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Würfeln? Du fängst wahrscheinlich falsch rum an.
nobody@home:
Grundsätzlich kann ich, wenn ich schon eine Liste mit Ergebnissen zur Auswahl erstellen und die Entscheidung zwischen ihnen einem Zufallsgenerator überlassen kann, dieselbe Entscheidung auch selbst treffen. Die Entscheidung, meine Entscheidung überhaupt erst zu delegieren, ist ja auch meine. ;)
Was jetzt nicht heißen soll, daß Zufallsgeneratoren als Werkzeug gar keinen Wert hätten, aber als allererstes liefert mir der klassische Würfel (Nettigkeiten mit Farben, Spezialsymbolen o.ä. also mal außen vor gelassen) tatsächlich nur eine Zahl.
TaintedMirror:
Ich denke wir sind uns hier zumindest einig, dass der Würfel ein Zufallselement ist. Es gibt da zwar auch andere, aber der Würfel oder eine Kombination aus Würfeln sind im allgemeinen leicht handhabbar und können diverse Wahrscheinlichkeitsverteilungen abdecken.
Die Frage, ob man ein Zufallselement haben will ist zwar wichtig, aber wird in der Regel im Rollenspiel (mit großem Spiel) mit "Ja" beantwortet. Somit sind dies eigentlich Schritte, die bereits begangen wurden. Ein Entscheid gegen den Zufall im Rollenspiel ist ja eher ein bewusst gewählter Sonderfall.
Als nächstes kommt also, wann gewürfelt wird und was dort mit rein spielt. Hier unterscheiden wir mal zwischen Spielern (die in der Regel nur einen Charakter führen, aber auch mal für ihre "Seite" würfeln) und Meister.
Zufallstabellen sind zwar so ein Ding, aber im Endeffekt entweder zu speziell oder so allgemein, dass man sie auch nicht bräuchte und das ganze direkt über die Würfelqualität und den Kontext des Wurfes ab handeln kann.
Wandler:
Würfeln in Rollenspielen sind in erster Linie eine Abstraktionsebene. Natürlich sind Würfel (oder auch Karten) ein Zufallselement - keine Frage - aber sie sind eben in Rollenspielen noch mehr. Sie erlauben es beliebige Parameter einzufügen die Erfolgswahrscheinlichkeit beinflussen. Egal ob man nun mehr Würfel würfelt oder einen anderen Wert erwürfeln muss, es führt dazu, dass eine gegeben Erfolgswahrscheinlichkeit sich beeinflussen lässt ohne dass der Mechanismus sich ändert. Weiters kann man meist mit einer Mechanik jede Handlung im Spiel abdecken (auch wenn manche Spiele für unterschiedliche Handlungen unterschiedliche Würfelmechanismen verwenden). Somit ist man sowohl von der Handlung des Akteurs losgelöst, wie auch vom Ausgang der Handlung (Erfolg oder Misserfolg) und kann die Transferfunktion f(Handlung, Parameter) = Erfolg/Misserfolg über die Parameter wie z.B. Attribute, Ausrüstung, fiktive Position beeinflussen.
Ich bin ganz bei TaintedMirror - die Frage ob man überhaupt Zufall möchte oder nicht, wird schon viel früher getroffen, bei der Art von Spiel die man machen möchte. Am einfachsten kann man das ja mit dem gemeinsamen Erzählen vergleichen, bei dem alles gilt was der Vorgänger gesagt hat und man nur darauf aufbauen kann. Hier wäre der Zufall als eigene Mechanik komplett entfernt. Auch wenn einfach der Spielleiter entscheidet würde ich dies als nicht randomisierte Entscheidungsmechanik betrachten, auch wenn aufgrund dem Fehlen von Gedankenlesen für den Spieler es zufällig bleibt. Bei Zufallselementen sind im Rollenspiel schließlich meist externe (weder Spieler noch Spielleiter) Mechanismen gemeint - für den Spielleiter wäre eine eigene Auswahl ja nicht zufällig.
Um eine Formulierung/Idee aus meinem eigenen Rollenspiel aufzugreifen: "[Wann] Warum wird gewürfelt? Es wird gewürfelt um eine Entscheidung zu treffen wenn Spieler und Spielleiter sich über die Folgen einer Aktion uneinig sind". Dieses Konzept setzt zwar keinen Spielleiter vorraus, aber dass es mehr als eine Partei am Tisch gibt, die entscheidet was geschieht. Solange sich alle am Tisch einig sind über den Ausgang jeder Aktion, ist ein Würfeln absolut sinnfrei. Dies ist auch nur eine Verallgemeinerung des klassischen "Peng. Du bist tot. Nein bin ich nicht."-Dillemas, welches sich ja auch heute noch in Rollenspielbüchern als Beispiel findet.
Roach:
Mir persönlich gefällt der Ansatz von Fate am besten: bevor man als Spielleiter einen Würfelwurf verlangt, überlege man sich, ob für die verschiedenen Ergebnisse jeweils ein interessantes Resultat entsteht. Wenn es eine ja/nein-Entscheidung ist, dass Nein aber nur zu Frustration und Langeweile führt (findet der Detektiv die einzige Spur, die den Kriminalfall weiterführt?), wäre es Unsinn, würfeln zu lassen. Entweder führt in diesem Fall das „Nein“ zu 'zig Würfelwürfen, bis dann doch einmal ein „Ja“ herauskommt, oder das Abenteuer kommt knirschend zu einem Stillstand.
Beides ist eigentlich genau das, was mit dem Würfelwurf vermieden werden soll: Langeweile und Stillstand.
Nørdmännchen:
Ich verstehe den Ausgangsthread tatsächlich weiter gefasst. Er ist in meinen Augen grade ein Plädoyer dafür, beim RSP-Design hinter die Würfel zu blicken.
Es geht darum sich zunächst auf eine viel fundamentaleren Funktion von Regelmechanik zu besinnen. Im Rollenspiel interagieren Spielregeln (wie in "game") mit einer Konversation, die fiktionale Erzählungen erschafft (eine Form des "play" - und ja: damit schließe ich manche, recht ursprüngliche Spiele und z.B. auch HeroQuest bewusst aus). Die Eingangs benutzten Modelle (z.B. Anwendungs-Feststellung, die Tabelle, die Wahlmöglichkeiten) sind weit genug gefasst, um von D&D über PbtA, Everway und Fiasco bis hin zu Theatrix, Amber, Dread und Ten Candles alles zu fassen. Auch der optionale Charakter von Würfeln wird bereits im dritten Stichpunkt genannt.
Tatsächlich begegnet mir auch oft die Frage: "Welche Würfel werden denn verwendet?" Als handele es sich bei der Antwort um einen aussagekräftigen Parameter zum Regelwerk. Die viel interessanteren Fragen liegen meines Erachtens an den hier diskutierten Stellen. Und dies wäre dann insbesondere auch beim Bau neuer Rollenspiele von Interesse.
1of3 weist, so wie ich ihn verstehe, darauf hin, dass der Systementwickler viel mächtiger beim Eingriff in das Spielgeschehen ist, als nur über den Erfolg oder das Scheitern von riskanten, handlungsrelevanten Charakter-Aktionen eine Ja-Nein-Entscheidung herbei zu führen. Und er ruft dazu auf, sich dieser Macht bewusst zu werden - auch wenn sie dann nicht genutzt werden sollte.
Vielleicht wäre es spannend mal eine beispielhafte Sammlung möglicher Auslöser und Konsequenzen von Regelanwendung zu erstellen. Dann würde u.U. die Theorie etwas greifbarer?
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