauf sind viele heute als Spieler dazu geneigt, "unseren" christlichen Gott bzw. seine Beschreibungen als Maßstab zu nehmen.
Ja, innerweltlich faktisch existierende Götter sind da etwas problematischer, aber wenn man die eher aufzieht wie in der Antike, ist auch das durchaus zu machen.
Die "alten" Götter wussten und konnten nicht alles, man konnte sie hintergehen, sie neigten zu Gefühlsausbrüchen und Kurzschlusshandlungen, irrten sich mal und änderten ihre Meinung, wenn sie jemand vom Gegenteil überzeugte.
Die Vorstellung vom einen Gott, der alles weiß und keinen Fehler je vergisst, ist relativ neu.
Daher finde ich übrigens auch Ansätze, die einem Kleriker, Paladin, Geweihten, Jedi o.Ä. beim allerkleinsten Verstoß direkt mal spielmechanisch in die Eier treten, ziemlich daneben.
Kurz:
Wenn SCs ihre Entscheidungen maßgeblich von ihrer Religion bzw. den zugehörigen Moralvorstellungen abhängig machen, ist das eine Entscheidung des Spielers, wie der Charakter so drauf ist.
Zwingend ist das keineswegs.